St. Galler Anerkennungs- und Förderungspreise

Die Stadt St.Gallen zeichnet dieses Jahr fünf Kulturschaffende mit einem Anerkennungspreis und vier Förderungspreisen aus. Den Anerkennungspreis erhält Norbert Möslang. Gefördert werden Tobias Bauer, Dominik Kesseli, die Kulturkosmonauten und Fabienne Lussmann.

Norbert Möslang (Foto: Georg Gatsas)

Norbert Möslang ist Bildender Künstler, Komponist, Musiker und Geigenbauer. International bekannt geworden ist er sowohl durch seine preisgekrönte Musik für die Filme von Peter Liechti als auch durch seine künstlerische Arbeit mit «geknackter» Alltagselektronik. Dabei verarbeitet er verborgene Ebenen von elektronischen Systemen oder Geräten zu Sound, entwickelt daraus Performances oder gestaltet multimediale Installationen.

Dominik Kesseli ist seit Jahren sehr aktiv in der St.Galler Musikszene. Seine Arbeit zeichnet sich aus durch die Bandbreite von Klassik bis Punk wie durch seine aufwändig inszenierten Performances.

Tobias Bauer wurde an der HSG zum Volkswirtschaftler promoviert und ist seit seiner vorübergehenden Erblindung vor knapp zehn Jahren als Literat tätig. Das Projekt Kulturkosmonauten ist ein mobiles, flexibles Format von partizipativen künstlerischen Workshops für Jugendliche. Fabienne Lussmann gehört zur jungen Künstlergeneration der Stadt St.Gallen.

Der Anerkennungspreis ist mit 20‘000 Franken dotiert und wird an Personen vergeben, die sich mit ihrem kulturellen Wirken besondere Verdienste um die Stadt erworben haben. Die vier Förderungspreise sind mit je 10‘000 Franken dotiert.

Neue künstlerische Leitung beim CNZ

In einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren hat das Collegium Novum Zürich den 29-jährigen Kulturmanager Johannes Knapp zu seinem neuen Künstlerischen Leiter gewählt. Er tritt zum 15. September 2019 die Nachfolge von Jens Schubbe an, der nach neun Jahren an der Spitze des Ensembles an die Dresdner Philharmonie wechselt.

© Florian Costenoble

Das Collegium Novum Zürich ist ein renommiertes Solistenensemble für Gegenwartsmusik. In Zusammenarbeit mit dem Künstlerischen Ausschuss des Klangkörpers wird Johannes Knapp neue kulturelle Perspektiven entwickeln und das Programm ab der Saison 2020/21 gestalten. Zudem soll der Kreis jugendlicher Zuhörerinnen und Zuhörer mittels neuer Präsentationsformen erweitert und die Position des Ensembles international gestärkt werden. Für das Konzertprogramm der Saison 2019/20 zeichnet noch Jens Schubbe verantwortlich. Die Geschäftsführung liegt weiterhin in den Händen von Alexander Kraus.

Johannes Knapp, Jahrgang 1990, studierte Kulturmanagement, Violoncello, Philosophie und Musikwissenschaft in Frankfurt am Main und Saarbrücken. Nach Stationen in Salzburg (Biennale) und Lausanne (zunächst als Künstlerischer Koordinator und später als Geschäftsführer des Schweizerischen Tonkünstlervereins) ist er 2018 zum Geschäftsleiter des Concours Nicati ernannt worden. Für den Wettbewerb lancierte er eine Kategorie für innovative Performances an den Schnittstellen zwischen zeitgenössischer Musik und anderen Ausdrucksformen. Regelmässig tritt Johannes Knapp als Autor für bedeutende Musikinstitutionen in Erscheinung, etwa für den Berliner Pierre Boulez Saal oder Lucerne Festival. Seinen Posten als Gewerkschaftssekretär des Schweizerischen Musikerverbands gibt er im September 2019 auf, um sich mit ganzer Energie dem Collegium Novum Zürich zu widmen.
 

Gerber Awards 2019

Mit dem diesjährigen Fritz-Gerber-Award werden die Bratschistin Martina Kalt, die Oboistin Marta Sanchez Paz und der Posaunist Francisco Olmedo Molina ausgezeichnet. Die Förderung wird im Bereich der zeitgenössischen, klassischen Musik vergeben.

(Bild: zvg)

Die drei erhalten je ein Preisgeld von 10’000 Franken und zusätzlich ein Stipendium in Form einer Teilnahme an der Lucerne Festival Academy 2019 im Wert von weiteren 10’000 Franken.

Die 1991 geborene Schweizerin Martina Kalt studiert an der Musikhochschule Basel Viola bei Geneviève Strosser und Violine bei Adelina Oprean. Ihren Bachelor schloss sie 2015 an der Musikhochschule Lübeck bei Barbara Westphal ab. Seit 2009 hat sie bereits viel Orchester-Erfahrung gesammelt, so zum Beispiel beim Tonhalle Orchester Zürich.

Die spanische Oboistin Marta Sanchez Paz, 1995 geboren, studiert aktuell an der Haute Ecole de Musique de Lausanne. Ihren Bachelor schloss sie 2017 an der Hochschule für Musik in Basel bei Emanuel Abbühl ab. In der Saison 2019/20 wird sie ein Praktikum beim Sinfonieorchester Basel absolvieren.

Francisco Olmedo Molina, 1990 in Spanien geboren, hat sein Studium an der Zürcher Hochschule der Künste bei David Bruchez und an der Hochschule für Musik Basel bei Mike Svoboda abgeschlossen. Er widmet sich seit Jahren vor allem dem zeitgenössischen Repertoire und wurde schon vom Tonhalle Orchester Zürich, dem Musikcollegium Winterthur und der Philharmonia Zürich engagiert. Zudem unterrichtet er Posaune bei «Superar Suisse».

Der «Fritz-Gerber-Award» wurde dieses Jahr zum fünften Mal über die Lucerne Festival Academy ausgeschrieben. Musikerinnen und Musiker konnten sich auf die offene Ausschreibung bewerben, darüber hinaus wurden wieder Empfehlungen von Hochschulen und bekannten Künstlern entgegengenommen. Die Jury bestand dieses Jahr erneut aus Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival, Komponist und Dirigent Heinz Holliger sowie Dozenten der «Teaching Faculty» der Akademie.

 

Stadt Basel unterstützt weiterhin ihr Orchester

Auf der Grundlage des Berichts der Bildungs- und Kulturkommission (BKK) hat der Grosse Rat heute Nachmittag den Ratschlag betreffend Bewilligung von Staatsbeiträgen an die Stiftung Sinfonieorchester Basel für den Zeitraum vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2023 einstimmig angenommen.

Das Sinfonieorchester Basel mit Ivor Bolton. Foto: Matthias Willi

Mit dem Entscheid setze der Grosse Rat ein Zeichen für die Musikstadt Basel und würdige damit die Arbeit der vergangenen Jahre und «letztlich auch die hohe Auslastungszahlen bzw. kontinuierliche Steigerung der Konzertbesuchenden des Sinfonieorchesters Basel», schreibt das Orchesster. Die Steigerung von der Saison 2017/18 zu 2018/19 betrug rund 20 Prozent.

Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann betonte nach der Abstimmung ausserdem, «die Wichtigkeit eines stehenden Orchesters (Berufsorchesters)» und dass «die hohe Zufriedenheit des Theaters Basel mit dem Sinfonieorchester» das einstimmige Ergebnis (ohne Enthaltung und Gegenstimme) wesentlich beeinflusst habe.

Erster Franco Ambrosetti Jazz Award

Im Rahmen des diesjährigen Festival da Jazz St. Moritz wird erstmals der Franco Ambrosetti Jazz Award vergeben. Die diesjährigen Preisträger sind Känzig & Känzig.

Anna & Heiri Känzig bei Konzert und Preisverleihung im Hotel Walther. Foto: Giancarlo Cattaneo

Mit der mit 10’000 Franken dotierten Auszeichnung will Ambrosetti Persönlichkeiten ehren, die sich um den Jazz in der Schweiz verdient gemacht haben. Sie verbänden «verschiedene Genres, Generationen und Grooves und sprechen eine offene, neugierige Sprache mit verspielter Musikalität auf höchstem Niveau». Darüber hinaus trügen sie mit ihrem umfassenden, internationalen Netzwerk den Schweizer Jazz in die Welt.

Die diesjährigen Preisträger sind Känzig & Känzig. Mit ihrem Album «Sound and Fury» landete Anna Känzig auf Platz 6 der Schweizer Charts. Nun tat sich die vielseitige Sängerin mit ihrem Onkel zusammen: Heiri Känzig zählt international zu den führenden Jazzbassisten – er ist bisher unter anderem mit dem Vienna Art Orchestra, Charlie Mariano und Chico Freeman aufgetreten. Was Känzig und Känzig miteinander verbindet, ist ihr offener musikalischer Horizont. Für ihr erstes gemeinsames Projekt haben sie sich als Inspirationsquelle das Great American Songbook ausgesucht.

Der Preis wird am 30. Juli im Hotel Walther, Via Maistra 215, Pontresina von Franco Ambrosetti persönlich übergeben.

Hunderte Liedtexte online

Der Verein Giigäbank aus dem Muotatal hat ein grosses Reservoir an Liedtexten auf einer Website öffentlich zugänglich gemacht. Damit soll die Freude am Singen neu belebt werden.

Blick auf Muotathal im Muotatal. Foto: Paebi/Wikimedia Commons,© Verein Giigäbank

Die Website https://lieder.giigaebank.ch bringt rund 350 Liedtexte von «Ä altä Älpler» bis «Zwüscha Bärgä» in den Hosensack – Smartphone sei Dank. Es handle sich dabei um Lieder, die beim geselligen Zusammensein im Muotatal und in Illgau gerne gesungen würden, an deren Texte man sich aber nicht immer richtig erinnere, ist auf der Website zu lesen. Ziel sei, die Tradition des offenen Singens im Muotatal zu bewahren.

Dieser Online-Sammlung liegen zwei Singbüchlein zugrunde, das eine wurde 1979 in Muotathal und das andere 1988 in Illgau veröffentlicht. Der Verein weist darauf hin, dass viele Urheber dieser Lieder nicht bekannt seien und man sich daher «in einem Graubereich des Urheberrechts» befinde. Deshalb könnten einzelne Einträge auf Verlangen allenfalls gelöscht werden.

Eine Suchfunktion führt zu bestimmten Liedtexten, man kann sich aber auch anhand des alphabetischen Verzeichnisses inspirieren lassen.

Zur Zeit sind Texte greifbar, vielleicht kommen zu einem späteren Zeitpunkt Audiodateien hinzu.
 

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Screenshot der Website lieder.giigaebank.ch

Der Sinfoniker Fritz Brun

Der Dirigent Adriano hat alle 10 Sinfonien und auch alle anderen publizierten Orchesterwerke des Schweizer Komponisten aufgenommen.

Fritz Brun und Othmar Schoeck im Schloss Bremgarten BE. Foto: vermutlich 30er-Jahre, zVg

Wer hat schon je eine Sinfonie von Fritz Brun (1878–1959) gehört? Seinen Namen kennt man vielleicht noch, wirkte er doch während über 30 Jahren als Chefdirigent der Bernischen Musikgesellschaft (heute Berner Symphonieorchester). Was aber nur wenige wissen: Brun war der bedeutendste Schweizer Sinfoniker des frühen 20. Jahrhunderts, wenngleich nicht der wichtigste Schweizer Komponist seiner Zeit. Da hatten andere, etwa Arthur Honegger, Frank Martin und Othmar Schoeck, grösseres Gewicht. Aber Fritz Brun war der einzige, der sich hauptsächlich und mit eminenter Begabung der Sinfonik widmete, vergleichbar etwa einem Anton Bruckner – auch in seiner verkannten Bedeutung. Es ist zu hoffen, dass diese bald ein Ende haben wird. Die Publikation sämtlicher Orchesterwerke von Fritz Brun in der vorliegenden Einspielung könnte einen Anstoss geben, dass er endlich die seinem Schaffen zustehende Anerkennung erhält. Zwar haben viele Schweizer Sinfonieorchester in den letzten Jahrzehnten Werke von Brun aufgeführt, es gab auch Radiomitschnitte, und einige seiner Sinfonien wurden auf LP und CD veröffentlicht. Aber es entbehrt nicht der Ironie, dass ein Aussenseiter-Dirigent sein Schaffen in Erinnerung rufen musste, und dies erst noch mit zwei ausländischen Orchestern.

Der Dirigent heisst Adriano, geboren 1944 als Adriano Baumann in Fribourg. Mit dem Moskauer Sinfonieorchester und dem Bratislava Sinfonieorchester hat er im Zeitraum 2003–2015 diese Gesamtaufnahme realisiert. Nach dem Musikstudium am Zürcher Konservatorium wirkte Adriano als Filmmusikkomponist, Herausgeber von Honeggers Filmmusiken und Souffleur am Opernhaus Zürich. Auf Anregung von Ernest Ansermet und Joseph Keilberth wandte er sich schliesslich dem Dirigieren zu und widmete sich fortan unter dem Künstlernamen Adriano der Interpretation wenig bekannter Werke, darunter eben der Filmmusik von Arthur Honegger sowie Orchesterwerken und Opern von Ottorino Respighi. Und er setzt sich auch für wenig gespielte Schweizer Komponisten wie Hermann Suter, Albert Fäsy, Pierre Maurice und Emile Jaques-Dalcroze ein.
Die Idee einer Gesamtaufnahme des sinfonischen Schaffens von Fritz Brun entstand 2002. Damals wandte sich Adriano an Hans Brun, den Sohn von Fritz Brun, mit dem Ersuchen um eine finanzielle Beteiligung an seinem Projekt. Dieser und in der Folge auch die Erbengemeinschaft Brun, heute vertreten durch den Enkel des Komponisten, Andreas Brun, habrn das ehrgeizige Unterfangen in den folgenden Jahren massgeblich unterstützt.

Das jetzt vorliegende Resultat darf sich sehen (und hören!) lassen: eine elf CDs umfassenden Gesamtaufnahme von Bruns Orchesterwerken. Zu den zehn Sinfonien kombinierte Adriano alle publizierten Brun-Werke, darunter die Rhapsodie für Orchester, die Sinfonische Dichtung Aus dem Buch Hiob, die Konzerte für Klavier mit Orchester und Violoncello mit Orchester. Dazu noch die Gesangszyklen 3 Lieder und Gesänge für Alt und Klavier von Othmar Schoeck (orchestriert von Fritz Brun) sowie Bruns 5 Lieder für Alt und Klavier – arrangiert von Adriano für Mezzosopran und Streichsextett.

Diese umfassende Würdigung ist eine einzigartige Tat, die es erlaubt, Bruns Schaffen als Ganzes kennenzulernen. Wie viele seiner komponierenden Zeitgenossen begann Brun in den Fussstapfen von Beethoven, Schumann, Bruckner und Brahms; eigenständig entwickelte er seinen Stil im Bereich der sich allmählich erweiternden Tonalität, ohne diese je in Frage zu stellen. Seine persönliche Musiksprache fand er schon 1901 in der ersten Sinfonie und blieb seinem Stil treu bis zur Zehnten, die er im Alter von 75 Jahren komponierte.

Charakteristisch für Bruns Stil sind die kammermusikalischen Strukturen, die den orchestralen Fluss auflockern und ihm Zeichnung geben, die fassbare Gestaltung grosser Sätze und die reiche spätromantische Harmonik. Besonders schön lässt sich das im ersten Satz der Fünften beobachten, die Brun selber als problematisch taxierte. In den Sätzen 2 und 4 gestaltet er virtuose Fugati mit Zwölftonthemen im freitonalen Raum, wie das auch Bartók und Hindemith gemacht haben.

Bereichert wird diese Publikation durch eine Aufnahme der Achten, die Fritz Brun 1946 als Dirigent mit dem Studio-Orchester Beromünster realisiert hat. Und die Variationen für Streichorchester und Klavier über ein eigenes Thema sind in einer Aufnahme durch das Collegium Musicum Zürich unter der Leitung von Paul Sacher und mit Adrian Aeschbacher aus demselben Jahr zu hören.

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Fritz Brun: Complete Orchestral Works. Moscow Symphony Orchestra, Bratislava Symphony Orchestra, Adriano, conductor. Brilliant Classics 8968194 (11 CDs)

 

Tschumi-Preis 2019 auch für Musikvermittlung

Die HKB-Studierenden Olivera Tičević und Valentin Cotton sind mit je einem Eduard-Tschumi-Preis für die beste Gesamtbewertung ihrer Master-Prüfung ausgezeichnet worden. Erstmals wurde mit Laura Müller auch eine Musikvermittlerin prämiert.

Valentin Cotton. Foto: zVg

Olivera Tičević, montenegrinische Sopranistin, absolvierte den Master Specialized Music Performance an der HKB bei Christan Hilz. Sie ist Gewinnerin zahlreicher Wettbewerbe. 2010 und 2013 wurde sie zur vielversprechendsten Künstlerin der Barock Austria Akademie gewählt, daraufhin folgte eine internationale Karriere mit Konzerten in Wien, Stockholm, Heidelberg und Tokio.

Der französische Pianist Valentin Cotton absolvierte am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris in der Klasse von Michel Dalberto seinen Interpretations-Master. Er ist Preisträger mehrerer internationaler Wettbewerbe, so gewann er etwa den ersten Preis beim Concours de France und beim internationalen Wettbewerb von Montrond sowie den Schenk-Preis der gleichnamigen Stiftung in der Schweiz.

Erstmals wurden in der Jurierung aber auch die anderen vier Vertiefungen des Master-Studiengangs berücksichtigt: Musikvermittlung, Forschung, Neue Musik und Kammermusik. Die Musikvermittlerin und Klarinettistin Laura Müller konnte sich innerhalb dieser Neuausrichtung des Wettbewerbs unter anderem mit einem transdisziplinären Vermittlungsprojekt im Kindermuseum Creaviva im Zentrum Paul Klee durchsetzen.

Alljährlich treten HKB-Studierende, die ihren Master Specialized Music Performance Klassik abschliessen, an einem Solistendiplomkonzert auf. Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn begleitete das diesjährige Konzert in Biel unter der Leitung seines Chefdirigenten Kaspar Zehnder. Im Anschluss wurde den Studierenden mit der besten Gesamtbewertung in der anspruchsvollen dreiteiligen Master-Prüfung erneut der mit je 5000 Franken Eduard-Tschumi-Preis verliehen.

«Get Going!» geht in die zweite Runde

Letztes Jahr vergab die FONDATION SUISA unter dem Titel «Get Going!» erstmals vier Anstossbeiträge, um innovative Kreativansätze ausserhalb der gängigen Schubladen zu fördern. Ab Ende Juni 2019 geht die Ausschreibung in die zweite Runde.

«Statt einem Künstler, einer Künstlerin im Nachhinein mithilfe eines Preises auf die Schulter zu klopfen, investieren wir nun das uns zur Verfügung stehende Geld stärker in die Zukunft», erklärte vor einem Jahr Urs Schnell, Direktor der FONDATION SUISA, die vom Stiftungsrat beschlossene neue Förderpolitik. Fördern statt urteilen wolle man und «so den Blick verstärkt nach vorne richten».

Gesagt, getan. Die erste Ausschreibung von «Get Going!» mündete in über 90 Bewerbungen. Dieses grosse Interesse für etwas völlig Neues sei für ihn schlicht überwältigend, meint Schnell. «Wir haben damit wirklich den Nerv der Zeit getroffen. Das durften wir in diesem Ausmass nicht erwarten, da eine solch offen formulierte Ausschreibung trotz aller Analysen ein innovativer Schuss ins Blaue war.»

Bertrand Denzler, Michael Künstle, Beat Gysin und das Duo Eclecta (Andrina Bollinger und Marena Whitcher) hiessen die ersten Empfängerinnen und Empfänger im Rahmen von «Get Going!». Der Betrag von je 25 000 Franken wurde ihnen zugesprochen, weil sie die Fachjury mit ihren kreativen Visionen zu überzeugen vermochten. Da die Anstossfinanzierung nicht an ein Resultat gebunden ist, ermöglicht diese den Musikerinnen und Musikern, befreit von finanziellem und zeitlichem Druck arbeiten zu können. «Ich glaube, dass der Faktor Zeit in einem immer hektischer werdenden Umfeld ein in seiner Kostbarkeit nicht zu unterschätzendes Gut geworden ist», erklärt Schnell einen der Vorzüge von «Get Going!».

Ausschreibung «Get Going!» 2019 ab Ende Juni

Ab Ende Juni können sich Urheberinnen und Urheber, Autorinnen und Autoren sowie Musikerinnen und Musiker, die einen deutlichen Bezug zum aktuellen schweizerischen oder liechtensteinischen Musikschaffen nachweisen können, erneut für einen «Get Going!»-Beitrag bewerben. Auch 2019 werden vier solche Anstossfinanzierungen in der Höhe von je 25 000 Franken durch eine Fachjury vergeben.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass «Get Going!» die anderen Förderangebote der FONDATION SUISA, insbesondere das geltende Gesuchswesen, die bestehenden Partnerschaften, die Messen und Events im Ausland sowie das Klassenmusizieren, weder konkurriert noch tangiert.

«Im Gegenteil», erläutert Schnell, «als gewichtige Starthilfe ist das neue Modell eine Ergänzung zur bisherigen Förderung. Wir wollen neue kreative Orte ausmachen und in Zukunft verhindern, dass gewisse Projekte zwischen Stuhl und Bank fallen.»

Urs Schnell weiss, dass die bewusst weit offen gehaltene Formulierung der «Get Going!»-Ausschreibung zu Beginn etwas verwirrend sein könnte: «Musikerinnen und Musiker wurden in den letzten Jahrzehnten durch die traditionellen Förderinstrumente auf ein gewisses Gesuchsdenken konditioniert. Uns geht es mit der neuen Ausrichtung darum, uns als Förderin auf die Künstlerinnen und Künstler zuzubewegen, um mit dieser Umkehr das freie kreative Denken wieder in den Mittelpunkt zu rücken.» Um die Möglichkeiten von «Get Going!» aufzuzeigen, werden deshalb im Laufe der nächsten Wochen sowohl auf der Website der FONDATION SUISA wie auch auf dem SUISAblog Porträts der Empfängerinnen und Empfänger der letztjährigen «Get Going!»-Beiträge veröffentlicht.

> www.fondation-suisa.ch

> www.suisablog.ch

HEMU – A new direction

A woman at the head of the Haute Ecole de Musique Vaud Valais Friborg and the Lausanne Conservatory.

The Haute Ecole de Musique Vaud Valais Friborg (HEMU) is an educational institution recognized for its demanding and comprehensive training, as well as for its complicity with professional circles and its commitment to musical life. Multidisciplinary and multi-style, it covers all training profiles in classical, jazz and contemporary music. The HEMU is located in the heart of Europe and French-speaking Switzerland, and offers university-level education to more than 500 students of 39 different nationalities. Emphasizing both theory and practice, its Bachelor’s and Master’s study programs are established in such a way as to promote good access to the professional world. Its teaching staff, made up of many internationally renowned artists, guarantees its students high-level supervision. Historically present in the Lausanne Conservatory (before the Bologna reform), classical music has been taught at the HEMU for more than 150 years. Alongside it, the jazz and contemporary music departments, offered exclusively in French-speaking Switzerland, were created in 2006 and 2016 respectively. tradition, creation, research and development always with the aim of achieving, and helping to achieve, excellence. Each year, the HEMU produces more than 300 public performances: concerts, workshops, etc. The masterclasses given by prestigious musicians and the partnerships concluded with world-renowned institutions provide students with rewarding educational experiences and, above all, allow them to create a network. Its Bachelor and Master studies are accredited by the Swiss Confederation and recognized internationally. Since 2009, the HEMU has been part of the ‚Music and Performing Arts‘ area of ​​the Western Switzerland University of Applied Sciences (HES-SO), the largest network of higher professional training in Switzerland, which had nearly 21,000 students. at the start of the 2018-2019 school year.

Matthias von Orelli — Noémie L. Robidas, violoniste et jusqu’alors directrice du Département spectacle vivant de l’Institut supérieur des arts de Toulouse, est la nouvelle directrice générale de ces deux institutions. Québécoise, elle est au bénéfice d’une ample expérience professionnelle, tant comme musicienne, pédagogue, chercheuse que directrice d’établissement.

Madame la directrice, je suis heureux que vous preniez le temps de parler avec nous. Vous avez repris la direction il y a quelques mois. Quelles sont vos premières impressions ?

Je suis heureuse et enthousiaste d’être à la barre d’un si beau voilier qui accueille en son sein des musiciens depuis leur plus jeune âge jusqu’à l’obtention d’un Master. J’ai l’impression de pouvoir contribuer à tout un écosystème de la musique. J’y ai trouvé des équipes professorales et administratives motivées, fières de travailler à l’HEMU-CL. J’ai aussi fait la connaissance des élèves et étudiants qui sont nombreux et pleins de talent ! Cela est pour moi une grande source d’inspiration !

Vous connaissez la Suisse depuis longtemps. Votre perception du pays a-t-elle changé depuis que vous occupez ce nouveau poste ?

La Suisse est un pays où j’ai pu séjourner ponctuellement depuis une dizaine d’années et duquel je me sens proche en effet, probablement de par mes origines québécoises. Étrangement, d’un point de vue professionnel, je me sens plus à la maison en terres helvètes qu’en France où j’ai vécu les 7 dernières années. Je crois que cela tient dans le fait d’y retrouver des valeurs de simplicité et d’accessibilité à la hiérarchie sans que cela ne remette en cause le respect des fonctions. Je crois aussi retrouver en Suisse cette recherche collective de consensus. Évidemment, l’accent est différent ! (rires)

Vous êtes confrontée à une institution qui a traversé une période de crise et de tensions, ce qui a obligé l’ancien directeur à quitter ses fonctions. Est-ce que cela a affecté votre travail ?

Je vous mentirais en vous disant que cela n’affecte pas du tout mon travail. Je dois aider l’équipe à hisser la grande voile après la tempête. Certains ont encore la crainte que le vent ne s’agite à nouveau, mais c’est normal. Ce que je sens, c’est que tout le monde a envie de regarder de l’avant ! Cet accompagnement du changement est propre à toute nouvelle gouvernance, c’est un défi que je suis prête à relever !

Différences et similitudes

Vous êtes originaire du Canada et travaillez en France depuis longtemps : quelles sont les différences – ou les similitudes ?

J’ai appris à connaître le milieu musical de la Suisse par le réseau des conservatoires et écoles de musique où j’ai eu la chance de donner des formations continues pendant de nombreuses années. J’ai aussi été initiée aux enjeux de la musique à l’école ayant effectué un remplacement à la HEP-Bejune durant 6 mois. Pour ce qui est de la scène musicale à proprement parler, j’apprends à la connaître maintenant. Je pense que les musiciens en Suisse comme en Europe, ont la chance d’avoir un bel accompagnement de l’état, de nombreuses structures musicales et un public qui valorise l’art et la culture. En Amérique du Nord, les musiciens doivent bien souvent autogérer tous leurs projets et initiatives. Les qualités d’entrepreneur sont là-bas presque aussi importantes que le talent pour la réussite d’un musicien.

Vous avez une carrière très internationale. Comment percevez-vous les Hautes Ecoles de Musique Suisse en comparaison internationale ?

Ce sont de beaux établissements qui offrent des formations de grande qualité qui sont, selon moi, vraiment compétitives à l’international, c’est d’ailleurs ce qui explique notre grande attractivité et le fait que nos étudiants proviennent de partout dans le monde !

Les Hautes Ecoles de Musique suisses font également face à de grands défis. Lesquels sont les plus impor-tants et les plus urgents à votre avis ?

Je crois que le principal défi d’avenir de nos écoles relève de leur capacité d’adaptation face à un milieu professionnel en constante évolution. Nos hautes écoles doivent non seulement être à la page des besoins de leurs étudiants mais également anticiper le contexte auquel leurs diplômés seront confrontés dans 10-15-20 ans. Aujourd’hui, il ne suffit plus d’être un excellent instrumentiste pour réussir et vivre de la musique. Il faut donc doter nos étudiants d’un vaste portefeuille de compétences pour leur assurer un avenir professionnel. Il faut pour cela notamment remettre certaines de nos habitudes pédagogiques en question, revoir les plans d’études fréquemment.

Récemment, un journal suisse a déclaré que de nombreux musiciens vivent souvent pour la musique, mais pas de la musique. En Suisse, peu de gens choisissent la musique comme profession. D’une part, cela est dû au fait qu’en Suisse, les enfants ne sont pas spécialisés dès le plus jeune âge, ce qui est essentiel pour la musique, mais qu’ils se voient proposer différentes options. D’autre part, beaucoup de Suisses ne sont pas disposés à vivre uniquement «  pour  » la musique, ils veulent vivre «  de  » la musique. Où voyez-vous en ce cadre votre école ?

Cela est une grande question ! Je crois que l’HEMU-CL doit jouer une carte pour dynamiser l’écosystème suisse romand de la musique en accompagnant mieux les talents du territoire. Présente dans les cantons de Vaud, Valais et Fribourg, je crois plus que jamais que l’HEMU-CL doit agir en synergie avec les conservatoires et les écoles de musique pour que nous puissions créer chez les jeunes l’envie de se surpasser en leur donnant des modèles, en créant des systèmes de mentorat, en incitant les professeurs et directeurs des différentes institutions à travailler encore plus main dans la main. Nous devons troquer les idées de concurrence pour des idées de complémentarité.

La digitalisation est un sujet omniprésent. Où voyez-vous les opportunités de cette technologie pour votre Haute Ecole ?

Je dois avouer que nous avons un peu de retard de ce côté. Que ce soit des environnements numériques d’apprentissage, des applications, la mise en place de communautés numériques liées à l’apprentissage, le travail en studio d’enregistrement, il y a plusieurs opportunités à saisir qui sont efficientes et beaucoup plus accessibles qu’on y croit. D’ailleurs, nous inaugurerons un studio de grande envergure au Flon dès l’automne ! Mais, nous devons garder en tête que toutes ces innovations technologiques doivent rester au service de la pédagogie et de la musique.

Dialogue constructif

Vous avez dit que vous souhaitiez un dialogue constructif au sein de l’institution et que l’innovation et la créativité sont aussi importantes pour vous que l’excellence. À quoi cela ressemble-t-il dans la mise en œuvre concrète ?

Je crois que nous ne nous représentons pas aujourd’hui tous les défis écologiques et sociétaux à venir. En ce sens, bien que l’excellence reste pour moi une valeur fondamentale pour l’HEMU-CL, il me paraît primordial de former des musiciens davantage ouverts sur les enjeux du monde actuel et capable d’agir grâce à leur art à l’évolution de notre société. Concrètement, nous devons leur apprendre à diversifier leurs pratiques en terme esthétique, nous devons provoquer les rencontres avec d’autres formes d’art, avec la création d’aujourd’hui, avec des publics diversifiés. Les étudiants doivent apprendre certes à défendre un patrimoine musical, une esthétique et leur instrument, mais doivent impérativement développer une inventivité qui devra sans cesse être renouvelée. Cela est l’un de nos grands défis en tant qu’École !

Although I like several musical styles, my heart always comes back to an inexhaustible source of inspiration: Jean-Sébastien Bach… and, being a trained violinist, when I have a little free time (laughs), I dive back into happiness in the manuscript version of his Sonatas and partitas. His simple pen already lets the music be heard.

blühen

Üppiges Spriessen braucht den richtigen Boden, im Bereich der Musik zum Beispiel günstige politische Rahmenbedingungen oder fundierte Ausbildung, während schöpferische Zyklen bei allen Musikschaffenden individuell verlaufen.

Titelbild: www.neidhart-grafik.ch
blühen

Üppiges Spriessen braucht den richtigen Boden, im Bereich der Musik zum Beispiel günstige politische Rahmenbedingungen oder fundierte Ausbildung, während schöpferische Zyklen bei allen Musikschaffenden individuell verlaufen.

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Focus


Nicht jammern, sondern handeln

Voraussetzungen für eine blühende Künstlerkarriere


Es ist richtig, wenn man den Kulturbegriff weit fasst

Peter Keller, Min Li Marti und Rosmarie Quadranti diskutieren über kulturelle Blüte
PDF des Interviews


Es tönt aus dem Boden

Forschungsprojekt Sounding Soil


Cultiver son enseignement pour fleurir le chemin dʼaccès à lamusique

Chanter à lʼécole est beaucoup plus quʼun moment de détente


Lorsque les compositeurs éclosent, fleurissent ou sʼétiolent
Le parcours des compositeurs ne suit pas forcément une voie toute tracée


Der Kurtágs und anderer Blumenstücke

Etwas blüht auf und verwelkt wieder. Die «Ars longa» verhandelt die «Vita brevis»

 

… und ausserdem

FINALE


Rätsel
— Pia Schwab sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Nik Bärtsch

Foto: Claude Hofer
Nik Bärtsch

Was hat es in Deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Es braucht vor allem Eigeninitiative: nicht jammern, sondern handeln. Ab einer gewissen lokalen Resonanz braucht es dann dringlich internationale Erweiterung, sprich Möglichkeiten, mit bereits sehr erfahrenen Leuten arbeiten zu können. Das fordert und macht Spass. Man lernt gleichzeitig ungeheuer viel und merkt trotzdem, dass die auch nur mit Wasser kochen – und das Wasser in der Schweiz ist bekanntlich ausgezeichnet.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Grundsätzlich habe ich die Verhältnisse als sehr zuträglich empfunden: Wir haben genug zu essen und gutes Wasser zu trinken und gute Chancen, zu lernen. Dazu kommt eine grosse kulturelle Offenheit. Die Schweiz ist so etwas wie eine permanente Weltausstellung. Alles und alle kommen irgendwann mal hier vorbei. So kann man recht früh loslegen, beobachten und Risiken eingehen, seine eigenen Grenzen kennenlernen und erweitern. Gefährlich wird es, wenn man es sich wellnessmässig im Wohlstand bequem macht. Das funktioniert international nicht. In der Schweiz gibt es eine sehr gute und breite Kulturförderung, aber nur einen kleinen Markt. Das hat beides Vor- und Nachteile. Aber mit dem Markt hier kommt man mittelfristig auf keinen grünen Zweig.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

In unserem Bereich ganz klar. Die Schweiz ist zwar offiziell ein Land aber im Vergleich mit wichtigen grossen Musikländern wie den USA, Deutschland oder Grossbritannien, ist sie eigentlich eher eine Bonsai-Staat, so wie Tennessee oder Schottland. In den USA macht zum Beispiel eine Band erst die Tour um die Heimatstadt herum, dann im eigenen Staat, dann in denen darum herum, dann im ganzen Land und dann ev. noch in Übersee.
Bei uns bedeutet also der zweite Schritt bereits München oder Paris …
 

Link

 

Nik Bärtsch ist solo unterwegs, aber auch mit Ronin und Mobile.

 

nikbaertsch.com

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Andreas Ryser

Foto: Brigitte Lustenberger
Andreas Ryser

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Zuerst beantworte ich die Frage als Musiker: Ich glaube, wir haben bedingungslos an einem Projekt festgehalten, über viele Jahre hinweg. Irgendwann musste dies ein wenig erfolgreich gewesen sein, und wir hatten das Glück, etwas zu machen, das niemand sonst macht …Wir fanden unsere Nische. Und wir hatten mit Joy wohl einfach die grossartigste Sängerin, die in dieser Zeit in der Schweiz war …Wir haben von den Kultursubventionen profitiert, vor allem für die Auslandtourneen. Aber wir haben aus diesen Subventionen auch was gemacht. Und da wechsle ich nun den Hut: Ich war immer derjenige, der sich fürs Business interessiert hat, und auch daran, etwas Nachhaltiges aufzubauen, und die Kultursubventionen so einzusetzen, dass sie uns langfristig etwas bringen. Also statt tolle Gagen eben Promomandate usw.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Wenn du eine Nische bespielst, dann musst du ins Ausland, aber nicht, um dich musikalisch selbst zu verwirklichen (wir haben auch in der Schweiz grossartige Musik gemacht, aber wir haben uns halt auch an keine Vorbilder oder Bands gehalten, wir haben einfach gemacht, was wir wollten, und das Glück gehabt, dass jemand das toll fand …), sondern um genug Publikum erreichen zu können. Das Problem sind halt immer die sehr hohen Lebenskosten in der Schweiz, wir hatten immer 20–30% Jobs nebendran. Wenn du das meiste Geld im Ausland verdienst, sind die Gagen in der Schweiz halt dann weniger wert …

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Ich glaube aber, und jetzt spreche ich als Manager und Label und Verlag, dass es schon viele Schweizerinnen und Schweizer gibt, die den Biss nicht haben und sich dann eben ziemlich schnell für den einfacheren Weg entscheiden. Wir haben in der Schweiz eine Arbeitslosenquote von 2% und es ist fast immer möglich, einen Job zu finden. Sich für die Musik zu entscheiden braucht als Musiker oder Musikerin auch Mut und viel Selbstvertrauen und wohl auch ein grossartiges Team, das Inputs und Feedback gibt.

Erfahrung kann dann eben auch den Erfolg bringen, wenn jemand ausserordentlich gut ist. Es gibt genug Beispiele, dass Musikerinnen und Musiker es nicht schaffen, erfolgreich zu sein, weil sie sich selber im Weg stehen und nicht verstehen wollen, wie es läuft, oder eben auch niemanden haben, der sie supportet. Und dies finde ich ein Problem in der Schweiz: Es hat zu wenig gute Leute in der Musikindustrie, die nachhaltig und mit viel Wissen Musikerinnen und Musiker weiterbringen und begleiten.
 

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Andreas Ryser ist mit dem Elektronikprojekt Filewile ebenso gut vernetzt wie mit dem Label Mouthwatering.

 

Mouthwatering Records

 

Filewile

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Michael Sele

Foto: Daniel Kraski
Michael Sele

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Als Schweizer Musiker wächst man aufgrund der Grösse, der Sprache und den Gegebenheiten des Landes mit vielen Einflüssen aus dem Ausland auf. Dabei hatte in meinem Fall vor allem englischsprachige Musik aus England und Amerika seit jeher eine grosse Faszination auf mich ausgeübt. Es war für mich deshalb unabdingbar, auf dem langen und schwierigen Weg, die eigene Handschrift und musikalischen Sprache zu finden, immer auch wieder aufzubrechen, um im Ausland und quasi aus der Ferne meine eigenen Stärken und Eigenheiten herauszufinden. Für mich war das einer der Schlüssel zu möglichst grosser Authentizität, die eigenen Wurzeln zu finden.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Das ist eine schwierige Frage und ich würde sagen «weder noch».
Fakt ist aber schon, dass in unserem kleinen Land ein ausgesprochener Fokus auf die für den Mainstream produzierte Popmusik gelegt wird. Da wird auch enorm viel Geld investiert und das ist insofern auch etwas schade, da gerade in diesem Bereich die internationale Konkurrenz übermächtig ist und eigentlich kaum Chancen für einheimische Künstler besteht. Im Gegensatz dazu haben es immer wieder Künstler und Bands in diversen Genres geschafft, auch international beachtliche Erfolge zu feiern, die aus dem Independent Bereich kommen, die mit verhältnismässig wenig finanziellen Möglichkeiten und kaum Support durch die heimischen Musikbranche ihren Weg gegangen sind. Doch in diese Karrieren wird bedeutend weniger investiert. Ich habe in den letzten Jahren mit meiner Band in 25 Länder über 250 Konzerte gespielt, das wird aber beispielsweise bei der Swiss Music Award Auszeichnung für die beste Live Band nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen, weil es keine Popmusik ist. Gewinner sind Bands, welche innerhalb von ein paar Kilometern auftreten, Hauptsache, es ist Popmusik. Im Bereich der alternativen oder weniger kommerziellen Musikszene fehlt es zudem an genügend einheimischen Festivals oder Auftrittsmöglichkeiten, aber auch an Musikjournalisten und Fachleuten, die sich mit anspruchsvolleren Themen auseinandersetzen, die über einen entsprechenden Background verfügen, es fehlt an Spezialsendungen, Radio- oder TV-Formaten oder auch guten Netzwerken.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Absolut, aber man muss sich bewusst sein, im Ausland als Schweizer Musiker oder Band keine Vorschusslorbeeren zu bekommen. Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass es gerade in Deutschland eher kritisch gesehen wird und es einigen Durchhaltewillen braucht, um sich durchzusetzen. Man spürt schon auch immer noch viele Vorurteile. Die Schweiz wird halt weniger mit guter Musik in Verbindung gebracht, sondern leider immer noch vor allem mit Reichtum, Geld, Schokolade und Käse. Auch ist die Tradition von erfolgreichen Schweizer Künstlern einfach noch nicht in den Köpfen drin. Bands aus Skandinavien haben hier zum Beispiel enormen Bonus.
 

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Michael Sele ist mit the Beauty of Gemina ein Begriff für Fans aufwühlender Rockklänge.

 

thebeautyofgemina.com

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Fredy Studer

Foto: Ben Huggler
Fredy Studer

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Ich hatte enormes Glück: Ich wuchs in einer Zeit in die Musik hinein, wo es vor allem um Inhalte ging. Für uns war dies damals eine Rebellion – die Motivation war eine Mischung aus Lust und Widerstand (ein Zustand, der übrigens bis heute anhält). Es bestand damals – ohne nostalgisch zu sein – ein «atmosphärisches Klima», in dem die Ökonomisierung, der Anpassungsdruck und das Einschaltquotendenken noch nicht eine derart zentrale Rolle spielten, sondern das Ideal im Vordergrund stehen konnte. Dann gründeten wir 1972 die Band OM, eine verschworene Gemeinschaft, wo wir unsere Musik während zehn Jahren entwickeln konnten. Diese Situation legte für mich und die andern drei den Grundstein für unser Musikerdasein, das bis heute anhält.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Damals beides. Hinderlich in dem Sinn, dass uns nichts geschenkt und auf dem Tablett serviert wurde. Mir wurden auch von Haus aus Steine in den Weg gelegt. Wir mussten kämpfen – und wir wussten wofür. Zuträglich, dass zu jeder Zeit schnell irgendein Job da war, wenn man Geld brauchte.

Heute sind die Möglichkeiten für eine musikalische Ausbildung auch in der Schweiz auf einem hohen Niveau. Das resultiert u. a. im hohen technischen Niveau der Instrumentalisten. Andererseits passiert etliches bloss an der Oberfläche und unter sehr bequemen Voraussetzungen. Deshalb stechen wahrscheinlich auch heute unter den vielen sehr guten Instrumentalisten relativ wenig fantastische Musiker hervor.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

In meinem Fall war dies nicht notwendig, da ich mit OM verschiedenen internationalen Musikern aufgefallen bin und somit in sehr vielen ausländischen Bands und Projekten mitwirken konnte, ohne z. B. nach London, New York oder Berlin zu ziehen. Insofern war ich auch ohne das Internet entsprechend vernetzt. Wenn sich dies aber nicht in diese Richtung entwickelt hätte, dann wäre ich wahrscheinlich auch ins Ausland gegangen.

 

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Fredy Studer ist der schubladensprengende Luzerner Perkussionist.

 

fredystuder.ch

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