Auf dem Klavierolymp

Zwei absolute Spitzenwerke des Repertoires, Klavierkonzerte von Beethoven und Mozart, in neuen Ausgaben.

Foto: Ochileer/flickr.com

Mozarts Klavierkonzert in c-Moll – bewundert nicht nur von Beethoven und offensichtlich Inspirationsquelle für sein eigenes in der gleichen Tonart – verdient unter den vielen grossartigen Konzerten des Meisters wohl einen Ehrenplatz. Anders als im Schwesterwerk in d-Moll ist der Solopart noch konsequenter mit dem Orchester verwoben, was besonders im ersten Satz zu sinfonischen Wirkungen führt. Im mittleren Larghetto dann herrscht reinste Kammermusik im Dialog mit den solistischen Bläsern. Und das Finale endet – ganz aussergewöhnlich und nicht wie bei Beethoven etwa – kompromisslos in Moll.

Ernst Herttrich vom Henle-Verlag hat nun das Meisterwerk neu herausgebracht. Der Klavierauszug, die Fingersätze, Kadenzen und Eingänge stammen von András Schiff. Der Verlag hat damit im wörtlichsten Sinne ein gutes Händchen bewiesen: Der Orchesterpart im Klavierauszug ist auf raffinierte Art einfach gehalten, fast vom Blatt zu spielen und klingt dennoch farbig. Die Fingersätze sind auch für den Normalverbraucher durchaus zu empfehlen. Nicht immer trifft das zu, wenn grosse Künstler ihre ganz persönlichen Spielrezepte zum Besten geben …

Und schliesslich überzeugen auch Schiffs Kadenzen und Eingänge, die viel Stilgefühl und Praxis verraten. Besonders bemerkenswert: Am Ende der grossen Kadenz im ersten Satz zitiert Schiff wörtlich das Ende der Durchführung und schafft so einen zwingenden Übergang ins Tutti. All diese Zusätze und auch einige Varianten aus Mozarts Feder sind unaufdringlich ins übersichtliche Notenbild integriert. Eine mustergültige Ausgabe!Image

Einen ganz anderen Ansatz wählte der Bärenreiter-Verlag für die neue Urtext-Ausgabe von Beethovens fünftem Klavierkonzert, das ja noch stärker zu sinfonischem Ausmass neigt. Und üppig ist auch das Resultat, das uns Herausgeber Jonathan Del Mar präsentiert. Er hat nicht nur eine grosse Studienpartitur in akribischer Kleinstarbeit von Fehlern bereinigt, sondern liefert dazu auch gesondert eine Solostimme, einen Klavierauszug und einen umfangreichen und interessant bebilderten Kritischen Kommentar.

Man kann die Sorgfalt und den Aufwand des Herausgebers nicht hoch genug würdigen. Das Problem liegt indes im Konzept: Was bringt eine gesonderte Stimme des Klaviersolos, in der nur dann und wann der Orchesterpart ersichtlich ist? Gerade bei diesem Konzert möchte man doch ständig eine Gesamtübersicht haben. Und umgekehrt ist im Klavierauszug, den Martin Schelhaas im Übrigen ganz hervorragend gesetzt hat, der Solopart nur kleingedruckt beigefügt, was optisch nicht überzeugt.

So ist also diese Neuausgabe leider weder praktisch für jemanden, der den Solopart lernen möchte, noch für den Korrepetitor und somit auch im Unterricht wenig hilfreich. Die Partitur hingegen lehrt einen viel über ein Werk, das man schon zu gut zu kennen glaubte …Image

Wolfgang Amadeus Mozart, Klavierkonzert c-Moll KV 491, hg. von Ernst Herttrich, Klavierauszug, Fingersatz, Kadenzen und Eingänge von András Schiff, HN 787/ EB 10787, € 18.50, G. Henle, München/Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2015

Ludwig van Beethoven, Konzert Nr. 5 in Es-Dur op. 73 für Klavier und Orchester, hg. von Jonathan Del Mar; Partitur, BA 9025, € 45.50; Klavierauszug von Martin Schelhaas, BA 9025-90, € 24.95; Kritischer Bericht, BA 9025-40, € 41.50; Bärenreiter, Kassel 2015

Gospel, erfrischend anders

Peter Przystaniak hat neue Gospels komponiert und bekannte neu arrangiert.

Foto: Geoffrey Froment/flickr.com

Das Heft That’s Gospel enthält sechs Neukompositionen und ebenso viele traditionelle Spirituals in neuem Arrangement, darunter das zum Gospel-Standard gewordene Oh Happy Day. Der Chorsatz ist überwiegend vierstimmig, wird aber bei einigen Stücken durch Teilung des Soprans zur Fünfstimmigkeit erweitert. Als Begleitung steht ein ausgeschriebener Klaviersatz zur Verfügung. Die angefügten Harmoniesymbole machen aber auch eine instrumentale Ergänzung (z. B. durch Gitarre oder Bass) möglich oder erlauben ersatzweise eine vereinfachte Begleitung. Die in dieser Musik üblichen Claps und Snaps auf dem Off-Back-Beat sind an den entsprechenden Stellen in der Partitur angefügt und können bei Bedarf verändert werden. Die Solisten dürfen je nach individuellen Vorlieben bzw. Möglichkeiten Veränderung bei den Phrasings vornehmen sowie auch eigene Fill ins ergänzend beisteuern.

Die Chöre sind eingängig und mit Leichtigkeit zu bewältigen. Sie bedeuten eine Auffrischung der bisherigen Singweise.

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That’s Gospel. New Gospel Songs and Traditional Spirituals for mixed Choir (with solo Voice) and Piano, composed and arr. by Peter Przystaniak; EP 11399, mit CD, € 24.95; Klavierpart mit Solostimme, EP 11399a, Fr. 16.80; Edition Peters, Leipzig u.a. 2015

Spaziergang mit Gershwin

Short Story, Lullaby und Walking the Dog für Violine und Viola.

Foto: Hartwig HKD/flickr.com

Drei bekannte Melodien hat Ernst-Thilo Kalke, der auch Werke für Streichquartett und andere Formationen herausgibt, hier für Violine oder Viola und Klavier technisch leicht und stilgerecht arrangiert. Die Tonarten zweier Stücke sind für die beiden Ausgaben unterschiedlich ausgewählt, um die klanglichen Möglichkeiten von Violine und Viola zu optimieren. Die rhythmischen Feinheiten – Synkopen, Triolen, punktierte Noten – sind sehr klar dargestellt. Oft ist es an den Interpreten, zu entscheiden, ob sie das ternäre Schema durchhalten oder zum binären zurückwechseln wollen. Die Klavierstimme liefert die originalen reichen Harmonien ohne Schwierigkeiten und nimmt auch am melodischen Geschehen teil.

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George Gershwin, Promenade (Short Story, Lullaby, Walking the Dog) für Violine und Klavier, arr. von Ernst-Thilo Kalke, BU 8123, € 12.00, Musikverlag Bruno Uetz, Halberstadt 2014


id., für Viola und Klavier, BU 8126, € 12,00

Zeitlos mitreissende Rhythmen

Was vor über 150 Jahren als virtuose Klavier-Salonmusik komponiert wurde, läuft heute in einem Arrangement für zwei Gitarren unter der Kategorie «Fingerstyle».

Foto: Lauro Maia/flickr.com

Der 1829 geborene Komponist und gefeierte Pianist Louis Moreau Gottschalk verbrachte seine Kindheit in New Orleans und seine Jugend in Paris, wo er als junger Mann unter anderem mit Hector Berlioz, Georges Bizet und Camille Saint-Saëns in Kontakt stand. Seine familiären Wurzeln lagen in England, Spanien und Frankreich; die Grosseltern lebten in der Karibik. Dieser multikulturelle Hintergrund schlug sich in einer virtuosen Handhabung verschiedener Nationalstile nieder, wobei meist die Betonung des Rhythmischen kennzeichnend war und bereits auf die Entwicklung typischer Elemente des späteren Ragtimes vorauswies. Gottschalk starb 1869, im Alter von nur 40 Jahren, in Rio de Janeiro.

Manchega ist ein Bravourstück mit spanischem Einschlag, geschrieben in einem Sechsachteltakt, der wiederum über weite Strecken in Sechssechzehntel- und Dreiachteltakte zerlegt werden könnte. In hohem Tempo gespielt, ergeben sich daraus charakteristische Synkopen. Das Arrangement des Wiener Musikers, Pädagogen und Herausgebers Michael Langer für zwei Gitarren hält sich nicht sklavisch ans Original, sondern adaptiert die Noten auf instrumentenspezifisch sinnvolle Weise, indem zum Beispiel Tonwiederholungen in der linken Hand des Pianisten in der Gitarrenbegleitstimme in passende Arpeggios zerlegt werden. Trotz hoher Lagen, schneller Läufe und einiger perkussiver Elemente bleibt das Stück gut spielbar und attraktiv.

Die tadellose Notenausgabe besteht aus einer Partitur sowie zwei Einzelstimmen mit Fingersatz- und Anschlagsbezeichnungen. Dass die grundsätzlich in «klassischer» Tradition stehende Komposition als Fingerstyle-Nummer in derselben Reihe wie Stücke von Musikern wie Paul Simon oder Carlos Santana erscheint, verwundert etwas, wird aber vom Herausgeber mit Gottschalks Aufenthalten in Lateinamerika und der faszinierenden Zeitlosigkeit seiner Musik begründet.Image

Louis Moreau Gottschalk, Manchega für zwei Gitarren, fingerstyle hg. von Michael Langer, D 839, € 9.80, Dux, Manching 2015

Webportal zum Thema Musik und Integration

Im Rahmen eines Sonderprojektes plant das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ) den Aufbau eines neuen Informationsportals zum Thema «Musik und Integration». Es soll insbesondere den Erfahrungsaustausch zwischen Akteuren und Veranstaltern musikbezogener Integrationsprojekte intensivieren.

Konzert im Café Welcome, Detmold. Foto: Thorsten Krienke/flickr.com

Das MIZ baut dabei auf seinen Erfahrungen mit der im Oktober 2015 bereitgestellten Plattform «Musik macht Heimat» auf, die als spontane Reaktion auf die vielfältigen und aus dem Stegreif organisierten Hilfsprojekte für Geflüchtete das Engagement des Musikbereichs sichtbar machte. So sollen als Grundlage für das neue Projekt umfassende Informationen über die gesamte Bandbreite an Initiativen, Projekten und Veranstaltungen rund um das Thema «Musik und Integration» zusammengetragen und vorgestellt werden.

In einem Mitgliederbereich erhalten Akteure und Interessierte der Szene ein Forum, um sich untereinander zu vernetzen, auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Mit dem Angebot nehme das MIZ die gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart auf, in der bereits ein Wandel von Projekten und Initiativen der Willkommenskultur hin zu nachhaltigen und langfristig angelegten Integrationsangeboten zu beobachten sei, heisst es in der Mitteilung des Deutschen Musikrates.

Die neue Informationsplattform soll im Laufe des nächsten Jahres online gehen.

Lieber Schoeck – lieber Hesse

Die Korrespondenz aus den Jahren 1911 bis 1956 wurde erstmals vollständig ediert.

Ausschnitt aus dem Titelblatt

«(…) und so tue ich halt, was mir so schlecht liegt, ich ‹ergreife die Feder› um Dir endlich, endlich für alles zu danken, was mir am 1. September von Dir ins Haus & ins Herz kam!» (Schoeck an Hesse, 27. September 1936) Der Komponist pflegte direkte persönliche Kontakte gerne ausgiebig, das Briefeschreiben hingegen mochte er nicht. Wie viele andere Passagen aus der Korrespondenz zwischen Othmar Schoeck (1886–1957) und Hermann Hesse (1877–1962) ist auch dieses Zitat aus der Schoeck-Literatur bekannt, es erscheint nun aber erstmals im Gesamtzusammenhang.

Chris Walton und Martin Germann haben die Briefe vollständig ediert und biografisch verknüpft, weil, wie sie in der Einleitung schreiben, der Briefwechsel mit Hesse der bei Weitem inhaltlich interessanteste sei, den Schoeck geführt habe (S. 9). In der Reihe der Schwyzer Hefte bildet er nun den 105. Band. In chronologischer Reihenfolge berichten die Briefe in erster Linie aus dem künstlerischen Alltag, politisches Zeitgeschehen wird kaum gestreift. Sie sind übersichtlich angeordnet, mit Fussnoten und erklärenden Texten kommentiert sowie stellenweise ergänzt durch einschlägige Erinnerungen von Personen aus dem Freundeskreis.

Zusammen mit den 34 sorgfältig reproduzierten Abbildungen (Fotos, Illustration und Faksimiles) zeichnen sie diese Künstlerfreundschaft in vielen Einzelheiten nach. Abgerundet wird der Band mit einigen Texten Hesses über Schoeck, Schoecks öffentlich publiziertem Gruss zum 75. Geburtstag Hesses sowie Fritz Bruns Erinnerungen an die Umbrienreise 1911. Der Band ist eine Art leicht zu lesende aufschlussreiche Schoeck-Hesse-Geschichte. Literaturverzeichnis, Dokumentation und Register lassen ihn auch als praktisches Nachschlagewerk nutzen.

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Chris Walton, Martin Germann (Hg.), Hermann Hesse und Othmar Schoeck. Der Briefwechsel, 135 S., 34 Abb., Fr. 25.-, Schwyzer Hefte, Band 105, Theiler Druck AG Wollerau 2016, ISBN 978-3-909102-67-9, ISSN 1010-3694

verlieren

Nach jahrelanger Suche in Archiven und Kirchenregistern wurde der Geburtsort Albicastros gefunden. Verliert die Schweiz nun einen Komponisten? – Im Lauf der Zeit gingen immer wieder Partituren und damit Werke verloren. Einige tauchten auch wieder auf. – Das Gehör zu verlieren ist wohl der schlimmste Albtraum für einen Musiker. Die Schlagzeugerin Béatrice Graf über das erhöhte Risiko in ihrem Beruf. – Und: Kann ein Verlust auch ein Gewinn sein?

verlieren

Nach jahrelanger Suche in Archiven und Kirchenregistern wurde der Geburtsort Albicastros gefunden. Verliert die Schweiz nun einen Komponisten? – Im Lauf der Zeit gingen immer wieder Partituren und damit Werke verloren. Einige tauchten auch wieder auf. – Das Gehör zu verlieren ist wohl der schlimmste Albtraum für einen Musiker. Die Schlagzeugerin Béatrice Graf über das erhöhte Risiko in ihrem Beruf. – Und: Kann ein Verlust auch ein Gewinn sein?

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Editorial

Focus

Über schwarze und rote Zahlen
Weist die Bilanz des Fortschritts einen Gewinn aus oder überwiegen darin Verlustposten? Eine musikalisch-kulturgeschichtliche Gedankenreise von Thomas Meyer

Les partitions perdues… pas forcément pour toujours

Die Schweiz «verliert» einen Komponisten
Interview mit Marcel Wissenburg über den Barockkomponisten Albicastro
Dossier Albicastro

Mon métier mʼa abîmée 
La perte de lʼaudition des musiciens

… und ausserdem

RESONANCE

Heilsbringer — Stockhausen in Basel, Nono in Luzern

Ein Ort für Schoeck — Othmar-Schoeck-Festival in Brunnen
Festivalüberblick

Corniste, pianiste et compositeur à contre-courante — entretien avec Christophe Sturzenegger

Verspäteter Nachruf auf Franz Tischhauser

John Adams invité au Festival de La Bâtie

Auftakt zum Festival Femmusicale 2016

Mensch, Musik, Maschine — Festival «Wir sind die Roboter» in Berlin

Wir müssen weiterkämpfen! — Selbstreflexion zur Musikinitiative

Musikpolitik im Strudel der Service-public-Debatte

Förderung von Musikorganisationen mit neuen Bedingungen

Carte blanche für Regula Stibi

Rezensionen — Neuerscheinungen

 

CAMPUS

Gemeinsamer Nenner Musikausbildung — Verband Fachdidaktik Musik

Apprendre la musique aujourd’hui et demain — ISME à Glasgow

klaxon — Kinderseite (PDF)

Rezensionen Lehrmittel — nouvelles publications pédagogiques

 

FINALE


Rätsel
— Dirk Wieschollek sucht

 

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Gegen den Strom

Unsere Gesellschaft spricht nur vom Gewinnen. Der Wettkampf, vor zwanzig Jahren noch die Domäne der Sportler, hat alle Lebensbereiche erobert. Im Fernsehen wird alles zum Wettbeweb: Man sucht den Superkoch, das Supermodel, das Superhirn … Die Musik ist da nicht ausgenommen, ganz im Gegenteil. In unzähligen Shows treten junge Sängerinnen und Sänger gegeneinander an. Orchesterstellen und sogar Plätze in gewissen Schulen werden an den Besten einer Ausscheidung vergeben. Ein Profimusiker wird zudem kaum Karriere machen, wenn er nicht hie und da einen ersten Preis gewinnt.

In dieser Ausgabe der Schweizer Musikzeitung betrachten wir aber für einmal die gegenläufige Tendenz dieses weltweiten Phänomens und nehmen das Verlieren unter die Lupe. Selbstverständlich ist es alles andere als lustig, das Gehör zu verlieren – und leider sind viele Musikerinnen und Musiker davon betroffen – und auch der Gedanken an all die über die Jahrhunderte hinweg verlorenen Partituren stimmt traurig. Aber das Verlieren hat auch seine guten Seiten, denn es ist meist mit Veränderung verbunden. Diese Konstante ist in der Musikgeschichte zu verfolgen: Jedes Mal, wenn ein Instrument, eine musikalische Praxis oder ein Stil aufgegeben wurden, geschah das, weil sich etwas Neues durchsetzte, weil neue Horizonte erobert werden wollten. Was dem Vergessen anheim fällt, ist auch nicht unbedingt für immer verloren, gerade was immaterielle Werte betrifft. Ideen, Vorgehensweisen, Wissen und Können verschwinden nicht spurlos wie ein Stein, der ins Meer geworfen wird.

Wenn also die Schweiz den Barockmusiker Albicastro «verliert», so ist seine Musik deswegen noch lange nicht verloren. Und wenn wir nicht mehr gewohnt sind, nach den Gesetzen des Contapunctus floridus zu komponieren oder Gambe zu spielen, so können wir diese Gewohnheit doch jederzeit wieder aufnehmen. Einige machen das ja auch, denn es hat seinen Reiz, gegen den Strom zu schwimmen. Und, Christophe Sturzenegger sagt es sehr treffend, ebenfalls in dieser Nummer: Gerade in der Musik sollte uns ein abweichender Weg nicht davon abhalten, uns auszudrücken.

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Stephen McHolm leitet Verbier Festival Academy

Wie das Verbier Fetival mitteilt, wird Stephen McHolm per 1. Dezember dieses Jahres Leiter der Verbier Festival Academy (VFA) und der entsprechenden Sonderprojekte. McHolm tritt die Nachfolge von Christian Thompson an.

Eine Veranstaltung der diesjährigen Verbier Festival Academy. Foto: Nicolas Brodard

Als künstlerischer und administrativer Leiter der internationalen Honens Piano Competition in Calgary hat Stephen McHolm dort seit 2004 den Wettbewerb geleitet, ein Festival und alljährliche Kammermusikkonzerte organisiert sowie musikalische Ausbildungsprogramme in den kanadischen Gemeinden initiiert. Zwei der drei letzten Preisträger beim Honens-Wettbewerb waren ehemalige Schüler der Verbier Festival Academy.

Stephen McHolm tritt die Nachfolge von Christian Thompson an, der die Verbier Festival Academy in den letzten zwölf Jahren geformt hat. Die VFA gründe ihren guten Ruf «auf ihre Verpflichtung gegenüber Erstklassigkeit und Kreativität, einen aussergewöhnlichen Lehrkörper und einen visionären Ansatz, wenn es darum geht, wie sich junge Musiker im 21. Jahrhundert eine Karriere aufbauen können», charakterisiert sich die Institution selber.
 

Nationaler Kulturdialog diskutiert Arbeitsprogramm

Der Nationale Kulturdialog hat den Stand seines Arbeitsprogramms für die Periode 2016-2020 diskutiert. Zentrum der Diskussion bildete die geplante Neuausrichtung der Finanzhilfen an Museen und Sammlungen durch den Bund.

Foto: Stefan Maurer (maust.ch)/flickr.com

Die Kulturbotschaft für die Förderperiode 2016-2020 sieht bei den Betriebsbeiträgen an Museen und Sammlungen einen Systemwechsel vor. Nach dem Willen des Parlaments sollen die Betriebsbeiträge des Bundes ab dem Jahr 2018 neu in einem Gesuchsverfahren vergeben werden. Bis anhin wurden die Empfänger im Rahmen der Kulturbotschaft des Bundes direkt bestimmt. Die Neuausrichtung wird gestützt auf ein Förderungskonzept des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) erfolgen, das die massgebenden Voraussetzungen und Kriterien festlegt.

Der Nationale Kulturdialog äusserte sich positiv zur Stossrichtung der neuen Museumspolitik. Das Förderungskonzept wird am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Gesuche um Betriebsbeiträge können von Anfang Januar 2017 bis am 31. März 2017 eingereicht werden.

Das Arbeitsprogramm 2016-2020 sieht im Weiteren Massnahmen in den Bereichen der Literaturförderung, der Denkmalpflege, der kulturellen Teilhabe und im Bibliotheksbereich vor. Ziel ist, gemeinsamen Herausforderungen durch eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordination zu begegnen. Der Nationale Kulturdialog wird 2016 vom Städteverband präsidiert. Die jüngste Sitzung stand unter dem Vorsitz von Sami Kanaan, Leiter des Kultur- und Sportamtes der Stadt Genf.

Der Nationale Kulturdialog wurde 2011 ins Leben gerufen und vereinigt Vertreter der politischen Instanzen und der Kulturbeauftragten der Kantone, Städte, Gemeinden und des Bundes. Seine Arbeit basiert auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2011 und dem im April 2016 verabschiedeten Arbeitsprogramm 2016-2020. Die politischen Instanzen bilden das strategische Steuerungsorgan des Nationalen Kulturdialogs mit dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), Vertretern der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), des Schweizerischen Städteverbands (SSV) und des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV).

Mit Fantasie, List und Leben

Obschon der Pianist Marc Perrenoud seinem Jazz-Trio treu bleiben will, verspürt er zunehmend Lust, sich auch alleine zu beweisen. Sein Solodebüt ist so virtuos wie anmutig.

Marc Perrenoud. Foto: © Anne bloom

Als Kind zweier klassischer Musiker wächst Marc Perrenoud in einer Welt voller Klänge auf. Mit sechs Jahren beginnt er am heimischen Klavier zu improvisieren, und bald darauf schickt man ihn in den Musikunterricht. Später zeigt er sich von den Beatles und Bach angetan, aber auch von Blues und Jazz und Pianisten wie Scott Joplin oder Oscar Peterson. 2005 schliesst er die Ecole de Jazz in Lausanne ab. Am Montreux Jazz Festival war er bereits zwei Jahre zuvor mit dem Chrysler Award ausgezeichnet worden. Erst ab diesem Moment war sich der Genfer gewiss, dass er eine Musikerlaufbahn einschlagen wollte.

Unterdessen ist er seit neun Jahren mit seinem Marc-Perrenoud-Trio aktiv, dem auch Schlagzeuger Cyril Regamey und Bassist Marco Müller angehören. In den kommenden Wochen wird die Formation ihr viertes Album, Nature Boy, veröffentlichen. Doch vorher wollte der 35-Jährige einen lange gehegten Traum verwirklichen: sein Solodebüt. Es ist im Juni erschienen und nennt sich Hamra – was auf Arabisch «rot» bedeutet. Der Titel verweist aber auch auf das gleichnamige Quartier in Beirut. Der Sohn einer Holländerin und eines Schweizers hat einige Monate in der libanesischen Hauptstadt verbracht, wo seine Neugier für die Kultur des Nahen Ostens geweckt wurde. Dennoch fokussiert die Platte mehrheitlich auf die Musiktraditionen des Abendlandes.

Während sich die impressionistische Conversation With Nino mit dem Filmkomponisten Nino Rota (1911–1979) auseinandersetzt, widmet sich Quintes den Klavierübungen: Rasch schert sich der Künstler keinen Deut mehr um strikte Disziplin und rollt stattdessen frisch, frech und energiegeladen über die Tasten hinweg. Perrenoud beweist in seinen Liedern sowohl Wagemut als auch Improvisationskunst. Das Werk beginnt mit All The Things You Are, das mit vom Schlagzeug ausgehenden Rhythmusstrukturen hantiert, und endet mit dem ebenso melancholischen wie melodiösen Le roi et l’oiseau aus der Feder von Wojciech Kilar. Dazwischen liegt eine Songstrecke, die nicht nur poetisch und virtuos, sondern auch abwechslungsreich und anmutig ist. Perrenoud ist es gelungen, seinen Solo-Piano-Sound mit Fantasie, List und Leben zu erfüllen.

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Marc Perrenoud (piano): Hamra. UNIT-Records UTR 4707. www.marcperrenoud.com

Glaziale Alphornablagerungen

Mit meditativen Alphornweisen ruhig werden und dann die schmerzlichen Klänge der schmelzenden Gletscher auf sich wirken lassen.

Lukas Briggen, Michael Büttler, Jennifer Tauder, Balthasar Streiff. Foto: © Muriel Steiner

Das Hornroh modern alphorn quartet ist in den ersten 30 von 38 Tracks der Doppel-CD Gletsc mit traditionellen Stücken und Neukompositionen zu Stille und Andacht unterwegs. Die beiden letzten Stücke des ersten Teils Choral des Alpes von Robert Scotton und Anton Wickys Alphorn-Arrangement nach Schuberts Heilig ist der Herr verraten diese Absicht unmissverständlich. Cécile Ohlshausen empfiehlt im Booklet-Text unter dem Titel «Slow listening» denn auch, man möge sich für diese Neuerscheinung Zeit lassen.

Das langsame Erkunden der naturgegeben tonarmen Alphornweisen und Büchelrufe, manchmal aus ferner Vergangenheit geholt, dann wieder von Hornroh modern heutigen Hörgewohnheiten angepasst, eignet sich für eine Meditation, für eine persönliche Achtsamkeits-Übung. Und wenn man bei diesem geduldigen Lauschen ruhig geworden ist, ist man für Misch Käsers glaziale Ablagerungen für je ein Alphorn in A, G, E, Es vorbereitet. Dieses Werk, 2009 als Auftrag des Lucerne Festivals für den 1959 geborenen Schweizer Komponisten entstanden, trägt den seltsamen Titel Gletsc und versteht sich als «Gletscher», dem symbolisch schon die drei letzten Buchstaben weggeschmolzen sind. Durch die unterschiedliche Grundstimmung der vier Alphörner klingt es von vornherein «falsch» – anders als ein Alphorn-Quartett mit gleich gestimmten Instrumenten. Die sechs, mit Begriffen aus der Glaziologie betitelten Sätze haben ihre schmerzhafte Aktualität seit der Uraufführung nicht eingebüsst und wirken so unheimlich wie das Cover von Pierre-Yves Borgeaud aus dem Video-Tryptichon that land. Die perkussiven Interludien stammen vom Aargauer Schlagwerker Pit Gutmann.

Unter den 30 Stücken des Vorspiels zu Gletsc haben sieben traditionelle Büchelrufe aus dem Kanton Schwyz dokumentarische Bedeutung. Balthasar Streiff hat sie aus Tonträgern und Musikalien zusammen getragen und für Hornroh eingerichtet. Auf Urschweizer Musik nimmt auch der deutsche Komponist Georg Haider mit den zehn eingestreuten Marginalien Bezug. Die Miniaturen für zwei bis drei Alphörner sind während eines Ferienmonats im Prättigau entstanden und teilweise mit einem lokalen Alphorn-Trio uraufgeführt worden.

Die beachtenswerte Einspielung, die die Vielfalt von Hornroh modern und der Alphorn-Tradition auffächert, klingt mit Georg Haiders Wiegenlied im Overdubverfahren mit drei einzeln eingespielten und übereinandergelegte Stimmen aus.

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hornroh modern alphorn quartet: Gletsc. Musiques Suisses MGB NV 31

Finanzspritze für Webern-Gesamtausgabe

Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt ab 2017 sieben Editionsprojekte an der Universität Basel mit fünf Millionen Franken. 1,3 Millionen Franken fliessen in die Anton-Webern-Gesamtausgabe.

Anton Webern (Bild: zvg),SMPV

Die historisch-kritische Notenedition beinhaltet nicht nur die von Webern selbst zum Druck beförderten Werke, sondern auch deren unpublizierte Fassungen, zu Lebzeiten unveröffentlichte Kompositionen, Jugend- und Studienkompositionen sowie Fragmente, Skizzen und Bearbeitungen.

Die Anton Webern-Gesamtausgabe hat eine möglichst lückenlose Dokumentation der Biographie des Komponisten, der Entstehungs-, Publikations- und Aufführungsgeschichte seiner Werke zum Ziel. Nach der Erarbeitung durch den Fachbereich Musikwissenschaft erscheint die Edition in einer Print-/Online-Hybrid-Ausgabe.

Nach einer Evaluation neuer und laufender Editionsprojekte hat der SNF 23 Projekte zur Förderung in der Beitragsperiode 2017 bis 2020 ausgewählt. Bei der Erschliessung des Materials werden die Möglichkeiten der digitalen Bearbeitung und Publikation genutzt. So sind die Ausgaben im Sinne des Open Access gebührenfrei und einfach zugänglich und erleichtern somit die Nutzung für weitere Forschung.

Vom SNF gefördert werden in diesem Rahmen auch die kritische Ausgabe der Werke des Basler Kultur- und Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, der Bernoulli-Briefwechsel, ein Editionsprojekt «Der späte Nietzsche», der literarische Nachlass von Karl Barth, eine kritische Robert Walser-Ausgabe sowie ein Projekt zur Katalogisierung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften in der Schweiz.

Behindert Amazon die Musikförderung?

Der Österreichische Musikfonds muss für Ende des Jahres geplante Fördermassnahmen absagen. Die Gründe sieht der Österreichische Musikrat vor allem bei einem Gerichtsstreit mit der Onlinebuchhandlung Amazon.

Foto: Aurelijus Valeiša/flickr.com

Laut der Medienmitteilung des Österreichischen Musikrates (ÖMR) ist die Absage der Förderrunde Folge eines Gerichtsstreits der Urheber- und Künstlervertretungen gegen Amazon. Der US-Konzern weigere sich, die im österreichischen Urheberrecht vorgesehene Privatkopievergütung auf Speichermedien zu zahlen, die er direkt nach Österreich liefere.

Die Rechtsunsicherheit infolge dieses Prozesses führe dazu, so der ÖMR weiter, dass die Fördersysteme mehrerer Verwertungsgesellschaften bedroht und vorhandene Gelder eingefroren seien. Damit stünden sie auch dem Österreichischen Musikfonds nicht mehr zur Verfügung.

Sollten die Urhebergesellschaften das Verfahren gegen Amazon in letzter Instanz verlieren, zitiert der ÖMR den Musikfonds-Geschäftsführer Harry Fuchs, habe das dramatische Folgen für die gesamte Branche. Die aus der Privatkopievergütung dotierten Fördersysteme würden zusammenbrechen.
 

Mensch, Musik, Maschine

Im Rahmen des Festivals «Wir sind die Roboter» waren vom 29. September bis 1. Oktober das Roboter-Orchester der belgischen Logos Foundation und die Soundmaschinen von Roland Olbeter zu hören.

Roland Olbeters «Pollywoggs» in der Musikbrauerei. Foto: Christoph Voy,Graphic Art: Marion Wörle,Foto: Christoph Voy

«Wir sind die Roboter», so prangt es von den Plakaten für das Festival. Wer spricht da? Wer ist wir? Wir alle? Sind wir etwa alle schon zu Robotern geworden, zu Automaten, gesteuert von Computern, Algorithmen und Smartphones? Oder sprechen da die Maschinen? Und wie klingt eigentlich Robotermusik? Ist das etwas unerhört anderes als das, was wir bislang unter Musik verstanden haben? Etwas ganz Neues, das unsere «verstopften und abgestumpften Wahrnehmungskanäle» erweitern kann, wie Philipp Rhensius in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. Juli 2016 schrieb?
«Was wir im Rahmen des Festivals hören werden», so heisst es im Programmheft, «ist keine Roboter-Musik, sondern Menschen-Musik, die von Maschinen gespielt wird.» Nun, das klingt zunächst mal nicht unerhört anders als alles, was wir bislang kennen. Eher im Gegenteil. Und nach einer Auseinandersetzung damit, dass wir längst alle zu Robotern geworden sind, klingt das leider auch nicht. Auch wenn die Roboter hier die erste Geige spielen werden: Der Mensch bewahrt in jedem Fall die Kontrolle. Schade!

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Ausschnitt aus dem Plakat

Von Frankenstein bis Star Wars

Die Wahl des Veranstaltungsortes versöhnt wieder. Es fühlt sich an, als tauchte ich hinab in eine Gothic Novel. Der Schornstein der ehemaligen Brauerei, eines Industriebaus aus Backstein, ragt in den dunklen Nachthimmel, schwach angeleuchtet von einem roten Scheinwerfer. Eine finstere Treppe führt hinab in den Keller, aus dem ein leichter Modergeruch aufsteigt, und es würde einen nicht wundern, fände man unten das Labor eines Dr. Frankenstein vor. Stattdessen klingt aus der Tiefe ein mechanisches Carillon herauf, das Erik Saties Vexations spielt. Satie hatte die vielen Wiederholungen komponiert, um den Pianisten damit zu quälen. In der Installation von Gerhard Kern übernimmt die unliebsame Aufgabe ein Automat: wie praktisch! An anderer Stelle leuchten in einem feuchten Kellerraum kleine Lichtpunkte im Dunkeln, von denen ein elektronisches Zirpen ausgeht. Cicadas von Michele Pedrazzi erzeugt so eine Atmosphäre wie in den dystopischen Filmen von Jean-Pierre Jeunet.

Im Obergeschoss sind die Maschinen aufgebaut, für die die Kuratoren des Festivals Kompositionsaufträge vergeben haben. Auf einer der beiden Bühnen stehen die skulptural anmutenden Roboter der belgischen Logos Foundation: auf Sackkarren montierte Orgelpfeifen, Perkussionsinstrumente, Helikontrichter, dünne, schwingende Metallstreifen, versehen mit Schlägeln, Schläuchen, Drähten und blinkenden Lichtern. Das Roboter-Orchester aus Gent entstand in den Sechzigerjahren und wurde im Folgenden stetig weiterentwickelt, so dass das Ensemble aus sieben Robotern an Star Wars, Alien und Mad Max gleichzeitig erinnert. Das Duo Hacklander/Hatam kombiniert in der Uraufführung Enlistment as Alignment die perkussiven Logos-Instrumente, die so sprechende Namen tragen wie «Troms», «Temblo» und «Psch», mit programmierten Computersounds und dem live von Colin Hacklander gespielten Schlagzeug. Die Rhythmen von Mensch und Maschine verbinden sich hier zu einer vielschichtigen Komplexität. Die Cellistin Okkyung Lee verwendet das gleiche Logos-Instrumentarium kombiniert mit einem Cello für ihre Komposition SoomNoRae. Hier wirkt die Perkussion der Roboter im Kontrast zu dem Instrument, das von Okkyung Lee gespielt wird, monoton und stumpf; der Klang des Cellos gewinnt klar über die Maschine. Doch die Roboter schlagen zurück. Der eine setzt einfach nicht an der richtigen Stelle ein. Von wegen der Mensch hat immer die Kontrolle! Der Techniker muss eingreifen und die Programmierung noch mal neu starten. Der unerwartete Fehler im System unterbricht den starren Ablauf, den die Maschine der Instrumentalistin aufdrückt, und erzeugt für einen Moment ein Gefühl von Lebendigkeit.
Auch die Kuratoren Marion Wörle und Maciej Sledziecki, die als Duo gamut inc zusammen arbeiten, haben für die Logos-Instrumente ein Stück komponiert: Planet Nine. Unter der Decke dreht sich eine schwarze Discokugel und sprenkelt den Raum mit hellen Lichtpunkten. Wörle und Sledziecki sitzen wie die Piloten eines Raumschiffs vor ihrem Laptop und schauen dem vorprogrammierten Treiben der Roboter zu. Düstere Dronesounds entführen einen in einem weiten Bogen in unendliche musikalische Weiten. Und einen Moment lang nimmt man die Roboter nicht mehr als blosse Jahrmarktattraktionen wahr, sondern als Instrumente – oder gar als Instrumentalisten.
 

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«Troms» aus dem Instrumentarium der Logos Foundation

Klänge aus den Achtzigern

Die zweite Instrumentengruppe, für die im Rahmen des Festivals komponiert wurde, sind die Soundmaschinen von Roland Olbeter. Seine «Pollywoggs», länglich und mit grauer Kunststoffoberfläche, erinnern an Maschinen in den Fertigungshallen der Automobilindustrie, sind aber klanglich den Instrumenten eines Streichquartetts nachempfunden. Olbeters zweite Instrumentengruppe, «Sound clusters» genannt, sieht aus wie mutierte Fagotte oder Klarinetten, erzeugt aber gitarrenartige Klänge. In den 12 Stücken für Olbeters Maschinen, die Piotr Kurek für unterschiedliche Kombinationen der Instrumente komponiert hat, werden die Sounds der einzelnen Instrumente deutlich herausgestellt. Leider klingen die «Pollywoggs» wie billige Synthies aus den Achtzigern, so dass der Klang den technischen Aufwand nicht so recht zu rechtfertigen vermag. Und auch der szenische Eindruck der Sound Machines lässt zu wünschen übrig, sieht man doch als Zuschauer gar nicht so genau, wie die Klänge eigentlich erzeugt werden. Weil die Sounds ausserdem immer technisch verstärkt werden, also ohnehin aus den Lautsprechern kommen, fragt man sich, wo da eigentlich der Unterschied liegt zu einem Backtrack oder einer abgespielten CD.

Nach drei Tagen Roboter-Festival sehnt man sich in jedem Fall wieder nach Musik von Menschen für Menschen, mit Stimmen und Atem und körperlicher Präsenz, die einem die verstopften Wahrnehmungskanäle öffnet und die eigene Lebendigkeit spüren lässt.
 

Festivalwebsite

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