Festival Rümlingen unter dem Motto «Oltingen x 24»

Am Wochenende vom 24. und 25. August sind im ältesten Baselbieter Dorf Oltingen 24 kleinere und grössere Klangereignisse zu erleben.

Klingende Begegnung am letztjährigen Festival im Tessin. Foto: Ketty Bertossi/Festival Neue Musik Rümlingen

Nach Ausflügen ins Tessin, ins Appenzellerland und ins Engadin nistet sich das Festival Neue Musik Rümlingen dieses Jahr in Oltingen ein. Das Festival, das sich jedes Jahr neu erfindet, hat schon 2010 und 2022 mit Vereinen oder Bewohnern des Dorfes zusammengearbeitet. Dieses Jahr werden 24 neue Projekte speziell für diesen Ort verwirklicht.

Das Festival beginnt am Samstag um 15 Uhr und dauert 24 Stunden bis am Sonntag um 15 Uhr. Es bietet so die Gelegenheit, sich aus dem Alltag auszuklinken und, wie das Festival schreibt, «einzutauchen in eine überschaubare Welt mit ungeahnten Möglichkeiten».

Beteiligte Klangkünstlerinnen und -künstler

Zu hören sind Uraufführungen von Romane Bouffioux (FRA/CH), Léo Collin (CH), Rama Gottfried (US/CH), Wolfgang Heiniger (CH), Urban Mäder (CH), Aya Metwalli (EGY), Marina Tantanozi (CH), Violetta Garcia (ARG), Michel Robin (CH), Daniel Ott (CH) und Anna Sowa (CH/PL)

 

https://www.neue-musik-ruemlingen.ch

Valerian Alfaré vertritt die Schweiz am EYM

Im Rahmen der Talentförderung schickt SRF den 19-jährigen Klassik-Nachwuchsmusiker Valerian Alfaré an die Finalshow des «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb im norwegischen Bodø. Der Final wird am Samstag, 17. August 2024, ab 22.30 Uhr auf SRF 1 gesendet.

Eurovision Young Musicians 2024, Valerian Alfaré, Switzerland 2024. Foto: René Alfred

Nach dem «Eurovision Song Contest» (ESC) organisiert die Europäische Broadcasting Union (EBU) im Sommer den «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb (EYM). Valerian Alfaré nimmt für die Schweiz an der Finalshow im norwegischen Bodø teil. Der 19-Jährige konnte die dreiköpfige Expertenjury (Oliver Schnyder, Manuel Oswald, Eva Oertle) diesen Frühling an der Schweizer Vorauswahl in Basel mit seinem Euphonium, überzeugen. Als einer von elf Finalteilnehmenden wird Valerian Alfaré am 17. August 2024 als Solist im Stomen Konserthus in Bodø auftreten, begleitet vom norwegischen Radio-Sinfonieorchester.

Die Schweizer Vorauswahl im Meret Oppenheim Hochhaus in Basel, dem Kulturstandort von SRF, erfolgte in Partnerschaft von SRF mit Musikhochschulen, Musikschulen sowie dem Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb. Schweizer Nachwuchsmusikerinnen und -musiker im Alter zwischen 14 und 21 Jahren nahmen teil.

Der 19-jährige Valerian Alfaré aus dem aargauischen Rheinfelden spielt neben Euphonium auch Trompete. Als Trompeter konzentriert er sich vorwiegend auf den Jazzbereich und ist Mitglied des Schweizer Jugend Jazz Orchesters. Mit dem Euphonium ist er in erster Linie in der Klassik und in der Neuen Musik unterwegs.

Über den «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb

Der «Eurovision Young Musicians»-Wettbewerb bietet jungen Klassiktalenten eine grosse internationale TV-Bühne mit professionellem Orchester. Die Veranstaltung wird alle zwei Jahre von der EBU ausgerichtet, die auch den ESC durchführt. Gastgeber der Ausgabe 2024 ist der Norwegische Rundfunk. Der Wettbewerb findet statt in Bodø, einer der drei Kulturhauptstädte Europas 2024.

Link zum Originalartikel bei SRF

Co-Präsidium im Stiftungsrat des Künstlerhauses Boswil

Per 1. August übernehmen Irene Näf-Kuhn und Christine Hehli Hidber das Präsidium des Stiftungsrats des Künstlerhauses Boswil.

Stabübergabe beim Künstlerhaus Boswil: v.l. Irene Näf-Kuhn, Christine Hehli Hidber.  Foto: Gregor Galliker

Wie das Künstlerhaus Boswil mitteilt, haben der Beirat und der Stiftungsrat an ihrer letzten Sitzung Irene Näf-Kuhn und Christine Hehli Hidber als Co-Präsidentinnen in der Nachfolge von Stefan Hegi gewählt. Hegi ist seit 1997 Mitglied des Stiftungsrates. Er hat sich als Architekt vor allem für die bauliche Entwicklung des Künstlerhauses eingesetzt. Im August 2021 übernahm er als Vizepräsident das Präsidium von Peter Wipf, bis eine Nachfolge gefunden werden konnte. Am 1. August übernehmen nun die Pianistin und Musikmanagerin Irene Näf-Kuhn und die Rechtsanwältin Christine Hehli Hidber das Amt.

Youth Classics bietet Austausch mit Weltelite

Die 14. Swiss International Music Academy (Sima) von Youth Classics findet vom 12. bis 21. Juli auf der Musikinsel Rheinau und in der Zürcher Hochschule der Künste statt. Zugelassen sind 96 herausragende musikalische Talente aus der ganzen Welt, ein Drittel davon aus der Schweiz.

Musikinsel Rheinau Foto: Youth Classics, Marco Blessano

Die Sima geniesst weltweit einen exzellenten Ruf. So haben sich über 300 talentierte Musikerinnen und Musiker aus aller Welt für den 14. Meisterkurs für Violine, Viola und Violoncello auf der Musikinsel Rheinau angemeldet. 96 herausragende Talente aus 33 Ländern wurden an die diesjährige Academy zugelassen. Sie profitieren im Rahmen von Solounterricht, Kammermusikunterricht und Workshops von den Erfahrungen international bekannter und renommierter Dozentinnen und Dozenten. Als besonderes Highlight bietet sich den Besten des Solistenwettbewerbs die Möglichkeit, beim Schlusskonzert mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz in Zürich als Solistin oder Solist aufzutreten.

Private Initiative

Die Sima ist eine private Initiative zur Förderung junger musikalischer Talente. Getragen wird sie vom Verein Youth Classics. Präsident und künstlerischer Leiter ist Philip A. Draganov.

Herausragenden jungen Musikerinnen und Musikern, die an einer Musikhochschule studieren oder in Zukunft ein Musikstudium anstreben, bietet die Academy während der Sommerferienzeit eine intensive, hochwertige musikalische Ausbildung. Den Schweizer Teilnehmenden verhilft der Meisterkurs zu einem äusserst wertvollen Austausch mit der Weltelite.

Unterricht auf höchstem Niveau und aussergewöhnliche Einblicke

Es ist wiederum gelungen, ausgewählte Dozierende renommierter Musikhochschulen wie der Zürcher Hochschule der Künste, der Hochschule der Künste Bern, der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, der staatlichen Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin oder der Haute Ecole de Musique Vaud-Valais-Fribourg für die Academy zu gewinnen. Sie arbeiten im Rahmen des Solounterrichts mit den Teilnehmenden. Ergänzend zum Einzelunterricht finden Probenmit Korrepetition und Kammermusikunterricht sowie verschiedene Spezialveranstaltungen statt. So bauen die Teilnehmenden im Team in einer Geigenbauwerkstatt unter Anleitung des renommierten Geigenbauers Stefan-Peter Greiner eine Geige.

Als Spezialgast der Sima 2024 wird Christian Tetzlaff, einer der gefragtesten Geiger und spannendsten Musiker der Klassikwelt, einen «Interpretationskurs Brahms» für von der künstlerischen Leitung ausgewählte Teilnehmende der Academy geben.

 Chance zum Solistenauftritt mit einem  grossen Orchester

Als Novum wird dieses Jahr ein Solistenwettbewerb durchgeführt. Den Besten winkt ein Auftritt als Solistin oder Solist am Abschlusskonzert mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, das am Sonntag, 21. Juli 2024, an der Zürcher Hochschule der Künste stattfindet. Aufgrund der von den Kandidierenden vorgängig eingeschickten Videos wurden die Finalistinnen und Finalisten ausgewählt, die in der Finalrunde an der Sima vor der Jury der Sima-Dozierenden vorspielen. Vor Ort wird dann entschieden, wer als Solistin bzw. Solist am Schlusskonzert mit dem Orchester auftreten darf.

Im Rahmen des Sonderpreises der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz wird aus allen Teilnehmenden der Sima 2024 ein Talent ausgewählt, das in der Spielzeit 2024/25 mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, die sich ab der Spielzeit 2024/25 in «Bodensee Philharmonie» umbenennt, bei einem Konzert in Konstanz als Solistin bzw. Solist auftreten darf. www.philharmoniekonstanz.de

 Öffentliche Konzerte während der SIMA

Bereits während der Woche zeigen die Teilnehmenden der Sima an verschiedenen öffentlichen Konzerten ihr Können.

 Donnerstag, 18. Juli 2024, 13.30 Uhr
Abschlusskonzert der Brahms Masterclass von Christian Tetzlaff
Musiksaal, Musikinsel Rheinau

 Donnerstag, 18. Juli 2024, 19.30 Uhr
1. Konzert der Teilnehmenden der SIMA 2024
Mühlesaal, Klosterinsel 2, 8462 Rheinau

 Freitag, 19. Juli 2024, 19.30 Uhr
2. Konzert der Teilnehmenden der SIMA 2024
Mühlesaal, Klosterinsel 2, 8462 Rheinau

 Samstag, 20. Juli 2024, 14.00 Uhr
1. Abschlusskonzert der Kammermusikgruppen
Bergkirche, 8462 Rheinau

 Samstag, 20. Juli 2024, 19.30 Uhr
Abschlusskonzerte der einzelnen Klassen
Violinklassen: A. Chumachenco / Z. Tadevosyan, P.A. Draganov / J.G. Flores, A. Janke, P. Vernikov / S.Marakova
Violaklasse: T. Selditz
Celloklassen: T. Grossenbacher, J. Hasten, T. Svane
Musikinsel Rheinau, 8462 Rheinau

 Sonntag, 21. Juli 2024, 09.30 Uhr
2. Abschlusskonzert der Kammermusikgruppen
Musikinsel Rheinau, 8462 Rheinau

 Sonntag, 21. Juli 2024, 17.00 Uhr
Galakonzert zum Abschluss der 14. Sima 2024
Ausgewählte Teilnehmende spielen solistisch mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz
Zürcher Hochschule der Künste, Konzertsaal 3, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96, 8005 Zürich

Alle Konzerte: Eintritt frei – Kollekte

 

 

Othmar Schoeck Festival 2024: Coming of Age

Mit Volldampf ins Rampenlicht: Das sechste Othmar Schoeck Festival in Brunnen befasst sich vom 6. bis 8. September 2024 mit den frühen Werken des Komponisten und zeigt ein musikalisches Panorama Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Der Kugelballon «Theodor Schaeck» auf dem Neuenburgersee. Er wird gezogen vom Schiff «La Broye». Um 1915. Foto: Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums

In Brunnen aufgewachsen, begann Othmar Schoeck 1904 sein Musikstudium am Konservatorium Zürich. 1907 folgte er der Einladung Max Regers, in dessen Leipziger Kompositionsklasse einzutreten. Zurück in der Schweiz verdiente Schoeck sein Geld mit dem Dirigieren zweier Männerchöre in Zürich, während er als Komponist immer bekannter wurde. Seine frühen Kompositionen brachten ihm bald internationale Aufmerksamkeit.

Auch wenn Schoeck sich der deutschen Romantik verpflichtet fühlte und in der Nachfolge Schuberts und Hugo Wolfs sah, kannte er die Werke seiner Zeitgenossen sehr genau und liess sich davon inspirieren. Das Othmar Schoeck Festival 2024 zeigt ein musikalisches Panorama Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts und untersucht die ersten Karriereschritte des Brunner Komponisten in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg.

Das Programm

Unerhörte Liebe: Béla Bartók und Othmar Schoeck schwärmten beide für die ungarische Geigerin Stefi Geyer. Gleich im Eröffnungskonzert mit dem Moser String Quartet sind ihre jeweils ersten Streichquartette zu hören und im grossen Sinfoniekonzert am Sonntag Schoecks Violinkonzert «Quasi una Fantasia». Der Schweizer Geiger Sebastian Bohren interpretiert das Stefi Geyer gewidmete Werk zusammen mit dem Kammerorchester Basel unter der Leitung von Izabelė Jankauskaitė.

Besonders hervorzuheben ist der Gottesdienst am Sonntagmorgen mit dem jungen Schweizer Bariton Manuel Walser. Er singt Schoecks drei geistliche Lieder op. 11 begleitet von Stefan Albrecht an der Orgel in der Pfarrkirche St. Leonhard.

Und wie immer ist der musikalische Nachwuchs eingebunden, sei es mit Uraufführungen im Kammermusikkonzert, in der Werkstatt «futur composé» mit Dieter Ammann oder in einem Kolloquium des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich, das Fallstudien zur Presseberichterstattung über Schoecks Uraufführungen vorstellt und in einem Podiumsgespräch abgeschlossen wird.

Insgesamt sind es sieben Veranstaltungen. Es erklingen 18 Werke. Zu hören sind ein Orchester, ein Streichquartett, ein Brassquintett, zusammen mit allen andern total 22 Musikerinnen und Musiker, dazu zwei Musikwissenschaftlerinnen, ein Musikwissenschaftler sowie einige Studierende.

Die Aufführungen

Eröffnungskonzert, Freitag, 6. September 2024, 20 Uhr, Reformierte Kirche Brunnen

Kolloquium, Samstag, 7. September 2024, 15 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen

Konzert und Uraufführung, Samstag, 7. September 2024, 20 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen

Gottesdienst, Sonntag, 8. September 2024, 10 Uhr, Römisch-katholische Pfarrkirche St. Leonhard, Ingenbohl-Brunnen

Podium, Sonntag, 8. September 2024, 14 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen

Werkstatt, Sonntag, 8. September 2024, 16 Uhr, Villa Schoeck, Brunnen

Sinfoniekonzert, Sonntag, 8. September 2024, 20 Uhr, Seehotel Waldstätterhof, Brunnen

Die Tickets sind ab 7. August auf ticketino.ch oder über schoeckfestival.ch buchbar. Reservation empfohlen.

Die Werke

Jonas Achermann:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett

Béla Bartók (1881–1945):
Streichquartett Nr. 1 (1908/09)

Viktoryia Haveinovich:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett

Alma Mahler (1879–1964):
Drei Lieder

Aregnaz Martirosyan (*1993):
Duo für Violine und Klavier (UA)

Christoph Pfändler (*1992):
– Duo für Sopran und Violine (UA)
– Kompositionsskizze für Brass-Quintett

Maurice Ravel (1875–1937):
Streichquartett in F-Dur, op. 35 (1902/1903)

Othmar Schoeck (1886–1957):
– Streichquartett Nr. 1, op. 23 (1911/13)
– Drei Lieder von Heine, op. 4 für Singstimme, Violine und Klavier (1906)
– Drei geistlichen Lieder für Bariton und Orgel op. 11 (1906/07
– Violinkonzert (Quasi una Fantasia) op. 21 (

Franz Schubert (1797–1828):
3. Sinfonie in D-Dur

Erwin Schulhoff (1894–1942):
– Sonate für Violine und Klavier op. 7 (1913)
– Drei Stimmungsbilder (nach Gedichten aus «Die Garbe» von Hans Steiger) für Sopranstimme, Violine und Klavier op. 12 (1913)

Hyeok Son:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett

Luca Staffelbach:
Kompositionsskizze für Brass-Quintett

Hugo Wolf (1860–1903):
Italienische Serenade, für Orchester bearbeitet von Max Reger (1873–1916)

Die Mitwirkenden

Kammerorchester Basel, Sinfoniekonzert

Jonas Achermann, Komponist, Werkstatt
Heinrich Aerni, Musikwissenschaftler, Podium
Stefan Albrecht, Orgel, Gottesdienst
Dieter Ammann, Komponist, Werkstatt
Ariadna Bataller, Viola, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Xavier Gil Batet, Posaune, KamBrass Quintet, Werkstatt
Sebastian Bohren, Violine, Sinfoniekonzert
Oriol Reverter Curto, Tuba, KamBrass Quintet, Werkstatt
Lea Galasso, Violoncello, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Inga Mai Groote, Musikwissenschaftlerin, Podium
Viktoryia Haveinovich, Komponistin, Werkstatt
Izabelė Jankauskaitė, Dirigentin, Sinfoniekonzert
Doris Lanz, Musikwissenschaftlerin, Podium
Joan Pàmies Magrané, Trompete, KamBrass Quintet, Werkstatt
Kanon Miyashita, Violine, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Maria Servera Monserrat, Waldhorn, KamBrass Quintet, Werkstatt
Patricia Muro, Violine, Moser String Quartet, Eröffnungskonzert
Christoph Pfändler, Komponist, Werkstatt
Hyeok Son, Komponist, Werkstatt
Julia Spaeth, Sopran, Konzert und Uraufführung
Luca Staffelbach, Komponist, Werkstatt
Nadezda Tseluykina, Klavier, Konzert und Uraufführung
Manuel Walser, Bariton, Gottesdienst
Guillem Cardona Zaera, Trompete, KamBrass Quintet, Werkstatt
Susanne Zapf, Violine, Konzert und Uraufführung

Der Verein

Der Verein Othmar Schoeck Festival ermöglicht Aufführungen der Musik Othmar Schoecks an seinem Geburtsort Brunnen. Er fördert die kritische Auseinandersetzung mit der Biografie des Komponisten. Dank der gezielten Einbindung des musikalischen Nachwuchses bleibt das Werk eines der bekanntesten Schweizer Komponisten der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aktuell.

Der Vorstand bedankt sich sehr herzlich bei allen Personen und Institutionen, die das Festival unterstützen.

Neue Dozierende an der Hochschule Luzern – Musik

Carolina Müller wird Dozentin am Institut für Jazz und Volksmusik. Jakob Pilgram, Michael Bach und Marco Amherd werden das Team des Instituts für Klassik und Kirchenmusik ergänzen.

von links: Carolina Müller, Jakob Pilgram, Michael Bach, Marco Amherd. Fotos: zVg

Carolina Müller wird ab dem Herbstsemester 2024 als neue Dozentin für das Schwerpunktfach Gesang «Groove und Electronics» tätig sein. Als Miss C-Line ist sie international erfolgreich und Gewinnerin des New Generation Jazz Lab Contest im Jahr 2021. Sie hat drei Alben veröffentlicht und mit Künstlern wie Casey Benjamin und Jeff Ballard zusammengearbeitet. Musikalisch und technisch versiert beherrscht sie die Bereiche Musikproduktion, Studioaufnahmen, Mixing, Live-Show-Produktion und Komposition.

Per Studienjahr 2024/25 wird Jakob Pilgram in der Nachfolge von Pascal Maier neuer künstlerischer Leiter des Collegium Musicum und Dozent für Vokalensemble. Als gefragter Solist im In- und Ausland sang er mit Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweghe, Ton Koopman, Andrea Marcon und Hans-Christoph Rademann und erarbeitete sich ein fundiertes Wissen über die historische Aufführungspraxis. 2005 gründete er das professionelle larynx Vokalensemble, bei dem er als musikalischer Leiter und Dirigent wirkt. Zudem ist er Mitglied des Artistic Board des Balthasar Neumann Chores sowie Co-Leiter von dessen Singer’s Academy. Seit 2004 bildet er mit Mischa Sutter ein an internationalen Wettbewerben ausgezeichnetes Liedduo.

Ebenfalls aufs neue Studienjahr hin wird der mehrfach an Wettbewerben ausgezeichnete Michael Bach Dozent für Blasmusikdirektion. Seit 2009 dirigiert er die Brassband Bürgermusik Luzern. Er ist seit 2023 Chefdirigent der Grimethorpe Colliery Band (GB) und regelmässiger Gastdirigent von Bands wie der Eikanger-Bjorsvik Band (NO) oder der Fodens Band (GB). Er fungiert als Juror grosser nationaler und internationaler Wettbewerbe und leitet die Musikschule Saanenland-Obersimmental.

Marco Amherd schliesslich wird neuer Dozent für das Hauptfach Chorleitung, aber erst auf das Studienjahr 2025/26. Er studierte Dirigieren, Orgel/Kirchenmusik (Konzert-, Lehr- und Solistendiplom) und Wirtschaftswissenschaften in Zürich, Freiburg im Breisgau und Toulouse. Aktuell agiert er unter anderem als künstlerischer Leiter des Schweizer Vokalconsorts. Sein Gespür für aussergewöhnliche Klänge zeigt sich in der Zusammenarbeit mit dem Vokalensemble Zürich West und dem Jungen Kammerchor Zürich. Er wurde an zahlreichen internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Zurzeit ist Marco Amherd zudem Intendant des Davos Festivals.

Fit für die Zukunft? – Berliner Tagung zur Entwicklung von Musik(hoch)schulen

Fit für die Zukunft? Diese saloppe Frage stand über der Konferenz zum Thema «Entwicklung von Musik(hoch)schulen im 21. Jahrhundert aus künstlerischer und musikpädagogischer Perspektive» vom 3. und 4. Mai in Berlin. Studierende sorgten im Publikum und auf der Bühne für Dynamik. Kurz darauf ist die Studie «Mulem-ex» erschienen zu Hintergründen über das abnehmende Interesse an Studiengängen für das Lehramt Musik in Deutschland.

Gedankenfetzen von Tisch 8 zum Thema «Analog vs. digital?»

In Bewegung kommen, sich bunte Zukunftsräume ausmalen und wieder in die Gegenwart zurückkehren: Die «Aktionen» von Stefan Linne, Pantomime und Schauspieler in Berlin, schlugen den Bogen vom Beginn zum Schluss der Zusammenkunft. Der grosse Ansturm von Teilnehmenden aus allen Generationen hatte die Veranstaltenden positiv überrascht. Eingeladen waren Lehrende, Studierende sowie Leitende in Musikschulen, Musikhochschulen, Verbänden und Akademien, vorwiegend aus Deutschland. Studierendendelegationen aus allen musikpädagogischen Fakultäten Deutschlands erfrischten die vielen partizipativen Formate. Zum Auftakt lernte Jung und Alt unter Linnes Anleitung in kürzester Zeit ganz locker mit drei farbigen Tüchlein zu jonglieren. Diese Aktion versinnbildlichte einen zentralen Aspekt der Tagung, nämlich: wegzukommen von einer Schwarz-Weiss-Sicht in der professionellen Musikausbildung.

Endlich die Kluft zwischen künstlerischer und pädagogischer Ausrichtung überwinden zu können, war ein fühlbar dringliches Anliegen von Publikum und Vortragenden.

Das Fachmedium der Zukunft

Die Fakultät Musik der Universität der Künste Berlin organisierte die Tagung in Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Federführend waren Ivo Berg, Barbara Busch, Christina Fassbender, Isabelle Heiss, Sebastian Herbst und Barbara Metzger. Die Strecker-Stiftung fungierte als Förderin. Sie besitzt seit Ende 2023 den Musikverlag Schott. Dieser wiederum gibt seit 40 Jahren die Zeitschrift üben&musizieren heraus. Seit ihrer Gründung spielt sie eine zentrale Rolle in der Reflexion verschiedenster Aspekte der Musikausbildung und der Entwicklung von Musik(hoch)schulen. Das Jubiläum wurde nicht nur mit «Sekt und Selters» gefeiert. Es gab vielmehr Anstoss zu einem Think-Tank zur Zukunft von Fachmedien. Redaktor Rüdiger Behschnitt und seine Kollegin Kerstin Weuthen sammelten mit dem Publikum in gut organisierten Brainstormings viele Ideen, wohin die Reise gehen könnte, sofern personelle und finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen. Ein Königsweg kristallisierte sich dabei erwartungsgemäss nicht heraus, zu schnell und unvorhersehbar verändert sich derzeit die Medienlandschaft. Kurz, klar, korrekt, konkret, kostenlos, leicht zugänglich – so sollten Informationen vor allem aus Sicht der Studierenden sein.

Ideenreichtum an den Brainstormings zur Zukunft von Fachmedien

Acht Spannungsfelder

Die titelgebende Frage des Symposiums, das in den Räumen der Universität der Künste stattfand, wurde schon in der Ausschreibung anhand von acht Gegensatzpaaren aufgefächert. Sie bildeten das Gerüst der Veranstaltungen und wurden in einem «Worldcafé» explizit erörtert:

1. Elitär vs. partizipativ? Welche Menschen können vor dem Hintergrund welcher Leitgedanken wie an Musik(hoch)schulen welche Musik lernen?
2. Persönlichkeitsentwicklung vs. Berufsfeldorientierung? Soll sich die Entwicklung der Musik(hoch)schulen in erster Linie auf die Persönlichkeitsentfaltung der Studierenden oder auf das künftigen Berufsfeld ausrichten?
3. Tradition vs. Innovation? Liegt die Zukunft der Musik(hoch)schulen in der Wahrung oder in der Überwindung von Traditionen?
4. Einsam vs. gemeinsam? Machen sich Musik(hoch)schulen ohne umfassende (externe) Kooperationen überflüssig?
5. Kunst vs. Wissenschaft? Welche Rolle spielen Wissenschaft und Kunst für die Entwicklung von Musik(hoch)schulen?
6. Sinn vs. Unsinn? Inwiefern eignen sich Leitbilder für die Weiterentwicklung von Musik(hoch)schulen?
7. Nähe vs. Distanz? Welche Rolle spielen Nähe und Distanz im Unterricht an Musik(hoch)schulen?
8. Analog vs. digital? Welche Bedeutung haben analoge und digitale Kommunikations- und Ausdrucksformen sowohl im Rahmen der Lehre an Musik(hoch)schulen als auch bezogen auf musikalische Performance und Musikproduktion?

An acht Tische gedrängt loteten die Teilnehmenden jeweils während einer halben Stunde diese Spannungsfelder aus. Sie hatten vorab die Gelegenheit gehabt, sich für drei der sie am meisten beschäftigenden Fragen einzuschreiben. Insgesamt dauerte das «Worldcafé» anderthalb Stunden. Das Resultat war eindrücklich: viele Quadratmeter Papier voll farbig notierter Gedankenfetzen.

Intensive Diskussionen an den Tischen des «Worldcafés»

Die Fragen weiter bewegen

Die Vorträge von Barbara Stiller, Martina Krause-Benz, Ulrich Mahlert, Wolfgang Rüdiger und Tobias Seidel brachten weitere Facetten in die Diskussion und regten individuelle Pausengespräche an. Die Teilnehmenden konnten ihre spezifischen Anliegen in sieben Workshops vertiefen. Studierende und Alumni der Universität der Künste Berlin bauten mit ihren Perfomances immer wieder Brücken zwischen intellektueller Reflexion und künstlerischer Darstellung.

Eindeutige Antworten auf die vielen Fragen gab es keine, vielleicht die Einsicht, dass das Gespräch zwischen den verschiedenen Akteuren mit grösstmöglicher Offenheit weitergeführt werden muss. Stefan Linne und Studierende führten die Teilnehmenden zum Schluss wieder zu sich selbst und den eigenen Vorstellungen einer zukunftsfähigen Musik(hoch)schule zurück.

Auf der Website von üben&musizieren (https://uebenundmusizieren.de/artikel/zukunft-im-blick/uebenundmusizieren.de) sind Unterlagen zu einigen Veranstaltungen der Konferenz «Fit für die Zukunft?» hochgeladen. Später wird zudem eine gedruckte Publikation erscheinen.

 Länderübergreifendes Sorgenkind Schulmusik

Einen Monat nach der Berliner Tagung ist die Untersuchung Mulem-ex – Musiklehrkräftebildung – eine explorative Studie veröffentlicht worden. Ziel war, herauszufinden, warum sich junge Menschen in Deutschland gegen ein Studium des Lehramts Musik entscheiden. Im Bereich Schulmusik fehlen dort Tausende ausgebildete Lehrkräfte und die Zahl der in entsprechenden Studiengängen Neuimmatrikulierten ist stark rückläufig. Verkürzt und vereinfacht dargestellt nennt die Studie folgende Gründe für die Entwicklung eines negativen Berufsbildes: Musikaffine nehmen die auf die europäisch-klassische Kunstmusik ausgerichtete Eignungsprüfung als hohe Hürde wahr; viele Befragte fühlen sich zu wenig auf den Berufsalltag vorbereitet, sehen wenig Entfaltungsmöglichkeiten; zahlreiche potenzielle Studierende fürchten im Berufsalltag die hohe Arbeitsbelastung wegen zeitaufwendiger Vorbereitung des Unterrichts und gleichzeitig fehlende Möglichkeit für musikalisch-künstlerische Tätigkeit.

Die Ausbildungssituation in Deutschland ist bedingt mit derjenigen in der Schweiz zu vergleichen. Wer hierzulande an der allgemeinbildenden Schule Musik unterrichten möchte, braucht ein Diplom einer Pädagogischen Hochschule (PH) oder einen Abschluss in Schulmusik I bzw. für Gymnasien Schulmusik II (Musikhochschulen). Allerdings fehlen aussagekräftige Zahlen zum Beispiel über die Abwahl resp. Nichtwahl bestimmter Fächer oder Studiengängen an den PHs oder zum Verbleib von Absolventinnen und Absolventen an PHs und MHs. Zudem sind die Anstellungskontexte für Musiklehrpersonen der darunter liegenden Schulstufe, im Bereich Musik & Bewegung, sehr heterogen. Rückfragen bei der Kammer Pädagogische Hochschulen bei Swissuniversities und der Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) haben ergeben, dass in der Schweiz dazu bislang keine fundierten Daten vorliegen. Die KMHS würde allerdings eine umfassende Erhebung begrüssen.

Link zu Mulem-ex – Musiklehrkräftebildung – eine explorative Studie

Chance für guten Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen? Die Uhr in der Berliner U-Bahn-Station war am 4. Mai 2024 tatsächlich kurz vor zwölf stehengeblieben.

Den Kompass neu einstellen?

Wo geht es lang? In der Musik, aber nicht nur dort. Wer gibt die Richtung vor? Das Musikfestival Bern widmet sich vom4. bis 8. September dem Thema «Kompass».

George E. Lewis – Composer in Residence. Foto: Maurice Weiss

Ein Kompass ist ein nützliches Ding, auch wenn es längst durch neuere Technologien ersetzt scheint. Er gibt uns doch eine klare Disposition der Welt mit. Wir wissen dann, wo Norden ist. Wir können uns orientieren. Aber reicht das heute noch aus, da die diversesten Richtungen und Ausrichtungen nebeneinander erscheinen? Wir müssen über den Kompass wieder nachdenken, müssen ihm nachspüren, wie er ausschlägt. Manchmal ist das ein leichtes Vibrieren, manchmal aber ein Hufschlag …

Orientierung und Neuorientierung

Deshalb hat das Musikfestival Bern der Musikszene von Stadt und Kanton den «Kompass» als Thema vorgeschlagen. Diese hat mit vielfältigen Ideen reagiert, aus denen das Kuratorium wiederum einige auswählte und ausarbeiten liess. So führt eine Veranstaltung mit Ludmilla Mercier und Ulysse Loup zu den kalbenden Gletschern Grönlands, eine andere mit Werner Hasler und Stefan Schultze in die Welt der Tiere, die sich bei ihren Zügen und Flügen ebenfalls nach einem inneren Kompass orientieren. Wie synchron koordinieren sich zum Beispiel drei Turntable-Spielerinnen und -Spieler (unter ihnen Marcel Zaes), die an unterschiedlichen Orten der Welt spielen? Ist ihre Ungenauigkeit nicht gerade das Interessante daran? Was imaginiert ein iranischer Musiker (Ali Latif-Shushtari) zu den Mikrogrammen des wandernden Robert Walser, wohin führen sie ihn? Und was bedeutet uns heute noch Arnold Schönbergs aufrüttelndes Zeitdokument A Survivor from Warsaw? Die Berliner Opernkompanie Novoflot und der aus Thun stammende Komponist Michael Wertmüller haben sich das Stück vorgenommen und beleuchten es neu.

In solchen Projekten zeigt sich, wie unterschiedlich die Musikerinnen und Musiker von heute agieren. Aber wurde nicht immer schon die Orientierung in der musikalischen Welt aufs Neue überdacht? So wurden einzelne Komponierende zu Kompassen, in ihrer Zeit und darüber hinaus, indem sie einfach Fragen stellten und manchmal auch Antworten versuchten. Schönberg zum Beispiel sah sich gewiss in einer solchen Position. Mit der Atonalität und vor allem der Zwölftontechnik glaubte er der Musikgeschichte eine Richtung zu weisen. Tat er auch, wenn auch längst nicht mehr unwidersprochen. Es ist immer noch der Mühe wert, sich mit ihm zu beschäftigen. In der dreiteiligen Konzertreihe Extremromantik stellt das Klavierduo Susanne Huber / André Thomet zwei seiner frühen atonalen Werke in den Fokus und fügt als Gegensatz vierteltönige Musik des Jahrgangsgenossen Charles Ives hinzu. Dieser tritt ab Band auch im zweiten Teil der Reihe auf, wozu Jacques Demierre aktuelle Kommentare beisteuert. Und als dritte Kompassfigur erscheint Franz Liszt, der wahre Zukunftsmusiker des 19. Jahrhunderts, mit dem die Elektronikerin Olga Kokcharova in einen grenzensprengenden Dialog tritt.

Richtungen und Schranken

Grenzen stehen oft dem Weg entgegen, den ein Kompass anzeigt. Und deshalb fragt das Ensemble Proton Bern zusammenmit vier Komponistinnen und Komponisten und dem Vokalensemble Cantando Admont nach den Grenzen unseres Landes, seiner Offenheit und Abgeschirmtheit. Welchem inneren Kompass folgen etwa Geflüchtete auf ihrer schwierigen Reise durch unser Land? Welche Schranken müssen sie überwinden? Das internationale Vokalquartett Operadicals (mit Franziska Baumann) und der Berner Chor suppléments musicaux wiederum suchen nach der Terra incognita der menschlichen Stimme. Und Mauricio Kagel, der aus Argentinien stammende und in Köln heimische Komponist, betrachtete in seinen Stücken der Windrose die Welt aus ungewohntem Blickwinkel. Der Süden, den wir mit Hitze verbinden, steht für ihn für patagonische Kälte. So geraten Ordnungen ins Strudeln.

Composer in Residence: George E. Lewis

Grenzüberschreitung und Neuorientierung sind aber vor allem auch für den Musiker zentral, der als Composer in Residence nach Bern kommt: George E. Lewis. Der Posaunist aus dem Jazzavantgardezirkel der AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians) gehört längst zu den wichtigen Figuren der US-Musik. In seiner Musik verbinden sich Improvisation und Komposition, computergesteuerte Installationen und interaktive Konzertformen mit einer tiefgreifenden Reflexion über die Bedingungen heutigen musikalischen Schaffens. Er wird über Dekolonisation sprechen; sein Computerorchester interagiert mit der Pianistin Magda Mayas in Voyager; und er schreibt ein neues Stück für die wandlungsfähige winddynamische Orgel im Berner Münster. Daniel Glaus spielt den Solopart und wird so zum «Teufel im Dom». Mit jeder Aufführung ändert sich die Sicht- und Hörweise. Selbst auf den Kompass der Partituren kann man sich nicht mehr völlig verlassen. Vielleicht jedoch ist gerade das befreiend …

 

Bern, 4. bis 8. September 2024

musikfestivalbern.ch

Stets im persönlichen Gespräch mit der Unendlichkeit

Die Ärztin Stefania Longoni Bortoluzzi hat neben ihrem Beruf für die Musik gelebt. Ihre umfangreiche Musiksammlung ist nun Teil der Bibliothek der Fondazione Conservatorio della Svizzera italiana. Ein Porträt der vor rund einem Jahr verstorbenen Musikgönnerin.

Die Bibliothek in Velate. Foto: zVg

Es wird oft gesagt, dass die Zusammenstellung einer Bibliothek oder einer Musiksammlung das tiefste Wesen einer Person widerspiegle, ihre intimsten Wünsche, Neugierden und manchmal auch Hoffnungen. Hunderte von Büchern oder Aufnahmen zusammenzutragen setzt zunächst eine vielseitige Bildung voraus, möglicherweise herausgewachsen aus einer in jungen Jahren verwurzelten Leidenschaft, mit zunehmendem Alter kultiviert und vielleicht «durch Ansteckung» von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten übertragen. Unsere Lektüre und unsere Musikvorlieben repräsentieren das Eintauchen in eine Welt, in der wir gerne leben würden, einen Zufluchtsort des Geistes und oft auch des Körpers, denn das Hören von Musik oder ein angenehmes Buch können heilsame und glücklich machende Endorphine freisetzen.

Einladung zum Schönen

So konnten wir, als wir das grosse Haus von Emilio und Stefania Bortoluzzi in Velate (Italien) betreten durften, über seine grossen Bücherschränke und Regale voller CDs und DVDs sofort die Essenz ihrer Charaktere erfassen. Eine Einladung zum Schönen und der Beweis, dass Wissenschaft und Humanismus perfekt miteinander vereinbar sind und sich gegenseitig unterstützen können, denn beide Ehepartner waren Ärzte, suchten aber kontinuierlich nach ihrer tiefsten Bestimmung, die durch ausgiebiges Lesen und Musikgenuss inspiriert wurde. Wenn Emilio aus den Büchern neue Energie für sein poetisches Schreiben gewann, sich in sein Arbeitszimmer zurückzog, um Reime zu finden und Gefühle und Erinnerungen zum Ausdruck zu bringen, setzte Stefania im grossen, mit Fresken verzierten Wohnzimmer eine LP der Deutschen Grammophon auf und verfolgte im Sessel die Stationen ihres Lebens mit der Musik als stetiger Begleiterin. Sie hatte Kunstmusik bereits mit der Luft des Mailänder Hauses eingeatmet, in dem sie geboren worden war, mit ihrer Mutter Alice Claius, einer Sängerin aus Leipzig, einer ausgezeichneten Liedinterpretin und Pianistin, in den dort erlebten Hausmusikabenden, die später auch in Velate Brauch wurden, mit dem unschätzbaren Vergnügen, die liebsten Freunde um sich zu haben. 

Leidenschaft für legendäre Aufnahmen

Versuchen wir Stefania Longoni Bortoluzzi durch «Ermittlungen» in ihrer Musiksammlung näherzukommen. Diese verweist auf einige Grundpfeiler der Persönlichkeit der Ärztin, die 34 Jahre lang als Anästhesistin am Circolo-Krankenhaus in Varese arbeitete, wo ihr Mann Leiter der Intensivstation war: legendäre Aufnahmen mit möglicherweise nicht «historisch informierten» Interpreten, wie man heute diejenigen bezeichnet, die alte Musik aufführen, die dafür aber aussergewöhnliches Charisma und künstlerische Strenge aufwiesen.

Da sind Karl Richter mit den Bach-Passionen, die gesamte Tastenmusik des Kantors, interpretiert von Angela Hewitt, über die wir später sprechen werden, der Beethoven der Sinfonien und Konzerte, der Mozart für Klavier und Oper, die berühmtesten Aufnahmen Karajans. Vor allem aber finden wir eine grosse Sammlung von Liedern – die tiefste Leidenschaft Stefanias. Sie beherrschte das Deutsche perfekt, kannte die Texte der Lieder von Schubert, Schumann, Mendelssohn, Brahms, Wolf, Strauss auswendig und genoss die Werke von Richard Wagner in der Originalsprache. Die Romantiker, genau, und wir fügen auch Chopin hinzu, natürlich gespielt von Rubinstein, obwohl als Interpret auf einigen Aufnahmen auch Maurizio Pollini auftauchte, oder Arturo Benedetti Michelangeli, oder der grossartige und viel zu früh verstorbene Dino Ciani.

Diese spezielle Vorliebe könnte wie ein Widerspruch erscheinen, denn Stefania Longoni war eine pragmatische Person, ohne viel Firlefanz, sehr direkt, und doch lässt ihr Musikgeschmack etwas ganz anderes vermuten, nämlich einen zutiefst romantischen Geist. Vielleicht ist dies das Ergebnis der Mailänder Jahre, in denen die junge Frau bei ihrer Mutter Klavier studierte und in den Gedichten deutscher Dichter wie Uhland, Klopstock, Müller, Brentano und natürlich Goethe Schätze entdeckte. Ihr Geheimnis blieb in den Titeln der Platten bewahrt, von denen sie sich an jede einzelne erinnerte, deren Interpreten sie nennen und ein Urteil über ihre Leistung abgeben konnte. Doch am liebsten hörte sie immer ganz bestimmte Autoren, die als wahrhaftige «Mantras» innerlich rezitiert wurden, bevor sie die Platten auflegte.

Mit der Sensibilität einer Musikerin

Als Kind hörte Stefania ihre Mutter deren Liedrepertoire singen, und sie pflegte das Klavierspiel bis zum achten Lebensjahr, fühlte sich jedoch nicht geeignet, eine Konzertkarriere zu beginnen. Die Musik aber war immer in ihr, und sie blieb lebendig durch das Hören und Kennenlernen grosser Interpreten, denen sie in die Konzertsäle von halb Europa folgte. Die Ärztin, die dreissigtausend Patienten einschlafen liess, während sie ihnen bei der Anästhesie die Hand hielt, stellte ihre Musiksammlung mit äusserster Sorgfalt und Sachkenntnis zusammen und erinnerte sich an die vielen Live-Konzerte, die sie besucht hatte: Benedetti Michelangeli an der Scala, Herbert von Karajan in Salzburg, Bernhard Haitink im Concertgebouw in Amsterdam und dann Bernstein, Pollini, Sokolov, Fischer-Dieskau, Harnoncourt, Herreweghe – all die Namen standen in den Regalen wie Freunde, die sie «anrufen» konnte, wenn ein dringendes akustisches Bedürfnis bestand.

Als Kind hatte sie das Glück, Victor De Sabata zu treffen, der einmal Gast im Elternhaus war. Sie spielte ihm etwas am Klavier vor und erhielt Komplimente, dann hörte sie ihn an der Scala Tristan und Isolde dirigieren, und es war eine unvergessliche Erfahrung. Aber ihr Idol unter den Dirigenten war Karajan, über den sie Artikel und Biografien las und von dem sie ganze Boxen mit Beethoven- und Brahms-Aufnahmen sammelte, aber auch von Opern, die eine Ära prägten, so wie die legendäre Bohème mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti in ihrer stimmlichen Blütezeit. Sie liebte es, die grossartige Videoaufzeichnung von Beethovens Neunter mit den Berliner Philharmonikern immer wieder anzuschauen, und wiederholte, dass niemand anderer in der Lage wäre, sie so zu spielen. Sie hörte mit dem Ohr und der Sensibilität einer Musikerin, nicht einer Amateurin, sie erfasste jede Nuance der Partitur und hatte Spass daran, verschiedene Interpretationen desselben Stücks zu vergleichen.

Der Weg nach innen

Ihre Leidenschaft für die Musik war ansteckend, so sehr, dass sie auch ihren Mann Emilio, der gerne Jazz hörte, dazu brachte, sich für klassische Musik zu begeistern und mit ihr Konzerte zu besuchen. Bei dem Dino Ciani gewidmeten Klavierwettbewerb hatte Stefania Longoni eine ihrer wichtigsten Begegnungen in der Musikwelt – mit der kanadischen Pianistin Angela Hewitt, damals unbekannt und sehr jung, die später wie eine Tochter für sie wurde. Angela kam vor allem im Frühling und Herbst, wenn sie in Italien auf Tournee war, in die Casa Bortoluzzi und übte im Klaviersaal. Stefania begleitete sie jedes Jahr zum Festival am Lago Trasimeno, das die Künstlerin organisierte, und fehlte bis 2018 bei keiner Ausgabe. In ihrer Musiksammlung befand sich die vollständige Kollektion der Aufnahmen von Angela Hewitt, die massgeblich dazu beitrug, die Leidenschaft der Ärztin für Johann Sebastian Bach zu erneuern, denn die kanadische Künstlerin gehört zu dessen bedeutendsten lebenden Interpreten. Stefania Longoni liebte das Reisen, und es verging keine Reise, bei der sie nicht die Gelegenheit wahrnahm, ein Live-Konzert zu hören, egal ob in Stresa, Amsterdam, Salzburg oder Berlin, in der Mailänder Scala oder im Metropolitan in New York war. Mit zunehmendem Alter wählte sie gezielter aus und näherte sich introspektiveren Komponisten und Werken an: Bach, dem späten Beethoven, Brahms, den späten Schubert-Sonaten, einigen Liedern von Schumann, aber auch Opern, die sie vielleicht in jungen Jahren weniger häufig gehört hatte.

Die Musikgönnerin

Stefania und Emilio Bortoluzzi waren Mäzene der Musik und unterstützten von Anfang an die städtische Musiksaison von Varese, die von Fabio Sartorelli, Musikwissenschaftler und Dozent am Konservatorium «Giuseppe Verdi» in Mailand, geleitet wurde. Stefania spendete unter anderem eine Beleuchtungsanlage für die Konzerte, kaufte jedes Jahr verschiedene Abonnements, die sie dann den Menschen schenkte, die ihr wichtig waren, und lud verschiedene Musiker in das grosse Haus in Velate ein, um zu proben, darunter Leonidas Kavakos und den Pianisten Enrico Pace, die Geigerin Vilde Frang und die damals auf der internationalen Bühne noch unbekannte junge Beatrice Rana.

Nun ist die Musiksammlung, die Stefania Longoni liebevoll über viele Jahre zusammengestellt hat, ein Teil der Bibliothek der Fondazione Conservatorio della Svizzera Italiana, um denen nützlich zu sein, die jeden Tag mit Musik zu tun haben. Und wenn man sich die Titelliste ansieht, offenbart sich mit Nachdruck die Seele der Frau, die ihre Spur in dieser Sammlung hinterlassen hat, wie im grossen Saal der Villa in Velate, wo die Wissenschaft jeweils einem intimen und persönlichen Gespräch mit der Unendlichkeit Platz machte.

 

Mario Chiodetti ist Journalist, Schauspieler und Schriftsteller. Er lebt in Varese (I).

Sommerfrische mit George Sand

Wer es sich leisten konnte, verliess Paris, wenn es heiss und stickig wurde. Die berühmteste französische Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts versammelte auf ihrem Landsitz in Nohant die Crème de la Crème der damaligen Kulturszene.

Historische Aufnahme des Hauses am 26. April 1875. Maurice Dudevant-Sand, seine Gattin Lina Calamatta und ihre beiden Kinder Aurore und Gabrielle. Foto: Placide Verdot (1827-1889)/Wikimedia

 

Die Landschaft ist topfeben in der Umgebung des Weilers Nohant-Vic in der Provinz Berry im Herzen Frankreichs. Dort steht das stolze Herrenhaus der Familie Dupin. Marie-Aurore de Saxe, Grossmutter von George Sand alias Aurore Dudevant, hatte es einst samt dazugehörigem Landwirtschaftsbetrieb, Stallungen, kleiner Kirche und fünf Hektar grossem Park gekauft.1

Hinter dem Haus liegen ein kleines Wäldchen mit verschlungenen Wegen und verwunschenem Weiher, ein grosszügiger Garten mit Beeten sowie ein Familienfriedhöfchen. Hier verbrachte George Sand die meiste Zeit ihres Lebens. Und hier gingen einige der bedeutendsten Kulturschaffenden jener Zeit ein und aus. Fern vom Trubel und vom Dreck der Hauptstadt arbeiteten sie in aller Ruhe und in inspirierender Gesellschaft an wegweisenden Theaterstücken, Romanen, Kompositionen und Gemälden.

Das Herrenhaus auf George Sands Landgut in Nohant-Vic. Die kleine Treppe bildet den «Bühnenausgang» des Theaters. Foto: Anonimage/wikimedia

Anfang 1838 lässt sich etwa der Dichter Honoré de Balzac von dieser Atmosphäre inspirieren. Das ländliche Leben, das die umtriebige George Sand vorzieht, beflügelt die Kreativität. In Nohant kann es auf Dauer aber auch langweilig werden, Musik muss also her. Die Hausherrin liebt Klaviermusik. Sie spielt das Instrument ja selbst, aber die Profis im Haus fehlen – bevorzugt Stars wie Franz Liszt. «Quand Franz joue du piano, je suis soulagé [sic]. Toutes mes peines se poétisent, tous mes instincts s’exaltent. Il fait surtout vibrer la corde généreuse» (Wenn Franz Klavier spielt, bin ich erleichtert. Alle meine Qualen verklären sich, alle meine Instinkte geraten in Begeisterung. Er bringt vor allem die grosszügige Saite zum Schwingen.), schreibt sie am 3. Juni 1837 in ihr Journal intime, als Liszt und seine Geliebte Marie d’Agoult monatelang in Nohant zu Besuch sind.

Der polnische Komponist Frédéric Chopin und dessen Intimfreund Wojciech Grzymała – sie kennen Sand längst aus den Pariser Salons – folgen ihren drängenden Einladungen jedoch noch nicht. Indessen wird Sand von je einem vergangenen, aktuellen und künftigen Liebhaber besucht; auch sie sind künstlerisch tätig: Charles Didier, Schweizer Journalist und Literat, Bocage (Pierre-Martinien Tousez), französischer Schauspieler, und Félicien Mallefille, auf Mauritius geborener französischer Schriftsteller.2

Chopinsche Musikfetzen über dem Garten

Erst zwei Jahre später kommt auch Chopin in den Genuss der Sommerfrische in Nohant. Nachdem ihn die geschiedene und seit Jahren alleinerziehende Sand zur berühmt gewordenen, verregneten Winterreise nach Mallorca eingeladen und sich sein Gesundheitszustand lebensgefährlich verschlechtert hat, erreicht das Grüppchen (Sands Kinder und Zofe sind dabei) im Juni 1839 den Landsitz. Chopin langweilt sich bald. Er vermisst sein ausschweifendes Leben in Paris, seine Freunde, das Streifen durch die Salons bis spät in die Nacht. Inständig bittet er Grzymała, ihn zu besuchen. Dessen Kommen freut auch Sand. Längst duzt sie diesen Mitgründer der polnischen Pariser Literatengesellschaft und nennt ihn «mon époux» – während sie und Chopin stets mit dem förmlichen «Sie» korrespondieren.

Gepolsterte Tür zu Chopins Musikzimmer in Nohant. Foto: Moritz Weber

Für ihren «malade» bestellt sie einen Pleyel-Flügel, damit er ungestört arbeiten und spielen kann. Die zur Schallisolierung wattierten Türen zu seinem Arbeitszimmer sind heute noch erhalten. Denn in Paris ist Chopins Hauptbeschäftigung das Unterrichten – mój młyn, seine «Mühle», wie er es etwas zynisch nennt. In Nohant kann Chopin nun während sieben Sommern (1839, 1841-1846) monatelang in Ruhe komponieren; noch dazu kostengünstig, er selbst könnte sich eine solch feudale und ausgiebige Sommerfrische inklusive gutem Essen kaum leisten.

Perfektionistisch feilt er an seinen neuen Werken. «Il s’enfermait dans sa chambre des journées entières, pleurant, marchant, brisant ses plumes, répétant et changeant cent fois une mesure […] avec une persévérance minutieuse et désespérée. Il passait six semaines sur une page pour en revenir à l’écrire telle qu’il l’avait tracée du premier jet.» (Er schloss sich tagelang in seinem Zimmer ein, weinte, ging umher, wiederholte und änderte hundert Mal einen Takt […] mit einer peinlich genauen, verzweifelten Hartnäckigkeit. Er arbeitete sechs Wochen an einer Seite, um schliesslich darauf zurückzukommen, wie er sie im ersten Wurf niedergeschrieben hatte.)3

Sands «hôte» (so betitelt sie ihn in Histoire de ma vie) komponiert tagsüber, sie schreibt in der Nacht und schläft den halben Tag. Diese «compagnonnage»4 kommt also gut aneinander vorbei, unternimmt aber trotzdem gemeinsame Spaziergänge, wobei er auf einem Esel reitet.

Mit seinen geliebten Freunden in Paris bleibt Chopin brieflich verbunden. Seinem zuverlässigen Intimus Julian Fontana etwa schickt er verlegerische Aufträge und mehr: «Écris-moi continuellement, trois fois par jour si tu le veux […] Que mon chapeau soit prêt dans quelques jours. Commande immédiatement mes pantalons, ma petite Juliette [sic].» (Schreib mir immerzu, dreimal täglich, wenn du willst […] Ob mein Hut in einigen Tagen bereit ist. Bestell sofort meine Hose, meine kleine Juliette [sic]. 3.10.1839)

Chopins Familie in Warschau erhält ebenfalls Post aus Nohant. Und auch seine alte Liebe in Polen, der musikalische Landwirt Tytus: «Woyciechowski vient de me conseiller d’écrire un Oratorio.» (Woyciechowski hat mit empfohlen, ein Oratorium zu schreiben. 8.8.1839) Ein Oratorium bringt Chopin nie zu Papier, das macht er seinem Tytus postwendend klar. In diesen Sommern vollendet er jedoch ein Klavier-Meisterwerk nach dem anderen: das schaurige Finale der b-Moll-Sonate, die h-Moll-Sonate, die Ballade in f-Moll, die «heroische» As-Dur-Polonaise, das luftig-leichte E-Dur-Scherzo mit seinem sehnsuchtsvollen Mittelteil und viele mehr.

Während Chopin komponiert, Sands Tochter Solange unterrichtet und das ganze Haus auch des Abends mit seinem Spiel erfüllt, lädt die «Hausherrin» (wie er sie nennt) ständig weitere Kulturschaffende ihrer grosser Künstlerfamilie ins Berry ein. Etwa den Maler Eugène Delacroix. Er ist auch mit Chopin sehr eng liiert und schreibt: «Il arrive de la fenêtre ouverte sur le jardin des bouffées de la musique de Chopin qui travaille de son côté: cela se mêle au chant du rossignol et à l’odeur des roses.» (Aus dem zum Garten hin offenen Fenster wehen Musikfetzen von Chopin, der ebenfalls am Arbeiten ist: Sie mischen sich mit dem Gesang der Nachtigall und dem Duft der Rosen. 7.6.1842)

Dieser ewige Junggeselle unterrichtet Maurice, den begabten Sohn Sands. Auch für ihn wird ein Atelier eingerichtet, er darf im schönen Grossmutter-Zimmer im Parterre schlafen und verbringt viel zweisame Zeit mit Chopin. «Jʼai des tête-à-tête à perte de vue avec Chopin, que jʼaime beaucoup, et qui est un homme dʼune distinction rare; cʼest le plus vrai artiste que jʼaie rencontré.» (Ich verbringe unendlich viel Zeit zu zweit mit Chopin, den ich sehr mag. Er ist ein Mensch von seltener Vornehmheit und der wahrhaftigste Künstler, dem ich je begegnet bin. 22.6.1842)

 Nach der Klangkulisse kommt das Theater

Die grosszügige, gerne Männerkleider tragende und Zigarren rauchende George Sand ist für damalige Verhältnisse, was ihre Themen anbetrifft, eine avantgardistische Autorin. Geschlechtsidentität kann fluide sein (Gabriel, Grzymała gewidmet), und ihre Heldinnen sind selbstbestimmt (Lélia). Privat fühlt sich die Romancière von Frauen wie von Männern angezogen, sie ist bisexuell.5

Der Salon im Parterre, im Hintergrund George Sands eigenes Klavier. Foto: Moritz Weber

Die Sängerin und Komponistin Pauline Viardot ist Dauergast in Nohant, teils samt Familie. Sand hegt für sie mütterliche Gefühle, wie auch für Chopin, entgegen einer verbreiteten Meinung und wie sie selbst immer betont: «mon fils». Leidenschaft spielt in dieser Zweckgemeinschaft all die Jahre keine Rolle.6 «Ma fille» Viardot musiziert und improvisiert also mit ihm – musikalische Sternstunden im Berry.

Ausgesuchte Freunde Chopins kommen zu Besuch, wie der Dichter Stefan Witwicki und ein zweites Mal Grzymała. Bisweilen werden wegen all der Gäste, Bediensteten und Hausangestellten die Zimmer knapp. «Le domestique de Chopin […] est un polonais grave et stupide […] On pourra le mettre à côté de la sellerie.» (Chopins Diener […], ein Pole, ist ernst und dumm. Wir könnten ihn neben der Sattelkammer unterbringen. 8.4.1843)

Bereits Ende 1846 beschliesst George Sand, nun auch während des Winters in Nohant zu bleiben, und kündigt – ohne Chopin zu informieren – ihre Wohnung in Paris. Nach einer Meinungsverschiedenheit trennen sich ihre und Chopins Wege endgültig, und nun wird es plötzlich sehr still im prächtigen Landhaus. Sand versucht zwar, selbst Musik zu machen, aber das ist kein Ersatz für die frühere Klangkulisse. «Je suis forcée de me faire de la musique à moi-même, ce qui n’est pas gai du tout […] cela me donne à moi, les seules jouissances musicales que je puisse avoir ici». (Ich bin gezwungen, für mich selbst zu musizieren, was überhaupt nicht lustig ist […] das gibt mir die einzigen musikalischen Freuden, die ich hier haben kann. 5.3.1849)

Der Graveur und Autor Alexandre Manceau, Sands leidenschaftliche Liebe, der ab 1849 mit ihr fünfzehn Jahre in Nohant lebt,7 bringt leider keine Musik ins Haus. Dafür die darstellende Kunst: Er führt Regie auf der neuen, hauseigenen Kleinbühne, richtet zusätzlich ein Marionettentheater für Maurice ein, und die Vorstellungen werden zu Events für die «Berrichons» aus der Umgebung.

Das Mini-Theater im Parterre. Foto: Moritz Weber

Moritz Weber ist Pianist und Musikjournalist, seit 2012 bei SRF Kultur. Seine Recherche, «Chopins Männer», erregte 2020 weltweites Medienecho.

 

Anmerkungen

1 Anne Muratori-Philip, La Maison de George Sand à Nohant, Paris: Éditions du patrimoine, Centre des monuments nationaux, 2012, S. 4

2 George Sand, Correspondance (Éd. Lubin), Band IV, Paris: Classiques Garnier 1968 (Reprint 2013), S. 5

3 George Sand, Histoire de ma vie, Tome XIII, Chapitre 7, Paris: [Verlag nicht ermittelbar], 1855, S. 130f.

4 Martine Reid, George Sand, Paris: Gallimard, 2013, S. 158

5 Martine Reid, George Sand, Paris: Gallimard, 2013, S. 101f.

6 Armin Strohmeyer, George Sand – Eine Biografie, Leipzig: Reclam, 2004, S. 105

7 Armin Strohmeyer, George Sand – Eine Biografie, Leipzig: Reclam, 2004, S. 165, 197

Ausgabe 07/2024 – Focus «Sommerfrische»

Inhaltsverzeichnis

Focus

Man kann alles planen, ausser dem Wetter
Interview mit Lena Fischer über das Gurtenfestival

Ein bisschen Poesie in der Stadt
Im Frühsommer verirren sich Pianos in Genfs öffentlichen Raum

Sommerfrische mit George Sand
Chopin mit der kulturellen Elite des 19. Jahrhunderts zu Gast in Nohant
Link zum deutschen Originaltext von Moritz Weber

Hits für die Badehosen
Schlager, die nur Erfolg haben, wenn Hitze, Alkohol und Libido den guten Geschmack austricksen


(kursiv = Zusammenfassung in Deutsch des französischen Originalartikels)

Critiques

Rezensionen von Tonträgern, Büchern, Noten

Echo

On theWay–mit Stabübergabe
Die Münchener Biennale für Neues Musiktheater mit zwei Schweizer Koproduktionen

Cardews «TheGreat Learning» in Basel
300Mitwirkende gestalten ein begehbares Konzert

Résidence Voix 2024
Golfam Khayam et Barbara Hannigan au Festival d’Aix-en-Provence


Basis

Artikel und Nachrichten aus den Musikverbänden

Eidgenössischer Orchesterverband (EOV) / Société Fédérale des Orchestres (SFO)

Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) / Conférence des Hautes Ecoles de Musique Suisse (CHEMS)

Kalaidos Musikhochschule / Kalaidos Haute École de Musique

Schweizer Musikrat (SMR) / Conseil Suisse de la Musique (CSM)

CHorama

Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin (SMM) / Association suisse de Médecine de la Musique (SMM)

Schweizerische Musikforschende Gesellschaft (SMG) / Société Suisse de Musicologie (SSM)

Schweizerischer Musikerverband (SMV) / Union Suisse des Artistes Musiciens (USDAM)

Schweizerischer Musikpädagogischer Verband (SMPV) / Société Suisse de Pédagogie Musicale (SSPM)

SONART – Musikschaffende Schweiz

Stiftung Schweizerischer Jugendmusikwettbewerb (SJMW)

Arosa Kultur

SUISA – Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik

Verband Musikschulen Schweiz (VMS) / Association Suisse des Écoles de Musique (ASEM)

 

Wunschdestination
Rätsel von Michael Kube

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Cardews «The Great Learning» in Basel

Neun Laien- und Profiensembles mit etwa 300 Mitwirkenden wagten sich an ein Monumentalwerk der englischen Avantgarde. Sie bewegten sich singend, pfeifend und spielend einen lieben Sonntag lang durch die Pauluskirche.

 

«The Great Learning» (1968–70) von Cornelius Cardew. Der Contrapunkt Chor und Publikum mit § 2 am 26. Mai 2024 in der Kulturkirche Paulus. Foto: Susanna Drescher

Es war der grosse Wunsch von Marianne Schuppe, The Great Learning des englischen Avantgardisten Cornelius Cardew vor ihrem Abschied aus der Basler Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik erstmals integral in Basel aufzuführen. Dies bedeutete einen nicht alltäglichen Aufwand und etwa anderthalb Jahre Vorbereitungszeit. Das rund sieben Stunden dauernde Stück aus dem Jahr 1969 besteht aus sieben Paragrafen. Sie entsprechen dem gleichnamigen Konfuzius-Text. Das Stück gilt neben dem vollständig grafisch notierten Treatise (1967) als Cardews Hauptwerk.

Vom Avantgardisten zum Aktivisten

Cornelius Cardew, 1936 geboren, studierte Mitte der Fünfzigerjahre Cello, Klavier und Komposition an der Royal Academy of Music in London (später wurde er daselbst Professor) und elektronische Musik an der Hochschule für Musik in Köln. Dort wurde er enger Mitarbeiter von Karlheinz Stockhausen. Er hat unter anderem auch mit John Cage zusammengearbeitet. Ab 1965 pflegte er als Mitglied des Ensembles AMM radikale Improvisationstechniken, inspiriert von Cages aleatorischem Prinzip.

Um 1969 The Great Learning aufzuführen, gründete er sein legendäres Scratch Orchestra, dem sowohl Berufs- als auch Laienmusikerinnen und -musiker sowie bildende Künstlerinnen und Schauspieler angehörten. An seiner zunehmenden politischen Radikalisierung zerbrach das Orchester später, da er es in den Dienst seiner Umsturzgedanken stellen wollte. Innerhalb weniger Jahre entwickelte er sich vom musikalischen Avantgardisten zum radikalen Maoisten. In seinem Buch Stockhausen serves imperialism rechnete er mit seinen einstigen Lehrmeistern ab und distanzierte sich gar von seinen eigenen Hauptwerken Treatise und The Great Learning, welche unter deren Einfluss entstanden waren. Cardew starb im Alter von 44 Jahren in einem Verkehrsunfall.

Profis und Laien

Die konfuzianische Philosophie geht vom Anspruch der moralischen Vervollkommnung der Gesellschaft aus, der sich das Individuum unterzuordnen und seine ihm zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen habe. Die Partitur von The Great Learning basiert auf Ezra Pounds Übersetzung der sieben Paragrafen und kommt als «action score» mit relativ wenigen Noten aus. Cardew organisiert die kurzen Texte, fügt Grafiken ein und gibt präzise Ausführungsanweisung, bei denen die jeweilige Ensembleleitung eine entscheidende Rolle spielt. Der Autor unterscheidet klar zwischen Profis und «untrained voices». Bei der Aufführung vom 26. Mai an der Pauluskirche kam denn auch ein durchmischtes künstlerisches Personal zum Einsatz. Zu hören waren Chöre und Ensembles aus der Region Basel unter ihrer jeweiligen Leitung.

Individuum und Kollektiv

Wer nur schmerzende und schreiende Dissonanzen erwartet hatte, wurde überrascht. Es entstand eine Art Education-Projekt-Stimmung und das Publikum wurde über weite Strecken mit einer beschaulichen Szenerie und einer repetitiven Wohlfühlharmonik bedient. Neun Einzelformationen gaben sich ein Stelldichein, wobei jede einen der sieben unterschiedlich langen Paragrafen bestreiten durfte. Einzig in Paragraf 5 waren drei Gruppen beteiligt. Neben dem professionellen Vokalensemble Larynx, gepflegt von den Emporen herunter klingend, durften sich das Ensemble Impronext der Musikschule Basel und die Klassen 2A und 2B des Gymnasiums Kirschgarten auf der Spielfläche im Kirchenrund singend, spielend und Geräusche erzeugend lustvoll betätigen.

Während die komplexe Organisation dieses Paragrafen allein 12 der 23 Partiturseiten beansprucht, kommt der rein vokale Paragraf 7, der einiges länger dauert, mit einer halben Seite aus. Hier sind bloss die Textteile und die Einsätze der Mitwirkenden notiert. Im Kleingedruckten finden sich die «Gebrauchsanweisungen». Den Einzelnen werden klare Aufgaben zugewiesen: Wann und auf welcher Tonhöhe sie einzusetzen haben, wie lange sie singen sollen, um einen homogenen Gesamtklang zu erreichen. «If the root be in confusion, nothing will be well governed», das war die Kernbotschaft. Sie wurde konzentriert und während 75 Minuten nonstop von pourChœur dargeboten wurde. Der Raumklang der Kirche wurde dabei auf beeindruckende Weise einbezogen.

Der Chor des Gymnasiums Münchenstein bot in Paragraf 1 einen wirkungsvollen Auftakt mit Pfeif- und Orgelklängen sowie Sprechchören. Darauf folgte eine disziplinierte Vorstellung des Contrapunkt Chors aus Muttenz (Paragraf 2). Das Ensemble Liberté verkündete in Paragraf 3, ganz in Weiss und sich in klaren Formen bewegend, den Zusammenhang von starker Verwurzelung und gesundem Geäst. Paragraf 6 kommt als einziger ganz ohne Stimmen aus. Christoph Schiller und seine Instrumentalistinnen tupften subtile Klanggebilde in den Raum. Und in Paragraf 4 schliesslich war der Basler Beizenchor nicht nur stimmlich, sondern auch mit Rhythmusinstrumenten im Einsatz.

Das konfuzianische Prinzip des Zusammenwirkens von Individuum und Kollektiv wird in Cardews Partitur gekonnt gespiegelt. Auch bei ihm steht die Freiheit des Einzelnen immer im Dienst des übergeordneten Ganzen.

Radio SRF 2 Kultur berichtet über diese Produktion am 26. Juni 2024 ab 20 Uhr in den Sendungen Musik unserer Zeit und Neue Musik im Konzert

On the Way – Münchener Biennale mit Stabübergabe

Zwei Schweizer Koproduktionen gelangten bei der Münchener Biennale für Neues Musiktheater 2024 zur Uraufführung.

«Wie geht’s, wie steht’s» von Andreas Eduardo Frank und Patrick Frank 
© Judith Buss

Seit 2016 prägten die Kuratoren Daniel Ott und Manos Tsangaris die Münchener Biennale durch eine explizit artikulierte Offenheit. Bis zur diesjährigen, ihrer letzten Ausgabe fokussierten beide das von Hans Werner Henze 1988 gegründete und weltweit grösste Uraufführungsfestival für Musiktheater als «Nachwuchsforum». Sie verkürzten die Dauer der Zyklen, erhöhten dabei aber die Premierenzahl und Aufführungsdichte. Das bedeutete regelmässige Überraschungen durch Schauplätze, Sujets und eine stetig veränderte Gewichtung der künstlerischen Mittel. Nur wenige der mit Theatern und lokalen Kultureinrichtungen entstandenen Koproduktionen erlebten allerdings eine zweite Inszenierung. Die Biennale-Ausbeute an Experimenten ohne konkrete Zielvorgabe erwies sich dagegen als gigantisch und sichert dem Festival noch immer Weltgeltung. Für die Biennale-Jahre ab 2026 treten Katrin Beck und Manuela Kerer als neues Leitungsteam an.

Gefragt nach den für sie persönlich gelungensten Projekten nannte Tsangaris Bernhard Ganders Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr nach einem Libretto des Ukrainers Serhij Zhadan (2022), Ott das Monodrama Ein Porträt des Künstlers als Toter von Franco Bridarolli und Davide Carnevali (2018). Beide favorisierten demzufolge Werk-Resultate mit politischen Themen. Die Biennale-Mottos meinten deshalb auch immer die Weite von Gegenwartstopografien und Zukunftsvisionen: Nach OmU – Original mit Untertiteln (2016), Privatsache / Private Matter (2018), Point of NEW Return (2020/21) und Good Friends (2022) wurde vom 31. Mai bis 10. Juni mit On the Way die mentale, virtuelle, historische und physische Mobilität zum Thema.

Der Schweizer Ott, Gründer des Festivals Rümlingen, und Tsangaris, der neue Präsident der Akademie der Künste in Berlin, beschliessen ihre Ära demzufolge nicht mit einem Rückblick, sondern einer Utopie. In kaltem Weiss prunkt die Anthologie Schnee von morgen mit «Statements zum Musiktheater der Zukunft». Besonders prägnant in einer Häufung von «ismen» und «iv»-en liefert Eloain Lovis Hübner darin eine inkommensurable Steilvorlage, welche sich diese Abschieds-Biennale offenbar gerne auf die Fahne schrieb.

Daniel Ott und Manos Tsangaris. Foto: Manu Theobald

Pessimismus, Glückssuche und Gemüsesuppe

Zwei Beiträge mit Schweizer Beteiligung zeigten unter elf Produktionen exemplarische Pole aktuellen Musiktheaters. Zur Trias Die neuen Linien gehörte Turn Turtle Turn des finnischen Musiktheater-Ensembles Oblivia mit dem Schweizer Ensemble ö! unter der musikalischen Leitung von Armando Merino in der Münchner Stadtbibliothek. Die Komposition der Chinesin Yiran Zhao erweckte pessimistische Assoziationen. Zum sonoren Ächzen aus Lautsprechern, die Turn Turtle Turn Installation, bewegte sich Oblivia mit dem Ensemble ö! zu den Teilen «Deep Time», «Dark Time» und «And All the Other Times» in die Mittelhalle. Yiran Zhao verbindet mahlersche Melodik mit an Sondheim gemahnender Sprödigkeit. Am Ende steht die Hoffnung auf neue Sinnhaftigkeit für die menschlichen Bewegungen durch Räume und Zeiten. Das Publikum feierte dieses Empathieprojekt mit Herzlichkeit.

Die Crew von «Turn Turtle Turn» des finnischen Musiktheater-Ensembles Oblivia mit dem Schweizer Ensemble ö! Foto: Judith Buss

Wie geht’s, wie steht’s von Andreas Eduardo Frank und Patrick Frank, eine Koproduktion mit dem Theater Basel, nabelt sich definitiv ab von der Trennung zwischen Performance und Publikum. Tatsächlich wurde das Publikum im Fat Cat, dem früheren Kulturzentrum am Gasteig, für vier Stunden als «Kollektivkörper» zum Hauptakteur einer Bespassung zwischen Kreuzfahrt und Streichelgehege. Gemessen am Zulauf hat dieses «Happening» als Veranstaltungsmodell mitsamt Glückssuche und viel temporärem Wohlsein eine grosse Zukunft.

Auf Tischen lagen Spiele wie Mikado und Mensch-ärgere-dich-nicht. Man konnte in Büchern über Anleitungen zum Glücklichsein schmökern. Liegesäcke und Matratzen luden zum Verweilen und fast alle Mitwirkenden – die Performer Angela Braun, Emily Dilewski, Kyu Choi, Lukas Tauber, Manfred Wildgruber sowie der via-nova-chor München – gehörten auch zum Serviceteam. Musik gab es immer wieder mal vom (Kammer-)Ensemble Lemniscate unter dem Dirigenten Daniel Moreira. Es erklangen melodische Strophen und Fragmente – mal instrumental, mal vokal, mal beides mit Solistinnen und Solisten auf Raumwanderschaft. Conférencier und Performer-Star Malte Scholz spielte im fleischfarbenen Latex-Overall und mit schlaffem Spitzhütchen einen Wurm. Frank & Frank geben nicht an, ob sie die reichlich verteilten Spassangebote tatsächlich für eine echte Glücksoption halten. Die feinen Spitzen gegen das eigene Event bleiben im atmosphärischen Wohlfühlnebel kaum spürbar.

Kräftige Gemüsesuppe, reichlich Käse und Brot an langer Tafel mit Bierbänken sind im Eintrittspreis inbegriffen. Da kommen die Gäste tatsächlich ins Gespräch miteinander. Der Schluss wurde angesagt, sonst hätte man ihn gar nicht bemerkt. Mit ungewöhnlichen Mitteln wurde Wie geht’s, wie steht’s also zum Manifest gegen Reizüberflutung und überzogene Erwartungen. Im November 2024 zieht das überlange Happening ins Theater Basel. Am letzten Tag der Biennale stand einmal mehr eine Bilanz mit allen Zwischenstufen von Gefälligkeit, Langeweile, übersteigerter Selbstreferenz und Verstörung.

Protestsong von Ethel Smyth am 14. Juni

FemaleClassics wird am feministischen Streik in Zürich «The March of the Women» anstimmen. Die Gruppe fordert, die Vergabe staatlicher Gelder mit der Berücksichtigung der in der Bundesverfassung verankerten Gleichstellung zu verknüpfen.

Ethel Smyth zirka 1903. Foto: Aimé Dupont. Quelle: https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=hvd.hnxxb6;view=1up;seq=316;size=300

In seiner Mitteilung vom 6. Juni schreibt das Netzwerk FemaleClassics, die Musiksparte, die Jahr für Jahr die höchsten Summen an staatlichen Subventionsbeiträgen beziehe, ignoriere die in der Bundesverfassung verankerte Gleichstellung. Es werde zum 14. Juni ein Schreiben ins Bundeshaus schicken mit der Forderung, «dass staatliche Gelder gekoppelt werden an die Einhaltung der gesetzlich verankerten Gleichstellung».

Am 14. Juni will das Netzwerk in Zürich auf dem Bürkliplatz zwischen Reden den Protestsong The March of the Women der englischen Komponistin und Frauenrechtlerin Ethel Smyth (1858–1944) anstimmen.

Weitere Informationen: https://www.femaleclassics.com/news

 

 

Ideen gesucht für mehr Diversität im Klassikpublikum

Das Netzwerk Klassikfestivals Berner Oberland, dem 14 namhafte Festivals angehören, lanciert einen Projektwettbewerb. Das Ziel: Ein durchmischteres Publikum an klassischen Konzerten. Das Gewinnerprojekt ist mit 2000 Franken dotiert. Bis Mitte September können Projektideen eingereicht werden.

Blick auf Sigriswil, wo im Herbst das Festival der jungen Stimmen stattfindet. Foto: Susazoom/depositphotos.com

Musik ist nicht elitär, sie ist nicht reich, nicht akademisch, nicht alt, nicht jung. Musik ist frei und für alle da, davon ist das Netzwerk Klassikfestivals Berner Oberland (KFBO) überzeugt. Doch wie erreicht man «alle»? Um das herauszufinden, sucht KFBO Ideen für neue und innovative Projekte im Bereich Musikvermittlung. Projekte, die bei den Klassikfestivals im Berner Oberland für eine grössere Vielfalt im Publikum sorgen sollen.

Denn das Publikum vieler Klassikkonzerte – nicht nur im Berner Oberland – gehört vielfach zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht: Dem nicht mehr ganz jungen, klassischen Bildungsbürgertum.  Andere Gesellschaftsgruppen wie zum Beispiel Menschen mit unterschiedlichen Sprach- oder Bildungshintergründen, junge Leute, spezifische Berufsgruppen oder Personen mit Einschränkungen sind an klassischen Konzerten häufig untervertreten oder fühlen sich nicht willkommen. Daneben wäre im Publikum auch mehr Platz für die internationalen Touristen im Oberland vorhanden.

Gesucht sind also Projekte, die Hemmschwellen abbauen. Menschen, die noch nie ein Klassikfestival besucht haben, sollen dazu ermuntert und motiviert werden, der Klassik eine Chance zu geben. Die Kernfrage dabei ist: Mit welchem Angebot lassen sich bisher ausgeschlossene Gruppen zur kulturellen Teilnahme einladen und diese allenfalls mit einem Stammpublikum verbinden?

Bis am 15. September 2024 können Projektideen eingereicht werden.  Der Projektbeschrieb soll eine bis maximal zwei A4-Seiten inklusive Budget umfassen. Das Gewinnerprojekt ist mit einem Preisgeld von 2000 Franken dotiert und lässt sich idealerweise an allen 14 Festivals umsetzen. Zustelladresse: Geschäftsstelle der KFBO, Christine Lüthi, info@klassikfestivals-berneroberland.ch

Link zu den Festivals

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