Britische Musikgewerkschaft ist besorgt

Die britische Musicians’ Union (MU) will bei der Regierung mit Hilfe einer Petition erreichen, dass sie sich für ein spezielles EU-Touristen-Visum stark macht. Damit sollen Auftritte von Musikern und Musikerinnen nach dem Austritt des Landes aus der EU auf dem Kontinent vereinfacht werden.

Foto: lichtkunst.73/pixelio.de

Die Musicians‘ Union befürchtet, dass Tourneen in der EU für britische Kunstschaffende nach dem Brexit empfindlich erschwert werden könnten. Im Speziellen befürchtet sie, dass normale Visa kostspielig, auf einzelne Länder beschränkt und mit Bürokratie verbunden sein werden.

Entsprechende Erfahrungen macht die britische Musikszene bereits mit Engagements in den USA. Das Land verlangt für Tournee-Visa von Gruppen tausende von Dollars und hat die Gebühren für Express-Visa vor kurzem um 15 Prozent erhöht. Die MU befürchtet ähnliche Effekte im Austausch mit der EU.

Dass Europatourneen mit ständigen Grenzübertritten verbunden sind, würde das Problem noch drastisch verschärfen. Visa, die den gesamten europäischen Raum abdeckten, seien deshalb unerlässlich. Die MU beobachtet bereits jetzt, dass Künstler Grossbritannien verlassen und sich im EU-Raum niederlassen, um derartige Reiseprobleme zu vermeiden.  
 

Glockenmonteur und Volksmusiker

Der Nachlass des originellen Volkmusikers Albert Hagen wurde 2011 dem Haus der Volksmusik in Altdorf geschenkt, 2018 aufgearbeitet, teilweise digitalisiert und zur definitiven Archivierung dem Staatsarchiv Uri übergeben. Handschriftliches Notenmaterial steht nun online zur freien Verfügung.

Albert Hagen (Foto: Archiv Haus der Volksmusik/zvg)

Geboren 1902 in Zürich-Altstetten, wuchs Albert Hagen in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater war Musiker und Klavierstimmer, und Albert hatte das Talent von ihm geerbt. Mit dem Elektrifizieren von Glockengeläuten befasste er sich schon als Sechzehnjähriger. Dass er sich darin als besonders erfinderisch erwies, beweist sein patentiertes System der Gegenstrombremse, die das Schwingen der Glocke unterbricht.

Als Musiker wirkte er anfänglich in Liebhaberorchestern mit. So war er 1928 einer der Gründer des Orchestervereins Dübendorf. 1930 kam es zur wegweisenden Begegnung mit dem Akkordeonisten Walter Wild. Während der nächsten fünf Jahre reiste das rasch bekanntgewordene Duo jeweils im Juni zu Schallplattenaufnahmen nach Berlin. Von 1936 bis 1942 spielte Albert Hagen dann mit dem bereits bekannten Jost Ribary senior in dessen Kapelle im Zürcher Niederdorf-Lokal Konkordia mit. 1962 verunfallte Hagen tödlich bei der Montage einer Glocke im Kirchturm in Heimenschwand ob Thun.

Sein Nachlass umfasst viele handschriftliche Skizzen von Kompositionen, aber auch Konstruktionszeichnungen aus seiner Arbeit als Glockenmonteur. Die Sammlung Hagen wurde 2011 dem Haus der Volksmusik in Altdorf geschenkt, 2018 aufgearbeitet, teilweise digitalisiert und zur definitiven Archivierung dem Staatsarchiv Uri übergeben. Viel handschriftliches Notenmaterial, darunter auch viele bisher nicht identifizierte Kompositionen ohne Titel, steht auf der digitalen Plattform www.volksmusik.ch zur freien Verfügung.

 

Hörzellen aus dem Reagenzglas

Forschenden der Universität und des Inselspitals Bern ist es erstmals gelungen, menschliche Innenohr-Zellen im Labor zu erzeugen und deren Herkunft zu untersuchen. Dies wird es in Zukunft ermöglichen, neue Behandlungsmethoden für Hörbeeinträchtigung zu erforschen.

Audiologische Untersuchung (Bild: Tanja Läser),SMPV

Eine Gruppe von Forschenden des Department of Biomedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (HNO), Kopf- und Halschirurgie des Berner Inselspitals hat in Zusammenarbeit mit weiteren Beteiligten des internationalen Konsortiums «OTOSTEM» einen grossen Schritt in Richtung Ursachentherapie von Schwerhörigkeit gemacht. Erstmals gelang es ihnen, die Entwicklung von menschlichen Haarzellen, die im Innenohr für die Geräuschrezeption zuständig sind, im Labor nachzuahmen. Damit wird es in Zukunft möglich sein, neue Behandlungsmethoden für Hörbeeinträchtigung direkt an menschlichen Zellen zu erproben.

Haarzellen und Spiralganglienzellen entstehen sehr früh in der fetalen Entwicklung, etwa in der zehnten bis elften Schwangerschaftswoche. Bereits in diesem Stadium erreichen sie ihre endgültige Zahl. Laute Geräusche, Infektionen, Alterungsprozesse oder auch die Belastung durch Giftstoffe wie etwa verschiedene Antibiotika setzen den Sinneszellen fortan zu. Da die Zellen bisher nicht ersetzt werden können, führt ihr Verlust zu einer dauerhaften Hörschädigung.


Originalartikel:

Roccio, M., Perny, M., Ealy, M., Widmer, H. R., Heller, S., Senn, P., 2018. Molecular characterization and prospective isolation of human fetal cochlear hair cell progenitors, Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-018-06334-7.

 

Fragen zum Musikartikel abgeschrieben

Das Departement des Innern hat die Interpellation «Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 67a zur Förderung der musikalischen Bildung» von Martina Munz abgeschrieben, weil sie nicht innert zweier Jahre im Rat abschliessend behandelt wurde.

Musikalische Bildung ist im Bundeshaus zurzeit kein Thema. Foto: Joujou / pixelio.de

Nationalrätin Martina Munz hat am 29. September 2016 eine Interpellation zur Umsetzung des am 23. September 2012 angenommenen Verfassungsartikels 67a «Musikalische Bildung» eingereicht, wozu der Bundesrat am 16. November 2016 Stellung genommen hat. Am 16. Dezember 2016 hätte der Nationalrat die Interpellation behandeln sollen. Die Diskussion wurde aber verschoben – und nicht mehr aufgenommen. Am 28. September 2018 nun wurde das Geschäft als erledigt taxiert.


Link zur Interpellation und zur Stellungnahme des Bundesrates

 

Kaufmann-Preis für Claudia Döffinger

Mit dem in Graz neu geschaffenen Harald-Kaufmann-Preis werden herausragende wissenschaftliche und künstlerische Publikationen ausgezeichnet. Geehrt wird damit auch Claudia Döffinger, die in Luzern ein Masterstudium in Jazzklavier/Pädagogik absolviert hat.

Foto: Mathias Schalk

Mit dem neu geschaffenen, von Universität Graz und Kunstuniversität Graz initiierten Harald-Kaufmann-Preis werden herausragende Publikationen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sowie auch künstlerische Publikationen ausgezeichnet. Prämiert werden zwei Arbeiten von etablierten Forschenden und Kunstschaffenden sowie zwei Arbeiten des Nachwuchses. Am 12. Oktober 2018 findet an der Kunstuniversität Graz erstmals die feierliche Verleihung statt.

Unter den Ausgezeichneten findet sich Claudia Döffinger, die an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Anfang Jahr den Abschluss in Jazzkomposition und -arranging gemacht hat. Ihr Masterstudium in Jazzklavier/Pädagogik absolvierte sie an der Musikhochschule Luzern. Ihre musikalische Arbeit umfasst Arrangements für verschiedene Orchester und eigene Kompositionen. Mit ihrer Komposition «White Note Exorcist» hat sie 2017 unter anderem den amerikanischen Downbeat Student Music Award in der Kategorie Original Composition for Large Ensemble gewonnen.

 

Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung

In Deutschland nimmt die Themis-Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt e.V. ihre Arbeit auf. Ins Leben gerufen worden ist sie von Branchenverbänden, Sendern und anderen Kultur- und Medien-Institutionen.

Foto: Martin Schemm/pixelio.de

Die überbetriebliche Vertrauensstelle Themis bietet Beschäftigten aus der Film-, Fernseh- und Theaterbranche, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit sexuelle Belästigung und Gewalt erfahren haben, einen geschützten Raum, in dem sie sich einer Juristin und einer Psychologin anvertrauen können.

Hinter Themis stehen siebzehn Brancheneinrichtungen der Film-, Fernseh- und Theaterbranche. Dazu gehören unter anderem ARD, ZDF, die Bundesverbände Casting, Regie, Schauspiel und Maskenbild sowie die Gewerkschaft Ver.di. Namenspatin ist die griechische Göttin Themis; sie tritt für Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt ein.

Finanziert wird die Vertrauensstelle durch Beiträge öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender, der Allianz Deutscher Produzenten, der Verwertungsgesellschaft der Auftragsproduzenten und dem Deutschen Bühnenverein. Die Vertrauensstelle Themis erhält öffentliche Förderung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters.

Weitere Informationen auf: themis-vertrauensstelle.de

 

Schnitzen, Schleifen, Schrauben für den guten Ton

An den Swiss Skills vom 12. bis 16. September in Bern stellten Lernende aus 135 Berufen ihre Arbeit vor. Auch die verschiedenen Fachrichtungen des Musikinstrumentenbaus waren vertreten und zogen viel Publikum an.

Fotos: Pia Schwab

In Halle 1.1 auf dem Gelände der Bernexpo präsentieren sich die Kleinstberufe vom Küfer bis zur Seilbahn-Mechatronikerin. Und eben auch Musikinstrumentenbauer: In dem Geviert aus Werkbänken und improvisierten Vitrinen mit Orgelpfeifen, Schalltrichtern und Messgeräten sind Lernende am Hobeln, Leimen, Bohren, Stimmen. An mechanischen Klavier- und Orgelmodellen erläutern sie die Funktionsweise der Instrumente. Von den unabsehbar vielen Jugendlichen, die vorbeiströmen – über 115 000 Personen haben die Swiss Skills besucht –, bleiben denn auch etliche stehen, schauen zu, stellen Fragen. Wer weiss, vielleicht entschliesst sich ja der eine oder die andere zu einem der sechs Berufe, die man in der Schweiz im Musikinstrumentenbau in einer vierjährigen Lehre erlernen und mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abschliessen kann: Orgelbauer, Orgelpfeifenbauer, Klavierbauer, Blasinstrumentenbauer, Blasinstrumentenreparateur und Geigenbauer.

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Elias Graf, künftiger Geigenbauer im 2. Lehrjahr, arbeitet an einer Geigenschnecke und erklärt, warum langsam gewachsener Bergahorn das beste Holz dafür ist.

Die Ausbildung zum Geigenbauer – wobei es um die Herstellung der ganzen Streicherfamilie bis zum Kontrabass geht – ist an der Geigenbauschule Brienz als Lehrwerkstätte organisiert. Sie bietet sowohl den handwerklichen wie den berufskundlichen Unterricht vor Ort an und ist soeben in ein neues Gebäude gezogen. «Beim Bauen von neuen Instrumenten mit traditionellem Bezug können die Jugendlichen alles lernen, was sie im späteren Berufsleben auch für Servicearbeiten brauchen», erzählt Hans Rudolf Hösli, der Leiter der Geigenbauschule. «Nachwuchssorgen haben wir keine. Wir können unter den Bewerberinnen und Bewerbern auswählen und bringen die jungen Leute nach der Lehre problemlos in die freie Marktwirtschaft. Übers Jahr kommen zwischen 20 und 40 Personen an einem Besuchstag oder zwischendurch vorbei, um sich ein Bild zu machen. Wer sich mit einem vollständigen Dossier bewirbt, wird zu einer zweitägigen Eignungsprüfung eingeladen. Dort besetzen wir zwei bis drei Plätze pro Jahr. Insgesamt haben wir im Moment zehn Lernende. Wir bleiben klein, sind auf die Grösse der Schweiz ausgerichtet, wobei man mit diesem Beruf auch gut im Ausland eine Anstellung findet.»

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Stefanie Munz, künftige Orgelbauerin in 4. Lehrjahr, schiftet auf einer Glasplatte Leder, das sie später mit der passenden Holzkonstruktion zu einem Balg verleimt.

Die fünf anderen Berufe lernt man, wie im dualen schweizerischen Berufsbildungssystem üblich, in einem Lehrbetrieb, besucht die Gewerbeschule sowie verschiedene fachspezifische überbetriebliche Kurse. Für die Lernenden aus der ganzen Schweiz finden diese im Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg am Bodensee statt. Dort besuchen sie rund 9 Wochen pro Jahr in zweisprachigen Blockkurse die Berufsfachschule. 41 junge Leute sind es im Moment, verteilt auf die 4 Lehrjahre und 5 Fachrichtungen. Das entspricht dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre, seit sich diese Berufszweige zu einer gemeinsamen Ausbildung zusammengeschlossen haben, wobei im ersten Lehrjahr etwa 80 % des Unterrichts gemeinsam erteilt wird, im letzten dann noch 20 %, der Rest fachspezifisch. Jörg Gobeli, ehemaliger Leiter der Fachschaft Musikinstrumentenbau am Arenenberg gibt aber zu, etwas mehr Interessierte könnten nicht schaden, damit die Lehrbetriebe mehr Auswahl hätten. Und es gebe jetzt auch noch einzelne freie Lehrstellen.

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Marius Aebi, künftiger Klavierbauer im 4. Lehrjahr, kontrolliert die Form der Hammerköpfe, nachdem er sie mit Schleifpapier abgezogen hat. Das Schleifen bringt die Rillen, die die Saiten im Laufe der Zeit hinterlassen haben, zum Verschwinden.

«Arbeit gibt es genug», bestätigt Oliver Zanella, der sowohl Orgel- wie Klavierbau gelernt hat und sich soeben selbständig macht. «Ausgebildete Musikinstrumentenbauer haben kein Problem, eine Stelle zu finden, denn es gibt in den nächsten Jahren eine Art Generationenwechsel. Man ist mit der hiesigen Ausbildung auch weltweit sehr angesehen und hat gute Möglichkeiten, im Ausland zu arbeiten.» Die vierjährige Lehre in der Schweiz suche international ihresgleichen. In den meisten Ländern gebe es gar keine geregelte Ausbildung, aber auch in Deutschland sei die Lehre nur dreieinhalbjährig. Schwieriger sei es, einen Lehrbetrieb zu finden, jedenfalls in der gewünschten Region. Das bleibe aber der erste Schritt. Zanella empfiehlt auch dringend, in möglichen Lehrbetrieben schnuppern zu gehen.

Die Interessengemeinschaft Musikinstrumentenbauer IGMIB bietet Informationen für angehende Lernende und führt eine Liste der Betriebe, die bereits ausgebildet haben.

www.musikinstrumentenbauer.ch

www.geigenbauschule.ch

Anika Batt, künftige Geigenbauerin im 3. Lehrjahr, sticht die Schnecke einer Bratsche. Jana Zurkinden, künftige Blasinstrumentenreparateurin im 4 Lehrjahr, löst ein durchgespieltes Polster aus einer Saxofonklappe und ersetzt es durch ein neues. Corina Baumann, künftige Geigenbauerin im 3. Lehrjahr, hobelt die Wölbung einer Decke.

Neuorganisation der Musikrats-Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle des Schweizer Musikrats (SMR) ist neu organisiert: Stefano Kunz, der bisherige Geschäftsführer, leitet neu den Bereich Politische Arbeit, während Nina Rindlisbacher die Leitung der Geschäftsstelle übernommen hat. Zusammen mit der Präsidentin, Nationalrätin Rosmarie Quadranti, bilden sie neu die Geschäftsleitung.

Der Musikrat hat seinen Sitz im Haus der Musik in Aarau. Foto: Voyager/WikimediaCommons

Stefano Kunz, ausgebildeter Sänger, Gesangslehrer und Absolvent eines MBA für Integrales Management, übernahm 2012 die Geschäftsführung des SMR. Seit 2014 ist er zudem Stadtrat in Schlieren (ZH). Da sein Stadtratsmandat sehr zeitintensiv ist und ihm zudem vor rund einem Jahr ein Verwaltungsratspräsidium übertragen wurde , hat er sich entschlossen, die Geschäftsführung des SMR abzugeben. Er wird sich künftig beim Musikrat ausschliesslich der Politischen Arbeit widmen.

Nina Rindlisbacher ist ausgebildete Pflegefachfrau und Juristin. Sie arbeitete zunächst im Gesundheitswesen und war dann mehrere Jahre als Juristin tätig, unter anderem an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg. Nebenberuflich engagiert sie sich seit jeher im Kulturbereich. Sie arbeitete für Film- und Musikfestivals sowie während zehn Jahren für einen Konzertveranstalter in Bern. Sie spielt Querflöte und Piano und wirkte als Instrumentalistin und Sängerin im Verlaufe der Jahre in mehreren Musikprojekten mit. Seit Dezember 2017 ist sie für den SMR als Assistentin tätig und hat nun per 1. September 2018 die Leitung der Geschäftsstelle übernommen.

Neuenburg schliesst Genfer Musikhochschulfiliale

Der Neuenburger Staatsrat bestätigt den Termin für die Schliessung der Neuenburger Filiale der Haute école de musique de Genève (HEM-NE) im Jahr 2021. Nicht betroffen vom Schliessungsentscheid ist das Conservatoire de musique neuchâtelois, das dem Kanton erhalten bleibt.

JWS / fotolia.com

Der Schliessungsentscheid fällt ungeachtet eines Volksbegehrens mit dem Titel «Für den Erhalt der musikalischen Berufsausbildung im Kanton Neuenburg» und wird vom Grossen Rat des Kantons unterstützt. Die Initiative, über die noch entschieden werden muss, schreibt der Kanton, verlange nicht, dass eine allfällige künftige Berufsausbilung in den bestehenden Strukturen stattfinden müsse. 

Die Schliessung der HEM-NE habe auf das Konservatorium des Kantons keinen Einfluss, schreibt der Staatsrat. Es übernehme nach wie vor die Aufgabe, allfällige Berufsstudierende der Musik auf ihren Ausbildungsgang vorzubereiten. 

Neue Impulse für die Thurgauer Musikszene

Der Thurgauer Regierungsrat hat das umfassend überarbeitete Kulturkonzept des Kantons für die Jahre 2019 bis 2022 genehmigt. Jährlich fliesst über eine Million Franken mehr aus dem Lotteriefonds in die Kultur, auch für die Thurgauer Musikszene.

Gefördert wurde u.a. das Ensemble Cartusia in der Kartause Ittingen. Foto: Waldteufel/fotolia.com

Mit der neuen Fassung des Kulturkonzeptes setzt der Kanton drei Entwicklungsziele in der Kulturförderung, die für den Thurgau wichtige kulturelle Impulse aufgreifen und eine nachhaltige Kulturförderung ermöglichen. Dies sind die Umsetzung der Museumsstrategie für die kantonalen Museen, die stärkere Vernetzung der Veranstalterinnen und Veranstalter im Kulturbereich sowie neue Impulse für die Thurgauer Musikszene. Diese Entwicklungsziele sollen die stärkere Vernetzung fördern und zu Kooperationen anregen.

Eine Vielzahl an aktiven Ensembles und Organisationen veranstaltet im Kanton Konzerte, Musikreihen und Festivals. Innovative Projekte seien jedoch eher rar und genreübergreifende Vorhaben oder solche, die neue Synergien schaffen, gebe es nur vereinzelt, schreibt der Kanton. Der Schwerpunkt soll deshalb zu mehr Austausch und Kooperationen über die Genregrenzen hinweg anregen und der Thurgauer Musiklandschaft neue Impulse geben.

Der Wunsch nach stärkerer Vernetzung im dezentral orientierten Kanton ist den Kulturschaffenden und Organisationen ein besonderes Anliegen. Mit diesen wurden im Vorfeld Gesprächsrunden veranstaltet, um Anregungen und Ideen aufzunehmen sowie Anliegen an die kantonale Kulturförderung zu klären.

Mit dem neuen Kulturkonzept werden voraussichtlich jährlich über eine Million Franken mehr aus dem Lotteriefonds fliessen. Insgesamt erhöhen sich die geplanten Beiträge für die Jahre 2019 bis 2022 von bisher jährlich 9’746’000 Franken auf 10’791’000 Franken. Die jährlichen Beiträge für Leistungsvereinbarungen nehmen aufgrund zahlreicher Erhöhungen von bisher 2’646’000 Franken auf neu 3’091’000 Franken zu.

Das neue Kulturkonzept gilt vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022. Alle Leistungsvereinbarungen mit kulturellen Trägerschaften werden ebenfalls für diese Zeitdauer abgeschlossen. Neu sind sämtliche Kriterien für die Beitragsgewährung zur Vereinfachung für die Gesuchstellenden direkt online abrufbar unter www.kulturamt.tg.ch.
 

Lesothos schweizerische Nationalhymne

Ende September bis Anfang Dezember ist in der Universitätsbibliothek Basel eine Ausstellung zu sehen über die Nationalhymne Lesothos, die auf einer Basler Melodie beruht.

Grenzübergang nach Lesotho beim Sani-Pass. Foto: Vaiz Ha/WikimediaCommons

1967 wird das Lied «Lesotho, Land unserer Väter» zur Nationalhymne der konstitutionellen Monarchie Lesotho. Die Melodie stammt von Ferdinand Samuel Laur (1791–1854), dem Gründer des Basler Gesangsvereins. Um 1870 findet man sie als Lied mit sesothischem Text in einem Schulbuch der britischen Kronkolonie Basutoland.

«Unser Land»? – Lesothos schweizerische Nationalhymne, eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Basel und ein reich bebildertes Buch, zeichnen nun die ungewöhnliche Geschichte dieser Melodie nach.

Universitätsbibliothek Basel, 28. September bis 1. Dezember 2018
 

Weitere Informationen


Universitätsbibliothek Basel

Raff-Archiv in Lachen eröffnet

Anfang September wurde in Lachen am oberen Zürichsee das Joachim-Raff-Archiv mit einem Festakt, Musik und einem internationalen Symposium offiziell zugänglich gemacht.

Joachim Raff (1822-1882), Stich von August Weger (1823-1892) «nach einer Photographie», Leipzig

Joachim Raff (1822–1882) ist längst ein Geheimtipp unter den Verehrern deutscher Musik der Spätromantik. Seine sämtlichen Sinfonien, Konzerte, Kammermusiken und Klavierwerke wurden längst auf CD eingespielt, und Neuausgaben seiner Werke erscheinen seit zwanzig Jahren, beispielsweise in der Edition Nordstern, Stuttgart. In der Tat füllt der Komponist manche Repertoirelücke, wo es – zumal in der Kammer- und Konzertmusik – wenige zeitgenössische Vergleichsstücke gibt. Als ein von Mendelssohn Geförderter und in den 1850er-Jahren als Mitglied des Liszt-Kreises, später als ein mit Hans von Bülow und Clara Schumann verbundener Komponist stand er beiden damaligen Richtungen nahe, den Konservativen (Brahms) wie den Neudeutschen (Liszt, Wagner). Raff war neben seiner kompositorischen Tätigkeit auch als Musikschriftsteller und -pädagoge aktiv, zuletzt als Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main.

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Res Marty am Festakt zur Eröffnung des Raff-Archivs. Fast schon ein halbes Jahrhundert lang setzt sich Res Marty für die Aufarbeitung von Joachim Raffs Leben und Werk ein. Foto: Carlo Stuppia, Lachen

Ein Kompetenzzentrum für die Raff-Forschung

Dass Raff in Lachen am Zürichsee geboren worden war, hat längst das Interesse lokaler Musikliebhaber geweckt, allen voran Res Marty, der bereits vor 46 Jahren, zum 150. Geburtstag des Komponisten, die Raff-Gesellschaft in Lachen mitgegründet hat. Vor zwei Jahren wurden diese Aktivitäten intensiviert, und mit Severin Kolb und Stefan König bildete sich ein wissenschaftlicher Stab, der nun auch mit klug aufgebauten Datenbanken die Grundlage für eine zielstrebige Forschung gelegt hat. Manuskripte und Frühdrucke aller Werke (zumindest in Reproduktionen) wurden zusammengesucht, über 3000 Briefe (mit ausführlichen Regesten) erfasst, Bilder und biografisches Material gesammelt. Lachen sollte zu einem «Kompetenzzentrum» der Raff-Forschung nach dem Vorbild etwa der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe oder des Max-Reger- bzw. Martinů-Instituts werden.

Nun ist es dank dem Eingreifen einer Stiftung kurzfristig sogar möglich geworden, gediegene Räume in dem Haus zu beziehen, das an der Stelle von Raffs Geburtsstätte steht. Endlich haben sich Schweizer Musikwissenschaftler auf der Suche nach Dissertationsthemen auch dieses eher zufälligen Lokalbezugs angenommen; denn Raffs Geburt am oberen Zürichsee war nur der Tatsache geschuldet, dass sein Vater notgedrungen in die Schweiz flüchtete, um in seiner schwäbischen Heimat der Einziehung ins Militär zu entgehen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Raff schon mit 23 Jahren die Schweiz endgültig verlassen hat und sein ganzes Interesse fortan dem Musikleben nördlich des Rheins galt.

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Ein Treffpunkt während des Symposiums ist der Ort, wo Raffs Geburtsstätte stand. Hier hat nun das Archiv seinen Platz gefunden. Foto: Carlo Stuppia, Lachen

Am 7. September 2018 wurde das Raff-Archiv in einem feierlichen, kulinarischen Festakt in Lachen eröffnet, musikalisch begleitet von Ingolf Turban (Violine), Dmitri Demiashkin (Klavier) sowie dem Duo Sibylle Diethelm (Gesang) und Fabienne Romer (Klavier). In zum Teil launigen Reden wurde vor einer grossen und illustren Feiergemeinde die rosige Zukunft Lachens als Ort der Musikforschung heraufbeschworen. Vor allem lokale Kräfte bestritten am folgenden Abend in der Kirche Lachen ein Konzert, das im Rahmen der Möglichkeiten einen Überblick von Raffs Schaffen, von den Orgelwerken bis zum zweiten Cellokonzert, vermittelte.

Wissenschaftliche Auslegeordnung

Aus Anlass der Archiv-Eröffnung fand zugleich ein internationales wissenschaftliches Symposium statt, das an zwei Tagen (7. und 8. September) unter dem Titel «Synthesen» Joachim Raffs Wirken neuerlich als Gegenstand der Musikforschung etablieren sollte. Dazu wurden vor allem Musikwissenschaftler und eine Musikwissenschaftlerin aus Deutschland eingeladen, die sich mit Raff beschäftigt hatten, und drei Doktoranden aus dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich.

Es wäre zu viel verlangt, schon jetzt umgreifende Forschungsergebnisse aus der eben begonnenen Arbeit zu erwarten. So blieb es in der langen Reihe der Vorträge bei Proklamationen, bei Übersichten über Raffs Errungenschaften in den diversen Gattungen (Klaviermusik, Sinfonik, Kammermusik, Lied, Chormusik) und bei Einblicken in erste Detailstudien zu einzelnen Werken: zum Streichquartett op. 77 und zur niemals vollständig aufgeführten Oper «Samson». Interessanter waren Beobachtungen zum Kontext: Einerseits wurden Raffs Misserfolge als Opernkomponist anhand seiner Kontakte zu dem politisch einflussreichen «Theaterherzog» Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha verständlich gemacht; andererseits wurde deutlich, dass Raff ein Sonderfall war: ein Komponist, der seine eigenen Werke kaum selbst spielte und höchst selten dirigierte, mithin also auf ein Netzwerk von Interpreten von Breslau bis Boston angewiesen war.

Der raschen und reichlichen Rezeption raffscher Orchestermusik in den USA galt ein weiteres Referat, das auch den Nachweis lieferte, wie rasant die Beliebtheit von Raffs Musik nach der Jahrhundertwende in der Neuen wie auch der Alten Welt nachliess. Der erhellendste Beitrag zeigte, wie direkt sich die idealistische Philosophie jener Epoche in Raffs kompositorischem Denken und in seiner Pädagogik niederschlug. Ein Symposiumsbericht soll im kommenden Jahr erscheinen.

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Das Kernteam des Raff-Archivs: Stefan König, Yvonne Götte, Res Marty, Hans-Joachim Hinrichsen, Severin Kolb, Nathan Labhart (von links). Foto: Carlo Stuppia, Lachen

So erhellend manche Äusserungen waren, so bleibt doch die Frage zurück, ob Raffs Zeit im Konzertsaal jemals wieder kommen oder ob er nicht vielmehr ein Forschungsfeld für wenige Musikhistoriker bleiben würde. Denn sein Output an Werken unterschiedlichen Umfangs und Gewichts ist riesig im doppelten Wortsinn: Einerseits tummelte er sich in fast allen Gattungen, andererseits zeichnen sich seine Werke durch bemerkenswerte Weitschweifigkeit aus. Man darf aber gespannt sein, ob die Grundlagenforschung im neuen Lachener Archiv bis zu Raffs 200. Todestag in vier Jahren zu Erkenntnissen führen wird, welche in der Folge auch eine grundsätzliche Neueinschätzung der Musik aus der Feder dieses musikalischen Gourmands erlauben.



Neueste Publikation

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Cover der Broschüre

ks. Im Frühjahr 2018 hat die Kulturhistorische Gesellschaft der March eine reich bebilderte Broschüre herausgegeben. Sie spürt Raffs Verbindungen in die Welt und wieder zurück nach Lachen nach. Archivleiter Severin Kolb hat die verschiedenartigen Texte, zirka 80 Fotos, zahlreiche Zitate und drei Anhänge zu einer reichhaltigen Dokumentation zusammengefügt. Beiträge geliefert haben:

Res Marty: «Raff-Renaissance» in der March. 45 Jahre Joachim-Raff-Gesellschaft (1972-2017)
Severin Kolb: Auf den Spuren eines «denkenden Musikers». Ein Joachim-Raff-Archiv für Lachen
Walter Labhart: Raff als Anreger von Tschaikowsky, Mahler und Debussy (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Rainer Bayreuther: Joachim Raffs «König Alfred» und die nationale Bewegung in Deutschland (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Hans-Joachim Hinrichsen: Hans von Bülow und Joachim Raff. Die Geschichte einer Freundschaft (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Lion Gallusser, Dominik Kreuzer, Severin Kolb: Von der grossen Oper zum Musikdrama, vom Musikdrama zur komischen Oper – Raffs «Samson» im Kontext seines Opernschaffens
(Auszug aus der «Samson»-Broschüre der Joachim-Raff-Gesellschaft [2017)]

Joachim Raff
Von der March in die Welt – und zurück

Marchring-Heft Nr. 61/2018, hg. Marchring, Kunsthistorische Gesellschaft der March, Red. Severin Kolb, Zürich, Leiter des Joachim-Raff-Archivs, 132 Seiten, Fr. 20.-, zu beziehen über www.marchring.ch

Konzertraum digital erweitert

Bei ihrer Saisoneröffnung gibt sich die Basel Sinfonietta «geerdet» und «app-gestützt» zugleich. Die Handybenutzung während des Konzerts galt für einmal als cool.

Ob das Natel im Konzertsaal heimisch wird? Die Diskussion läuft. Foto: Zlatko Mićić / Basel Sinfonietta

Mit zwei markanten Orchesterwerken aus den Achtzigern sowie einer Erstaufführung eines Schweizer Komponisten startete die Basel Sinfonietta unter ihrem Principal Conductor Baldur Brönnimann ambitioniert in die neue Saison. Zum peppigen Internetauftritt des Orchesters passte die «Weltpremiere» der App Onstage. Das Konzertgeschehen wurde mit vier Bühnenkameras eingefangen und via App aufs Handy übertragen. Viele Zuhörende testeten die verschiedenen Funktionen. Eine gelungene Idee war, die Partituren der gespielten Werke aufzuschalten – man hätte allerdings mindestens ein Tablet benötigt, um die kleingedruckten Noten zu entziffern. Der Reiz hatte sich schnell erschöpft, zumal es auch real genug zu hören und zu sehen gab. Im Laufe des Konzerts verschwanden immer mehr Telefone und die Programmheftchen wurden aufgeschlagen.

Das Hauptereignis des Abends war ohnehin das höchst anspruchsvolle, dem Thema «Erde» verpflichtete Programm mit dem mässig originellen Titel Crumb tanzt mit Beat. Das Werk des Briten George Crumb, A Haunted Landscape (1985), und Earth Dances von Harrison Birtwistle, komponiert 1985/86, bildeten den Rahmen für die Schweizer Erstaufführung von Beat Furrers Stück Nero su Nero aus dem Jahr 2017. Die beiden Angelsachsen setzen das Thema in einer bildhaften, farbenreichen, ja romantischen Art und Weise um, während Furrers Musik ganz ohne Buntstifte auskommt.
 

Von Crumb …

Crumbs meist ruhige aber fantasievolle Musik setzt auf zahlreiche, teils exotische Perkussionsinstrumente. Zusammen mit den furchteinflössend eingesetzten Bläsern sorgen sie für eine spukhafte Stimmung. Die Streicher kommen verhältnismässig wenig zum Einsatz. Wo sie es tun, verströmen sie Ruhe und Verklärung. Im Auftragswerk der New York Philharmonic, damals unter anderem aufgeführt unter der Leitung von Zubin Metha, wollte Crumb das Geheimnisvolle ihm vertrauter Landschaften vertonen.

… zu Furrer,

Ganz anders bei Beat Furrers Nero su Nero: Beim im Juni 2018 durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Cornelius Meister uraufgeführten Stück herrscht Düsterkeit vor. Im Programmtext wird von «Abstufungen der Dunkelheit» gesprochen. Der Dirigent wies eingangs auf die dreiteilige Struktur des Werks hin, in dem Bläser und Streicher in zwei Schichten mit- und gegeneinander agieren. Die Bläser schieben sich immer wieder grell und quer zwischen die Streicher hinein. Der Mittelteil bringt, gespickt mit Mikrotönen und Glissandi, vorübergehende Ruhe, welche sich alsbald wieder mit Energie auflädt und erneut in einen Widerstreit mündet.

… zu Birtwistle …

Earth Dances gilt als eines der zeitgenössischen Meisterwerke für Orchester, das ebenso reichhaltig wie schwierig aufzuführen ist. Birtwistle schrieb dieses 40-minütige Stück für das BBC Symphony Orchestra und widmete es Pierre Boulez, welcher es erstmals im Jahr 2001 mit dem Ensemble Modern Orchestra in Frankfurt aufführte. Die Zuhörer werden mitgenommen auf eine geheimnisvolle Reise durch eine verworrene musikalische Landschaft mit plötzlichen, überwältigenden Höhepunkten. Der Komponist hat sechs instrumentale Schichten geschaffen, jede mit unterschiedlichen Funktionen, die sich ineinanderschieben oder verbinden, kollidieren oder auseinanderbrechen. Mit diesem mächtigen musikalischen Material wollte er Bewegungen tektonischer Platten mit ihren Eruptionen und Konvulsionen nachbilden.
Die Partitur zeichnet sich aus durch eine komplexe Rhythmik, die sich später zu einem pochenden, durchgängigen und fast jazzigen Puls verdichtet. Lobend erwähnt sei hier das rasante Solo der Bratschengruppe. Mitunter brechen rhythmische Muster hervor, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Melodische Inseln in verschiedenen Instrumentengruppen verbreiten kurzzeitig Wohlgefühle und tauchen wieder ab.

Die Sinfonietta musizierte unter Hochspannung. Es war den Ausführenden anzumerken, dass sie noch sehr mit den Tücken der Partitur zu kämpfen hatten. Längst nicht alle Pizzicati kamen rechtzeitig an. Baldur Brönnimann erwies sich als sicherer Organisator, der stets umsichtig, zuverlässig und konsequent in seiner präzisen Zeichengebung blieb, eine Sicherheit, die dem Orchester half, über die Runden zu kommen. Trotz allem darf man die Musikerinnen und Musiker beglückwünschen, dass sie den Mut hatten, dieses monumentale und anspruchsvolle Werk zu Gehör zu bringen.
 

… und zurück zur App

Felix Heri, Geschäftsführer der Basel Sinfonietta, erläuterte gegenüber der Schweizer Musikzeitung den Einsatz der App: «Es ist für uns entscheidend darüber nachzudenken, wie wir unsere Tätigkeit dem Publikum gegenüber vermitteln. Dabei steht die Frage nach dem Konzerterlebnis im 21. Jahrhundert weit oben.
Diese App bietet uns die Möglichkeit, den Konzertraum digital zu erweitern und diesbezüglich neue Erfahrungen zu sammeln. Während des Konzerts haben über 200 Personen die App aktiv genutzt und viele haben Feedback gegeben, das wir zurzeit auswerten. Die einzelnen mündlichen Rückmeldungen nach dem Konzert waren gemischt. Die Spannweite bewegte sich von ‹ein echter Gewinn› bis ‹Handy gehört nicht ins Konzert›. Auch im Orchester wurde das Thema kontrovers diskutiert und es gab gewisse Vorbehalte. Der Orchestervorstand hat jedoch nicht gezögert, dieses Projekt umzusetzen. Publikum und Orchester haben sich also darauf eingelassen, und wir konnten zur Diskussion anregen sowie neue Wege ausprobieren. Die App wird am 21. Oktober bei unserem 2. Abo-Konzert nochmals eingesetzt, um z. B. beim neuen Schlagzeugwerk von Michel Roth für Christian Dierstein die Performance des Solisten genauer zu beobachten. Weitere Einsätze sind derzeit nicht geplant. Sicherlich werden wir aber weiterhin experimentieren.»
 

Musik in Hülle und Fülle

Konzerte im Überfluss bot Klang Basel, ein Festival von ortsansässigen Institutionen und Musikern. Wo beginnen, wo aufhören, das war die grosse Herausforderung für die Besucher, denn die Ohren machten ob der schieren Menge irgendwann schlapp.

Jüützigs. Foto: Benno Hunziker/Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel

Basler Musikschaffende, ob professionell oder nicht, können ihre Ideen, ihre Musik an den drei Festivaltagen in ungewöhnlichen Räumen oder open air präsentieren: in der Kirche, im Privathaus, auf Spaziergängen oder im Lift, um nur einige zu nennen. Der Sonntag war als «Familientag» konzipiert, das Motto lautete Mitmachen, Ausprobieren, Zuhören, Lernen.

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Die Millenials der Musikschule Basel unter der Leitung von Petra Vogel

Es war ein übervolles Netzwerkfestival, das eindrücklich zeigte, was Basel an Musik und Musikstilen zu bieten hat. Etwas, das Anne Brugnoni, die Leiterin der Musikschule Basel, besonders schätzt: «Bei Klang Basel können wir uns mit unserer Vielfalt und Vielseitigkeit in Stilen und Konzertformaten der Bevölkerung präsentieren.» So ist die Musikschule jeweils mit bis zu zehn verschiedenen Gruppen präsent. «Für die Ensembles der Musikschulen ist dies eine Möglichkeit, einen Auftritt mit intensivem Üben auf ein hohes Niveau zu bringen und ungewöhnliche Formate in ungewohnten Räumen auszuprobieren.» Diesmal waren auch die Millenials, eine Gruppe von zwölf Jugendlichen der Musikschule Jazz Basel unter Leitung von Petra Vogel, dabei. Sauber, aber etwas gar brav gaben sie vor etwa 60 Besuchern in der Kreuzkirche Gospels und Songs zum Besten.

Action, Entspannung und Fäden überallhin

Bei Klang Basel gab es aber auch die Möglichkeit zu heftigen Szenenwechseln, wie das Beispiel Chez Soif am Riehenring zeigt. Hatte man die steile Kellertreppe heil überstanden, fand man sich in einem Gewölbekeller mit etwa 40 Sitzplätzen. «Bass drop in – Ohne Bass kein Spass!» war die Einladung überschrieben. Bässe in allen Variationen waren im Stundentakt zu erleben, vom Jazz-Bass über den Pop&Rock- bis hin zum Blues-Bass. Bei unserem Besuch legten Henry Imboden am E-Bass, Robi Schweizer am Fretless E-Bass und Felix Handschin am Schlagzeug los.

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«Aus dem Hause Bach» mit Jermaine Sprosse

Nach Jazz, Rock und Barock folgte dann der Jodel – ein unerwartet inspirierender Anlass mit dem Trio Jüützigs bei einem Spaziergang am Rheinufer. Seraina Clark-Wüthrich, Lars Handschin und Renate Schwank präsentierten einen Parcours durch die Jodellandschaft, wobei das über hundertköpfige, fröhliche Publikum beim Muotathaler und Toggenburger Naturjodel mitsingen durfte.

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Paul Hanmer & Derek Gripper mit Hopkinson Smith brachten Wüstenblues und Barock

Spannend waren die spartenübergreifenden Konzerte, wie der Auftritt im Zentrum für Afrikanistik von Paul Hanmer & Derek Gripper zusammen mit Hopkinson Smith, die Wüstenblues und Barock verbanden. Ungemein subtil, in leisen Tönen spielten Hanmer am Clavichord und Gripper an der klassischen Gitarre von Mali inspirierte Musik. Hopkinson Smith interpretierte daneben einige Stücke auf seiner Laute, etwa von Johann Kapsberger. Es war eine sehr stimmige Hausmusik. Überhaupt gab es viele kleine, feine Konzerte von maximal einer Stunde Dauer, das Angebot war riesig.

Auch die grossen Institutionen waren mit dabei, so das Sinfonieorchester Basel, das spartenübergreifend mit dem Duo Noti Wümié auftrat. Oder Alberto Garcia Tribal, dessen Weltmusikprojekt mit Perkussionisten, Bassisten, Bläsern, Gesang und Tänzerinnen aufwartete. Doch selbst wenn man gerne noch weitere Anlässe besucht hätte, die Ohren war übervoll!
 

PGM: Freiwilligenarbeit im Gegenwind

Die Parlamentarische Gruppe Musik beschäftigte sich bei ihrem jüngsten Treffen in Bern mit dem unbezahlten Engagement, das für musikalische Organisationen unverzichtbar ist. Das politische Interesse am Thema scheint im Moment gering.

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700 619 896 Stunden wurden 2014 in der Schweiz an Freiwilligenarbeit in- und ausserhalb von Vereinen geleistet, rund 48 000 000 Stunden davon in kulturellen Organisationen. Würde man sie mit einem Stundenansatz von 50 Franken vergüten, ergäbe das 5,5 % des Bruttoinlandproduktes und entspräche der Summe, die von Bund, Kantonen und Gemeinden jährlich für Bildung ausgegeben wird. Mit diesen beeindruckenden Zahlen eröffnete Markus Freitag, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern, seine Ausführungen. Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung ist in irgendeiner Form in Vereinen unbezahlt tätig. Grundsätzlich wird Freiwilligenarbeit (ausserhalb des eigenen Haushalts) von Haus- und Familienarbeit (zu Hause) unterschieden.

Das Treffen eingeleitet hatte der Präsident der Parlamentarischen Gruppe Musik, Nationalrat Stefan Müller-Altermatt, mit einem pessimistisch stimmenden Beispiel: In seinem Wohnkanton Solothurn, wo er selbst als Blasmusiker aktiv ist, wird im kommenden Jahr kein Kantonales Musikfest stattfinden, weil sich kein Verein in der Lage sah, den Aufwand für ein solches Fest zu stemmen. Probleme dieser Art scheinen sich zu häufen. Und Freitag bestätigte auch, dass das freiwillige Engagement in allen Bereichen rückläufig sei.

Individuelle Vorlieben statt gemeinsame Ziele

Einleuchtende Gründe dafür finden sich im heutigen Lebensstil. Nicht nur die traditionellen Rollen innerhalb der Familie wandeln sich, auch die soziokulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Die Ansprüche an den Einzelnen im täglichen Leben sind gestiegen, so dass er weniger Zeit zur Verfügung hat, zugleich schreitet die Individualisierung – getrieben von Wohlstand, Mobilität und Internet – voran. Statt in einem örtlichen Verein mitzumachen, kann jeder dorthin fahren, wo er das ganz spezielle Freizeitangebot für sich findet. Oft beschränken die Menschen ihre Aktivitäten eben nicht nur auf den Wohnort, so dass sich dort keine Basis für gemeinschaftliche freiwillige Arbeit bilden kann.

Nun könnte man argumentieren, dass hier wohl einfach Aktivitäten verschwinden, für die jüngere Generationen eben keine Notwendigkeit mehr sehen. So einfach ist es aber nicht. In einem Land wie der Schweiz, wo nicht nur kulturelle und sportliche Strukturen, sondern auch die politische Arbeit auf dem Milizsystem basieren, ist der Rückgang des Engagements für die Gemeinschaft in hohem Masse besorgniserregend. Freiwilligenarbeit bildet eine essenzielle Grundlage des Gemeinwesens. Zudem ist erwiesen, dass sie mit einem verantwortungsbewussten Abstimmungsverhalten korreliert: Wer sich ehrenamtlich einsetzt, geht auch an die Urne. Umso erstaunlicher, dass die Freiwilligenarbeit in den politischen Diskussionen kaum präsent ist. Ein Symptom davon könnte sein, so wertete es Markus Freitag, dass die Parlamentarische Gruppe Freiwilligenarbeit, die es noch vor einigen Jahren gab, «verschwunden» sei.

Entschädigen heisst nicht zwingend bezahlen

Für die Musikverbände und -vereine ist Freiwilligenarbeit unabdingbar. Karin Niederberger, Präsidentin des Eidgenössischen Jodlerverbands (EJV) führte aus, wie ihr Verband in den bald zehn Jahren, seit sie das Präsidium übernommen habe, das freiwillige Engagement neu zu regeln versuche. Begonnen habe es mit einer Krise um die Geschäftsstelle, die mit Arbeit weit über das bezahlte Pensum hinaus überhäuft worden sei. In einem langwierigen Prozess hätten sie dann alle Arbeiten der beteiligten Gremien und Personen evaluiert und in Pensen festgehalten. Als Ziel sei eine Vergütung von 40 % dieser Arbeiten festgelegt worden. Das habe Mehrkosten von 120 000 Franken ergeben, die man verbandsintern habe aufbringen müssen. Niederberger betonte aber, es könne keinesfalls darum gehen, alle Tätigkeiten zu bezahlen, nicht nur, weil das Geld fehle, sondern auch, weil man sonst vermutlich die falschen Leute bekäme, die keinen Bezug zur Sache, keinen inneren Antrieb mehr hätten. Eine Entschädigung sei aber wichtig, eine ausgewogene Mischung von Anerkennung, Dank und finanzieller Abgeltung. So sei es für sie jetzt in Ordnung, wenn sie wegen der Verbandsarbeit in der Familie oder im Geschäft ihres Mannes fehle.

Jemand zahlt immer

Niederberger appellierte an die Politik, den Verbänden nicht immer neue Hürden in den Weg zu legen. Der EJV organisiere grosse friedliche Feste für die Bevölkerung und es sei stossend, dass er die hohen Sicherheitskosten selbst tragen müsse, während diese bei Sportgrossanlässen dem Steuerzahler aufgebürdet würden. Mit grosser Zustimmung von anderen Verbandsverantwortlichen plädierte sie auch für höhere Strukturbeiträge des Bundesamtes für Kultur an die Verbände. Freitag untermauerte ihr Votum: «Event-Freiwilligenarbeit wird auch in Zukunft nicht das Problem sein, sondern das regelmässige, nicht im Rampenlicht stehende Engagement.»

«Jemand zahlt immer», warf Daniel Schranz, ehemaliger Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands, gegen Ende der Veranstaltung ein, «der Partner, die Familie oder das Auskommen, wenn man wegen eines zeitintensiven Ehrenamtes nur Teilzeit arbeitet.» Er sprach sich daher für die steuerliche Absetzbarkeit von Freiwilligenarbeit aus. Auch dies sei ein immer wiederkehrendes Postulat, entgegnete Freitag. Was es brauche, sei politischer Wille, Sichtbarkeit!

Dass man im Moment weit davon entfernt ist, verriet ein Blick in die Runde: Ausser Müller-Altermatt war niemand aus dem Parlament erschienen – und das kann auch die AHV- und Steuerdebatte in den Räten nicht völlig entschuldigen.

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