Gottstein bleibt Leiter in Donaueschingen

Der SWR (Südwestrundfunk) hat den Vertrag mit Björn Gottstein als Künstlerischem Leiter der Donaueschinger Musiktage um weitere fünf Jahre bis 2025 verlängert. Der SWR2 Redakteur hatte die Leitung des weltweit ältesten und traditionsreichsten Festivals für Neue Musik im Jahr 2015 übernommen.

Björn Gottstein. Foto: SWR

Unter Gottstein habe sich das Festival weiter geöffnet, schreibt der SWR. Die Zahl der Herkunftsländer der Komponistinnen und Komponisten habe sich deutlich erhöht. Waren in früheren Zeiten nur selten Frauen mit ihren Werken vertreten, so hat sich nun die Zahl der vertretenen Komponistinnen vervielfacht. Mit Diskussionsveranstaltungen und Lectures wurden die Donaueschinger Musiktage diskursfreudiger. Das Forschungs-/Konzert-Projekt Donaueschingen Global 2021 verhandelt Fragestellungen des Postkolonialismus in der Neuen Musik.

Die Donaueschinger Musiktage 2019 finden vom 17. bis 20. Oktober statt. Auf dem Programm stehen neue Orchesterwerke von Saed Haddad, Michael Pelzel, Gérard Pesson, Eva Reiter, Matthew Shlomowitz, Simon Steen-Andersen und Lidia Zielinska. Neben dem SWR Symphonieorchester, dem SWR Experimentalstudio und dem SWR Vokalensemble ist 2019 auch die SWR Big Band zu Gast. Ausserdem sind das Ensemble Intercontemporain, das Klangforum Wien, das Phace Ensemble und das Ensemble Resonanz zu erleben. Kompositionsaufträge erhalten haben Mark Andre, Johannes Boris Borowski, Beat Furrer, Herbordt/Mohren, Gordon Kampe, Bernhard Leitner, Nicole Lizée, Alberto Posadas, Kirsten Reese und François Sarhan.

Björn Gottstein, geboren 1967 in Aachen, ist Redakteur für Neue Musik beim SWR in Stuttgart. Von 2013 bis 2014 war er einer der künstlerischen Leiter des Eclat-Festivals Stuttgart sowie der SWR-Konzertreihe Attacca. Lehrtätigkeiten führten ihn an die TU Berlin, zu den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik, an die Hochschule für Musik Basel und die Universität der Künste Berlin. 2009 bis 2013 war er Vorstandsvorsitzender der Initiative Neue Musik Berlin.

Musikbibliothek Wallis arbeitet Laggers Werk auf

Der Walliser Musiker und Komponist Oskar Lagger hat seine Werke der Mediathek Wallis – Sitten übergeben. Diese veröffentlicht nun dazu ein illustriertes Werk und organisiert ein öffentliches Konzertprogramm in Sitten.

Oskar Lagger (Bild: zvg)

Oskar Lagger ist 1934 in Münster, im Oberwallis, geboren, wuchs aber in Sitten auf. Dort ging er zur Schule, behielt jedoch eine enge Bindung zu seinem Herkunftsort. In seiner Ausbildung kultivierte er den Einfluss des Unterrichts, den er in Paris (1956–1961) und in Wien (1961–1962) besuchte. Seine berufliche Laufbahn ist von seiner Treue zur französischsprachigen wie zur deutschsprachigen Kultur geprägt.

Als Musiklehrer an der deutschsprachigen Sektion des Lehrerseminars, als Kapellmeister der Kathedrale Sitten, als Dirigent, Lehrer und Direktor des Konservatoriums hat er Generationen von Schülern geprägt.

Seit 2003 baut die Musikbibliothek Wallis mit der Unterstützung der Loterie Romande eine Musiksammlung auf. Sie umfasst zurzeit über 18’000 Tonaufzeichnungen, 23’500 Partituren, 4500 Werke und audiovisuelle Träger. Nach Pierre Mariétan (2005), Jean-Luc Darbellay (2010), Jean Daetwyler (2013) und Marie-Christine Raboud-Theurillat (2016) ist der 2018 geschaffene Bestand Oskar Lagger bereits der fünfte dieser Art, den ein zeitgenössischer Komponist der Musikbibliothek Wallis überlässt. Auch die vier anderen Bestände waren Gegenstand einer Publikation der Mediathek Wallis.

Argovia philharmonic unter neuer Leitung

Stabwechsel beim Argovia philharmonic. Der Norweger Rune Bergmann folgt dem Briten Douglas Bostock als Chefdirigent.

Rune Bergmann (Foto: Patrick Hürlimann)

Douglas Bostock verlässt das Orchester nach 18 Jahren zum Ende der Saison 2018/19. Bergmann tritt seine Stelle am 1. Juli 2020 zur Saison 2020/21 hin an, nach dem Einzug des argovia philharmonic in den neuen Konzertsaal, die Alte Reithalle Aarau. Sein Vertrag als Chefdirigent des argovia philharmonic sieht eine Dauer von 3 Jahren vor, mit Option auf Verlängerung.

Basis für den Entscheid sind laut der Mitteilung des Orchesters die beiden bisherigen Gastdirigate beim argovia philharmonic des Norwegers im April 2017 und kürzlich im Januar 2019 sowie die Verfolgung seiner erfolgreichen Arbeit in Calgary und Stettin vor Ort.

Rune Bergmann gastierte bereits bei zahlreichen Orchestern in Nordamerika und Europa, zum Beispiel Baltimore Symphony, Houston Symphony, Detroit Symphony in den USA, Oslo Philharmonic, Bergen Philharmonic, Staatskapelle Halle oder Orquesta Sinfonica Portuguese in Europa. Ausserdem war er 1. Kapellmeister am Theater Augsburg. Zur Zeit ist er Chefdirigent des Calgary Philharmonic Orchestra in Kanada und des Szczecin Philharmonic in Polen sowie Leiter des Musikfestivals Fjord Cadenza in Norwegen.
 

Classical:NEXT in Rotterdam 2019

Vom 15. bis 18. Mai trifft sich der Klassiksektor wiederum im Kulturzentrum De Doelen in Rotterdam. Interessierte aus der Schweiz können den Gemeinschaftsstand «Swiss Music» nutzen.

Das Rotterdamer Kulturzentrum De Doelen. Foto: Classical:NEXT/Rien van Rijthoven,SMPV

Kohäsion, Einigkeit und gegenseitige Entwicklung sind Begriffe, die an der achten Ausgabe des Branchentreffs Classical:NEXT gesetzt sind: Musik soll gemeinsam gemacht werden, Herausforderungen kooperativ gemeistert und alle Stimmen in Harmonie gehört werden.

Wie in den Vorjahren bietet Classical:NEXT die Gelegenheit, sich auf internationaler Ebene konzentriert über die Entwicklungen im Bereich der klassischen Musik zu informieren und auszutauschen. Die Ausstellung, an denen Veranstalter und Produzenten ihre Arbeit präsentieren, wird ergänzt durch vielfältige Konferenzen, Workshops und Konzerte.

Die Fondation Suisa organisiert zusammen mit Pro Helvetia und der Schweizerischen Interpretengenossenschaft (SIG) wiederum den Gemeinschaftsstand «Swiss Music» für Interessierte aus der Schweiz. Anmelden kann man sich bis am 10. Mai.
Link zur Anmeldung

 

Classical:NEXT Rotterdam: www.classicalnext.com

Deutsche Orchester erhöhen Löhne

Der Deutsche Bühnenverein auf Arbeitgeberseite und die Künstlergewerkschaften haben sich auf die Übertragung von Lohnabschlüssen des öffentlichen Dienstes auf detaillierte Lohnanpassungen für die Beschäftigten an Theatern und Orchestern geeinigt.

Foto: stadtratte / stock.adobe.com (Ausschnitt)

An Stadttheatern steigen die Löhne ─ angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) ─ rückwirkend zum 1. April 2019 um 3,09 Prozent und ab 1. März 2020 nochmal um 1,06 Prozent. Für die künstlerisch Beschäftigen an Staatstheatern werden die Vergütungen mit Bezug auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) rückwirkend ab 1. Januar 2019 um 3,17 Prozent, mindestens aber um 100 Euro erhöht, und ab 1. Januar 2020 um weitere 3,17 Prozent, mindestens aber um 90 Euro.

Die Vergütungserhöhungen an Landesbühnen richten sich danach, welchem der genannten Tarifbereiche die jeweilige Landesbühne zugeordnet ist. Da Hessen kein Mitglied mehr in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ist, einigten sich die Tarifparteien für die Hessischen Staatstheater, das Theater Giessen und das Theater Marburg auf die Anwendung der TV-L-Regelungen. Ab 1. Februar 2020 gilt dann auch für diese Theater der weitere Erhöhungsschritt des Tarifbereichs TV-L.

Durchmischte Szenen und Generationen

Das diesjährige Taktlos-Festival wurde vom Gitarristen Manuel Troller kuratiert. Es war ihm ein voller Erfolg beschieden.

Experimentalgitarrist und Festivalkurator Manuel Troller. Foto: manueltroller.com/media/images

«Waghalsige Musik zwischen den Genres und abseits des Mainstreams» – so definierte der rührige Festival-Mitbegründer Fredi Bosshard einst die Ausrichtung von Taktlos. Daran hat sich auch unter der neuen Regie nichts geändert. Zum zweiten Mal wurde die Veranstaltung heuer vom Taktlos-Verein (Präsident Tapiwa Svosve, Vize-Präsident Gregor Frei) organisiert, nachdem zuvor 34 Jahre lang der Verein Fabrikjazz verantwortlich gezeichnet hatte. Zum neuen Konzept gehört es, dass der Programmgestalter oder die Programmgestalterin von Jahr zu Jahr wechselt. 2018 machte der Schlagzeuger Lucas Niggli den Anfang. Diesmal fiel die Wahl auf den Gitarristen Manuel Troller, der sich einerseits mit der weit über die Schweizer Grenzen bekannten Post-Avant-Rock-Band Schnellertollermeier, andererseits mit eigenwilligen Solowerken sowie Kollaborationen unter anderen mit dem Schriftsteller Michael Fehr hervorgetan hat. Bei seiner Auswahl sei es ihm auf «Eigenständigkeit und Originalität der einzelnen Musikentwürfe» angekommen, sagt Troller: «Dass sie mich bewegen, überzeugen und begeistern.» Weiter habe er darauf geachtet, dass die beteiligten Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Szenen und Generationen stammten, wovon er sich auch eine entsprechende Durchmischung des Publikums erhoffe. «Nicht zuletzt waren mir klare künstlerische Haltungen wichtig. Das ist für mich ein zentraler Anspruch, den ich auch an meine eigene Arbeit stelle.» 

Hingabe ohne Unterwerfung

Standesgemäss trat Troller selber am Donnerstag in der Kanzlei zur Festivaleröffnung an. Er tat dies mit Andi Schnellmann (Bass) und David Meier (Drums), die zusammen die Band Schnellertollermeier ausmachen. «Die scharf konturierten Grooves und minimalistischen Gitarrenläufe bleiben einem im Gehör hängen wie ein Popsong», konnte man im Programmheftchen lesen. Nun, ganz so weit würde der Schreiber dieser Zeilen nicht gehen. Auf jeden Fall aber geht von den intensiven Repetitionen und den subtilen Verschiebungen innerhalb der Stücke eine hypnotische, transportive Kraft aus. Wohltuend zudem die brachiale elektrische Lautstärke des Trios. Sie verlangt vom Publikum Hingabe und Konzentration, verwehrt ihm indes, sich in der ärgerlichen, unterwürfigen Andacht zu üben, welche die Stimmung experimenteller Konzerte dann und wann prägt.
Mit ihrem Eröffnungsauftritt lieferten Schnellertollermeier gleich einen der Höhepunkte des Festivals. Ihm folgte die französische Pianistin Eve Risser. Der Tastatur des Flügels kommt in ihren perkussiven Händen kaum mehr Bedeutung zu als den klanglichen Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn irgendwelche Gegenstände in den Schallkörper geworfen, geklemmt und geschoben werden. Ich muss gestehen, dass es mir nicht gelang, den resultierenden Sounds irgendwelche Freuden abzugewinnen. Da machte Joshua Abrams mit seiner Natural Information Society aus Chicago den Zugang schon leichter. Auch sie arbeiten mit Repetition, streuen filigrane Details in die Muster ein, die sich in blumiger Schönheit langsam entfalten. Die Instrumentierung allein – Gimbri, indisches Harmonium, Bassklarinette, Perkussion – ist ein Garant für ungewöhnliche Klangerlebnisse. Auch gemahnte der Auftritt mit all den exotischen Gewändern, Instrumenten und Bärten wohltuend an alte Zeiten, wo das Wort «Laptop» noch nicht erfunden worden war und sich jeder vernünftige Mensch von Kopf bis Fuss in Patschuli hüllte.
 

Soloflüge und Gipfeltreffen

Schnellertollermeier, Eve Risser und Joshua Abrams: der stilistische Bogen des ersten Taktlos-Abends hätte weiter kaum gespannt sein können und erfüllte damit perfekt Trollers selbstauferlegte Vorgabe. Das zahlreich erschienene Publikum – die Kanzlei war praktisch ausverkauft – erfüllte in seiner altersmässigen Mischung die Hoffnungen ebenfalls voll und ganz. Kaum weniger weit gefächert und spannend gestalteten sich die weiteren Abende. So konnte etwa die Sängerin Sofia Jernberg krankheitshalber nicht zum geplanten Duett mit der Saxofonistin Mette Rasmussen antreten – Rasmussen schaffte es aber problemlos, die Bühne solo zu beherrschen. Ihre manchmal fulminanten, manchmal zarten, manchmal auch witzigen Stücke waren wohltuend kurz, fokussiert und verspielt. Das Trio von Camille Emaille (Drums), Hans Koch (Sax, Klarinette) und dieb13 (Turntables) wurde angekündigt als «eine Art Gipfeltreffen der Geräuschkunst». Mich beschäftigte die Frage am meisten, wie genau dieb13 seinen Plattenspielern diese Klänge abringen konnte. Mit einem kraftvollen und doch meditativen Soloauftritt setzte Manuel Troller am Samstag im Club Zukunft ein weiteres Festival-Glanzlicht.

Einnahmen aus Musikverkäufen wachsen

Weltweit sind die Einnahmen aus Musikverkäufen 2018 um 9,7 Prozent gestiegen. Nach dem vierten Wachstumsjahr in Folge liegt der Umsatz der Musikindustrie jetzt bei 19,1 Milliarden Dollar.

lovelyday12/fotolia.de

Die Streaming-Erlöse legten um 34 Prozent zu und machen nun fast die Hälfte (47 Prozent) des weltweiten Branchenumsatzes aus. Treiber in diesem Bereich war das kostenpflichtige Streaming (plus 32,9 Prozent); insgesamt 255 Millionen Nutzerinnen und Nutzern bezahlter Abonnements haben dafür gesorgt, dass Audio-Streaming im vergangenen Jahr einen Anteil von 37 Prozent am Gesamtumsatz hatte.

Durch das Streaming-Wachstum konnten die Rückgänge im physischen Bereich (minus 10,1 Prozent) und bei Downloads (minus 21,2 Prozent) mehr als ausgeglichen werden. Der Digitalanteil liegt weltweit nun insgesamt bei 58,9 Prozent.

Die Zahlen entstammen der neuen Ausgabe des Global Music Report (GMR), den die International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) in London vorgestellt hat.

 

 

Nick Bärtsch mit Zürcher Kunstpreis geehrt

Der Jazzmusiker Nik Bärtsch erhält den mit 50’000 Franken dotierten Kunstpreis 2019 der Stadt Zürich. Die Auszeichnung für besondere kulturelle Verdienste geht an den Verleger David Basler.

Foto: Claude Hofer

Bärtsch sei «einer der wichtigsten Exponenten des Schweizer Jazz» schreibt die Stadt Zürich. In den letzten Jahren habe er sich kontinuierlich und höchst reflektiert eine ganz eigene musikalische Sprache erarbeitet, die international grösste Beachtung finde. Auch mit diesem Erfolg weit über die Landesgrenzen hinaus sei Bärtsch weiterhin in der lokalen Szene sehr aktiv. Er spielt seit gut 15 Jahren fast jeden Montag ein Konzert in der Stadt Zürich und ist unter jungen Zürcher Musikerinnen und Musikern ein geschätzter Mentor.

Die Auszeichnung für besondere kulturelle Verdienste – dotiert mit 20’000 Franken – verleiht die Stadt Zürich dem Verleger David Basler. Als Mitgründer des mittlerweile allein auf Comics spezialisierten Verlags «Edition Moderne» und mit dem Comic-Magazin «Strapazin» habe er die Stadt Zürich fest auf der Landkarte des internationalen Comicschaffens verankert.
 

Seiler und Bucher gehen nach Chicago

Der Verein Städtepartnerschaft Luzern-Chicago hat an sechs Luzerner Kulturschaffende ein Atelierstipendium in Chicago vergeben. Darunter sind auch die Musikschaffenden Joan Seiler und Roland Bucher.

Blind Butcher. Foto: zvg

Mit dem von ihr skizzierten Thema «People of Color» setze sich die 1988 geborene Musikerin Joan Seiler «mit dem pulsierenden Schmelztiegel Chicago auseinander», schreibt die Stadt Luzern. Seiler nehme politische Themen auf und verarbeite sie spielend und komponierend. Sie pflüge ein breites musikalisches Terrain, das sie stets erweitere.

Roland Bucher (geboren 1976) ist die Rhythmusabteilung des Duos Blind Butcher, das in den letzten zwei Jahren in der Schweiz, in Deutschland oder Frankreich aktiv war. Als Mitbewohner im Künstlerhaus Das Gelbe Haus bewege sich der Musiker «in einem durchlässigen, kreativ-künstlerischen Kontext und arbeitet vielseitig und spartenübergreifend». Überzeugt hat die Jury sein Soloprojekt Noise Table.

Der Verein Städtepartnerschaft Luzern-Chicago unterhält seit dem 1. September 2001 in Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton Luzern sowie mit Unterstützung von privaten Sponsoren in Chicago ein Wohnatelier, das Luzerner Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt wird. Die Belegung des Ateliers für die Jahre 2020 und 2021 wurde Anfang dieses Jahres ausgeschrieben. Die Ausschreibung richtete sich an Kulturschaffende aller Sparten aus dem Kanton Luzern.

Über Tiermusik

Mathias Gredig rollt kulturhistorische und philosophische Fragen auf rund um eine Musik der Tiere vom Alten Ägypten bis ins 19. Jahrhundert.

Foto: Marek Michalsky/unsplash

Es ist ein ungemein gescheites Buch, gerade auch weil es der eigenen Gescheitheit kritisch gegenübersteht. Kaum vorstellbar, was für ein Wissen Mathias Gredig zum Thema Tiermusik zusammenträgt und doch bleibt er dabei skeptisch, methodisch getragen von der alles anzweifelnden, pyrrhonischen Skepsis der Antike: Können wir überhaupt sagen, ob Tiere Musik machen? Schliesslich müssten das ja die Tiere wissen. Was sich wohl die den Ägyptern heiligen Paviane dachten, wenn sie mit ihrem Geschrei/Gesang die Sonne begrüssten?

Mindestens so interessant ist freilich, wie sich die Menschen zu den Tieren und deren Musik verhielten. Dass Nachtigallen wunderschön singen, war allen klar, aber machen sie Kunstmusik? Nein, sagt Augustinus, weil sie nichts von den Zahlenverhältnissen und Intervallen verstünden. Seltsame Argumentation, aber durchaus typisch für Philosophen. «Darauf könnte einiges entgegnet werden», meint Gredig dazu vielsagend.

Das eine Beispiel zeigt schon, wie widersprüchlich und vielfältig unser menschliches Verhältnis zu den Tierlauten ist. Nicht nur lassen sich die Tonsysteme nicht miteinander vergleichen, die Ausdruckswelten sind völlig divers. Dieses Befremden schlug sich durch all die Jahrhunderte in zeichnerischen Karikaturen von musizierenden Eseln, Hunden, Gänsen und vor allem Affen nieder, aber auch in musikalischen Nachahmungen. Dabei kam es durchaus vor, dass da ein Künstler die Naturmusik dem Menschenlärm vorzog. Und manche Anekdote führt einmal mehr, wenig überraschend eigentlich, vor Augen, wie grausam das edle Menschengeschlecht mit den Tieren umging. Athanasius Kircher etwa berichtet von einer Katzenorgel: Den darin eingeschlossenen Tieren wurden dabei via Tastatur Nadeln in die Schwänze gestochen!

Das Quellenmaterial, das Gredig hier präsentiert, ist höchst disparat und reichlich. Der junge Musikwissenschaftler, der 2017 über das Thema in Basel dissertierte, legt nun ein überwältigendes Kompendium über «Tiermusik» vor. Es führt weite Wege, vom ältesten Altertum bis ins 19. Jahrhundert, von Pythagoras bis Thoreau und Alkan, von ptolemäischen Skulpturen bis zu Grandville, und schliesslich bis in unsere Tage, es ist manchmal auch weitschweifig, aber stets lehrreich, lädt zum Sich-Verlieren ein, zieht nebenher auch einige Gewissheiten in leisen Zweifel – und ist insgesamt doch leicht, ja amüsant zu lesen.

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Mathias Gredig: Tiermusik. Zur Geschichte der skeptischen Zoomusikologie; 506 S., € 64.00, Königshausen & Neumann, Würzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6468-5

Bernstein – ein grosser Komponist?

Der Laaber-Verlag widmet Leonard Bernstein ein Kompendium, das sein kompositorisches Werk ins Zentrum rückt.

Leonard Bernstein 1955. Foto: Al Ravenna / Library of Congress

Das Jubiläumsjahr zu Leonard Bernstein (1918–1990) hat es eindrücklich gezeigt: Die Faszination für diesen Ausnahmemusiker ist ungebrochen; hoch gehandelt wird er nach wie vor als exzentrischer Dirigent und als Wiederentdecker der Musik Gustav Mahlers. Und der Komponist? Der Laaber-Verlag hat nun Bernstein und seiner kompositorischen Tätigkeit in all ihren Facetten einen Band seiner renommierten Buchreihe «Grosse Komponisten und ihre Zeit» gewidmet. Es ist ein staunenswertes Unterfangen, das «Enfant terrible» der Szene in einer Reihe mit so bedeutenden Exponenten wie Beethoven, Brahms oder Mahler zu präsentieren. Doch gerade darin liegt der Reiz dieses Kompendiums: in der sachlichen, musikwissenschaftlichen Annäherung. Es ist keine Biografie, das Buch besteht vielmehr aus Fachaufsätzen zu ausgewählten Themen, fünf davon sind dem Komponisten Bernstein gewidmet, fünf weitere einzelnen Werken wie den wunderbaren Chichester Psalms.

Und da gibt es wahrlich vieles zu entdecken; zumal am Anfang der Essay von Gregor Herzfeld «Auf der Suche nach einer amerikanischen Musik» die Anfänge klassischer Musikproduktion in den USA thematisiert. Ulrich Wilker widmet sich in «Krisenszenarien und Weltanschauungsmusik» Bernsteins sinfonischem Schaffen, Nils Grosch erläutert dagegen dessen «Musical Comedies». Natürlich dürfen auch Betrachtungen zum Dirigenten Bernstein und zu dessen «Vermittlung von Musik in Film und Fernsehen» – lange vor der Education-Welle – nicht fehlen. Seine Rolle bei der Mahler-Pflege wird ebenfalls kritisch reflektiert.

Ergänzt wird das Buch durch eine ausführliche Chronik, die bereits 1892 mit der Geburt des orthodox chassidischen Vaters, Shmuel Yosef, beginnt. Dann folgt auf nicht weniger als 42 Seiten eine ausgiebige Chronologie zu Leben und Wirken, wobei auch wichtige politische Ereignisse eingebunden sind. Herausgeber Andreas Eichhorn präsentiert ein interessantes, abwechslungsreiches Buch mit einem Werkverzeichnis, das aufzeigt, wie umfangreich Bernsteins kompositorisches Werk neben der West Side Story ist – auch wenn nur eine Auswahl aufgelistet ist.

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Leonard Bernstein und seine Zeit, hg. von Andreas Eichhorn, 407 S., € 37.80, Laaber-Verlag, Laaber 2017, ISBN 978-3-89007-768-0

Lagenspiel auf der Geige

Das im Selbstverlag herausgegebene Heft von Martin Keller wird besprochen von dessen «Kollegenfreund und advocatus diaboli».

Foto: Clem Onojeghuo / unsplash.com

Die Materialsammlung zum Lagenspiel von Martin Keller ist aus der intensiven Beschäftigung des Autors mit der Barockgeige hervorgegangen, die man ja mit der linken Hand und nicht mit dem Kinn festhält. Deshalb ist ein grosser Teil dem Lagenschleichen und den Halslagen gewidmet.

Der erste Eindruck ist geprägt von musikalischem und technischem Erfindungsreichtum. Eine Vielzahl von Lagenwechsel-Geheimnissen werden musizierend anregend erarbeitet. Das trifft zwei Fliegen auf einen Schlag. Das Heft enthält viel gutes Lesematerial in allen Tonarten, verschiedenen Stilen und Rhythmen, schöne Eigenkompositionen, anregende Duette. Längere Stücke, in welchen man in Schwung käme, fehlen dagegen. Die meisten Lagenwechsel-Probleme sind exakt und mit sprechenden Beispielen erhärtet. Die Benennung gewisser Praktiken durch Buchstaben wirkt allerdings etwas intellektuell. Sie sollten durch eindeutige fachliche oder bildhafte Namen ersetzt werden. Ein Plus ist die ausführliche Erläuterung und Einübung von Kontraktion und Extension. Es wird aber nicht präzisiert, dass diese Techniken nur geeignet sind für langsame, ausdrucksvolle Musik. Für schnelle Passagen sollte der zur jeweiligen Lage passende Quartgriff nicht noch mit Kontraktionen und Extensionen belastet werden, sonst leidet die Intonation. Ganz besonders gelungen sind die Teile Tonleitern und Läufe durch den Quintenzirkel S. 8 und 114/115 (exzellent!), Der Skispringer S. 13 und die Einführung ins künstliche Flageolett S. 112 und 113.

Dem Heft fehlt aber einiges, um als «Schule» zu gelten, d. h. didaktisch aufbauend zu sein:

  1. Das elementare Erlebnis des Griffbrettes, zuerst in seiner ganzen Länge; Armschwung seitwärts (Ellbogen) und vorwärts-rückwärts, Handgelenkbiegungen. Prinzip «vom Grossen zum Kleinen».
  2. Das Bewusstmachen der verschiedenen Kontakte des Fingers zur Saite in einem eigenen Kapitel: a nicht berühren (leere Saite) bei frei aufgesetzten Lagenwechseln (auch als Vorstufe zu c: Lagenwechsel mit Vorschlag der leeren Saite, um das Entlastens des Fingerdrucks zu lernen), b gleiten wie «Schlittschuh fahrende Mücke» (Flageolett(-glissando)), c lockeres Lagenwechselglissando als hörbares Tonhöhegleiten, d festes Greifen.
  3. Genügend Übungen und Stücke mit Lagenwechsel durch Messen des Lagenwechselintervalls des letzten Fingers der alten Lage («Taxi») zu dessen Hilfston («Taxistandplatz») in der neuen Lage mit Fingerkontakt c (siehe 2.) und erst dann entschlossenes Greifen mit dem Zielfinger. Dabei Bewusstmachen des Vorausfühlens der Zielgriffart.
  4. In diesen Zusammenhang gehörte auch das bewusste Umstellen des Spielfingers z. B. beim Rutschen einer grossen Terz von steil zu flach, bei einer kleinen umgekehrt.
  5. Nutzen der Resonanztöne für sichere Intonation.
  6. Wieso ist das Heft auf die ersten vier Lagen beschränkt? Meines Erachtens ist z. B. das Transponieren einer Melodie auf der (den) gleichen Saite(n) eine Oktave höher ein nützliches und deutliches Erlebnis für die Verengung des Quartgriffes (gehört eigentlich unter 1.), die ja bei allen Lagenwechseln stattfindet. Ferner sind all die wichtigen Kontakte der Hand mit dem Instrument unerwähnt und sollten alle drei bewusst gemacht werden: a 1. und 2. Lage freies Handgelenk, b 3. und 4. Lage Handgelenk am Korpus angelehnt, c 5. und höhere Lagen Daumenspanne am Halsansatz.
  7. Die Rolle des Handgelenk-Vor- und Zurückbiegens z. B. beim «Holen» einiger Töne in der halben Lage aus der 2. Lage und zu ihr zurück, das direkt zum echten Paganini-Lagenspiel führt (siehe Philippe Borer: The twenty-four caprices of Niccolo Paganini, their significance for the history of violin playing and the music of the romantic era, Stiftung Zentralstelle der Studentenschaft der Universität Zürich, 1997). Dort wird in vielen Beispielen gezeigt, dass Paganini sehr viele Lagen (etwa 1.–6.) aus der Handstellung der 3. Lage erreicht. Dieser Ansatz hat mir zur einfachen Lösung vieler kniffliger Stellen verholfen. Bei Keller finden sich gute ähnliche, aber kleinere Anforderungen mit sogenannten Scheinlagenwechseln, ohne aber die Rolle des Handgelenkes zu erwähnen, die erlaubt, den Arm stabil (und dadurch sicher) in einer Lage zu halten. Das Handgelenk ist auch der Motor für das Spiel zur halben Lage und zurück; der Arm bleibt in der ersten Lage.

Wenn der Autor den Lehrpersonen eine individuell passende Auswahl aus seinem Material empfiehlt, müssen diese sich bewusst sein, dass sein Material zwar wertvoll, aber nicht umfassend ist.

Martin Keller, Lagenspiel auf der Geige Einführung in die 1. (inkl. halbe) bis 4. Lage und deren Wechsel untereinander, Bewegungs- und Intonationsprobleme. Selbstverlag, erhältlich beim Autor zur Ansicht oder zum Kauf (Kopierkosten Fr. 22.50),
m.keller-rall@bluewin.ch

Klarheit im Dschungel der Versionen

Die Orgelsinfonie No. V von Charles-Marie Widor ist in einer Reihe von Neuausgaben bei Carus erschienen, die zum Ziel hat, einen repräsentativen Ausschnitt aus den Orgelwerken des Komponisten vorzulegen.

Charles-Marie Widor 1924. Foto: Agence Roi; Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France

Mit der Herausgabe der bekanntesten Orgelsinfonien von Charles-Marie Widor (1844–1937) liefert der Carus-Verlag nach seiner Edition der Orgelwerke Louis Viernes einen weiteren wichtigen Beitrag in der Edition französischer Orgelsinfonik. Stellt sich bei Vierne vor allem das Problem zahlreicher Druckfehler, zum Teil mit der Sehschwäche des Komponisten zu begründen, ist es bei Widor die Frage nach der verbindlichen Fassung, für die sich ein Herausgeber entscheiden muss. Der Komponist revidierte seine Orgelsinfonien im Verlauf seines Schaffens mehrfach, wobei er immer wieder grössere oder kleinere Korrekturen und Anpassungen vornahm oder sogar ganze Sätze austauschte, so zum Beispiel im Fall der 2. Sinfonie, wo ein typisch romantisches «Jagdhorn-Scherzo» durch ein Salve Regina im Spätstil Widors ersetzt wurde, das nur schwer in den Kontext der anderen Sätze zu passen scheint. Aufgrund dieser Unterschiede zwischen den Fassungen gilt es sorgfältig zu entscheiden, welche Ausgabe man benutzt, umso mehr, als im Internet oder bei amerikanischen Reprint-Verlagen durchaus auch frühe Fassungen kursieren, die nicht dem «letzten Willen» des Komponisten entsprechen. So gibt z. B. die unter Studierenden beliebte, kostengünstige Dover-Ausgabe sämtlicher Sinfonien in zwei Bänden die Fassung von 1887 wieder. Abnutzung der originalen Druckplatten bereitet zudem gewisse Schwierigkeiten in Bezug auf die Leserlichkeit des Texts.

Im Fall der vorliegenden, dank ihrer rauschenden Schluss-Toccata wohl bekanntesten Sinfonie Widors, der fünften, erschienen erste Ausgaben 1879 und 1887, die aber 1901, 1902–11, 1920 sowie 1928/29 revidiert wurden, wobei Widor wie immer den Notentext überarbeitete und auch nach der letzten Auflage noch weitere Änderungen vollzog. So wurde der zweite Satz (ursprünglich eine ABA-Form mit integraler Reprise des A-Teils sowie einer Binnenwiederholung) für die letzte Edition durch Verzicht auf die Wiederholung und einen drastisch verkürzten A’-Teil um fast 150 Takte reduziert; in der Toccata ergänzte Widor Artikulationen und Akzente und verlangsamte das Tempo von Viertel = 118 auf 100 – eine klare und durch Widors eigene Aufnahme von 1932 belegbare Anpassung, die allerdings viele Interpreten bis heute ignorieren.

Bereits in den 1990er-Jahren erschien bei A-R Editions in den USA eine Kritische Gesamtausgabe aller Sinfonien, die minutiös über deren Textunterschiede und Lesarten Aufschluss gab, hierzulande allerdings kaum Beachtung fand. Die nun vorliegende Carus-Ausgabe von Georg Koch verwendet ebenso die letzte Revision der Sinfonie von 1928/29 als Hauptquelle, ergänzt durch spätere handschriftliche Korrekturen Widors; die Unterschiede der beiden Neuausgaben sind daher marginal. Der Kritische Bericht gibt Einsicht in Lesarten der früheren Fassungen oder Ergänzungen aus Widors Schülerkreis (im vorliegenden Fall z. B. Albert Schweitzers Handexemplar mit einem Kürzungsvorschlag), die zum Teil interessante Alternativen darstellen könnten, etwa bei gewissen Registrierungen, die Widor in seinem Spätstil weniger farbig und «abgeklärter» gestaltete als noch zwei Jahrzehnte zuvor. So verfügt der Spieler über eine zuverlässige, mit einem informativen Vorwort versehene Quelle, die ein klares Bild der Entstehungsgeschichte des Werks schafft und, genauso wie ihr amerikanisches Pendant, sehr zu empfehlen ist.

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Charles-Marie Widor: Symphonie No. V pour Orgue op. 42,1, hg. von Georg Koch, CV 18.179, € 29.95, Carus, Stuttgart 2018

Urheber von Beethovens Magenverstimmung

Wilhelm Klingenbrunner versorgte Beethoven mit Fisch. Er war aber auch ein beliebter Komponist, der seine Werke mit technischen und aufführungspraktischen Hinweisen versah.

Foto: Bärbel selbst/pixelio.de

Wilhelm Klingenbrunner (1782–Mitte 19. Jh.), hauptberuflich als «landständischer Cassen-Beamter» beim niederösterreichischen Landobereinnehmeramt tätig, eignete sich, wie es sich für bürgerliche Kreise damals gehörte, Gesang, Flöten-, Klarinetten-, Bassetthorn- und Gitarrenspiel an. Musik nur zum Zeitvertreib, als «Dilettant», zu spielen, reichte ihm aber nicht. Er war ein hervorragender Flötist, Mitglied der 1812 gegründeten Gesellschaft der Musikfreunde und bewegte sich als Komponist und – unter dem Pseudonym Wilhelm Blum – auch als Volksdichter in den künstlerischen Zirkeln seiner Zeit in Wien. Knapp 70 Kompositionen unprätentiösen, aber gefälligen Charakters für Flöte oder Csakan sind von ihm überliefert, aber auch Bearbeitungen (z. B. von Mozarts Zauberflöte) und Instrumentalschulen, etwa eine «auf selbst gewonnenen Erfahrungen basierte Flötenschule in zwei Abtheilungen».

Die Werke der vorliegenden Neuausgabe sind der um 1815 erschienenen «Neuen theoretischen und praktischen Csakan-Schule» entnommen. Diese erfreute sich in kurzer Zeit grosser Beliebtheit, nicht zuletzt der blockflötentechnischen und aufführungspraktischen Anleitungen wegen. So lautet beispielsweise das zeitkonforme Verständnis des «Abstossungs-Zeichens staccato» folgendermassen: «Mit Punckte marquierte Stellen fordern das besondere Anschlagen jedes einzelnen Tones», also nicht wie heute üblich einen kurzen, sondern einen besonders hervorgehobenen Ton.

Die in der Reihe «Diletto musicale» herausgegebene Auswahl vereint neben dem informativen Vorwort 25 kleine Duette aufsteigenden Schwierigkeitsgrads und unterschiedlichen Charakters im leichtfüssigen Stil der Biedermeierzeit. Liedartige Sätze und gängige Tanzformen wie Menuett, Walzer, Alla Polacca oder Angloise wechseln sich ab.

Nicht nur als Komponist «beliebt gewordener Werkchen für die Flöte und den Csakan» (wie es in Gustav Schillings Musikalischem Lexikon von 1840 heisst) scheint Klingenbrunner aber Talent gezeigt zu haben. So besorgte er für Beethoven jeweils den Fisch und wurde von diesem deshalb scherzhaft als Fischoberaufseher bezeichnet. Einmal aber scheint er keinen frischen Fang erwischt zu haben, worauf Beethoven missmutig in sein Konversationsheft schrieb: «Ich habe einen verdorbenen Magen / Klingenbrunner / Er ist für die Flöte das, was Gelinek für das Klavier war. / Nichts als Variationen vom gewöhnlichen Schlage.»

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Wilhelm Klingenbrunner: 25 kleine Duette aus op. 40, für zwei Blockflöten in C (Flöten / Oboen / Violinen oder andere Melodieinstrumente), hg. von Helmut Schaller und Nikolaj Tarasov, DM 1490, € 17.95, Doblinger, Wien

Ein Klassiker des Repertoires

Ein Neuausgabe von Niels Gades «Fantasiestücken» mit einem klaren und aufgeräumten Notentext.

Gade-Prträtfoto von Hansen, Schou & Weller. Archive der Bergen Public Library/wikimedia commons

Die Fantasiestücke op. 43 von Niels Wilhelm Gade, ein Klassiker des Klarinettenrepertoirs, sind neu in der Henle-Urtext-Reihe herausgegeben worden. Nicolai Pfeffer hat die schöne Kritische Edition in gewohnter Henle-Qualität besorgt. Als Hauptquelle für diese Ausgabe wurde die 1864 bei Kistner in Leipzig erschienene Erstausgabe verwendet, als zusätzliche Quellen das Autograf des Komponisten von 1864 und eine Neuausgabe von 1878 bei Wilhelm Hansen, Kopenhagen. Zwischen dem überlieferten Autograf und der Erstausgabe hat der Komponist noch Veränderungen bei der Tempoangabe des ersten Satzes (von Larghetto über Larghetto con moto zu Andantino con moto) und bei der Taktart des zweiten Satzes (4/4 statt Alla breve) vorgenommen. Ansonsten betreffen die Abweichungen hauptsächlich einige kleinere Unterschiede bei Artikulation, Phrasierung und Dynamik. Das Notenbild dieser Neuausgabe ist klar und aufgeräumt. Im Notentext selbst sind fast keine Anmerkungen des Herausgebers, dafür befindet sich im Anhang ein ausführlicher Kritischer Kommentar.

Im Gegensatz zu früheren Ausgaben ist bei der Henle-Fassung keine Solostimme für Violine mit dabei. Diese wurde wohl nur aufgrund der damaligen Verlagspraxis bei der Erstausgabe beigelegt, zudem ist ihre Autorschaft unklar.

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Niels Wilhelm Gade: Fantasiestücke op. 43 für Klarinette und Klavier, Urtext hg. von Nicolai Pfeffer, HN 1353, € 14.00, G. Henle, München 2017

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