Spassige Walzerduette

Aleksey Igudesman serviert ein Vergnügen im Dreivierteltakt für zwei Geigen.

Comedy-Geiger-Dirigenten-Unternehmer Aleksey Igudesman. Foto: Julia Wesely

Vom umtriebigen Comedy-Geiger-Dirigent-Unternehmer Aleksey Igudesman habe ich mit grossem Spass seine zehn Walzer für zwei Geigen durchgespielt. Der Simple Waltz zu Beginn ist einfach zu spielen, aber gut geformt. Die anderen neun sind raffinierte Erfindungen in verschiedenen Stimmungen. Sie verlangen geläufiges Spiel und grosse dynamische und agogische Beweglichkeit. Humoristische Wirkungen entstehen durch eingebaute Generalpausen, hektische Begleitfiguren, Kratztöne oder theatralisch atemlose Wendepausen. Die Bearbeitungen von Chopin, Brahms und Johann Strauss treiben deren Inhalt auf die Spitze. Die beiden Stimmen wechseln demokratisch mit der Führung ab; es ist ein Vergnügen für Profis und gute Amateure … und ebenso für die Zuhörer.

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Aleksey Igudesman: Waltz & more für 2 Violinen, UE 33657, € 17.95, Universal Edition, Wien

Bukolisches

Heinz Holliger und György Kurtág tauschen auf dieser Aufnahme Erinnerungen aus, antworten sich aus der Ferne: Zeugnis einer musikalischen Wahlverwandtschaft.

Ausschnitt aus dem Cover

Der einsame Hirte am Strand, der Geliebten harrend, auf dem Doppelrohrblatt blasend, rufend, klagend: Bukolische Assoziationen dieser Art gehen einem durch den Kopf, vom ersten Ton an, einem Brief aus der Ferne, den György Kurtág im Gedenken an die 2014 verstorbene Harfenistin Ursula Holliger schrieb. Ihr Mann, Heinz Holliger, intoniert dieses Stück auf der Oboe herzzerreissend elegisch. Kein Zufall, wenn wir unter den 37 Tracks dieser CD mehrmals einer ähnlichen Stimmungslage begegnen, in Kurtágs …ein Sappho-Fragment etwa oder in …(Hommage à Tristan) – im 3. Akt der Oper taucht das Englischhorn auf. Holliger seinerseits greift den intensiven und warmen Tonfall auf. Oft handelt es sich um Erinnerungen an Verstorbene, Hommages an Freunde, Reminiszenzen an die Musikgeschichte, sehr berührend, zurufend, nachrufend, beschwörend, klagend, mal in zarten, mal in dunklen Farben, im Spiel von Holliger und Marie-Lise Schüpbach auf Oboe und/oder Englischhorn, und zumal, wenn Ernesto Molinaris Kontrabassklarinette hinzutritt. Es sind auch instrumentale Dialoge und Paarungen, wunderschön vorgetragen, mit Charakter, genau gezeichnet.

Zwiegespräche heisst die CD, die das Label ECM Holliger zum 80. widmet. Auf dem Cover erscheinen beider, Holligers und Kurtágs Name. Es ist das Zeugnis einer langen künstlerischen Freundschaft. Im ersten Moment mag erstaunen, wenn Holliger meint, ihre Kompositionsweisen seien einander ähnlich. Viele ältere Werke kommen einem gänzlich verschieden vor, und doch haben sich die beiden in den letzten Jahrzehnten wahlverwandtschaftlich angenähert. Schliesslich hatten sie in Sándor Veress den gleichen Lehrer. Diese sehr stimmige CD erzählt davon. Und wenn man denkt, das Ganze klinge doch sehr homogen, entdeckt man Nuancen, geheimnisvolle. Die Bezüge werden reicher und enger. So gehen die Stücke zuweilen zwischen beiden hin und her. Der Schweizer vertont Die Ros’ von Angelus Silesius, und der Ungar entgegnet darauf mit einer weiteren Vertonung, die Sarah Wegener singt.

Schliesslich mischt sich noch ein weiterer Künstler ins Gespräch. Der Lyriker Philippe Jaccottet rezitiert sieben seiner Gedichte, die sich Holliger in einer «Lecture pour hautbois et cor anglais» vornimmt. Er folgt darin den Worten, geht aber mit jeder Air ein Stück weiter, ins Mikrotonale und im letzten Stück Oiseaux schliesslich bis ins Geräuschhafte … Es ist eine Musik, die ins Weite reicht und einen fernen Horizont aufsucht.

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Heinz Holliger/György Kurtág: Zwiegespräche. Heinz Holliger, Oboe, Englischhorn, Klavier; Marie-Lise Schüpbach, Englischhorn, Oboe; Sarah Wegener, Sopran; Ernesto Molinari, Klarinetten. ECM 2665

«Get Going!» geht in die zweite Runde

Letztes Jahr vergab die FONDATION SUISA unter dem Titel «Get Going!» erstmals vier Anstossbeiträge, um innovative Kreativansätze ausserhalb der gängigen Schubladen zu fördern. Ab Ende Juni 2019 geht die Ausschreibung in die zweite Runde.

«Statt einem Künstler, einer Künstlerin im Nachhinein mithilfe eines Preises auf die Schulter zu klopfen, investieren wir nun das uns zur Verfügung stehende Geld stärker in die Zukunft», erklärte vor einem Jahr Urs Schnell, Direktor der FONDATION SUISA, die vom Stiftungsrat beschlossene neue Förderpolitik. Fördern statt urteilen wolle man und «so den Blick verstärkt nach vorne richten».

Gesagt, getan. Die erste Ausschreibung von «Get Going!» mündete in über 90 Bewerbungen. Dieses grosse Interesse für etwas völlig Neues sei für ihn schlicht überwältigend, meint Schnell. «Wir haben damit wirklich den Nerv der Zeit getroffen. Das durften wir in diesem Ausmass nicht erwarten, da eine solch offen formulierte Ausschreibung trotz aller Analysen ein innovativer Schuss ins Blaue war.»

Bertrand Denzler, Michael Künstle, Beat Gysin und das Duo Eclecta (Andrina Bollinger und Marena Whitcher) hiessen die ersten Empfängerinnen und Empfänger im Rahmen von «Get Going!». Der Betrag von je 25 000 Franken wurde ihnen zugesprochen, weil sie die Fachjury mit ihren kreativen Visionen zu überzeugen vermochten. Da die Anstossfinanzierung nicht an ein Resultat gebunden ist, ermöglicht diese den Musikerinnen und Musikern, befreit von finanziellem und zeitlichem Druck arbeiten zu können. «Ich glaube, dass der Faktor Zeit in einem immer hektischer werdenden Umfeld ein in seiner Kostbarkeit nicht zu unterschätzendes Gut geworden ist», erklärt Schnell einen der Vorzüge von «Get Going!».

Ausschreibung «Get Going!» 2019 ab Ende Juni

Ab Ende Juni können sich Urheberinnen und Urheber, Autorinnen und Autoren sowie Musikerinnen und Musiker, die einen deutlichen Bezug zum aktuellen schweizerischen oder liechtensteinischen Musikschaffen nachweisen können, erneut für einen «Get Going!»-Beitrag bewerben. Auch 2019 werden vier solche Anstossfinanzierungen in der Höhe von je 25 000 Franken durch eine Fachjury vergeben.

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass «Get Going!» die anderen Förderangebote der FONDATION SUISA, insbesondere das geltende Gesuchswesen, die bestehenden Partnerschaften, die Messen und Events im Ausland sowie das Klassenmusizieren, weder konkurriert noch tangiert.

«Im Gegenteil», erläutert Schnell, «als gewichtige Starthilfe ist das neue Modell eine Ergänzung zur bisherigen Förderung. Wir wollen neue kreative Orte ausmachen und in Zukunft verhindern, dass gewisse Projekte zwischen Stuhl und Bank fallen.»

Urs Schnell weiss, dass die bewusst weit offen gehaltene Formulierung der «Get Going!»-Ausschreibung zu Beginn etwas verwirrend sein könnte: «Musikerinnen und Musiker wurden in den letzten Jahrzehnten durch die traditionellen Förderinstrumente auf ein gewisses Gesuchsdenken konditioniert. Uns geht es mit der neuen Ausrichtung darum, uns als Förderin auf die Künstlerinnen und Künstler zuzubewegen, um mit dieser Umkehr das freie kreative Denken wieder in den Mittelpunkt zu rücken.» Um die Möglichkeiten von «Get Going!» aufzuzeigen, werden deshalb im Laufe der nächsten Wochen sowohl auf der Website der FONDATION SUISA wie auch auf dem SUISAblog Porträts der Empfängerinnen und Empfänger der letztjährigen «Get Going!»-Beiträge veröffentlicht.

> www.fondation-suisa.ch

> www.suisablog.ch

HEMU – A new direction

A woman at the head of the Haute Ecole de Musique Vaud Valais Friborg and the Lausanne Conservatory.

The Haute Ecole de Musique Vaud Valais Friborg (HEMU) is an educational institution recognized for its demanding and comprehensive training, as well as for its complicity with professional circles and its commitment to musical life. Multidisciplinary and multi-style, it covers all training profiles in classical, jazz and contemporary music. The HEMU is located in the heart of Europe and French-speaking Switzerland, and offers university-level education to more than 500 students of 39 different nationalities. Emphasizing both theory and practice, its Bachelor’s and Master’s study programs are established in such a way as to promote good access to the professional world. Its teaching staff, made up of many internationally renowned artists, guarantees its students high-level supervision. Historically present in the Lausanne Conservatory (before the Bologna reform), classical music has been taught at the HEMU for more than 150 years. Alongside it, the jazz and contemporary music departments, offered exclusively in French-speaking Switzerland, were created in 2006 and 2016 respectively. tradition, creation, research and development always with the aim of achieving, and helping to achieve, excellence. Each year, the HEMU produces more than 300 public performances: concerts, workshops, etc. The masterclasses given by prestigious musicians and the partnerships concluded with world-renowned institutions provide students with rewarding educational experiences and, above all, allow them to create a network. Its Bachelor and Master studies are accredited by the Swiss Confederation and recognized internationally. Since 2009, the HEMU has been part of the ‚Music and Performing Arts‘ area of ​​the Western Switzerland University of Applied Sciences (HES-SO), the largest network of higher professional training in Switzerland, which had nearly 21,000 students. at the start of the 2018-2019 school year.

Matthias von Orelli — Noémie L. Robidas, violoniste et jusqu’alors directrice du Département spectacle vivant de l’Institut supérieur des arts de Toulouse, est la nouvelle directrice générale de ces deux institutions. Québécoise, elle est au bénéfice d’une ample expérience professionnelle, tant comme musicienne, pédagogue, chercheuse que directrice d’établissement.

Madame la directrice, je suis heureux que vous preniez le temps de parler avec nous. Vous avez repris la direction il y a quelques mois. Quelles sont vos premières impressions ?

Je suis heureuse et enthousiaste d’être à la barre d’un si beau voilier qui accueille en son sein des musiciens depuis leur plus jeune âge jusqu’à l’obtention d’un Master. J’ai l’impression de pouvoir contribuer à tout un écosystème de la musique. J’y ai trouvé des équipes professorales et administratives motivées, fières de travailler à l’HEMU-CL. J’ai aussi fait la connaissance des élèves et étudiants qui sont nombreux et pleins de talent ! Cela est pour moi une grande source d’inspiration !

Vous connaissez la Suisse depuis longtemps. Votre perception du pays a-t-elle changé depuis que vous occupez ce nouveau poste ?

La Suisse est un pays où j’ai pu séjourner ponctuellement depuis une dizaine d’années et duquel je me sens proche en effet, probablement de par mes origines québécoises. Étrangement, d’un point de vue professionnel, je me sens plus à la maison en terres helvètes qu’en France où j’ai vécu les 7 dernières années. Je crois que cela tient dans le fait d’y retrouver des valeurs de simplicité et d’accessibilité à la hiérarchie sans que cela ne remette en cause le respect des fonctions. Je crois aussi retrouver en Suisse cette recherche collective de consensus. Évidemment, l’accent est différent ! (rires)

Vous êtes confrontée à une institution qui a traversé une période de crise et de tensions, ce qui a obligé l’ancien directeur à quitter ses fonctions. Est-ce que cela a affecté votre travail ?

Je vous mentirais en vous disant que cela n’affecte pas du tout mon travail. Je dois aider l’équipe à hisser la grande voile après la tempête. Certains ont encore la crainte que le vent ne s’agite à nouveau, mais c’est normal. Ce que je sens, c’est que tout le monde a envie de regarder de l’avant ! Cet accompagnement du changement est propre à toute nouvelle gouvernance, c’est un défi que je suis prête à relever !

Différences et similitudes

Vous êtes originaire du Canada et travaillez en France depuis longtemps : quelles sont les différences – ou les similitudes ?

J’ai appris à connaître le milieu musical de la Suisse par le réseau des conservatoires et écoles de musique où j’ai eu la chance de donner des formations continues pendant de nombreuses années. J’ai aussi été initiée aux enjeux de la musique à l’école ayant effectué un remplacement à la HEP-Bejune durant 6 mois. Pour ce qui est de la scène musicale à proprement parler, j’apprends à la connaître maintenant. Je pense que les musiciens en Suisse comme en Europe, ont la chance d’avoir un bel accompagnement de l’état, de nombreuses structures musicales et un public qui valorise l’art et la culture. En Amérique du Nord, les musiciens doivent bien souvent autogérer tous leurs projets et initiatives. Les qualités d’entrepreneur sont là-bas presque aussi importantes que le talent pour la réussite d’un musicien.

Vous avez une carrière très internationale. Comment percevez-vous les Hautes Ecoles de Musique Suisse en comparaison internationale ?

Ce sont de beaux établissements qui offrent des formations de grande qualité qui sont, selon moi, vraiment compétitives à l’international, c’est d’ailleurs ce qui explique notre grande attractivité et le fait que nos étudiants proviennent de partout dans le monde !

Les Hautes Ecoles de Musique suisses font également face à de grands défis. Lesquels sont les plus impor-tants et les plus urgents à votre avis ?

Je crois que le principal défi d’avenir de nos écoles relève de leur capacité d’adaptation face à un milieu professionnel en constante évolution. Nos hautes écoles doivent non seulement être à la page des besoins de leurs étudiants mais également anticiper le contexte auquel leurs diplômés seront confrontés dans 10-15-20 ans. Aujourd’hui, il ne suffit plus d’être un excellent instrumentiste pour réussir et vivre de la musique. Il faut donc doter nos étudiants d’un vaste portefeuille de compétences pour leur assurer un avenir professionnel. Il faut pour cela notamment remettre certaines de nos habitudes pédagogiques en question, revoir les plans d’études fréquemment.

Récemment, un journal suisse a déclaré que de nombreux musiciens vivent souvent pour la musique, mais pas de la musique. En Suisse, peu de gens choisissent la musique comme profession. D’une part, cela est dû au fait qu’en Suisse, les enfants ne sont pas spécialisés dès le plus jeune âge, ce qui est essentiel pour la musique, mais qu’ils se voient proposer différentes options. D’autre part, beaucoup de Suisses ne sont pas disposés à vivre uniquement «  pour  » la musique, ils veulent vivre «  de  » la musique. Où voyez-vous en ce cadre votre école ?

Cela est une grande question ! Je crois que l’HEMU-CL doit jouer une carte pour dynamiser l’écosystème suisse romand de la musique en accompagnant mieux les talents du territoire. Présente dans les cantons de Vaud, Valais et Fribourg, je crois plus que jamais que l’HEMU-CL doit agir en synergie avec les conservatoires et les écoles de musique pour que nous puissions créer chez les jeunes l’envie de se surpasser en leur donnant des modèles, en créant des systèmes de mentorat, en incitant les professeurs et directeurs des différentes institutions à travailler encore plus main dans la main. Nous devons troquer les idées de concurrence pour des idées de complémentarité.

La digitalisation est un sujet omniprésent. Où voyez-vous les opportunités de cette technologie pour votre Haute Ecole ?

Je dois avouer que nous avons un peu de retard de ce côté. Que ce soit des environnements numériques d’apprentissage, des applications, la mise en place de communautés numériques liées à l’apprentissage, le travail en studio d’enregistrement, il y a plusieurs opportunités à saisir qui sont efficientes et beaucoup plus accessibles qu’on y croit. D’ailleurs, nous inaugurerons un studio de grande envergure au Flon dès l’automne ! Mais, nous devons garder en tête que toutes ces innovations technologiques doivent rester au service de la pédagogie et de la musique.

Dialogue constructif

Vous avez dit que vous souhaitiez un dialogue constructif au sein de l’institution et que l’innovation et la créativité sont aussi importantes pour vous que l’excellence. À quoi cela ressemble-t-il dans la mise en œuvre concrète ?

Je crois que nous ne nous représentons pas aujourd’hui tous les défis écologiques et sociétaux à venir. En ce sens, bien que l’excellence reste pour moi une valeur fondamentale pour l’HEMU-CL, il me paraît primordial de former des musiciens davantage ouverts sur les enjeux du monde actuel et capable d’agir grâce à leur art à l’évolution de notre société. Concrètement, nous devons leur apprendre à diversifier leurs pratiques en terme esthétique, nous devons provoquer les rencontres avec d’autres formes d’art, avec la création d’aujourd’hui, avec des publics diversifiés. Les étudiants doivent apprendre certes à défendre un patrimoine musical, une esthétique et leur instrument, mais doivent impérativement développer une inventivité qui devra sans cesse être renouvelée. Cela est l’un de nos grands défis en tant qu’École !

Although I like several musical styles, my heart always comes back to an inexhaustible source of inspiration: Jean-Sébastien Bach… and, being a trained violinist, when I have a little free time (laughs), I dive back into happiness in the manuscript version of his Sonatas and partitas. His simple pen already lets the music be heard.

blühen

Üppiges Spriessen braucht den richtigen Boden, im Bereich der Musik zum Beispiel günstige politische Rahmenbedingungen oder fundierte Ausbildung, während schöpferische Zyklen bei allen Musikschaffenden individuell verlaufen.

Titelbild: www.neidhart-grafik.ch
blühen

Üppiges Spriessen braucht den richtigen Boden, im Bereich der Musik zum Beispiel günstige politische Rahmenbedingungen oder fundierte Ausbildung, während schöpferische Zyklen bei allen Musikschaffenden individuell verlaufen.

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Focus


Nicht jammern, sondern handeln

Voraussetzungen für eine blühende Künstlerkarriere


Es ist richtig, wenn man den Kulturbegriff weit fasst

Peter Keller, Min Li Marti und Rosmarie Quadranti diskutieren über kulturelle Blüte
PDF des Interviews


Es tönt aus dem Boden

Forschungsprojekt Sounding Soil


Cultiver son enseignement pour fleurir le chemin dʼaccès à lamusique

Chanter à lʼécole est beaucoup plus quʼun moment de détente


Lorsque les compositeurs éclosent, fleurissent ou sʼétiolent
Le parcours des compositeurs ne suit pas forcément une voie toute tracée


Der Kurtágs und anderer Blumenstücke

Etwas blüht auf und verwelkt wieder. Die «Ars longa» verhandelt die «Vita brevis»

 

… und ausserdem

FINALE


Rätsel
— Pia Schwab sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Nicht jammern, sondern handeln!

Was brauchte es, damit ihre Karrieren so richtig aufblühen konnten? Sechs Schweizer Musikerinnen und Musiker geben Antwort.

Foto: Lindsay Henwood on Unsplash
Nicht jammern, sondern handeln!

Was brauchte es, damit ihre Karrieren so richtig aufblühen konnten? Sechs Schweizer Musikerinnen und Musiker geben Antwort.

Der schubladensprengende, 71-jährige Luzerner Perkussionist Fredy Studer;
Benedikt Wieland und seine Band Kaos Protokoll;
die in allerhand experimentellen Projekten engagierte Joana Aderi;
Nik Bärtsch, mit Ronin und Mobile sowie solo;
Michael Sele, mit the Beauty of Gemina ein Begriff für Fans aufwühlender Rockklänge;
und Andreas Ryser, mit dem Elektronikprojekt Filewile ebenso gut vernetzt wie mit dem Label Mouthwatering:
lauter Schweizerinnen und Schweizer, denen es gelungen ist, sich auf internationaler Ebene zu profilieren. Wir haben sie gefragt, was nötig war, damit sie sich richtig entfalten konnten.

Die drei Fragen lauteten:

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

 

Die Antworten von (der Klick auf den Namen führt weiter):

Joana Aderi

Nik Bärtsch

Andreas Ryser

Michael Sele

Fredy Studer

Benedikt Wieland

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Joana Aderi

Foto: Mario Heller
Joana Aderi

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musikerin derart schön hast entfalten können?

Ich habe ein Umfeld gebraucht, das mich «machen liess». Die Narrenfreiheit einer Ausländerin kam mir da entgegen.
Grundsätzlich bin ich neugierig und sehr fleissig. Ich erschrecke mich manchmal selber mit meiner Selbstdisziplin. Aber die Motivation muss zu hundert Prozent von mir herkommen. Mein ganzes Lernsystem fällt sofort in sich zusammen, wenn mir von aussen etwas aufgezwungen wird. (suffering punk soul stellt sich quer.) Darum war eine Schweizer Musikhochschule für mich viel zu eng. An der Schule in Trondheim, Norwegen, habe ich dann den für mich essenziellen Freiraum gefunden. Ich bin unmittelbar aufgeblüht. Mein spätpubertäres Dasein erhielt im Norden oben die Möglichkeit, sich kompromisslos auszuprobieren, das heisst auch mal vollständig zu scheitern, um die eigenen Grenzen zu fühlen, mich kennenzulernen. Das hätte hier nicht in dieser Weise geklappt. Ich habe acht Jahre in Norwegen gelebt und hätte auch durchaus noch viel länger bleiben können. Für mich war es wichtig, mich ganz von der Schweiz abzumelden, um wirklich das Gefühl zu haben, ich falle ins Unbekannte hinein. Ein Atelier-Stipendium hat mich nie gereizt.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Die Schweizer Verhältnisse: Crabs in a bucket mentality!! Das habe ich fast nicht ausgehalten. Du musst noch nicht mal Taten an den Tag legen, es reicht schon, etwas grösser zu denken und du wirst zurückgepfiffen. Ich habe schon im ersten Jahr Musikstudium gewusst, dass ich auf die experimentellen Bühnen Europas will, ich wollte nie Musiklehrerin werden. In der Schweiz wurde mein junger Traum immer perforiert, Luftschlösser sofort zum Einsturz gebracht. Also bin ich ins Ausland gegangen und habe es einfach gemacht. Und es hat funktioniert.
Wir haben uns in Trondheim oft unter Sängerinnen getroffen, uns unsere verschiedenen Stimmen präsentiert, zusammen Dinge ausgecheckt. In einer grundsätzlich wohlwollenden Atmosphäre, wo wir uns ob der Andersartigkeit der anderen gefreut haben. Wir haben uns gegenseitig gepusht. No more crabs. Die Krabben finde ich ganz schlimm und es war ein Hauptgrund, weshalb ich weg musste.
Jetzt bin ich zurück in der Schweiz und bin sehr gerne hier. Ich glaube, es hat sich ein bisschen verändert. Oder vielleicht fühlt es sich anders an, wenn man seine innere Haltung zur Musik gefestigt hat und nicht mehr so sehr vom Umfeld abhängig ist?


Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Ich kenne wunderbare Musikerinnen und Musiker, die noch kaum je aus ihrer Kleinstadt herausgekommen sind. Ich bewundere das sehr, wenn Menschen am gleichen Ort, im gleichen Umfeld eine riesige Entwicklung durchlaufen können. Wie machen sie das bloss? Ich habe die Reibung im Unbekannten, wo ich unbekannt bin, unbedingt gebraucht, um mich zu erspüren.
 

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Joana Aderi ist in allerhand experimentellen Projekten engagiert.

 

Profil bei Helvetiarockt

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Nik Bärtsch

Foto: Claude Hofer
Nik Bärtsch

Was hat es in Deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Es braucht vor allem Eigeninitiative: nicht jammern, sondern handeln. Ab einer gewissen lokalen Resonanz braucht es dann dringlich internationale Erweiterung, sprich Möglichkeiten, mit bereits sehr erfahrenen Leuten arbeiten zu können. Das fordert und macht Spass. Man lernt gleichzeitig ungeheuer viel und merkt trotzdem, dass die auch nur mit Wasser kochen – und das Wasser in der Schweiz ist bekanntlich ausgezeichnet.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Grundsätzlich habe ich die Verhältnisse als sehr zuträglich empfunden: Wir haben genug zu essen und gutes Wasser zu trinken und gute Chancen, zu lernen. Dazu kommt eine grosse kulturelle Offenheit. Die Schweiz ist so etwas wie eine permanente Weltausstellung. Alles und alle kommen irgendwann mal hier vorbei. So kann man recht früh loslegen, beobachten und Risiken eingehen, seine eigenen Grenzen kennenlernen und erweitern. Gefährlich wird es, wenn man es sich wellnessmässig im Wohlstand bequem macht. Das funktioniert international nicht. In der Schweiz gibt es eine sehr gute und breite Kulturförderung, aber nur einen kleinen Markt. Das hat beides Vor- und Nachteile. Aber mit dem Markt hier kommt man mittelfristig auf keinen grünen Zweig.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

In unserem Bereich ganz klar. Die Schweiz ist zwar offiziell ein Land aber im Vergleich mit wichtigen grossen Musikländern wie den USA, Deutschland oder Grossbritannien, ist sie eigentlich eher eine Bonsai-Staat, so wie Tennessee oder Schottland. In den USA macht zum Beispiel eine Band erst die Tour um die Heimatstadt herum, dann im eigenen Staat, dann in denen darum herum, dann im ganzen Land und dann ev. noch in Übersee.
Bei uns bedeutet also der zweite Schritt bereits München oder Paris …
 

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Nik Bärtsch ist solo unterwegs, aber auch mit Ronin und Mobile.

 

nikbaertsch.com

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Andreas Ryser

Foto: Brigitte Lustenberger
Andreas Ryser

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Zuerst beantworte ich die Frage als Musiker: Ich glaube, wir haben bedingungslos an einem Projekt festgehalten, über viele Jahre hinweg. Irgendwann musste dies ein wenig erfolgreich gewesen sein, und wir hatten das Glück, etwas zu machen, das niemand sonst macht …Wir fanden unsere Nische. Und wir hatten mit Joy wohl einfach die grossartigste Sängerin, die in dieser Zeit in der Schweiz war …Wir haben von den Kultursubventionen profitiert, vor allem für die Auslandtourneen. Aber wir haben aus diesen Subventionen auch was gemacht. Und da wechsle ich nun den Hut: Ich war immer derjenige, der sich fürs Business interessiert hat, und auch daran, etwas Nachhaltiges aufzubauen, und die Kultursubventionen so einzusetzen, dass sie uns langfristig etwas bringen. Also statt tolle Gagen eben Promomandate usw.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Wenn du eine Nische bespielst, dann musst du ins Ausland, aber nicht, um dich musikalisch selbst zu verwirklichen (wir haben auch in der Schweiz grossartige Musik gemacht, aber wir haben uns halt auch an keine Vorbilder oder Bands gehalten, wir haben einfach gemacht, was wir wollten, und das Glück gehabt, dass jemand das toll fand …), sondern um genug Publikum erreichen zu können. Das Problem sind halt immer die sehr hohen Lebenskosten in der Schweiz, wir hatten immer 20–30% Jobs nebendran. Wenn du das meiste Geld im Ausland verdienst, sind die Gagen in der Schweiz halt dann weniger wert …

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Ich glaube aber, und jetzt spreche ich als Manager und Label und Verlag, dass es schon viele Schweizerinnen und Schweizer gibt, die den Biss nicht haben und sich dann eben ziemlich schnell für den einfacheren Weg entscheiden. Wir haben in der Schweiz eine Arbeitslosenquote von 2% und es ist fast immer möglich, einen Job zu finden. Sich für die Musik zu entscheiden braucht als Musiker oder Musikerin auch Mut und viel Selbstvertrauen und wohl auch ein grossartiges Team, das Inputs und Feedback gibt.

Erfahrung kann dann eben auch den Erfolg bringen, wenn jemand ausserordentlich gut ist. Es gibt genug Beispiele, dass Musikerinnen und Musiker es nicht schaffen, erfolgreich zu sein, weil sie sich selber im Weg stehen und nicht verstehen wollen, wie es läuft, oder eben auch niemanden haben, der sie supportet. Und dies finde ich ein Problem in der Schweiz: Es hat zu wenig gute Leute in der Musikindustrie, die nachhaltig und mit viel Wissen Musikerinnen und Musiker weiterbringen und begleiten.
 

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Andreas Ryser ist mit dem Elektronikprojekt Filewile ebenso gut vernetzt wie mit dem Label Mouthwatering.

 

Mouthwatering Records

 

Filewile

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Michael Sele

Foto: Daniel Kraski
Michael Sele

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Als Schweizer Musiker wächst man aufgrund der Grösse, der Sprache und den Gegebenheiten des Landes mit vielen Einflüssen aus dem Ausland auf. Dabei hatte in meinem Fall vor allem englischsprachige Musik aus England und Amerika seit jeher eine grosse Faszination auf mich ausgeübt. Es war für mich deshalb unabdingbar, auf dem langen und schwierigen Weg, die eigene Handschrift und musikalischen Sprache zu finden, immer auch wieder aufzubrechen, um im Ausland und quasi aus der Ferne meine eigenen Stärken und Eigenheiten herauszufinden. Für mich war das einer der Schlüssel zu möglichst grosser Authentizität, die eigenen Wurzeln zu finden.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Das ist eine schwierige Frage und ich würde sagen «weder noch».
Fakt ist aber schon, dass in unserem kleinen Land ein ausgesprochener Fokus auf die für den Mainstream produzierte Popmusik gelegt wird. Da wird auch enorm viel Geld investiert und das ist insofern auch etwas schade, da gerade in diesem Bereich die internationale Konkurrenz übermächtig ist und eigentlich kaum Chancen für einheimische Künstler besteht. Im Gegensatz dazu haben es immer wieder Künstler und Bands in diversen Genres geschafft, auch international beachtliche Erfolge zu feiern, die aus dem Independent Bereich kommen, die mit verhältnismässig wenig finanziellen Möglichkeiten und kaum Support durch die heimischen Musikbranche ihren Weg gegangen sind. Doch in diese Karrieren wird bedeutend weniger investiert. Ich habe in den letzten Jahren mit meiner Band in 25 Länder über 250 Konzerte gespielt, das wird aber beispielsweise bei der Swiss Music Award Auszeichnung für die beste Live Band nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen, weil es keine Popmusik ist. Gewinner sind Bands, welche innerhalb von ein paar Kilometern auftreten, Hauptsache, es ist Popmusik. Im Bereich der alternativen oder weniger kommerziellen Musikszene fehlt es zudem an genügend einheimischen Festivals oder Auftrittsmöglichkeiten, aber auch an Musikjournalisten und Fachleuten, die sich mit anspruchsvolleren Themen auseinandersetzen, die über einen entsprechenden Background verfügen, es fehlt an Spezialsendungen, Radio- oder TV-Formaten oder auch guten Netzwerken.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Absolut, aber man muss sich bewusst sein, im Ausland als Schweizer Musiker oder Band keine Vorschusslorbeeren zu bekommen. Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass es gerade in Deutschland eher kritisch gesehen wird und es einigen Durchhaltewillen braucht, um sich durchzusetzen. Man spürt schon auch immer noch viele Vorurteile. Die Schweiz wird halt weniger mit guter Musik in Verbindung gebracht, sondern leider immer noch vor allem mit Reichtum, Geld, Schokolade und Käse. Auch ist die Tradition von erfolgreichen Schweizer Künstlern einfach noch nicht in den Köpfen drin. Bands aus Skandinavien haben hier zum Beispiel enormen Bonus.
 

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Michael Sele ist mit the Beauty of Gemina ein Begriff für Fans aufwühlender Rockklänge.

 

thebeautyofgemina.com

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Fredy Studer

Foto: Ben Huggler
Fredy Studer

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Ich hatte enormes Glück: Ich wuchs in einer Zeit in die Musik hinein, wo es vor allem um Inhalte ging. Für uns war dies damals eine Rebellion – die Motivation war eine Mischung aus Lust und Widerstand (ein Zustand, der übrigens bis heute anhält). Es bestand damals – ohne nostalgisch zu sein – ein «atmosphärisches Klima», in dem die Ökonomisierung, der Anpassungsdruck und das Einschaltquotendenken noch nicht eine derart zentrale Rolle spielten, sondern das Ideal im Vordergrund stehen konnte. Dann gründeten wir 1972 die Band OM, eine verschworene Gemeinschaft, wo wir unsere Musik während zehn Jahren entwickeln konnten. Diese Situation legte für mich und die andern drei den Grundstein für unser Musikerdasein, das bis heute anhält.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Damals beides. Hinderlich in dem Sinn, dass uns nichts geschenkt und auf dem Tablett serviert wurde. Mir wurden auch von Haus aus Steine in den Weg gelegt. Wir mussten kämpfen – und wir wussten wofür. Zuträglich, dass zu jeder Zeit schnell irgendein Job da war, wenn man Geld brauchte.

Heute sind die Möglichkeiten für eine musikalische Ausbildung auch in der Schweiz auf einem hohen Niveau. Das resultiert u. a. im hohen technischen Niveau der Instrumentalisten. Andererseits passiert etliches bloss an der Oberfläche und unter sehr bequemen Voraussetzungen. Deshalb stechen wahrscheinlich auch heute unter den vielen sehr guten Instrumentalisten relativ wenig fantastische Musiker hervor.

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

In meinem Fall war dies nicht notwendig, da ich mit OM verschiedenen internationalen Musikern aufgefallen bin und somit in sehr vielen ausländischen Bands und Projekten mitwirken konnte, ohne z. B. nach London, New York oder Berlin zu ziehen. Insofern war ich auch ohne das Internet entsprechend vernetzt. Wenn sich dies aber nicht in diese Richtung entwickelt hätte, dann wäre ich wahrscheinlich auch ins Ausland gegangen.

 

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Fredy Studer ist der schubladensprengende Luzerner Perkussionist.

 

fredystuder.ch

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Benedikt Wieland

Foto: zVg
Benedikt Wieland

Was hat es in deinem Fall gebraucht, dass du dich als Musiker derart schön hast entfalten können?

Den Mut, den Willen und den Drang es trotzdem zu tun!
Ob ich mich dabei schön entfaltet habe, ist sehr relativ, sicherlich war und ist mein Weg nicht unbedingt gradlinig, dafür laufe ich mit zu offenen Armen, Augen und Ohren durch die Welt. Immer wieder entdecke ich etwas Neues, was mich fasziniert. Die Balance zwischen all meinen Tätigkeiten zu halten ist oft nicht einfach, aber ich empfinde es als grosses Glück, das zu tun was mir Spass macht.
Bei mir ist die Entfaltung ein stetiger Prozess indem es auch darum geht, Wünsche, Visionen und Erwartungen in Einklang mit meinem Handeln zu bringen.

Sind die Verhältnisse in der Schweiz einer musikalischen Entfaltung zuträglich oder hinderlich?

Für mich müsste die Frage lauten: Macht die Schweiz, ein Land mit einer hohen Lebensqualität und hoher wirtschaftlicher Stabilität, genug, um die musikalische Entfaltung zu fördern?
Ja und nein. Die Schweiz hat eine starke und vor allem sehr breite Kulturförderung, die uns natürlich viel ermöglicht.
Gerade in der Nischenmusik entsteht dadurch viel Spannendes, weil es dort leichter ist, einfach mal etwas auszuprobieren.
Mal abgesehen davon, dass die sozialen Verhältnisse in der Schweiz ja nicht besonders toll sind insbesondere für künstlerische Berufe oder allgemein für Leute, die nicht in erster Linie dem Geld hinterherrennen, wären die Voraussetzungen wohl gar nicht sooo schlecht.
Aber könnte man noch mehr tun? Definitiv. Geld zu haben ist nicht innovativ. Innovativ ist, was man daraus macht, und da tut sich die Schweiz schwer, mehr Farbe zu bekennen, gerade in unseren musikalischen Breitengraden. Ausserdem spielt die gesellschaftliche Denkweise eine grosse Rolle. Musik hat dabei noch lange nicht die Akzeptanz, wie zum Beispiel der Sport.
Ich kenne kein anderes Land, wo man mich nach meinem Beruf fragt und dann gleich nach gegebener Antwort nochmals nachhakt, was ich denn sonst noch mache …

Ist es für eine musikalische Selbstverwirklichung unabdinglich, ins Ausland zu gehen?

Nö, unabdinglich würde ich nicht sagen. Ich kenne so viele Musikerinnen und Musiker, die sich ohne längere Auslandaufenthalte ebenso verwirklicht haben.
Aber ich kann es trotzdem jedem empfehlen. Vor allem, wenn du den Drang verspürst, mal aus der «Wohlfühlzone» auszubrechen. Für mich ist Musizieren auch eine ständige Suche und mich würde es einengen, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, mein vertrautes Umfeld, meine Zone mal verlassen zu können.
Zudem finde ich all die neuen Eindrücke, die ich in einem fremden Land bekomme, sehr erfrischend: andere Lebensformen, andere Denkweisen, andere Menschen, andere Perspektiven … All das empfinde ich als grosse Bereicherung für meinen Weg. Und es ist doch auch spannend, die Schweiz mal von aussen zu betrachten, da sieht Vieles ganz anders aus, als wenn man drin lebt …
Ich habe jetzt natürlich vor allem vom Leben im Ausland gesprochen. Oder meintest du Touren? Bei Nischenmusik ist es natürlich unabdingbar, ins Ausland zu gehen, weil die Schweiz dafür viel zu klein ist. Wir müssen sofort raus. Am besten gleich am 2. Tag!:-)

 

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Benedikt Wieland ist Gründer und Mitglied der Band Kaos Protokoll.

 

kaosprotokoll.ch

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Wie klingt die Zukunft?

Eine Konferenz des Netzwerks Junge Ohren stellte in Berlin experimentelle Ansätze der Klangarbeit mit Kindern in Schulen vor. Referiert hat auch Barbara Balba Weber aus Bern.

Fotos: Maren Strehlau

Konzentriert stehen die Fünftklässler auf der Bühne. Einige bearbeiten Schlaginstrumente, ein Mädchen hat eine Gitarre auf den Schoss gelegt und zupft daran. Eine Gruppe Kinder pfeift und macht Laute mit dem Mund: brummen, quietschen, ploppen, schnalzen. Ein Kind lässt Wasser in ein Gefäss laufen, das Geräusch wird über Mikrofone verstärkt.

Das Stück, das hier erklingt, haben die Kinder im Rahmen des Projekts Klangradar erarbeitet. Das Konzept: Komponistinnen und Komponisten gehen drei Monate lang in eine Schule und begeben sich gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern auf eine Klangexpedition. Klangradar und die Ergebnisse der diesjährigen Projektphase zum Thema «Glück. Eine Klangspurensuche» wurden an der Konferenz Aufbruch in neue Hörwelten. Schule & Klangforschung am 23. Mai 2019 in Berlin vorgestellt. Organisiert und dazu eingeladen hatte das Netzwerk Junge Ohren.

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Führen und folgen

Wer einen solchen gemeinschaftlichen Kompositionsprozess anleiten wolle, so erläuterte die Komponistin Cathy Milliken in ihrer einleitenden Keynote, müsse die paradoxe Fähigkeit haben, gleichzeitig zu führen und zu folgen. Denn nur wer sich wirklich auf die Klangwelten einlässt, die die anderen Teilnehmenden mitbringen, kann eine «neue» Musik entstehen lassen und über die Begrenzungen der eigenen Klangvorstellungen hinausgehen.

Auch die Musikvermittlerin Barbara Balba Weber von der Hochschule der Künste Bern betonte, dass Offenheit eine der Eigenschaften sei, die es für solche Musikvermittlungsprojekte brauche. In der Begegnung von Schülern, Lehrpersonen und professionellen Musikschaffenden treffen ganz unterschiedliche Vorstellungen davon aufeinander, was Musik ist – und verschmelzen im besten Fall zu einem unerhörten neuen Ganzen. Darin hat jede Klangfarbe, jede Klangvorstellung ihren Platz, und so wird das gemeinschaftliche Komponieren ganz nebenbei sogar zu einer Übung in Demokratie, Vielfalt und Gleichberechtigung.

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Spazieren und konstruieren

Wie sich Klangexperimente im schulischen Alltag unterbringen lassen, wurde in einem Rundgang zur «Klangforschung in der schulischen Praxis» vorgestellt. Zum Beispiel der «Soundwalk». Angeleitet vom Musiker und Kulturwissenschaftler Manuel Schwiers bewegte sich eine Gruppe lauschend durch den Kreuzberger Sommernachmittag. Wie klingt eigentlich der Übergang vom Hinterhof auf die Strasse? Auf welche Klangumgebungen treffe ich, während ich mich durch die Stadt bewege? Und welchen Einfluss nehme ich, indem ich meine Aufmerksamkeit auf verschiedene Aspekte des Stadtklangs richte? Ist das vielleicht schon eine Art von Komposition? Nach mehreren intensiven Phasen des Lauschens diskutierte man überall solche Fragen, und es wurde deutlich, dass alleine das Hinhören auf die Umgebung, für das weiter keine Materialien notwendig sind, viele Ansatzmöglichkeiten für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern bieten kann – jedenfalls wenn es gelingt, dass sie sich auf diese Art der geschärften Wahrnehmung einlassen.

Die Komponistin Steffi Weismann bringt die Umgebung der Schüler auf etwas andere Art zum Klingen, nämlich indem diese aus Alltagsgegenständen selber Instrumente bauen. Eine ihrer Entdeckungen: die Quietschgeräusche, die Styropor macht, wenn man es anfeuchtet und an Glasscheiben reibt. Auch aus Eimern, Plastikverpackungen und Gummibändern baut Weismann mit den Kindern Instrumente, die in die Kompositionsprojekte Eingang finden.

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Loopen und kneten

Wie man Apps für die pädagogische Klangarbeit nutzen kann, stellte der Musiker Matthias Krebs vor, der in Hamburg das Gebäude der Elbphilharmonie gemeinsam mit Schülern auf seine Klangmöglichkeiten hin abklopft. Dabei erstellen sie mithilfe von Tablets kurze Videosequenzen, die sich digital bearbeiten, kombinieren und loopen lassen und so ebenfalls zu selbst gestalteten Klangsequenzen führen.

Der Klangkünstler und Galerist Knut Remond erweitert die Dimensionen dessen, was Klang eigentlich ist, hin zur Skulptur. Sein vorgestelltes Experiment im Rahmen der Konferenz: hinausgehen, auf die Umgebung lauschen – und das Gehörte dann mit Hilfe von Knete oder Ton in eine «Klangskulptur» umwandeln. Welche Klänge wohl entstehen, wenn diese Skulpturen wiederum von Musikern interpretiert werden?

An Ideen zu Klangexperimenten, das hat die Konferenz bewiesen, mangelt es nicht. Und in der Podiumsdiskussion «Wie klingt die Schule der Zukunft?» wurde deutlich, dass sich mehr und mehr Schulen auf solche Projekte einlassen, auch wenn die festen Strukturen des schulischen Alltags das nicht gerade einfach machen. Gewiss haben die Konferenzteilnehmer Inspirationen mit nach Hause genommen, wie auch sie in Zukunft dazu beitragen, dass Schule nach Vielfalt, Gemeinschaft und Aufbruch klingt.

PGM: Harmonisch, dissonant, temperiert?

Der bundesrätliche Entwurf der Kulturbotschaft 2021–2024 stand im Zentrum des Treffens der Parlamentarischen Gruppe Musik mit Delegierten der Musikorganisationen. Diese können bis am 20. September Stellung nehmen.

Bundeshaus in Bern mit Fontänen. Foto: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Die Veranstalter freuten sich: Der Aufmarsch am 5. Juni im Allresto in Bern war gross, rund 35 Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Musikverbände und des Parlaments hörten David Vitali zu, dem Leiter der Sektion «Kultur und Gesellschaft» im Bundesamt für Kultur (BAK). Eingeladen zu diesem Treffen hatte die Parlamentarische Gruppe Musik (PGM) mit ihrem Präsidenten, Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Der Einladung mit dem Titel Die neue Kulturbotschaft druckfrisch: Die Vorschläge des Bundes und die Forderungen des Musiksektors – harmonisch oder dissonant? beigelegt waren die Bemerkungen und Fragen des Schweizer Musikrates zur Kulturbotschaft 2021 ff.

Die Grundlagen für dieses Papier hatte der Schweizer Musikrat (SMR) bereits im Sommer 2018 zusammen mit seinen Mitgliedern erarbeitet und die aus diesen Konsultationen hervorgehenden sieben Kernanliegen des Musiksektors am 6. September 2018 mit dem BAK und Pro Helvetia besprochen. Zusammengefasst waren es: 1. Wertschätzung der Musik im Allgemeinen, 2. Debatte über eine faire Entschädigung von Urheber- und Interpretenrechten vs. Internetfreiheit, 3. Ermöglichung bereichsübergreifender Projekte, 4. Anschubfinanzierungen, 5. langfristige Entwicklungsstrategien für die drei Genres Volksmusik, aktuelle Musik, Klassische Musik, 6. Promotion der Schweizer Musik im Ausland und 7. Umsetzung des Artikels 67a «Musikalische Bildung» der Bundesverfassung.

Schwerpunkt musikalische Bildung

Vitali erläuterte zunächst den Hintergrund der am 29. Mai veröffentlichten Kulturbotschaft und verwies auf die Kontinuität ihrer strategischen Entwicklungslinien «Kulturelle Teilhabe», «Gesellschaftlicher Zusammenhalt» sowie «Kreation und Innovation», bevor er auf Neuerungen zu sprechen kam. Seine Ausführungen konzentrierte er auf die Umsetzung des Musikartikels, wofür seine Sektion zuständig ist. So soll das Programm Jugend und Musik weiter ausgebaut und ein Talentförderungsprogramm in Zusammenarbeit mit den Musikschulen und Musikhochschulen aufgebaut werden. Vorgesehen ist die Einführung einer Talentkarte nach dem Vorbild von Jugend + Sport. Dazu beantragt das BAK für die gesamte Förderperiode 25.6 Millionen Franken – rund 8 Millionen mehr als in der Vorperiode. Zudem soll der Musikartikel 67a BV um einen vierten Absatz ergänzt werden, Wortlaut zur Zeit: «Er [der Bund] kann musikalisch Begabte durch spezifische Massnahmen fördern.» Die mangelnde Verbindlichkeit dieser Kann-Formulierung hob Christine Bouvard, Präsidentin des Verbandes Musikschulen Schweiz, in der anschliessenden Fragerunde hervor.

Alle anderen Aspekte des Entwurfs die Musik betreffend wurden lediglich gestreift, da weder eine Vertretung aus der BAK-Sektion «Kulturschaffen» noch von Pro Helvetia anwesend waren. Die Delegierten von Sonart – Musikschaffende Schweiz formulierten die Erwartung, dass die Organisationen professioneller Kulturschaffender in der Kulturbotschaft nicht ausschliesslich auf ihre Rolle als gewerkschaftliche Dienstleister beschränkt werden. Sie müssen – wie ihre Partnerorganisationen im Ausland – ebenso wahrgenommen werden als die einzigen landesweit agierenden und darum unverzichtbaren Vermittler von Netzwerk, Diskurs und inhaltlichem Austausch, auch wenn die Mittel für letzteres nicht mehr aus der Bundeskasse fliessen.

Wie geht es weiter?

Jetzt gilt es, die Chance der Vernehmlassung zu ergreifen und die spezifischen Anliegen klar und deutlich zu formulieren. Der Schweizer Musikrat wird ein Muster zuhanden seiner Mitglieder entwerfen. Sie sind frei, die Vorlage nach ihrem Wunsch zu bearbeiten oder eine eigene Stellungnahme zu verfassen. Bis am 20. September 2019 können diese an die Adresse StabsstelleDirektion@bak.admin.ch geschickt werden. Die Verabschiedung der Kulturbotschaft wird im Februar 2020 erwartet, danach geht sie ins Parlament und soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Link zur Kulturbotschaft 2021-2024

Die Botschaft kann von dieser Seite heruntergeladen werden:
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-75271.html

Sonderpreis der Kritiker für Simon Wiener

Am Internationalen Violinwettbewerb Leopold Mozart hat der der 1994 geborene Simon Wiener aus Uster, derzeit Student an der ZHdK Zürich, in Augsburg den Sonderpreis der Kritikerjury gewonnen.

Simon Wiener (Bild: zvg)

Ausserdem erhielt Wiener noch den Sonderpreis Kammermusik für die beste Interpretation des 1. Satzes aus dem Trios Nr. 1 d-Moll op. 49 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Die Kritikerjury lobte insbesondere Wieners musikalische und expressive Intelligenz sowie seinen einzigartigen Zugang zu den Kompositionen.

Simon Wiener erhielt ab dem Alter von viereinhalb Jahren Violinunterricht. Von 2010 bis 2014 war er Schüler von Zakhar Bron. Anschliessend führte er sein Masterstudium bei Renaud Capuçon an der Hochschule Lausanne weiter, wo er 2018 sein Solistendiplom mit Auszeichnung abschloss. Derzeit ist er Schüler von Ilya Gringolts an der ZHdK in Zürich.

Der alle drei Jahre durchgeführte Augsburger Leopold Mozart Wettbewerb zählt zu den angesehensten Violinwettbewerben. Er ist Mitglied im Weltverband der Internationalen Musikwettbewerbe (WFIMC), Genf.

 

 

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