Graubünden revidiert Kulturförderung

Das Kulturförderungsgesetz des Kantons Graubünden wird gemäss Auftrag des Grossen Rates des Kantons total revidiert. Unter anderem sollen die Regionen laut dem Entwurf verpflichtet werden, ein flächendeckendes Angebot an Sing- und Musikschulen zu führen.

Churer Stadttheater. Foto: Roland Zumbühl/picswiss

Die aktuelle Kulturförderung des Kantons Graubünden basiert auf dem Gesetz über die Förderung der Kultur vom 28. September 1997 und der Verordnung zum Gesetz über die Förderung der Kultur vom 12. Januar 1998. Das Kulturförderungsgesetz sowie die darauf basierende Verordnung hätten sich als Grundlagen der kantonalen Kulturförderung bis heute in vielen Bereichen bewährt, schreibt der Kanton. Deshalb seien einige Regelungen im neuen Entwurf übernommen. Auch das totalrevidierte Kulturförderungsgesetz soll gemäss Vorschlag der Regierung schlank ausfallen.

Die Totalrevision des Kulturförderungsgesetzes geht auf einen Auftrag von Grossrat Bruno Claus und Mitunterzeichnende zurück. Im Zuge der Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes wurde eine Abgrenzung zwischen der Wirtschaftsentwicklung und der Kulturförderung vorgenommen. Zu klären waren auch mögliche Schwerpunkte der Kulturförderung (professionelle Kultur, Amateurkultur), die Schnittstellen zur Wirtschaftsförderung sowie die Zuständigkeiten und die Wahl der kantonalen Kulturförderungskommission.

Neu wird vorgesehen, die Unterstützung des professionellen Kulturschaffens explizit in die Zielsetzungen des Gesetzes aufzunehmen. Des Weiteren sieht der Entwurf vor, dass die Regionen verpflichtet werden, ein flächendeckendes Angebot an Sing- und Musikschulen zu führen.

Bei der Erarbeitung des nun vorliegenden Entwurfes wurden auch die Ergebnisse des Auftrages Caduff betreffend Zwischenhalt bei der Totalrevision des Wirtschaftsentwicklungsgesetzes und der Auftrag Montalta betreffend Ausarbeitung eines kantonalen Konzeptes zur Förderung und Finanzierung der Regionalmuseen und regionalen Kulturzentren berücksichtigt. Viele Anliegen der 160 Vernehmlassungsteilnehmenden konnten ebenfalls aufgenommen werden. So soll beispielsweise die Regierung zum Erlass eines umfassenden Konzeptes zur Förderung der Kultur im Kanton Graubünden verpflichtet werden.

Im Paradies der Komponisten

Mit vier Uraufführungen ist das Percussion Art Ensemble Bern auf Geburtstagstournee.

Konzert in der Gare du Nord. Foto: pae-bern.ch

Als Yvonne Loriod Olivier Messiaen einst ein erstes seiner Vogelstücke auf dem Klavier vorspielte, meinte er zu ihrer Enttäuschung: Sie habe alles richtig gemacht, aber etwas fehle; am nächsten Morgen führte er sie in die Natur hinaus, wo sie den Vögeln selber lauschen und deren Gesänge verstehen konnte. Dieser vielleicht nur kleine, aber entscheidende Unterschied blieb spürbar, als das Percussion Art Ensemble Bern in der Basler Gare du Nord das Stück Nri/mimicri von Charles Uzor aufführte. Der St. Galler Komponist hat darin Vogelgesänge um acht Oktaven heruntertransponiert und sie damit auf Instrumenten spielbar gemacht. Nun sollten die vier Perkussionisten und die Ondes-Martenot-Spielerin Caroline Ehret diese Gesänge nachahmen. Dieser eigentümliche Klang-Urwald, ein Nebeneinander, ein Durcheinander von Stimmen, durch nichts verbunden ausser durchs Ganze, einen wilden rituellen Raum, tönte stellenweise sehr farbig, aber das Stück könnte noch wunderbarer aufblühen, wenn diese klangliche Imagination bei den Musikern wirklich zum Tragen käme. Hier wirkte es eher gespielt als durchlebt.

Das war bezeichnend für den Abend: Ein letztes Quäntchen Sorgfalt fehlte. Vielleicht sollten die Musiker doch wie Evelyn Glennie barfuss auftreten, denn auch Schuhabsätze werden leicht zu Schlaginstrumenten, wenn auch leider meist unbeabsichtigt. Und in kleinen Geräuschen beim Ablegen von Schlägeln, beim Aufnehmen des Bogens, beim Wechseln von einem Instrument zum anderen wurde zudem hörbar, dass es einfach manchmal an Sensibilität und Einbildungskraft fehlt. Das störte vor allem bei den diffizileren, zerbrechlicheren Stücken des Programms, bei Uzor, dessen Musik aber in sich stark genug ist und dennoch nachvollziehbar bleibt, sowie in Floraison der Belgierin Jacqueline Fontyn, das dadurch noch stärker in Beliebigkeit zerfaserte.

Das Berner Perkussionsensemble mit Simon Forster, Ferdinand Heiniger, Oliver Schär und dem Gründer Daniel Scheidegger feiert im November seinen zwanzigsten Geburtstag mit einer Tournee durch die Schweiz (Uettligen, Basel, Biel, Burgdorf, Bern, St. Gallen). Unter dem Titel «Dialoge» erklingen gleich vier Uraufführungen, das Stück von Uzor war das reichhaltigste und längste darunter. Das Quartett hat sich viele Verdienste um die Neue Musik in der Bundeshauptstadt erworben, hat das Klangrepertoire mit unterschiedlichsten Facetten vorgestellt und dabei wertvolle Vermittlungsarbeit geleistet. Es wurde deshalb 2012 für das Projekt «Alltagsmusik» mit dem Preis für innovative Musikvermittlung des Kantons Bern ausgezeichnet.

Vielleicht braucht das Percussion Art Ensemble schlichtweg etwas robustere Kompositionen, die vor allem rhythmisch geprägt sind und geradeaus gehen. Die beiden anderen Stücke des Abends waren Geburtstagsgeschenke (jene von Uzor und Fontyn entstanden im Auftrag des Quartetts) und kamen den Qualitäten der Musiker weitaus stärker entgegen. Urs Peter Schneiders neues Stück Erhört etwa für fünf zweistimmig spielende Schlagzeuger (mit Karin Jampen am E-Piano) «übersetzt» einen aramäischen Text in Klangprozesse. Die je zwei Vibra- und Marimbafone und das Klavier schreiten konstant in Puls und Lautstärke einher, unangestrengt, doch von Pausen unterbrochen durch die allmählich changierenden Akkorde. Darüber beginnt jedoch «erhörbar» der Spektralbereich zu schwingen – jeweils anders, mit dem Ohr erkundbar. Und da zeigte sich: Perkussionsmusik ist auch heute noch eine Wundertüte, aus der sich zahllose Farbabstufungen hervorzaubern lassen. Ein «Paradies der Komponisten» nennt sie deshalb der Berner Komponist Jean-Luc Darbellay, und er durchstreifte es seinerseits auf suggestive Weise mit seinen Dialogues. Die Musik glitt durch die Minuten, flirrend, schwirrend, mit einigen Überraschungen und Effekten, die klar gesetzt waren, genau richtig für dieses Ensemble. Die markige Rührtrommel wird mir in Erinnerung bleiben.
 

Weitere Konzerte
Sonntag, 20.11.2016, 17.00 Uhr, Museum Franz Gertsch Burgdorf
Donnerstag, 24.11.2016, 20.00 Uhr, Dampfzentrale Bern
Freitag, 25.11.2016, 20.00 Uhr, Lokremise St. Gallen

 

Deutsche Orgelpredigtdrucke katalogisiert

Am Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg startet ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt zum Thema «Deutsche Orgelpredigtdrucke zwischen 1600 und 1800 – Katalogisierung, Texterfassung, Auswertung».

Foto: Obere Hälfte des Titelblatts der Orgelpredigt von Conrad Dieterich aus dem Jahr 1624 (zvg),SMPV

Das Team um Katelijne Schiltz, Professur für Musikwissenschaft an der Universität Regensburg, hat sich zum Ziel gesetzt, eine Sammlung von rund 90 deutschsprachigen Predigttexten, die aus dem 17. und 18. Jahrhundert überliefert wurde, wissenschaftlich zu erschliessen. Das Projekt, das eine Laufzeit von drei Jahren hat, beschäftigt sich mit einer bislang wenig erforschten Quellengruppe.

Bei den Texten handelt es sich um geografisch weit verstreute, meist unikale Drucke, die jetzt erstmals bibliographisch erfasst und als Volltexte in einem digitalen Forschungsportal auf der Website des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Regensburg öffentlich verfügbar gemacht werden sollen. Die Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler werden die Quellen in den nächsten drei Jahren inhaltlich erschliessen und Steckbriefe der Autoren und Instrumente erstellen.

Katelijne Schiltz stellt das Projekt in einen grösseren Forschungskontext: «Von besonderer Bedeutung ist die Auswertung der Drucke für ein Panorama der protestantischen Orgellandschaft. Zahlreiche Texte thematisieren die Geschichte des geweihten Instruments, bieten Informationen zur Disposition und lassen den kultursoziologischen Hintergrund ihres Baus in bislang wenig bekannten lokalen Kontexten plastisch werden.»

Einen weiteren wissenschaftlichen Schwerpunkt des Projekts wird die Analyse der Texte unter dem Aspekt des Wissenstransfers bilden. Erstmals systematisch untersuchen lässt sich anhand des Materials die Rolle von Theologen für die Verbreitung musikalischen Fachwissens. Von Interesse sind sowohl die personellen Netzwerke, die sich zwischen den Predigtautoren etablieren konnten, als auch der genaue Radius der in dieser Gattung verbindlichen, musiktheoretischen Gelehrsamkeit. Exemplarische Ergebnisse des Projekts sollen 2019 in einem interdisziplinären Workshop zur Diskussion gestellt werden.
 

Drohende Abwärtsspirale

Ginge es nach den Plänen der Regierung, soll am Luzerner Sinfonieorchester ab 2018 gespart werden. Die Folgen wären verheerend.

Dankeskonzert vom 13.11. für die Unterstützer der Petition «Ja zum Sinfonieorchester». Foto: Ingo Höhn

Im September dieses Jahres wurde es vom Luzerner Regierungsrat verabschiedet, das «Sparpaket». Der Begriff hat seine euphemistische Note längst eingebüsst. Auch der offizielle Titel des 160-seitigen Dossiers, «Konsolidierungsprogramm 2017 (KP17)», kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Paket eine gehörige Dosis Sprengstoff enthält. Hinter KP17 steht die Absicht, den Finanzhaushalt des Kantons Luzern mittelfristig ins Lot zu bringen. Für die kommenden drei Jahre ist ein Fehlbetrag von rund 520 Millionen Franken prognostiziert. Die vorgeschlagenen Sparmassnahmen zielen auf viele Bereiche ab. Auch vor Bildung und Kultur machen sie nicht halt. Musikschulen, Hochschulen und grosse Kulturbetriebe, darunter besonders das Luzerner Sinfonieorchester (LSO), wären von ihnen betroffen.
KP17 mag vordergründig die Absicht erkennen lassen, eine Vielzahl von Anforderungen zu einem pragmatischen Heile-Welt-Kompromiss zu bündeln. Doch über diesem hängt das Damoklesschwert, getreu dem Motto: Wehe dem, der es wagt, das vom Regierungsrat geschnürte Paket wieder aufzuschnüren! Als nach der Veröffentlichung des Dossiers am 6. September 2016 der Widerstand in der Bevölkerung wuchs, warnte der parteilose, FDP-nahe Kantonsfinanzdirektor vor allem Gemeinden, Lehrpersonal und Kulturschaffende davor, nur ihre eigenen Interessen zu vertreten, ohne den angeschlagenen Gesamthaushalt im Blick zu haben. Die Warnung verhallte verständlicherweise im Winde. Zum einen geht es nicht primär um eigene Interessen, zum anderen ist das Politsystem für Widerstände geradezu prädestiniert. Mitte Oktober drohten die bürgerlich dominierten Kommunen mit einem Referendum für den Fall, dass der Kantonsrat den Gemeinden die in KP17 vorgesehenen Mehrbelastungen zumuten sollte. Tatsächlich kam das Parlament den Gemeinden in seiner Sitzung vom 7. November mehrheitlich entgegen und nahm 70 Millionen Franken aus dem Sparpaket heraus.

Parteipolitisches Kräftemessen

Die Musikschulen waren ebenfalls in der Novembersession des Kantonsrates dran. Nach eingehender Debatte war die Halbierung des kantonalen Pro-Kopf-Beitrags an die kommunalen Musikschulen beschlossene Sache. 84 Parlamentarier waren dafür und 29 dagegen. Geschlossen abgelehnt wurde die Massnahme ausschliesslich von SP und Grünen. Zudem stimmten 8 von 29 CVP-Abgeordneten gegen die Massnahme. Sie soll den Kantonshaushalt in den kommenden drei Jahren um 3,6 Millionen Franken entlasten. Die Linken hatten vor der Sparübung dahingehend gewarnt, dass der allgemeine Zugang zum Musikunterricht durch höhere Unterrichtsgebühren erschwert würde. Die tonangebende Argumentation aus den Reihen der Liberalen lautete, dass sich Musikunterricht leisten könne, wem er wirklich wichtig sei. Dahinter steht das allseits bekannte Muster: Die Bürgerlichen begrüssen die Sparübungen prinzipiell, während die Linken keine Leistungen reduzieren wollen, sondern die Tiefsteuerpolitik anprangern. Die CVP selbst musste sogar zugeben, dass die Tiefsteuerstrategie ein Verlustgeschäft sei. Die SVP wiederum kämpft vehement gegen höhe Steuern. Wer auch immer in diesem Parteienstreit recht haben mag: Das LSO ist an der finanziellen Schieflage des Kantonshaushalts definitiv nicht schuld.

Mehr Eigenwirtschaftlichkeit geht nicht

Im schweizweiten Vergleich ist der Grad an Eigenwirtschaftlichkeit des LSO rekordverdächtig, was einem ausgeklügelten Zusammenwirken von öffentlichem und privatem Sektor (Public-private-Partnership) zu verdanken ist. In Zahlen drückt sich das so aus: 3,5 Millionen nimmt das LSO im Kartenverkauf ein, nochmals 3,5 Millionen kommen von privater Seite. Für seine zweite Identität als Opernorchester des Luzerner Theaters erhält das LSO 4 Millionen Abgeltung. Der Anteil öffentlicher Gelder an das LSO als Sinfonie- und Residenzorchester des KKL beläuft sich auf 3 Millionen Franken. Betriebswirtschaftlich gesprochen: Mit jedem direkt eingezahlten Steuerfranken erzielt das LSO eine Wertschöpfung von über 330 Prozent, da mit 3 Millionen Grundfinanzierung ein Produkt von 10 Millionen angeboten wird (Dienste am Theater ausgenommen). Diese Wertgrösse ist Indikator eines ausgesprochen ökonomischen Handelns. An den dazu benötigten 3 Millionen Subventionen, dem Fundament gewissermassen, setzte der Regierungsrat den Rotstift an, wenn auch nicht unmittelbar: Sämtliche grosse Kulturbetriebe, darunter neben dem LSO auch Lucerne Festival, das Luzerner Theater, das Kunstmuseum und das Verkehrshaus, erhalten öffentliche Unterstützungsleistungen über einen Zweckverband. KP17 sieht Kürzungen an dem Kantonsbeitrag an den Zweckverband von 1,2 Millionen vor. Peanuts, könnte man meinen. Doch die Kürzung von 1,2 Millionen durch den Kanton würde auch noch eine Reduktion des städtischen Beitrags an den Zweckverband nach sich ziehen. Statt der bisherigen 3 Millionen bekäme das LSO dann nur noch 2,5 Millionen aus öffentlicher Hand. Eine riesige Strapaze. Der Fehlbetrag liesse sich unmöglich durch noch höhere Sponsoreneinnahmen ausgleichen, gibt Numa Bischof Ullmann, Intendant des LSO, zu bedenken. «Selbst die Politik ist sich darin einig, dass die Summe an Privatgeldern, die wir mobilisieren, nicht noch weiter in die Höhe getrieben werden kann.» Ohnehin schon seien die Sponsoren ein gewisser Unsicherheitsfaktor. Zudem würde ein Rückgang der Subventionen auch die privaten Beiträge infrage stellen. Diesen Dominoeffekt beschrieb ein langjähriger enger Freund des Orchesters, Wolfgang Rihm, mit treffenden Worten: «Es herrscht bislang ein gewachsenes subtiles Wechselspiel zwischen öffentlicher und privater Förderung. Private Förderung wird aber erst motiviert, wenn das öffentlich gestützte Fundament gesund ist. Private Förderung würde ins Leere gehen, wenn der zu fördernden kulturellen Einrichtung durch Entzug öffentlicher Mittel die wichtigen Kräfte der Selbsterneuerung dezimiert würden. Konkret: ein öffentliches Kulturorgan wie ein Orchester verkümmert von innen her, wenn Stellen nicht mehr optimal besetzt werden können. Wenn Programme nach und nach immer konventioneller gehalten werden müssen. Wenn nicht mehr die allerbesten Solisten und Gastdirigenten eingeladen werden können. Langsam, schleichend, Schritt für Schritt verschwindet die Attraktivität eines solchen Ensembles. Es wird noch fähig sein, quasi ‹Hausmannskost› herzustellen, aber keine Rolle mehr im überregionalen Bereich spielen.» Hausmannskost, weiss Bischof, schliesst Exzellenzförderung aus. «Unser Finanzierungsansatz setzt eine hohe künstlerische Profilierung voraus.»

Bumerang-Effekt

Die mittelfristige Folge wäre ein Defizit von bis zu 4 Millionen, sollten Gelder von privater Seite ausbleiben. Von der Annahme ausgehend, dass Politik und Bevölkerung das Orchester erhalten möchten, würde das Defizit auf die öffentliche Hand abgewälzt werden. Somit würde die Politik das Gegenteil erreichen von dem, was sie beabsichtigt. Und wenn das LSO sein Konzertangebot zurückfahren würde, um weniger auszugeben? Das wäre kontraproduktiv, meint Bischof, da mit jedem Projekt durch Karteneinnahmen und Sponsorenakquise die überlebensnotwendigen Deckungsbeiträge erwirtschaftet würden. «Noch weniger verdienen heisst für uns schlicht und einfach, Fixkosten nicht decken zu können.» Auch die umgekehrte Variante, mehr Einnahmen durch mehr Angebot, käme nicht infrage. «Wir sind längst an der Kapazitätsgrenze angekommen», so der Intendant. Noch mehr Dienste könne man den Musikerinnen und Musikern nicht aufbürden. Beat Santschi, Präsident des SMV, schätzt das Sparszenario ebenfalls als unzumutbar ein: «Eine weitere Reduktion ist für verantwortungsvolle Arbeitgeber von 70 grossartigen Berufsmusikerinnen und –musikern nicht vertretbar! Im Interesse der künftigen Generationen muss die gesunde Finanzierung des Orchesters langfristig gesichert und nicht abgebaut werden, denn ein totgespartes Orchester kommt nie mehr zurück!»

Die Gefahren lauern noch anderswo: Nachbarkantone könnten sich dazu legitimiert sehen, ihre Ausgleichszahlungen an den Standortkanton zu kürzen. Erst kürzlich forderte die Aargauer FDP den Austritt aus dem interkantonalen Kulturlastenausgleich. Der Aargauer Regierungsrat gab Entwarnung, doch die Gefahr ist damit noch nicht gebannt. Ein hochrangiger CVP-Vertreter gab diesbezüglich zu bedenken: «Als Zuger besuche ich gerne die Konzerte des Luzerner Sinfonieorchesters und das Luzerner Theater. Den Kulturlastenausgleich unterstütze ich deshalb aus Überzeugung. Aber Achtung: Wenn der Standort Luzern die eigene finanzielle Unterstützung kürzt, werden die andern Kantone nachziehen. Eine Schwächung des Kulturplatzes Luzern möchte ich vermeiden.»

Wie geht es weiter?

Am 12. Dezember wird der Kantonsrat über den Sparvorschlag des Regierungsrates abstimmen. Die Chancen, dass er abgewendet wird, stehen nicht schlecht. Gegenwärtig tut das Orchester alles in seiner Macht Stehende, um ins allgemeine Bewusstsein zu rufen, dass es den Steuerzahler von allen Schweizer Berufsorchestern am wenigsten kostet. (Dass es dem LSO keineswegs um einen Unterbietungswettbewerb geht, erklärt sich aus den hier geschilderten Zusammenhängen.) Gleichzeitig verlangt das kompetitive Umfeld des Residenzorchesters des KKL, wo sich die bedeutendsten Klangkörper der Welt die Klinke in die Hand geben, konstante Höchstleistungen. Es dürfte im Interesse aller sein, die tragenden Säulen des Spannungsgefüges von ökonomischer Disziplin und höchsten künstlerischen Ansprüchen vor der Erosion zu schützen.

Will Luzern wirklich ein Orchester? Diese Frage ist für Bischof insofern nicht tabu, als er eine offene und ehrliche Leistungsdiskussion in Gang bringen möchte. In seine Worte mischt sich eine leise Abneigung gegenüber Debatten, in denen es nur noch ums Aufrechterhalten von historisch Gewachsenem um seiner selbst willen geht. Auf die (rhetorische?) Frage, ob Luzern überhaupt ein Orchester haben möchte, folgen für ihn zwei weitere: Was für ein Orchester will die Region? Und wie viel darf es kosten? Auf diese Weise begegnet das LSO dem linearen Spardenken nicht mit dumpfem Protest, sondern mit einer Haltung, die zum inhaltlichen Austausch einlädt. Das Risiko, dass die erste Frage mit Nein beantwortet wird, geht gegen Null. Mehr als vermuten lässt dies das sehr gut besuchte Dankeskonzert des LSO vom 13. November im KKL, das die Musikerinnen und Musiker nicht nur ohne Gage bestritten, sondern auch ohne ihren Chefdirigenten. Sein Terminkalender erlaubte nicht, das kurzfristig anberaumte Konzert zu leiten, so gerne er es wohl getan hätte. Das LSO meisterte die Herausforderung mit Bravour. Möge dieser wunderbare Konzertabend Vorbote eines guten Ausgangs der Abstimmung sein!
 

Link zur online-Petition

 

 

www.ja-zum-sinfonieorchester.ch

Gema-Gebühren gehören den Komponisten

Das Berliner Kammergericht hat in einem Berufungsverfahren die Rechte von Musikern/Künstlern gestärkt: Die Gema (das deutsche Pendant der Suisa) ist danach gegenüber den klagenden Künstlern ab dem Jahr 2010 nicht berechtigt, die diesen als Urhebern zustehenden Vergütungsanteile um sogenannte Verlegeranteile zu kürzen.

Foto: Thorben Wengert/pixelio.de

Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage, wie Einnahmen aus Nutzungsrechten für Urheberrechte zu verteilen sind. Der 24. Senat des Kammergerichts hat in seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Ausschüttung für Nutzungen von Urheberrechten übertragen und fortgeführt. Danach dürfe die Gema Gelder nur an diejenigen Berechtigten ausschütten, die ihre Rechte wirksam übertragen hätten.

Hätten die Urheber ihre Rechte zuerst aufgrund vertraglicher Vereinbarungen auf die Gema übertragen, so könnten die Verleger keine Ansprüche aus den Urheberrechten der Künstler ableiten. Denn den Verlegern stehe kein eigenes Leistungsschutzrecht zu. Dementsprechend könnten sie auch nicht beanspruchen, an den Einnahmen aus Nutzungsrechten beteiligt zu werden.

Etwas Anderes könne zwar gelten, wenn die Urheber zugunsten der Verleger konkrete Zahlungsanweisungen getroffen oder ihre Ansprüche auf ein Entgelt gegen die Gema an die Verleger (zumindest teilweise) abgetreten hätten. Solche besonderen Vereinbarungen zugunsten der Verleger seien aber weder typisiert erkennbar noch in dem vorliegenden Fall der klagenden Künstler feststellbar.

Das Kammergericht hat ferner die Gema in der heutigen Entscheidung verurteilt, den Klägern Auskunft über die entsprechenden Verlegeranteile zu erteilen und darüber Rechnung zu legen. Über die Frage, ob den Künstlern aufgrund der zu erteilenden Auskünfte auch ein Anspruch auf Zahlung von weiteren Entgelten zustehe, wurde heute noch nicht entschieden. Zunächst muss die Auskunft abgewartet werden, so dass nur ein Teilurteil verkündet wurde.

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen; die Beschwerde beim Bundesgerichtshof gegen die Nichtzulassung der Revision dürfte wäre mangels Erreichen der erforderlichen Beschwerdesumme nicht zulässig sein.
 

Luzerner Gastpreis für Bluegrass-Veranstalter

Die Wettbewerbskommission des Kantons Luzern ehrt Bruno Steffen für seine langjährige ehrenamtliche Arbeit für die Schweizer Bluegrass-Szene und insbesondere für das jährlich stattfindende Bluegrass Festival Willisau mit einem mit 15’000 Franken dotierten Gastpreis.

Bruno Steffen (Bild: zvg)

Was 1997 mit einem Einzelkonzert begann, habe sich seit 2000 zu einem echten Festival entwickelt und sei aus der Schweizer Szene nicht mehr wegzudenken, heisst es im Jurybericht. Das Bluegrass Festival sei eine Erfolgsgeschichte, hinter der 19 Jahre lange, ehrenamtliche Arbeit Bruno Steffens stehe.

Steffen schaffe es, unterstützt durch sein Organisationskomitee aus freiwilligen Helfern, Jahr für Jahr, auf dem Areal des Burgrainmuseums in Alberswil ein Festival zu lancieren, das regionale, nationale und gar europaweite Ausstrahlung habe.

Der Gastpreis wird im Rahmen der Wettbewerbe um die Werkbeiträge jährlich verliehen und ehrt Personen oder Gruppen, die in besonderer Weise zum kulturellen Leben des Kantons Luzern beitragen. Bruno Steffen hat den Preis an der Übergabefeier der Werkbeiträge am Freitag, 11. November 2016 vom Kulturbeauftragten des Kantons Luzern Stefan Sägesser entgegen genommen.

2016 wurde vom Kanton erstmals die selektive Produktionsförderung ausgeschrieben. In der Musik gab es 21 Bewerbungen. Beiträge zugesprochen wurden an Studer Fredy («Solowerk», 30’000 Franken) sowie Blind Butcher, Aregger Christian und Bucher Roland («ALAWALAWA», 20’000 Franken).

 

Das Auto als rollender Konzertsaal

Vom 17. bis 20. November 2016 stellen die Akustikexperten vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT zusammen mit dem SAE Institute Köln und Sound & More Medienproduktionen auf der Deutschen Tonmeistertagung 2016 in Köln das Ergebnis ihres zweiten Forschungsprojekts vor.

In einem AUDI Q7 wurden insgesamt 62 Lautsprecher verbaut (Bild: Fraunhofer IDMT)

2014 starteten die drei Partner ein Pilotprojekt, in dem drei Popsongs für eine objektbasierte Wiedergabe neu produziert und abgemischt wurden. Im Sommer dieses Jahres trafen sie sich wieder – dieses Mal um herauszufinden, welche klanglichen Unterschiede es zwischen einer objektbasierten 3D-Studioumgebung und einer 2D-Umgebung innerhalb eines Fahrzeugs gibt und welche Anforderungen für den Abmischprozess daraus resultieren.

Fünf Musikstücke unterschiedlicher Genres wurden für ein 3D-Studiosystem und einen mit Wellenfeldsynthese-System ausgestatteten Audi Q7 mit Hilfe der Fraunhofer SpatialSound Wave Technologie neu produziert. Auf der Tonmeistertagung können sich die Besucher die Ergebnisse als 2D-Mischung im AUDI Q7 anhören.

Mit der Raumklangtechnologie SpatialSound Wave können aber nicht nur Autos in rollende Konzertsäle verwandelt werden. Mit Hilfe der akustischen Raumsimulation des Fraunhofer IDMT lässt sich auch die Akustik realer Konzerthäuser beeinflussen. Am Beispiel des Opernhauses Zürich wird im Rahmen eines weiteren Fachvortrags des Fraunhofer IDMT erläutert, wie die Klangtechnologie dort zur Ansteuerung von Klangobjekten und zur Anreicherung und Veränderung der Raumreflexionen eingesetzt wird.

Der Vortrag »Hybrid Object-Based Room Simulation« findet am Sonntag, den 20. November um 11.30 Uhr im Raum R4 statt. Referent ist der zuständige Projektleiter Javier Frutos-Bonilla vom Fraunhofer IDMT.
 

Erste Promotionen an der Graduate School of the Arts

Seit 2011 bieten die Universität Bern und die Hochschule der Künste Bern HKB mit der Graduate School of the Arts GSA ein gemeinsames künstlerisch-wissenschaftliches Promotionsprogramm an. Diesen Herbst haben die ersten Doktorierenden abgeschlossen.

Cult Sounds Web-Dokumentation (Screenshot),SMPV

Der Berliner Pop- und Jazzmusiker Immanuel Brockhaus hat mit «Kultsounds: Untersuchung zur Entstehung, Praxis und Wirkung dominierender Einzelklänge in populärer Musik 1960-2014» dissertiert, die Zürcher Designerin Julia Mia Stirnemann in Kunstgeschichte «Über Projektionen: Weltkarten und Weltanschauungen. Von der Rekonstruktion zur Dekonstruktion, von der Konvention zur Alternative».

Inzwischen sind über 40 Doktorierende aus Musik, Design, Kunst, Theater, Tanz, Literatur, Fotografie und Konservierung im Berner Promotionsprogramm eingeschrieben, das künstlerische Praxis und universitäre Wissenschaft vereint. Teils kommen sie von Schweizer Kunsthochschulen und Universitäten, teils aber auch aus den USA, Russland, Thailand, Deutschland oder Italien.

Für Projekte mit GSA-Doktorierenden wurden beim Schweizerischen Nationalfonds SNF und der Kommission für Technologie und Innovation KTI bereits Drittmittel in der Höhe von mehreren Millionen Franken eingeworben.

Zulassungsbeschränkungen zur ZHdK

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat erneut die Zulassungsbeschränkungen für die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sowie die Zürcher Hochschule der Künste festgelegt. Im Departement Musik wird die Zahl der Studienplätze von 293 auf 298 erhöht.

Zürcher Hochschule der Künste. Foto: #tom #malavoda/flickr.com

Der Regierungsrat hat ab Studienjahr 2017/2018 wiederum für drei Studienjahre die Zulassungsbeschränkungen für die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) sowie für drei Departemente der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) festgelegt. Gründe für die Zulassungsbeschränkungen sind laut der Medienmitteilung des Kantons insbesondere räumliche Engpässe, eine beschränkte Anzahl von Praktikumsplätzen sowie Studienbedingungen mit erhöhtem Infrastruktur- und Personalbedarf.

An der ZHdK werden die Aufnahmekapazitäten wie bisher pro Departement festgelegt. Unverändert bleibt die Zahl der Studienplätze in den Departementen Design (145), Kulturanalysen und Vermittlung (111) und Kunst & Medien (106). Im Departement Darstellende Künste und Film wurden die Aufnahmezahlen bisher im Zweijahresrhythmus bestimmt. Für das Studienjahr 2017/18 sind 91 Studienplätze vorgesehen. Ab dem Studienjahr 2018/19 werden die Aufnahmezahlen auf konstant 106 festgelegt. Im Departement Musik wird die Zahl der Studienplätze von 293 auf 298 erhöht.

An der ZHAW stehen im Departement Soziale Arbeit für den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit weiterhin 210 Studienplätze zur Verfügung. Auch im Departement Gesundheit bleibt die Studienplatzzahl in den Bachelorstudiengängen Gesundheitsförderung und Prävention und Hebammen (je 66) unverändert. In den Bachelorstudiengängen Ergotherapie (bisher 72), Pflege (bisher 120) und Physiotherapie (bisher 120) ist eine Erhöhung um je 6 Studienplätze vorgesehen. Im Departement Angewandte Psychologie wird die Zahl der Studienplätze im gleichnamigen Bachelorstudiengang auf 120 heraufgesetzt, um die Zahl der Abmeldungen und Studienabbrüche auszugleichen.
 

Die Entdeckung der Schönheit

Vom 12. Oktober bis 2. November waren neben bekannteren Werken Louriés Uraufführungen, Schweizer Erstaufführungen und eine Neukomposition der Schweizerin Regina Irman zu hören.

Arthur Lourié 1928. Foto: Jerome Lontres © Arthur Lourié Collection, Paul-Sacher-Stiftung, Basel

Der experimentierfreudige Arthur Lourié (1891–1966) hinterliess ein vielfältiges Œuvre, zwei Opern, Ballettmusik, zwei Sinfonien, Kammermusik, zahlreiche Klavierwerke, vokalinstrumentale Werke, Lieder, darunter vieles, was bisher unbekannt ist. Teile seines Nachlasses, Musik- und Textmanuskripte, Entwürfe und Reinschriften, werden in der Paul-Sacher-Stiftung in Basel aufbewahrt. Die Arthur-Lourié-Gesellschaft widmet sich der Wiederentdeckung dieses faszinierenden Komponisten.

Arthur Lourié starb vor fünfzig Jahren am 12. Oktober 1966 in Princeton, New Jersey. Sein Werk gleiche einer Wunderkiste, erläutert Stefan Hulliger, künstlerischer Leiter des Festivals und Präsident der Arthur-Lourié-Gesellschaft, der sich seit zehn Jahren intensiv damit beschäftigt. Alles, was man heraushole, sei überraschend und wunderbar und dränge einfach danach, gespielt zu werden. Oft seien die Musikerinnen und Musiker selbst verblüfft von der Wirkung der Kompositionen, wenn sie auf der Bühne zum Leben erweckt würden.

Melodik in Verbindung mit Dissonanz, eigenwillige Besetzungen, Verwendung musikalischer Zitate, die Kombination von Vokal- und Instrumentalmusik mit Klängen und Geräuschen oder Sprechstimmen, das Schwingen zwischen experimentellen Ansätzen und musikalischer Tradition bieten ein überraschendes und emotional berührendes Klangerlebnis.

Verloren geglaubte Welt

Beinahe wäre der Komponist vergessen gegangen. Er sass zwischen allen Stühlen, ein Grenzgänger in einer Zeit, als die Grenzen zwischen Ost und West durch den Eisernen Vorhang unüberwindlich waren. 1892 im Russischen Reich geboren, jüdischer Herkunft, wuchs er in Odessa auf und studierte am Petersburger Konservatorium Klavier und Komposition. 1913 trat er zum katholischen Glauben über. Er war ein Freund Anna Achmatowas, Teil einer Kohorte hochbegabter junger Menschen, die im vorrevolutionären Petersburg eine Atmosphäre kompromissloser künstlerischer Suche, Sensibilität und Offenheit schufen und Petersburg zu einem Laboratorium der Moderne machten. Der junge Komponist war von der italienischen Renaissance ebenso fasziniert wie von russischer archaischer Musik und den Ideen des russischen Futurismus. Befreundet mit Chlebnikow, Majakowski, Tatlin und den Brüdern Burljuk übertrug er deren radikalen Umgang mit dem Wort und ihre Lautpoesie auf die Musik. Er strebte nach einer Synthese der Künste und experimentierte mit Mikrointervallen, brachte bei performanceartigen Aufführungen mit präparierten Instrumenten Alltags- und Naturgeräusche zu Gehör und kreierte eine extrem individualisierte grafische Notenschrift.

Die Oktoberrevolution 1917 begrüsste er, wie die meisten radikalen jungen Künstler seiner Generation, und wurde als Leiter der Musikabteilung im Ministerium für Volksbildung eingesetzt. Seine Euphorie verflog schnell, als ihm klar wurde, dass er die Erwartungen an Propaganda und Agitation in der Musik nicht mittragen konnte.

1922 flüchtete er über Berlin nach Paris, nahm im Kreis um Igor Strawinsky Aufgaben als dessen Sekretär wahr und komponierte zwei Sinfonien, das Concerto Spirituale für Chor, Klavier und Orchester sowie zahlreiche Instrumental- und Vokalwerke mit Anklängen an die lateinisch geprägte spirituelle Kultur. 1940 musste er vor der deutschen Besetzung aus Paris fliehen und gelangte in die USA, wo er in New York und an der Westküste lebte und zunehmend vereinsamte. In der damaligen Sowjetunion Persona non grata, von seiner europäischen Vergangenheit getrennt, bewegte ihn Petersburg als kulturelles Phänomen. Er arbeitete lange an seiner Oper Der Mohr Peters des Grossen, in der die Geschichte Petersburgs auflebt. Wie Vladimir Nabokov, der seine Sehnsucht nach Petersburg zum Gegenstand der Weltliteratur erhob, wie Anna Achmatowa, die im Poem ohne Held in das Jahr 1913 zurückkehrte und ein Kunstwerk von Weltgeltung schuf, suchte auch Lourié Zugang zu einer verloren geglaubten Welt.

Bekanntes und hinreissende Solitäre

Drei Konzertabende im Rahmen der 10. Internationalen Lourié-Musiktage boten in Basel die Gelegenheit, das Werk des Petersburgers zu entdecken. Am 12. Oktober traten beim Gedenkkonzert zum 50. Todestag zwei unterschiedliche Pianisten auf, die Bulgarin Borislava Taneva und Moritz Ernst, der diesjährige Festival Artist, der seine Ausbildung in Basel erhalten hat und zu den vielseitigsten Meistern seines Fachs zählt. Anlässlich des Jubiläumsjahrs legte er das gesamte Klavierwerk von Arthur Lourié als Welt-Ersteinspielung auf drei CDs vor.

«Wohin mit dieser Wehmut!» So leitete Stefan Hulliger am 1. November das Concerto da Camera für Solovioline und Streicher ein. Drei Violinen, drei Violen, drei Violoncelli, ein Kontrabass und die Solovioline rufen in sechs Sätzen und immer stärker werdenden Klangbildern Erinnerungen wach. Es gilt als das meistgespielte Stück des Komponisten und wurde eingerahmt von kleineren Kammermusikstücken wie Divertissement (1929), einem Werk für Violinen und Violen in vier Sätzen, das mit einem musikalischen Thema der Oktoberrevolution, Ech, Jablotschko, beginnt, mit byzantinisch inspirierten sakralen Klängen endet und an Alexander Bloks Revolutionspoem Die Zwölf denken lässt.

Schwelgerisch und bildgewaltig klang die Pastorale de la Volga, 1916 auf der Datscha des symbolistischen Dichters Fjodor Sologub in Kostroma entstanden, dem Heimatort Djagilews und der Romanow-Dynastie. Opulente Klangbilder in einer «unfassbaren Besetzung» mit Oboe, Fagott, zwei Violen und Violoncello. Dazwischen spielte Moritz Ernst Klavierintermezzi, darunter Royal v detskoj (Flügel im Kinderzimmer), acht Szenen einer russischen Kindheit, die Lourié im Revolutionsjahr 1917 seiner Tochter Anna gewidmet hatte, als wollte er das Überzeitliche des Heranwachsens beschwören. Märchenhafte Bilder aus der Kinderwelt im Spannungsfeld von Avantgarde und Tradition, eine Reihe hinreissender und funkelnder kleiner Solitäre, von Moritz Ernst facettenreich umgesetzt.

Schwerpunkt Achmatowa

Auch der dritte Konzertabend am 2. November in der Basler Gare du Nord begeisterte mit Entdeckungen. Er stand unter dem Titel «Die Geburt der Schönheit». Zwölf Sängerinnen, sechs Soprane und sechs Mezzosoprane interpretierten Werke, die von der Beziehung des Komponisten zur russischen Dichterin Anna Achmatowa und ihrer Gedankenwelt inspiriert waren. Höhepunkte waren frühe Vertonungen der Lyrik Achmatowas, wie das Klagelied der Bettlerinnen für zwei Stimmen mit Begleitung von Englischhorn, und Golos Muzy (Stimme der Muse) für eine Sprechstimme und Frauenchor, sowie das Madrigal Canzone de Dante von 1921, das in Basel zur Welt-Uraufführung kam. Mit zwölf Frauenstimmen und Live-Elektronik ist das neueste Werk Masken (2016) der Schweizer Komponistin Regina Irman (*1957) besetzt, das eigens für diesen Abend im Auftrag des Fachausschusses Musik BS/BL geschrieben wurde, ein spannungsreicher Bezug zur Petersburger Avantgarde und zur Gegenwart. Aus der Polyfonie lösen sich Alltagsgeräusche, Wispern, Flüstern, heimliches Sprechen heraus und lassen Spuren des Totalitarismus eindringen, dem Anna Achmatowa in ihrem Leben in der Sowjetunion ausgesetzt war.

Louriés russisch gebrochene Faszination für die italienische Renaissance wurde im titelgebenden Stück La Naissance de la beauté deutlich. Sechs Soprane, Klarinette, Kontrabass, Cembalo und Becken gelangten zum Einsatz, um Botticellis Bild Die Geburt der Venus in Klänge zu fassen. Die Basler Videokünstlerin Bettina Grossenbacher hatte eigens ein Video zu dieser Aufführung hergestellt.

Zu danken ist der Arthur-Lourié Gesellschaft nicht nur für das Engagement, diesen verborgenen Komponisten zur Aufführung zu bringen, sondern auch für die kenntnisreichen Werkeinführungen. Die in alle Winde verstreute Petersburger Kultur wird nach dem Ende des Kalten Krieges auch in Russland wiederentdeckt. Sie hat ihre Protagonisten mit Energie aufgeladen, die heute noch so stark wirkt, wie vor hundert Jahren. Arthur Lourié ist ein aufregender und anregender Komponist, auf dessen weitere Entdeckung wir uns freuen dürfen.

«Die Musik in Geschichte und Gegenwart» im Web

Die vom Zürcher Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken herausgegebene deutschsprachige Musik-Enzyklopädie «Die Musik in Geschichte und Gegenwart» (MGG) ist neu als dynamische Online-Datenbank unter dem Titel «MGG Online» verfügbar. Vorerst allerdings vorrangig für institutionelle Nutzer.

MGG Online (Screenshot),SMPV

Lütteken arbeitet mit einem international besetzten Beirat profilierter Musikwissenschaftler, der MGG-Redaktion sowie Autoren aus der ganzen Welt zusammen, um kontinuierlich Inhalte zu aktualisieren und hinzuzufügen. «MGG Online» wurde von den Verlagen Bärenreiter (Kassel), J.B. Metzler (Stuttgart) und Répertoire International de Littérature Musicale (RILM, New York) gegründet, finanziert und umgesetzt.

Die Druckausgabe der MGG (2. Auflage) besteht aus mehr als 18’000 Artikeln, verfasst von 3500 Autoren aus 55 Ländern.  «MGG Online» enthält alle diese Inhalte in einer ständig aktualisierten und wachsenden Datenbank mit überarbeiteten Daten, neuen Informationen und revidierten Artikeln. Ab 2017 werden regelmässig neue Einträge hinzugefügt. Alle Artikel-Versionen bleiben dauerhaft zugänglich und als solche gekennzeichnet. Bereits zu Beginn werden die Benutzer etwa 200 aktualisierte oder neugeschriebene Artikel finden.

«MGG Online» nutzt eine von RILM entwickelte Plattform, die den Inhalt anhand hochmoderner Such- und Browser-Funktionen erschliesst. Die Plattform wird kontinuierlich mit neuen Funktionen und Suchmöglichkeiten erweitert.

«MGG Online» ist vorerst für institutionelle Nutzer gedacht, vor allem für Bibliotheken, die den Preis für die Nutzung individuell aushandeln. Private Nutzer haben aber die Möglichkeit, die Datenbank zum niedrigsten institutionellen Preis, der derzeit bei 450 US-Dollar jährlich zzgl. Mehrwertsteuer liegt, zu nutzen.

mgg-online.com
 

Aargau nimmt Kulturlasten unter die Lupe

Der Regierungsrat bekennt sich zum interkantonalen Kulturlastenausgleich als Teil des neuen Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen (NFA). Er strebt aber auf dem Verhandlungsweg eine Verbesserung der geltenden Kulturlastenvereinbarung an.

Foto: Martin Abegglen/flickr commons

Der Kanton Aargau überweist laut seiner Medienmitteilung seit 2010 rund 5,9 Millionen Franken an die Kantone Zürich und Luzern für die Leistungen überregionaler Kultureinrichtungen, die auch von Aargauerinnen und Aargauern in Anspruch genommen werden. In seiner Stellungnahme zu einer Motion des Grossen Rats, die den Austritt aus der Kulturlastenvereinbarung verlangt, erinnert der Regierungsrat daran, dass der Kulturlastenausgleich ein Teil des NFA ist, bei welcher der Kanton Aargau zu den Empfängerkantonen gehört.

Gemäss Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) sind die Kantone verpflichtet, den Kulturlastenausgleich über interkantonale Vereinbarungen zu regeln. Ähnliche Vereinbarungen gibt es in der Ostschweiz oder zwischen den beiden Basel. Der Regierungsrat steht zu den Pflichten des Kantons Aargau im Rahmen des NFA und lehnt deshalb einen ersatzlosen Austritt, wie dies mit der Motion verlangt wird, ab.

Der Regierungsrat bemängelt jedoch, dass ein kohärentes System zum Ausgleich über alle Kantone hinweg fehlt und die Beitragskantone keine institutionalisierte Mitsprachemöglichkeit in Bezug auf jene Faktoren beanspruchen, welche die anrechenbaren Kosten beeinflussen.

Die interkantonale Kulturlastenvereinbarung legt fest, dass diese unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren auf das Ende jeder Abgeltungsperiode gekündigt werden kann. Die aktuelle Abgeltungsperiode dauert von 2016 bis 2018. Sollte der Grosse Rat die Motion überweisen, müsste eine Kündigung demnach bis zum 31. Dezember 2016 erfolgen.
 

«Musikinitiative top oder Flop?»

Drei Stunden sind sehr wenig Zeit für grosse Fragen. Hector Herzig und Liliane Girsberger skizzierten die Situation von Musikschulen und ihren Angestellten vier Jahre nach der Volksabstimmung.

Liliane Girsberger (rechts) leitet den Workshop J+M.

Das Programm war vielversprechend: Der Verband der Musikschulen des Kantons Schwyz (VMSZ) widmete seinen jährlichen Weiterbildungstag am 29. Oktober dem Thema 4 Jahre nach der Volksabstimmung: «Musikinitiative TOP oder FLOP?». Eingeladen waren Musikschulleiter, Musiklehrpersonen, Politiker, Behördenmitglieder und weitere interessierte Personen, besonders aus lokalen Musikvereinen. Der neue VMSZ-Präsident Matthias Bachmann begrüsste über 80 Anwesende und Vizepräsident Willy Odermatt gedachte des im Juni verstorbenen, bis dahin unermüdlich wirkenden ehemaligen Präsidenten Georg Hess, der in der Schwyzer Musiklandschaft eine grosse Lücke hinterlässt.

Die Präsentation der höchst aktuellen Thematik hatte der VMSZ der HERZKA GmbH, Institut für Organisationsentwicklung, anvertraut. Hector Herzig, «der Vater der Musikinitiative», wie er von Bachmann eingeführt wurde, stellte sein einführendes Referat unter den Titel Musikschule im Wandel der Zeit und betreute den Workshop Nationale, kantonale und kommunale Musikschulpolitik – Was hat die Initiative aus Musikschulsicht gebracht und welche Massnahmen müssen neu definiert werden? Liliane Girsberger leitete den zweiten Workshop Programm Jugend und Musik – Was hat das Programm für Auswirkungen auf die Musikschulen und welche Massnahmen müssen angegangen werden? Das Tagungskonzept ersparte den Teilnehmern zum Glück die Qual der Wahl, nach einer guten halben Stunde wurde gewechselt.

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Hector Herzig

Gewohnt souverän erläuterte Hector Herzig die schwierige Situation von Musiklehrpersonen und Musikschulen im Markt der musikalischen Bildung, in dem je länger je mehr Mitbewerber agieren. Er skizzierte die allgemeine Lage sehr ausführlich anhand der Stichworte Gesellschaft, Kreativität, Markt, Politik und Bildung immer vor der Tatsache, dass das Erlernen eines Instruments heute genauso viel Zeit braucht wie früher. Da die Musikinitiative ihr Ziel (hochwertiger Musikunterricht für Kinder und Jugendliche) bislang noch nicht erreicht habe, sei ein Rahmengesetz des Bundes anzustreben, das die Musikschulen als Bildungsinstitutionen anerkenne. Eindringlich appellierte er, sich zu engagieren, Risiken einzugehen, zu entscheiden.

Aufgrund der knappen Zeit kamen die konkreten Ausführungen zu Jugend und Musik (J+M) leider zu kurz. Und so blieb im Publikum der Wissensstand um das Programm sehr heterogen, was im Workshop zu J+M teilweise zu emotionalen Diskussionen führte, in denen der Vorwurf, die Ausbildung bei J+M entspreche subventioniertem «Bädele», nur schwer richtig einzuordnen war. Sämtliche Fakten zu J+M sind jedoch schon länger dem umfassenden Handbuch des Bundesamtes für Kultur zu entnehmen, das online zur Verfügung steht: www.bak.admin.ch/jm/index.html?lang=de. Trotzdem sollten Musikschulleitungen und Arbeitnehmerverbände ihre Angestellten respektive Mitglieder wohl sorgfältig beraten, wie das Programm J+M sinnvoll in den Unterrichtsalltag eingebaut werden kann.

Im Politik-Workshop hob Herzig hervor, wie wichtig die Verankerung von Musikschulen als Schulart in einer kantonalen Gesetzgebung sei, um sich als Kompetenzzentren für musikalische Bildung zu positionieren. Der Verband solle diesen Prozess entschlossen zusammen mit den Musikvereinen angehen – und zusammen mit den Musiklehrpersonen, deren Engagement auch in der politischen Arbeit unerlässlich sei.
Und auch am Schluss blieb leider zu wenig Zeit, um die Ergebnisse aus den Workshops im Plenum zu diskutieren, zu priorisieren und daraus Massnahmen zu formulieren, wie es eigentlich vorgesehen war. Die Veranstalter werden dies aber nachholen und das Material intern zur Verfügung stellen auf www.vmsz.ch.

Lotteriefondsgelder für Tonhalle-Renovation

Der Gebäudekomplex aus Tonhalle und Kongresshaus in Zürich soll in den Jahren 2017 bis 2020 umfassend saniert werden. Der Regierungsrat beantragt dem Kantonsrat, das Vorhaben mit 20 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds zu unterstützen.

Foto: © Roland Fischer, Zürich/Wikimedia Commons

Land und Gebäude des Kongresshauses sind im Besitz der Kongresshaus-Stiftung. Die Stadt Zürich ist am Betrieb von Kongresshaus und Tonhalle nicht direkt beteiligt. Als regelmässige Geldgeberin hat sie aber dafür gesorgt, dass die Stiftung immer wieder für notwendige bauliche Investitionen aufkommen konnte, schreibt der Kanton.

Im Juni 2016 haben die Stadtzürcher Stimmberechtigten einem Bau- und Entschuldungskredit zugunsten der Kongresshaus-Stiftung in der Höhe von 165 Millionen Franken zugestimmt. Die ins Auge gefasste grundlegende Sanierung soll in den Jahren 2017 bis 2020 stattfinden.

Die Stadt Zürich, die Kongresshaus-Stiftung und die Tonhalle-Gesellschaft ersuchen den Kanton Zürich um einen Beitrag an die Sanierung. Der Regierungsrat hält das Anliegen laut seiner Mitteilung für berechtigt. Es gibt seiner Ansicht nach im Kanton Zürich nur wenige Institutionen wie das Kongresshaus und die Tonhalle, die eine derart weitgehende Ausstrahlung über die Grenzen der Schweiz hinaus besitzen. Er beantragt dem Kantonsrat darum, das Vorhaben mit 20 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds zu unterstützen.
 

Noch viel zu entdecken

In Brugg, der Heimatstadt des leider etwas in Vergessenheit geratenen Komponisten, organisierte Barbara Vigfusson aus Anlass des 180. Todestages von Friedrich Theodor Fröhlich eine ganztägige Veranstaltung.

Foto: Wikipedia

Was die meisten Sänger nicht wissen: Ein sehr bekanntes Volkslied, Wem Gott will rechte Gunst erweisen, auf ein Gedicht Joseph von Eichendorffs, stammt aus der Feder von Theodor Fröhlich (20. Februar 1803 – 16. Oktober 1836). Sein Vater, der sich vom Gerber zum Primarlehrer, ja sogar zum Grossrat emporgearbeitet hatte, wollte aus dem hochbegabten, der Musik zustrebenden Jüngling einen Juristen machen, schickte ihn deswegen nach Zürich zur besten Lateinschule, wo er in einem Chor von Nägelis Musikinstitut mitsang und von Hans Georg Nägeli auch ein wenig unterrichtet wurde. An der Universität von Basel besuchte er kaum Vorlesungen, sondern komponierte weitgehend autodidaktisch viele Werke, von denen er allerdings die meisten später vernichtete, weil sie seiner Selbstkritik nicht genügten. Vom inneren Zwiespalt zerrissen, erkrankte er und kehrte heim. Zwei Studienjahre in Berlin vervollständigten seine musikalische Ausbildung. Wieder in die engen Verhältnisse seiner Heimat zurückgekehrt, wurde er Musiklehrer an der Kantonsschule von Aarau und «Musikdirektor» in Brugg. Dies hatte sein Bruder, der Schriftsteller, Politiker, Pfarrer und Lehrer Abraham Emanuel Fröhlich, eingefädelt. Der mühsame Broterwerb belastete ihn immer mehr, Eheschwierigkeiten und finanzielle Sorgen wegen eines unehelichen Kindes traten hinzu und führten zu seinem frühen Selbstmord: Er sprang in die Aare.

Am Gedenktag, zu dem Walter Labhart ein sachkundiges, ausführliches Programmheft zusammengestellt hatte, befassten sich vormittags Referate und eine Podiumsdiskussion (Max Weyermann, Tom Hellat, Bernhard Billeter, Max Baumann und Anna Kardos, Moderation) mit der Lokalgeschichte, dem Leben, dem musikalischen Umfeld und der Genealogie des Komponisten. Es folgten nach einer Altstadtführung vier hochkarätige Konzerte: Das Miserere a 12 voci und vier Motetten, stimmig und kundig gesungen von den Aargauer Vokalsolisten unter Markus J. Frey, auf einem Broadwood-Hammerflügel begleitet von Stefan Müller, verbreiteten viel Wohlklang. Die «musikalische Soirée» von Susanne Oldani, Rudolf Remund, von Anne-Marie Simmen begleitet, bot als weltliche Ergänzung zwanzig Lieder, verbunden mit passenden Textlesungen.

Für mein subjektives Empfinden lagen die grössten Überraschungen, kompositorisch und interpretativ, bei den vom Elite-Ensemble Vocembalo teilweise szenisch gebotenen weltlich-geistlichen Frauenchören unter der Leitung und Begleitung von Barbara und Johannes Vigfusson und bei zwei Streichquartetten, für die sich das noch recht junge und entdeckerfreudige Casal-Quartett einsetzte. Diese Besetzung, die zu Recht als die Königsdisziplin der Kammermusik galt, hat Fröhlich zu einer frühromantisch geprägten und satztechnisch/formal meisterhaften Konstruktion angeregt. Sie sind mindestens den acht Streichquartette des sechs Jahre jüngeren Kollegen Mendelssohn ebenbürtig. Dieser hatte sich 1826 in Berlin gegenüber Fröhlich herablassend verhalten. Die Mehrzahl der Werke Fröhlichs harrt noch einer Veröffentlichung; es ist noch viel zu entdecken.
 

Bericht von Hans Christof Wagner in der Aargauer Zeitung vom 16. Oktober 2016:
Link zum Bericht

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