Oper als Slapstick, in Tram oder Box

Wie könnte Oper jenseits traditioneller Bühnen und Formen funktionieren? Community Oper in Freiburg, «Kindertotenlieder» und «Im Amt für Todesangelegenheiten» in Luzern.

«Kindertotenlieder» in der Luzerner Box. Foto: Ingo Höhn,Foto: Maurice Korbel,Foto: Ingo Höhn

«Oper, das heisst ja für viele: Zwei dicke Menschen schreien sich an. Und am Ende stirbt die Frau», konstatierte Mustafa Akça grinsend auf dem Freiburger Symposium Oper findet Stadt. Community Oper als Schnittstelle zwischen zeitgemässer Musikvermittlung und Kunst, gemeinsam veranstaltet vom Verein Community Oper Freiburg und dem Netzwerk Junge Ohren. Akça versucht an der Komischen Oper Berlin, das Haus auch für neue Kulturkreise zu öffnen. Deshalb packt er seit mehreren Jahren regelmässig einige Musiker und Sänger in sein Operndolmuş (Sammeltaxis heissen in der Türkei Dolmuş – türk. gefüllt) zu einem «Flashmöbchen» und fährt in andere Stadtteile, um dort einige Szenen aus aktuellen Produktionen als sogenannte Pop-Up-Opera in einer Bar zu spielen. «Die subventionierte Oper muss für alle Schichten der Stadtbevölkerung da sein.» Im Bereich Oper seien die aus dem 19. Jahrhundert stammenden, aristokratischen Strukturen besonders verfestigt, klagten die Podiumsteilnehmer. An der Hochschule der Künste Bern möchte Barbara Balba Weber deshalb schon in der Ausbildung das Interesse der Studenten an anderen Gesellschaftsgruppen wecken. Auch in Freiburg will man, wie Dramaturg Veit B. Arlt sagt, «raus aus der Festung des Stadttheaters» und sich andere Räume und ein neues Publikum erschliessen.

Operntram in Freiburg i. B.

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Eine fahrende Strassenbahn ist solch ein Raum. Aber nicht nur innen ist Platz für Bühne und mitfahrende Premierenbesucher, sondern auch von aussen fällt der Blick aufs Geschehen, wenn an den Haltestellen die Wartenden mit erstauntem Blick einige Sekunden der Aufführung mitbekommen. Arlts Stückidee, das Publikum zu Touristen zu machen, die im Jahr 2048 durch einen nachgebauten Breisgau-Erlebnispark fahren, ist brillant. Leider wird die daraus erwachsende theatralische Spannung in der Inszenierung von Thalia Kellmeyer nicht weiter ausgespielt; Freiburg zieht unkommentiert am Fenster vorbei. Dafür mimt ein Laienchor (Leitung: Raffaella Dilles) opernbegeisterte Freiburger, die sich nach dreissig Jahren Gesangsverbot aus ihrem Versteck wagen. Dirigent Jan F. Kurth hat dafür eine stark rhythmisch geprägte Musik geschrieben, die ein wenig an Kurt Weill erinnert. Am Ende biegt die Strassenbahn nach 45 kurzweiligen Minuten wieder in den Betriebshof ein, um in der Halle von tanzenden Menschen begrüsst zu werden. Was genau das nun erreichte Opernhaus der Zukunft ist, bleibt aber ungewiss.

Holzbox in Luzern

Auch der Luzerner Intendant Benedikt von Peter sucht neue Räume. Mit der hölzernen Box direkt neben dem Theater hat er eine permanente Aussenspielstätte installiert, die die Hemmschwelle für das Publikum senken soll. «Es besteht Lebensgefahr», kreischt ein Kind mit Hasenohren (Fionn Berchtold) durch das Megafon. «Es geht um ihre Zukunft!» Dann wird man einzeln und fürsorglich für den einstündigen Musiktheaterabend Kindertotenlieder im Dunkeln an seinen Platz in der Box begleitet. Eine Frau und ein Mann (Sarah Alexandra Hudarew und Jason Cox) haben sich voneinander abgewendet. Der britische Sound-Künstler Matthew Herbert imaginiert mit eingespielten Geräuschen wie Zähneputzen den Alltag dieses Paares. Erst nach zehnminütiger Collage beginnt Sarah Alexandra Hudarew mit Gustav Mahlers erstem Lied Nun will die Sonn’ so hell aufgehn, begleitet von zwölf Mitgliedern des Luzerner Sinfonieorchesters (Leitung: Clemens Heil), die im Raum verteilt sind und immer wieder ihren Platz wechseln. Aufwühlen kann die Produktion aber nicht. Der Schmerz ist mehr behauptet als gefühlt.

Operette und Revue in der U-Bahn

Die sogenannte Slapstickoper Im Amt für Todesangelegenheiten von Klaus von Heydenaber (Regie: Viktor Bodó) beschäftigt sich ebenfalls mit dem Tod – allerdings auf eher komödienhafte Weise. Eine Oper (fast) ohne Text, gespielt vom agilen Luzerner 21st Century Orchestra (Musikalische Leitung: William Kelley) und einem aus Schauspielern und Sängern zusammengesetzten Solistenensemble. Der Abend auf der Hauptbühne des Luzerner Theaters atmet den Geist von Operette und Revue, zumal auch kleine Choreografien eingebaut werden. Im ersten Stock sitzt das klinisch weisse Amt für Todesangelegenheiten, in dem Beamten, einheitlich gekleidet und frisiert Kaffee kochen und Notizblöcke ausfüllen (Bühne: Márton Ágh). Darunter befindet sich eine versiffte U-Bahn-Station, die zu den groovenden, neoklassizistisch gefärbten Klängen aus dem Orchestergraben vorerst noch leer bleibt. Zwischen Fotoautomat, Coiffeursalon und Toilette bewegen sich dann die einsamen Figuren in einer eigenen Welt. Angetrieben von der eingängigen Musik wird ein Beziehungsnetz geknüpft, in dem die Akteure mal mehr, mal weniger zueinander finden. Echte Reibungsflächen entstehen aber nicht. Und auch die Slapstick-Szenen sind überschaubar. Am prägnantesten wird noch die Figur von Diana (Schnürpel) ausgestaltet, die sich von der russischen Putzfrau zur Primadonna im Klopapierkleid (Kostüme: Fruzsina Nagy) entwickelt. Der zweite Teil spielt in einer Leichenkammer, bevor das Amt für Todesangelegenheiten den Reset-Knopf drückt, die Musik rückwärts läuft und die Personen ihre Kostüme und damit ihre Identitäten getauscht haben. Alles könnte nun unter veränderten Vorzeichen von vorne beginnen – aber genau an der Stelle, die Spannung verspricht, bricht die Oper ab.

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Szene aus «Im Amt für Todesangelegenheiten» von Klaus von Heydenaber

Alternative Fassung des Mozart-Requiems

Der Komponist Pierre-Henri Dutron, ein Absolvent der Schola Cantorum Basilensis, hat eine eigene Vervollständigung von Mozarts Reqiuem vorgelegt. Letztes Jahr wurde sie von René Jacobs eingespielt. Die Partitur ist nun unentgeltlich aus dem Web herunterladbar.

Manuskriptseite von Mozart, kurz bevor die Komposition abbricht. Quelle: wikimedia commons

Für seine Vervollständigung des Reqiuems von Mozart hat sich Dutron eingehend mit Mozarts Autograf auseinandergesetzt. Seine Orchestrierung setzt neue Farbenakzente und die Dramaturgie neue Kontraste, ohne dass die Tonsprache von Mozarts Zeit verlassen würde. Überzeugt hat dies René Jacobs, der die Version 2017 fürs Label Harmonia Mundi  aufgenommen hat. Weitere Aufführung sind unter anderem geplant durch Raphaël Pichon.

Pierre-Henri Dutron ist Komponist, Arrangeur, Geiger und Produzent. Er absolvierte seine Studien in Basel und am Conservatoire National Supérieur de Paris. Aus seiner Feder stammen mittlerweile rund zehn Bühnenwerke, darunter «Et les Hommes se tairont» (2011), «Cecilia da Roma» (2012) und «Les Cordes tendues» (2015). Als Produzent arbeitet er auch mit Pop- und Indie-Bands, so hat er etwa für MTV-Unplugged die Reggae- und Hip-Hop-Band Gentleman begeleitet. Daneben ist er als Filmmusiker und Interpret klassischer Musik aktiv.

Die Partitur kann unter www.pierrehenridutron.com/fullscore.html heruntergeladen werden.

Nachtrag 10. Juni 2022: Dieser Link funktioniert leider nicht mehr – ein aktueller Link war im Netz nicht zu finden. (SMZ/ks)

Rückkehr ins neue alte Haus

Die Genfer Carmen lässt ihre Verführungskünste zurzeit noch in der Opéra des Nations, auf der Ersatzbühne, spielen. Im Februar 2019 soll aber das renovierte Grand Théâtre wiedereröffnet werden.

Arbeiten im Grand Théâtre in Genf. Foto: Nicole Zermatten / Ville de Genève

Das Genfer Opernhaus betritt man an diesem Septembernachmittag durch eine Absperrung über einen steinigen Baustellenweg. Bei der Führung für die internationale Presse werden Schutzhelme verteilt. Fast drei Jahre dauert die aufwendige Renovation, ehe das renommierte Haus am 12. Februar 2019 mit dem Ring des Nibelungen wiedereröffnet wird. Ab der kommenden Saison übernimmt dann der Zürcher Aviel Cahn, der zurzeit noch die Flämische Oper in Antwerpen/Gent mit grossem Erfolg leitet, in der Nachfolge von Intendant Tobias Richter die Führung des Hauses.
Die Restauratoren haben Zwischendecken entfernt, grossformatige Fresken gereinigt und neue Farbe aufgetragen. Auch wenn noch nicht alles fertig ist – das Ergebnis kann sich jetzt schon sehen lassen. Die Gemälde sind viel intensiver geworden. In der prächtigen Eingangshalle wurden zusätzlich ein Kassenhäuschen und eine Bar eingerichtet, um das Gebäude auch tagsüber zu beleben und zur Stadt hin zu öffnen. Stark verändert hat sich das Atrium. Hier wurde die mit reichem Stuck verzierte Originaldecke freigelegt. Statt der Glastüren führen nun moderne, dunkle Holztüren in die Eingangshalle. Auch die Neonröhren sorgen für einen Hingucker im historisch-dekorativen Umfeld. Selbst eine Brandschutztür ist hier mit Ornamenten geschmückt.

Wer über weit geschwungene Treppen den ersten Stock betritt, wird geradezu überwältigt vom reich verzierten Grand Foyer. Schwere Kristalllüster hängen an den vom Genfer Maler Léon Gaud üppig ausgestalteten Decken. Auch die beiden kleineren Räume – das Foyer Rath und das Foyer Lyrique, das Sponsoren und Mäzenen vorbehalten ist – sind mit viel Liebe zum Detail renoviert worden. Der Backstage-Bereich, den man bei der Führung nicht zu sehen bekommt, wurde ebenfalls modernisiert, so dass sich nicht nur die Besucher, sondern auch die Künstler im erneuerten Haus noch wohler fühlen dürften. Die Künstlergarderoben, die Werkstätten, die Büros, der Küchenbereich – bis auf die Bühne und den Zuschauerraum wurde alles technisch und ästhetisch auf den neuesten Stand gebracht. Zusätzlich konnte man zwei unterirdische Proberäume für den Chor und das Ballett einrichten. Von den 75 Millionen Schweizer Franken, die der Umbau kostete, übernahm die Stadt Genf 70 Millionen. Die restlichen 5 Millionen wurden von Stiftungen finanziert.

Reisefreudige Ersatzspielstätte

Während der Umbauzeit mussten die Genfer aber keineswegs auf Opernvorstellungen verzichten. Mithilfe von Sponsorengeldern konnte neben dem UNO-Gelände ein vollständiges, aus Holz gebautes Opernhaus aufgestellt werden, das akustisch hohen Ansprüchen genügt. Diese Opéra des Nations hatte man von der Pariser Comédie-Française gekauft und mit 60 Sattelschleppern nach Genf gefahren. Bei der Carmen-Premiere, die die Spielzeit eröffnet, geniessen die Besucher an diesem Septemberabend einen Aperol Spritz auf dem kleinen Vorplatz. Der rote Teppich ist hier blau. Statt auf Stuck und Fresken blickt man in dem funktionalen Gebäude auf nüchterne Holzwände. Hierher kommt man wegen der Musik – und die kann sich im steil ansteigenden Zuschauerraum hören lassen. Die vom Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von John Fiore gespielte Ouvertüre klingt federnd und transparent. Regisseurin und Choreografin Reinhild Hoffmann gelingt das Kunststück, mit ganz wenigen Mitteln und einer ausgezeichneten Personenführung die viel gespielte Oper zu einem facettenreichen, packenden Drama zu machen. Sébastien Guèze als Don José klingt anfangs noch etwas nasal. Je länger der sich zuspitzende Abend dauert, desto freier und auch dramatischer wird die Stimme des französischen Tenors. Mit Ekaterina Sergeeva hat er eine Carmen der Extraklasse an seiner Seite, die mit ihrem tief gründenden Mezzo nicht nur vokal auftrumpft, sondern auch über eine grosse Ausstrahlung verfügt. Ildebrando D’Arcangelo ist ein viriler Escamillo mit Charme und dunklem Timbre. Mit Rossinis Viva la Mamma (Premiere am 21. Dezember) werden sich die Genfer dann von ihrem hölzernen Opernhaus verabschieden.

Intendant Tobias Richter blickt zufrieden zurück auf die zweieinhalb Spielzeiten in der Opéra des Nations: «Wir konnten hier ein ganz anderes künstlerisches Profil zeigen – gerade mit den Barockopern. Der Umzug hat uns auch ermöglicht, ein neues Publikum zu gewinnen, ohne dabei das alte zu verlieren. Das war eine grosse Herausforderung.» Nach dem Umzug wird die Ausweichspielstätte wieder abgebaut und nach China transportiert – dort hat eine private Produktionsfirma das portable Opernhaus gekauft. Und möchte der Intendant in den letzten Monaten seiner Genfer Amtszeit etwas verändern im neuen alten Haus? «Meine Absicht ist es, das Publikum und das künstlerische Team wieder gut und sicher ins Grand Théâtre de Genève zurückzubringen. Für Veränderungen wäre dann mein Nachfolger zuständig.»

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Sébastien Guèze (Don José) und Ekaterina Sergeeva (Carmen). Foto: GTG / Magali Dougados

Neuer Konzertsaal für Winterthur

Die Halle 53 – eine Industrie-Anlage auf dem ehemaligen Winterthurer Sulzer-Areal – soll in Zukunft Nutzungen beherbergen, die eine überregionale Ausstrahlung haben. Das Herzstück: ein polyvalenter Saal für Musikkonzerte aller Sparten.

Halle 53. Foto: Stadt Winterthur

Nach dem Kauf der Halle 53 durch die Stadt im Sommer 2015 hat das Amt für Städtebau eine zweistufige, öffentliche Ausschreibung durchgeführt. Gewählt wurde ein Team um Beat Rothen Architektur GmbH (Winterthur) und «Denkstatt sàrl» (Basel). Für die Prozessgestaltung hat das Team den ehemaligen Stadtbaumeister Michael Hauser verpflichtet.

Im Kopfbau der Halle sieht das Konzept den Einbau eines polyvalenten Saals mit einem Fassungsvermögen für rund 1200 Personen vor, der für Musikkonzerte aller Sparten – zum Beispiel für Konzerte des Musikkollegiums oder auch für Pop-Konzerte – vorgesehen ist. Es sind aber auch andere Nutzungen wie zum Beispiel Kongresse, Tagungen und Messen möglich. Auf der Plattform neben dem Saal, mit Aussicht in die imposante, dreischiffige Halle, ist eine Bar geplant. In der Halle selbst soll es ein qualitatives und vielfältiges Angebot mit mehreren Kleinküchen geben (Foodcourt) geben.

Auf zwei Plattformen, die längs in die Halle eingebaut werden, befinden sich «Co-Working-Spaces», sowie Kurs- und Seminarräume. Als Mieterinnen und Mieter dieser Räumlichkeiten sind unter anderen die ZHAW und der Technopark denkbar. Angedacht sind zudem Synergien mit dem angrenzenden Veranstaltungssaal. Der offene, flexible Teil der Halle wird als Marktplatz vielfältig temporär bespielt werden können. Er dient als Treffpunkt im Alltag nicht zuletzt für das Quartier. Hier können weiterhin Veranstaltungen wie Afro-Pfingsten, Jungkunst usw. stattfinden.
 

Donaueschingen öffnet mit Schweizer Beitrag

Die Donaueschinger Musiktage sind mit einer Klanginstallationen des Schweizer Künstlers Zimoun und einer Podiumsdiskussion über Mechanismen der Musikbranche eröffnet worden.

Vorläufer der Donaueschinger Installation 2017 in Paris. Foto: Zimoun/wikimedia commons

Am diesjährigen Neue-Musik-Festival in Donaueschingen stehen Experimentelle Musik, technische Versuche und neue Präsentationsformen im Mittelpunkt. Uraufgeführt werden unter anderem Werke von Isabel Mundry, Georges Aperghis, Benedict Mason, Francesco Filidei, Enno Poppe, Marco Stroppa und Agata Zubel. erwartet werden etwa 10’000 Besucher.

Eröffnet worden sind sie mit einer Installation des Schweizer Künstlers Zimoun. Er «verwandelt den Raum mit mechanischen Klangerregern in rhythmisch komplexe Zeitstrukturen.» Das Klangkunstprogramm der Donaueschinger Musiktage präsentiert in diesem Jahr zudem Arbeiten aus Ägypten, Bolivien, Marokko und Taiwan. Im Mittelpunkt stehen dabei Arbeiten, die «einen bedeutsamen Zusammenhang herstellen zwischen Lebenswirklichkeiten, kulturell geprägten Klangvorstellungen und den verwendeten Materialien», darunter bewusst povere Stoffe wie Pappe und Draht, Naturmaterialen wie Ton und Stein.

Erneuerte Basler Kulturpartnerschaft

Die beiden Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft haben die Eckwerte für den neuen Kulturvertrag und die Kulturpartnerschaft ab 2022 definiert. Die Abgeltung des Kantons Basel-Landschaft an den Kanton Basel-Stadt für kulturelle Zentrumsleistungen wurde auf 9.6 Millionen Franken pro Jahr festgelegt.

Haus der elektronischen Künste Basel in Münchenstein/BL. Foto: Re probst/wikimedia commons

Eine Entflechtung der Zuständigkeiten gewährleistet laut der Mitteilung der Regierungen, dass das Bestehen aller betroffenen Institutionen gesichert werden kann. Die neu definierten Eckwerte stelle die Grundlage für eine «zukunftsgerichtete und nachhaltige Kulturpartnerschaft zwischen den zwei Kantonen dar».

Wie im bisherigen Kulturvertrag sind die Mittel zweckgebunden für kulturelle Zentrumsleistungen und die Unterstützung privater oder öffentlicher Museen ist ausgeschlossen. Der Kanton Basel-Landschaft entrichtet die Abgeltung künftig an den Kanton Basel-Stadt und nicht mehr an einzelne Institutionen. Die Verteilung der Mittel an die Institutionen erfolgt durch den Kanton Basel-Stadt und aufgrund von objektiven Kriterien, die vertraglich festgelegt werden.

Entflechtung der Zuständigkeiten in der institutionellen Förderung und Stärkung der projektbezogenen partnerschaftlichen Förderung Im Sinne einer Entflechtung der Zuständigkeiten übernimmt der Kanton Basel-Landschaft ab 2022 deutlich mehr Verantwortung für das Haus der elektronischen Künste (HeK), das in Basel-Landschaft domiziliert ist, und überträgt seinen Anteil am Betriebsbeitrag an den RFV Basel (Popförderung und Musiknetzwerk der Region Basel), der im Auftrag der beiden Kantone fördert, ins reguläre Kantonsbudget. Die Förderung der Basler Papiermühle, die seit 2017 im Sinne einer Übergangslösung aus der Kulturvertragspauschale unterstützt wird, fällt künftig ganz in die Verantwortung des Kantons Basel-Stadt.

Im Bereich der partnerschaftlichen Projekt- und Produktionsförderung setzen die beiden Regierungen «ein sichtbares Zeichen für eine starke Förderpartnerschaft», indem die Finanzierung der bikantonalen Fachausschüsse BS/BL ab 2022 vollständig paritätisch ausgestaltet wird. Der Kanton Basel-Landschaft erhöht dazu die Beiträge einseitig bis zur vollen Parität.

Mit den vorliegenden Eckwerten für die künftige Kulturpartnerschaft präsentieren die beiden Regierungen eine Lösung, die das Bestehen der insgesamt 17 aus dem aktuellen Kulturvertrag (Kulturvertragspauschale) unterstützten Institutionen sichert. Sie vollziehen einen Systemwechsel im Sinn einer Entflechtung von Zuständigkeiten in der institutionellen Förderung und stärken die projektorientierte Förderung. Die Regierungen sind überzeugt, dass die neu definierten Eckwerte die Grundlage für eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Kulturpartnerschaft darstellen.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft strebt zusätzlich ein verstärktes Engagement bezüglich der kulturellen Infrastruktur und eine Stärkung der Projekt- und Produktionsförderung im Kanton Basel-Landschaft an. Hierbei beabsichtigt er insbesondere, gemeinsam mit dem Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) Strukturen zu erarbeitet, die eine bessere Koordination zwischen dem Kanton und den Gemeinden im Bereich der Kulturförderung ermöglichen.

Der bisherige Kulturvertrag (Kulturvertragspauschale) bleibt unverändert bis Ende 2021 bestehen und wird per Januar 2022 vom neuen Kulturvertrag abgelöst. Die beiden Regierungen werden den neuen Staatsvertrag, den gemeinsamen Bericht und die beiden Parlamentsvorlagen Anfang 2019 in die Vernehmlassung schicken.
 

Musikbibliotheken in Deutschland

1,5 Millionen Schüler allein an kommunalen Musikschulen, 100’000 Teilnehmer an Musikangeboten der Volkshochschulen – aber nur 72 öffentliche Musikbibliotheken. Eine flächendeckende Versorgung mit Medien für die praktische Musikausübung, für das aktive Hören von Musik und für das Lernen über Musik ist in Deutschland vielerorts nicht gewährleistet.

Foto: Michael Lucan/pixelio.de

Dabei seien öffentliche Musikbibliotheken ein unverzichtbarer Bestandteil der musikalischen Bildung, schreibt der Deutsche Musikrat. Mit seinem neuen Online-Angebot «Fokus: Öffentliche Musikbibliotheken» dokumentiert das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ) die aktuelle Infrastruktur öffentlicher Musikbibliotheken.

Die finanziellen Rahmenbedingungen für die öffentlichen Musikbibliotheken seien in der viertstärksten Industrienation der Welt vielerorts desaströs, so der Musikrat weiter. Deshalb seien die Länderparlamente wie Trägereinrichtungen aufgefordert, die bestehenden Einrichtungen adäquat auszustatten und die weissen Flecken durch Neueinrichtungen zu tilgen.

Das neue Online-Angebot des MIZ ist in Kooperation mit der Deutschen Ländergruppe der International Association of Music Libraries, Archives and Documentation Centres entstanden. Über eine interaktive Karte können Informationen zu den einzelnen öffentlichen Musikbibliotheken abgerufen werden. Diese umfassen den physischen und digitalen Bestand der Bibliotheken einschliesslich ihrer Schwerpunkte und Sondersammlungen. Abgerundet wird der neue Fokus mit weiterführenden Informationen sowie Bilderstrecken, die einen Einblick in die Angebote und Ausstattungen öffentlicher Musikbibliotheken geben.

Mehr Infos: https://themen.miz.org/fokus-oeffentliche-musikbibliotheken

Studie zum Klassenmusizieren

Während der kommenden zwei Jahre nehmen vier Primarklassen im Kanton Luzern am Projekt «Klassenmusizieren» teil. Die Kinder erhalten dabei Instrumentalunterricht und formieren sich zu Bläserensembles.

Schulkinder testen Blasinstrumente. (Foto: Priska Ketterer),SMPV

Welchen Effekt hat das Erlernen eines Instruments auf die persönliche Entwicklung von Kindern? Wie wirkt sich das gemeinsame Musizieren in einer Klasse auf das Miteinander und den Zusammenhalt aus? Diesen und weiteren Fragen geht das Projekt «Klassenmusizieren in Luzern» nach. Es wird gemeinsam vom Kulturportal Schule & Kultur im Kanton Luzern (Schukulu) und der Hochschule Luzern durchgeführt und ist mit Beginn des neuen Schuljahres Ende August gestartet.

Im Rahmen des Projektes erhalten vier Primarklassen in Buchrain, Emmenbrücke und Reussbühl während der kommenden zwei Jahre einen speziellen Musikunterricht: Die rund 80 Kinder erlernen im Klassenverband ein Blasinstrument und haben somit die Möglichkeit, gemeinsam zu musizieren, nachhaltig Freude an Musik zu entwickeln und ihrem Umfeld die Bedeutung von musikalischer Bildung aufzuzeigen. Die Hochschule Luzern koordiniert und unterstützt die beteiligten Lehrpersonen mit ihren Klassen und begleitet das Projekt wissenschaftlich.

Für das Projekt werden zwei Musiklektionen pro Woche eingesetzt. Unterstützt werden die Klassenlehrpersonen dabei jeweils von einer Musiklehrperson. Bevor es ans eigentliche Notenlesen und Üben geht, müssen sich die Schülerinnen und Schüler für eines der zur Verfügung gestellten Blasinstrumente entscheiden. Sie können diese nicht nur ausgiebig testen, sondern werden auch im sorgsamen Umgang damit geschult – schliesslich dürfen sie die Instrumente auch zum Üben mit nach Hause nehmen.

Unterstützt wird das Projekt «Klassenmusizieren in Luzern» von der Stiftung Mercator Schweiz, der Fondation Suisa und der Stiftung Kind & Musik.

Umfassendes Musikwissen am eigenen Gerät

«MGG Online», die Online-Datenbank auf der Basis der deutschsprachigen Musikenzyklopädie «Die Musik in Geschichte und Gegenwart» (MGG), ist nun auch für Privatkunden erhältlich. Beim Start im November 2016 wurde sie zuerst institutionellen Nutzern angeboten.

Foto: S. Hofschläger/pixelio.de,SMPV

MGG Online enthält mehr als 19 000 Artikel, verfasst von 3 500 Autoren aus 55 Ländern (vergl. MGG soll auch Datenbank werden, SMZ 19.4.2014). Rund 18 000 davon sind biografische Einträge über Komponisten, Sänger, Instrumentalisten und Theoretiker. Viele Artikel behandeln nicht-westliche Komponisten, Musiker und Schriftsteller, darunter zahlreiche Persönlichkeiten aus Jazz und populärer Musik, ausserdem Instrumentenbauer, Verleger, Musikwissenschaftler, Schriftsteller, Librettisten und bildende Künstler. Über 1.300 Sachartikel stellen Musikästhetik und -theorie dar, Epochen und Genres, Kirchenmusik und Popmusik, Instrumente und Manuskripte sowie Städte und Länder.

Alle diese Inhalte finden sich in einer ständig aktualisierten und wachsenden Datenbank. Mit Hilfe modernster Such- und Browse-Funktionen können beispielsweise die ausführlichen Werklisten nach verschiedenen Kriterien sortiert werden. Weitere Funktionen ermöglichen leichtes Umschalten zwischen Artikelversionen, individualisierbare Benutzerkonten (in denen Lesezeichen und Anmerkungen erstellt, gespeichert und mit anderen geteilt werden können), integrierte Übersetzungen aus dem Deutschen in mehr als 100 Sprachen und Links zu den umfassenden RILM Abstracts of Music Literature.

Der Preis für Privatkunden, die ab sofort abonnieren können, liegt bei US $ 195 (ggf. zzgl. MwSt.) jährlich.

www.mgg-online.com
 

Kulturelle Teilhabe im Kanton Wallis

Das 2016 vom Kanton Wallis mit der anfänglichen Unterstützung der Pro Helvetia lancierte Programm «Kulturelle Teilhabe – partizipative Projekte» wird fortgeführt. Projektdossiers können bis zum 15. Januar 2019 eingereicht werden.

Foto: Tomizak/pixelio.de

Ursprünglich wurde das Programm laut der Mitteilung des Kantons auf die Beine gestellt, um Kunstschaffende und die Bevölkerung auf partizipative Art und Weise zusammenzubringen. Nun wird es erweitert und durch einen Programmteil mit dem Titel «Kulturelle Projekte für einen zweisprachigen Kanton» ergänzt. Diesen Herbst wird eine entsprechende Projektausschreibung lanciert.

Die Hauptidee hinter dem Anfang 2016 lancierten Programm bestand in der Förderung künstlerischer Produktionen verschiedener Art und Grösse auf lokaler oder regionaler Ebene. Diese Produktionen entstehen im Rahmen eines gemeinsamen Schaffensprozesses zwischen einer bestehenden oder eigens für diese Gelegenheit gebildeten Personengruppe und, je nach Bedürfnissen und Kompetenzen, professionellen Kulturschaffenden. Die Projekte zeichnen sich durch einen partizipativen Schaffensprozess und die Interaktion zwischen professionellen Kunstschaffenden und der Zivilbevölkerung aus.

Ende 2017 wurden im Kanton insgesamt 17 Projekte berücksichtigt und unterstützt. Aufgrund der Akzpetanz konnte das Programm fortgeführt und ausgebaut werden. Damit sei «Kulturelle Teilhabe» zu einem festen Bestandteil der Dienststelle für Kultur geworden, schreibt der Kanton weiter.

Ab diesem Herbst ist eine Erweiterung dieses Programms geplant. Die «Kulturellen Projekte für einen zweisprachigen Kanton» sollen die Zweisprachigkeit und der kulturelle Austausch innerhalb des Kantons fördern. Das neue Programm bezieht sich auf innovative Projekte, die Kunst- und Kulturschaffende beider Sprachregionen des Kantons zusammenbringen. Gemeinsame kulturelle Aktivitäten von Deutsch- und Französischsprachigen und der Zugang der Walliser Bevölkerung zu künstlerischen und kulturellen Aktivitäten in der anderen Kantonssprache sollen begünstigt werden.

Dieser neue Teil wird durch die Unterstützung des Bundesamts für Kultur im Rahmen der Programmvereinbarung «Förderung der Zweisprachigkeit im Kanton» ermöglicht. 2019 und 2020 werden in einer ersten Pilotphase Projekte im Zeitrahmen von zwei Jahren unterstützt. «Kulturelle Projekte für einen zweisprachigen Kanton» wird von der Dienststelle für Kultur in Zusammenarbeit mit dem Departement für Volkswirtschaft und Bildung geleitet. Projektdossiers sind bis zum 15. Januar 2019 einzureichen. Die Förderbeiträge können für Projekte im Rahmen von «Kulturelle Teilhabe» bis 20’000 Franken und für Projekte im Rahmen von «Kulturelle Projekte für einen zweisprachigen Kanton» bis 10’000 Franken betragen. Eine Expertenkommission bestimmt, welche Projekte gefördert werden.
 

Zeitloses zur Unzeit

Die diesjährige Ausgabe des Musikfestivals Bern beleuchtete Fragen von Zeit und Zeitlichkeit. Wir nahmen uns die Zeit und besuchten einen Festivaltag.

Verrückte Zeitglocken, Installation von Christoph Hess im Zytglogge. Fotos: Annette Boutellier

Zur Unzeit krähte der Hahn am Berner Zytglogge nicht nur an diesem Tag, sondern mehrfach während des Festivals vom 5. bis 9. September. Schuld daran war Markus Marti, seit 40 Jahren Zeitglockenrichter, der gemeinsam mit Christoph Hess alias Strotter Inst. das Wahrzeichen von Bern zu einer eindrücklichen Klangkulisse umfunktionierte. Anstatt wie üblicherweise kurz vor Ablauf der vollen Stunde krähte der Hahn mitten in die angebrochenen Stunden hinein. Die draussen gebliebenen Touristen mochte es freuen, die Besucher der Installation Verrückte Zeitglocken wohl noch mehr. Im ersten Stock des Turms hantierte Marti nämlich virtuos am Monumentaluhrwerk, verkürzte dabei die Zeit und erzeugte mit der imposanten Maschinerie ein breites Klangspektrum – grobmechanisch im Umgang, subtil in der Wirkung –, das perfekt auf die extra für den Anlass konzipierte Plattenspielerkomposition Schonzeit von Strotter Inst. abgestimmt war.

Während des Musikfestivals Bern verwandelt sich die Bundesstadt stets zu einem einzigen grossen Konzertraum. Wahrzeichen, Aussenquartiere sogar der Bahnhofsvorplatz: alles wird bespielt. In diesem Jahr oft auch zu ungewöhnlichen Zeiten. Unter dem Festivalmotto «unzeitig» traute die Festivalleitung den Besuchern auch schon mal zu, ein Konzert um 23:59 Uhr zu besuchen, kurz vor der Geisterstunde. In einer Privatwohnung in der Münstergasse. Nach einem intensiven Festivaltag definitiv nicht die beste Zeit, leisen, subtil sich wandelnden Klängen zu lauschen, wie sie der Bieler Klangkünstler Jonas Kocher in seinem Konzept «Home (Münstergasse 37)» vorsieht. An der Qualität der Aufführung durch das Ensemble Aabat lag es nicht, dass einigen Besuchern bald einmal der Geduldsfaden riss und sie polternd die Altstadtwohnung verliessen.

Eruptive Klangblöcke

An Intensität mangelte es dem Konzert drei Stunden zuvor in der Grossen Halle der Reitschule nicht. Zwei gewichtige Werke von Bernd Alois Zimmermann standen auf dem Programm: das Trompetenkonzert Nobody knows de trouble I see (1954) und die ekklesiastische Aktion Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne (1970). Nur wenige Komponisten setzten sich im 20. Jahrhundert so intensiv mit Fragen der Zeit auseinander wie Zimmermann. Er entwarf das Konzept der «Kugelgestalt der Zeit», bei dem sich verschiedenste Zeitschichten überlagern können, und verwob in seinen Werken unterschiedliche Musikstile zu einem erstaunlich homogenen Ganzen. Den 1970 verstorbenen Komponisten, der in diesem Jahr 100-jährig geworden wäre, zum Composer in Residence des Festivals zu ernennen, drängte sich geradezu auf.

Das gross besetzte Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Mario Venzago traf die Stimmung des Trompetenkonzerts präzise. Klangwucht und Drive brachte das Orchester gekonnt in Einklang und liess die Musik prächtig ins obligate Jazzfurioso kippen. Unablässig wusste der junge Trompetenvirtuose Simon Höfele dabei zu brillieren. In eine gänzlich andere Welt entführte danach der Schweizer Jugendchor (Leitung: Nicolas Fink). Quasi als versöhnliches Intermezzo zwischen den beiden eruptiven, anklagenden Blöcken von Zimmermann verflochten die jungen Sängerinnen und Sänger Thomas Tallis‘ vierzigstimmige Motette Spem in alium nunquam habui (um 1570) zu einem berührenden und dichten Klangkontinuum, das trotz dem kargem Nachhall in der Reithalle gut zur Geltung kam. Völlig ratlos indes liess viele Zuhörer die ekklesiastische Aktion für zwei Sprecher, Bariton-Solo und Orchester zurück. Robin Adams (Bariton), Julia Kiesler (Sprecherin) und Franz Mazura (Sprecher) legten sich ins Zeug, und die Interpretation war stark. Dieses letzte Aufbäumen Zimmermanns vor seinem Freitod, das durch schränzende Orchesterpassagen oftmals die Schmerzgrenze überschreitet, hinterliess dennoch viele Fragezeichen, und in einem schwachen Moment ertappte man sich beim Wunsch, das Musikfestival Bern hätte doch anstatt Zimmermann den zeitlosen Thomas Tallis zum Composer in Residence ernannt.

Spitzfindig und geistreich

Uneingeschränkte Glücksgefühle hinterliessen dagegen Jürg Kienberger als Interluder in Residence und Christian Grüny als Festival-Philosoph. Mit spitzfindigen kleinen Störmanövern tauchte Kienberger immer wieder in Konzerten auf, etwa spätabends in der Französischen Kirche, um die Aufführung zweier Trauerkantaten von Bach und Telemann stilvoll zu konterkarieren. Die Interpretation der Kantaten selbst erreichte durch das Vokalensemble BernVocal, begleitet von einem hochkarätig zusammengestellten Solistenensemble, himmlische Sphären.

Grüny wiederum interludierte geistreich unter dem Motto «Resonanz und Wiederholung» im Kunstmuseum, das mit den gegenwärtig ausgestellten Hodler-Bildern eine angenehme Atmosphäre für die Aufführung zweier kontrastreicher Cellostücke von Zimmermann und Michael Pelzel bot.

In der Zeitkugel, Konzert in der grossen Halle der Berner Reitschule. Simon Hofele, Trompete; Robin Adams, Bariton; Franz Mazura, Sprecher; Julia Kiesler, Sprecherin; Berner Symphonieorchester, Leitung Mario Venzago; Schweizer Jugendchor, Leitung Nicolas Fink. Foto: Annette Boutellier

Was für Musik uns zum Tanzen bringt

Die Groove-Forschung untersucht, welche Eigenschaften eines Songs Menschen zur Körperbewegung anregen. Ein Team der Hochschule Luzern zeigt nun, dass diese Wirkung nicht nur mit der Musik allein zu tun hat.

Foto: Henrik G. Vogel/pixelio.de

Um das Geheimnis des Groove zu lüften, starteten der Musikpsychologe Olivier Senn und sein Team vor zwei Jahren ein Online-Hörexperiment, bei dem die Teilnehmenden rekonstruierte Schlagzeugmuster aus 248 Songs bewerteten.  Die Songs stammten aus ganz unterschiedlichen Stilrichtungen. 665 Personen, mehrheitlich aus der Schweiz und aus Deutschland, beteiligten sich daran.

Anhand der Bewertungen zeigten sich zahlreiche kleine rhythmische Effekte: Berufs- und Amateurmusikerinnen und -musiker reagierten positiv auf Komplexität, während sich die Laien genauso gerne zu einfachen Rhythmen bewegen wollten. Einen deutlich grösseren Einfluss hatte jedoch der persönliche Musikgeschmack: Die Teilnehmenden schätzten ein Schlagzeugmuster signifikant besser ein, wenn sie dachten, es stammt von einem Stil, den sie mögen oder von einem Song, den sie kennen.

Für einen nächsten Schritt haben die Luzerner Forscher ihren Groove-Fragebogen überarbeitet, um geschmackliche besser von motorischen Reaktionen unterscheiden zu können. Der neue Fragebogen wird zurzeit im Rahmen einer breit angelegten Umfrage getestet, zu der alle eingeladen sind.

Link zur Umfrage: http://www.hslu.ch/groove-questionnaire

Studie zum weltweiten Musikkonsum

Pro Woche hören die Menschen weltweit 17,8 Stunden Musik und zwar am häufigsten im Auto. Das sind Ergebnisse des von der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) veröffentlichten Music Consumer Insight Report 2018.

Bild: w.r.wagner/pixelio.de

Die von AudienceNet durchgeführte Studie hat die Musiknutzung in insgesamt 20 der weltweit grössten Musikmärkte untersucht. Befragt wurden Internet-Nutzer im Alter zwischen 16 und 64 Jahren in Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Russland, Südafrika, Südkorea, Spanien, Schweden, UK und den USA. Die Untersuchung wurde darüber hinaus in China und Indien durchgeführt, diese Ergebnisse sind jedoch nicht in die globalen Zahlen eingeflossen.

Der mit 66 Prozent der Befragten am häufigsten genannte Ort, an dem Musik gehört wird, ist das Auto. Deutschland liegt hier mit 77 Prozent deutlich über dem Durchschnitt nach Südafrika (80 Prozent) und vor den USA (75 Prozent). Streaming ist praktisch allgegenwärtig: 86 Prozent hören Musik über On-Demand-Dienste. Junge Musikkonsumenten sind die aktivsten Streamer, hierbei nutzen 57 Prozent der 16- bis 24-Jährigen einen kostenpflichtigen Audio-Streaming-Dienst, in Deutschland sind es sogar 61 Prozent.

Auf den wachstumsstarken Musikmärkten ist lizenzierte Musik vorherrschend: In China und Indien etwa nutzen jeweils 96 Prozent der Verbraucher lizenzierte Angebote.User-Upload-Dienste dominieren weiterhin die On-Demand-Nutzung: Fast die Hälfte der Zeit, in der Musik gestreamt wird, wird auf YouTube verbracht. Urheberrechtsverletzungen bleiben ein erhebliches Problem: Mehr als ein Drittel (38 Prozent) der Verbraucher beziehen Musik auf rechtsverletzenden Wegen, wobei die vorherrschende Methode (32 Prozent) hier das Streamripping ist.

Link zum Report:
http://www.musikindustrie.de/fileadmin/bvmi/upload/05_Presse/01_Pressemitteilungen/2018/IFPI_Consumer_Insight_Report_2018_FINAL.pdf

Gustav Mahlers Sinfonien neu aufgelegt

Der Verlag Breitkopf & Härtel startet die Publikation sämtlicher Symphonien Gustav Mahlers. Die Ausgaben der Neuedition knüpfen inhaltlich an die Symphonie-Bände der Kritischen Gesamtausgabe an.

Gustav Mahlers «Komponierhäuschen» bei Maria Wörth. Foto: selbst/wikimedia commons,SMPV

Herausgegeben seit 1960 von der Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft, erschienen die Symphonien bei vier verschiedenen Verlagen und durchliefen seitdem eine Reihe von verbesserten Folge- und korrigierten Neuauflagen. Für den Benutzer ergeben sich dadurch etliche praktische Probleme: Einerseits verwirrt die Vielfalt unterschiedlich weit revidierter Ausgaben. Andererseits ist die Übereinstimmung zwischen Partituren und Aufführungsmaterialen nicht immer gewährleistet.

Ausgehend von einer mutmasslichen «Fassung letzter Hand», erschien eine erneute kritische Durchsicht des Notentexts geboten, um eine grössere inhaltliche Verlässlichkeit zu bieten. Ohne die Quellenbewertung der Kritischen Gesamtausgabe grundsätzlich in Frage zu stellen, konnte laut dem Verlag eine grosse Anzahl an Präzisierungen erreicht sowie editorische Unstimmigkeiten und seitdem bekannt gewordene Fehler berichtigt werden.

Die Verbesserung des Aufführungsmaterials besitze, schreibt Breitkopf & Härtel, daher oberste Priorität. Der Neusatz von Partitur und Orchesterstimmen in grösserem Format und Rastral sorge erstmals für ein einheitliches Erscheinungsbild und eine optimale Lesbarkeit. Die enge Kooperation mit Bibliothekaren international führender Orchester garantiere die Berücksichtigung spezieller praktischer Aspekte bei den Orchesterstimmen, beispielsweise transponierte Stimmen für heute selten gebräuchliche Wechselinstrumente oder zusätzliche Stimmen für ausserhalb der Bühne positionierte Instrumente beziehungsweise für instrumentale Verstärkung.

 

Konzertchor Luzern mit neuer Leitung

Er könnte der Sohn der meisten Chormitglieder sein. Knapp 33 Jahre alt ist Philipp Klahm und hat bereits zehn Jahre Erfahrung in Chorleitung. Vor allem aber weiss er, wie er die 120 Sängerinnen und Sänger des Konzertchors Luzern begeistern kann.

Philipp Klahm. Foto: zVg,SMPV

Philipp Klahm versteht sich als Chorleiter und als Pädagoge für die Stimmen. Mit einem Chor zu «arbeiten», heisst für ihn insbesondere auch «an der Stimme» arbeiten. Die Stimme ist für ihn etwas Einzigartiges. «Jeder Mensch hat seine eigene Stimme. Diese im Chor zum Klingen zu bringen, braucht Mut.» Als Chorleiter findet er es spannend, Stimmen zu formen, die Sängerinnen und Sänger zu packen, zu motivieren, damit ihre Stimmen aufblühen und miteinander harmonieren. Es sei das, was auch das Publikum schätze: «Es ist so schön, einen sauber gesungenen Dur-Akkord zu hören und auf sich wirken zu lassen.»

Heute wohnt Klahm in Konstanz. Aufgewachsen ist er im beschaulichen Calw, der Geburtsstadt von Hermann Hesse in Baden-Württemberg. Mit sechs Jahren besucht er dort erstmals den Kinderchor. Er bekommt Klavierunterricht; mit neun beginnt er mit der Trompete. Er wächst sozusagen mit den Chören heran: Kinderchor, Schülerchor, Männerchor CalvVoci, den er heute leitet. Er schätzt das gemeinsame Musizieren und den sozialen Kontakt in der Stadtkapelle. Während des Gymnasiums spielt er mit seiner Trompete in diversen Formationen, von der traditionellen Blasmusik über das klassische Orchester bis hin zu diversen Jazz-Formationen wie Big Band oder Funk Band.
 

Vielseitig begabt

Es überrascht, dass Philipp Klahm an der Universität nicht Musik, sondern Germanistik und Theologie belegt. Die Musik soll intensives Hobby bleiben. «War ich um 17 Uhr daheim, dann lebte ich für die Musik.» Will heissen für die Trompete und die Chormusik. Er singt nun im akademischen Chor Tübingen Motetten und Oratorien. «Mein musikalisches Leben war spannend.» Sein Gesanglehrer rät ihm, sich für die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule zu melden. Philipp Klahm besteht und beginnt das Studium der Schulmusik in Karlsruhe: Chorleitung, Gesang, Klavier und Musiktheorie. Das geisteswissenschaftliche Studium in Tübingen setzt er fort. Einen Tag ist er in Tübingen, den anderen in Karlsruhe. Schnell stellt sich heraus, dass ihn die Chorleitung und der Umgang mit der Stimme am meisten begeistern. 2011 schliesst er in Schulmusik ab, ein Jahr später auch das Studium in Tübingen. Es folgt ein Master in Chor- und Orchesterleitung an der Musikhochschule Trossingen.

Der Hochschulchor von Trossingen ist auf Oratorienliteratur spezialisiert: Klahm dirigiert Mendelssohns Elias, Strawinskys Psalmensinfonie, Bachs Matthäuspassion. Noch während des Studiums übernimmt er einen Lehrauftrag an der Universität Erfurt. Er unterrichtet Schulmusiker in Chorleitung, Stimmbildung und Dirigieren. Zusätzlich leitet er den Universitätschor mit 110 Sängerinnen und Sängern. Mit dem Master in der Tasche ist er für ein Jahr Vizedirigent und Korrepetitor bei der Basler Knabenkantorei. Seit 2016 leitet er die traditionsreichen Rottweiler Münstersängerknaben. Mit seinem Männerchor CalvVoci ist er nach wie vor eng verbunden. Das Ensemble ehemaliger Sängerknaben arbeitet auf höchstem Niveau, ist regelmässig auf renommierten Wettbewerben zu Gast und gewinnt immer wieder Preise.

Mit dem Konzertchor Luzern ins KKL

Was hat den jungen Chorleiter bewogen, den Konzertchor Luzern mit seinen überwiegend älteren Damen und Herren zu übernehmen? «So alt empfinde ich die Sängerinnen und Sänger gar nicht.» Diplomatie oder veritable persönliche Einschätzung? Seine Antwort geht weiter. «Für mich war es die spannende Frage, wie ist es, mit einem vier- bis achtstimmigen gemischten Chor zu arbeiten. Welche Literatur kann ich aufführen?» Mit seinen verschiedenen Chören deckt Klahm alle Sparten ab: Der Konzertchor Luzern interpretiert grosse Konzertliteratur, die Neuhauser Kantorei orientiert sich an der geistlichen Musik, die Rottweiler Münstersänger an der Tradition des Knabenchors, der Männerchor CalvVoci singt Zeitgenössisches. «Das finde ich so bereichernd, daraus ergeben sich immer wieder neue Projekte.»

Gegenwärtig probt Klahm für seinen ersten Auftritt mit dem Konzertchor Luzern im KKL. Er ist überrascht, wie gut der Chor vorangekommen ist: «Es klingt nach Puccini und Verdi. Der Gesamtklang ist grösser geworden, voller und runder.» Er findet die gewählten Werke grossartig. Verdis Stabat Mater enthalte alle Stimmungen von der Trauer der Mutter bis hin zur Klangfarbe des Paradieses. «Es sind schnell wechselnde Bilder: Die klangliche Umstellung ist für jeden Chor eine Herausforderung. Daneben die wundervolle Messe von Puccini mit opernhaften Melodien, die der Chor mit Lust und Freude singt.»

Aufführung

Sonntag, 21. Oktober 2018, 11.00 Uhr im KKL Luzern
 

Giacomo Puccini, Messa di Gloria
Giuseppe Verdi, Stabat Mater
 

Konzertchor Luzern
Daniel Kluge, Tenor
Konstantin Wolff, Bassbariton
Camerata Musica Luzern
Philipp Klahm, Leitung
 

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