Zum Spielen nach allen Regeln der Kunst
In einer langen Orgelnacht haben die Hamburger Organisten am 17. Juni die neue Klais-Orgel der Elbphilharmonie unter ihre Hände und Füsse genommen. Viel Klangrausch – wenig Klangsinnlichkeit.

Konzertsaalorgeln fristen ein kümmerliches Dasein. Sie werden höchstens ein paar Mal im Jahr solistisch oder mit Orchesterbegleitung gestreichelt und geschlagen (toccare l’organo). Dennoch thront die Königin der Instrumente über den repräsentativen Sälen wie im bürgerlichen Salon das Buffet mit dem Rosenthal-Geschirr und dem Tafelsilber. Als «buffet» bezeichnen die Franzosen denn auch das Orgelgehäuse. Die alten Meister von Schnitger bis Silbermann bauten ihre Werke in ein geschlossenes, meist aus festem Eichenholz gezimmertes Gehäuse und gaben ihm auf dem Lettner einen «fermen Stand». Sie wussten weshalb. Denn der Klang muss sich hinter dem Prospekt erst sammeln, bevor er als Mischung von Pfeifen und Registern ins Kirchenschiff abgestrahlt wird. Selten so die modernen, weltlichen Orgeln, deren Pfeifenreihen an vorderster Front wie nackte Zinnsoldaten strammstehen.
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- Foto: Maxim Schulz /Elbphilharmonie
Ein Saal ist keine Kirche
Bei Konzertsaalorgeln ist die spielbare Literatur auf knapp drei Jahrhunderte beschränkt. Alte Musik mit ihrer um einen halben Ton tieferen, gar mitteltönigen Stimmung ist darauf mit Begleitung nicht spielbar. So tragen Barockorchester ihre eigenen Truhenorgeln auch zur Aufführung von Händels Solokonzerten aufs Podium. Da ist die grosse Orgel zum «tacet» verurteilt; ebenso, wenn ein Tasten- und Pedallöwe wie Cameron Carpenter lieber auf der vorprogrammierten, eigenen E-Orgel als auf der Pfeifenorgel im Saal seine Eskapaden vollführt.
Das Basler Stadtcasino wie die Zürcher Tonhalle bekommen nach ihren Umbauten in den nächsten Jahren neue Orgeln. Die Vorgängerinnen haben schon nach wenigen Jahrzehnten ausgedient. Sie werden eher ersetzt, als erhalten. Kurz ist ihre Lebenszeit, kurz ist auch die Nachhallzeit in Konzertsälen gegenüber dem sekundenlangen Hall in Kathedralen. Eine Saalorgel kann also ihre Klänge vom Soloregister bis zum Tutti längst nicht in gleicher Weise räumlich entfalten.
Grosses Besteck
Hamburgs neues Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, leistet sich dank einer Stiftung des Unternehmers Peter Möhrle, der zwei Millionen Euro hingeblättert hat, eine 25 Tonnen schwere Riesenorgel. Ihre Pfeifenfronten sind in Form eines Quadrats von 15 x 15 Metern auf vier Etagen im Grossen Saal eingebaut. Sie sind wie die Fisk-Orgel in der Lausanner Kathedrale wahlweise mit alter und neuer Traktur spielbar. Hoch oben am Spieltisch beim Prospekt erfolgt die Verbindung von den Tasten zu den Pfeifen in mechanischer Traktur; unten auf dem Orchesterpodium mittels elektrischer Verbindung. Die fahrbare Konsole ist mit einer digitalen Steuerung ausgestattet. Sie erlaubt beliebig viele Voreinstellungen für die Registrierungen per Touchscreen, der wie eine Besteckschublade ausfährt.
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- Foto: Maxim Schulz /Elbphilharmonie
Von Vox coelestis bis Tuba mirabilis
Bei 69 Registern ist alles da, was Organistenherzen in Tonhöhen von 16 bis 16 000 Hertz höherschlagen lässt. Die geheimnisvollen Namen reichen von einer Vox angelica über Principale major und minor, einer vierfachen Harmonia aetheria, einer aufschlagenden Orchesterclarinette, einem sechsfachen Nonencornett, einer 8-füssigen Stentorgambe bis zu den 32-füssigen Zungenregistern Trompete und Posaune im Pedal.
4765 Pfeifen geben den Ton an. Ihre Längen reichen von 1- bis 32-Fuss, konkret von 11 Millimetern für den höchsten bis fast 11 Metern für den tiefsten Ton. Für Wundernasen, Kinderhände und Blinde, die die Pfeifen anfassen möchten, sind sie gar beschichtet. Die Prospektpfeifen brüsten sich aber nicht an vorderster Front wie bei traditionellen Orgelgehäusen, sondern sind wie eine Königin aus Saba verschleiert. Erst beim Öffnen der Jalousieschweller erstrahlen sie im gleissenden Licht.
Den vier Manualen zugeordnet sind: Chorwerk, Hauptwerk, Schwellwerk, Solowerk und Pedal. Besonders stolz sind die Erbauer, die Bonner Firma Klais, auf das Fernwerk, dessen vier über dem Akustik-Reflektor eingebaute Zungenregister ihre Signale vom Firmament des Saals herab auf die Besucher ergiessen.
Mit der Königin Tango tanzen
Wie klingt sie nun, die neue Klais-Orgel? Das konnte man ausgiebig testen während der sechsstündigen Orgelnacht, die den Hamburger Orgelsommer 2017 eröffnete, nachdem die lettische Titularorganistin Iveta Apkalna ihre Königin im Januar bereits vorgestellt hatte.
13 Organisten und 2 Organistinnen spielten und registrierten die Konzertsaalorgel nach allen Regeln der Kunst in Werken von Bach und Vivaldi über die Romantiker Mendelssohn, Franck, Pierné, Widor und den Klassikern der Moderne David, Eben, Reda und Messiaen bis zu einer Uraufführung von Wolf Kerschek. Originell die Jacobi-Organistin Kerstin Wolf, die bei den flimmernden Stücken des Franzosen Thierry Escaich, des Holländers Ad Wammes und des Südafrikaners Surendran Reddy auf der Orgelbank tänzelte und ihre Füsse wippen liess, als wollte sie mit der Königin Tango tanzen.
Der Saal bleibt kühl
Unterschiedlich beurteilen die Spieler das neue Konzertinstrument. Die Kirchenorganisten müssen sich erst an die Elektronik gewöhnen. Die Klangkombinationen bewegen sich über die ganze Palette von leise bis laut, vom Säuseln im Pianissimo bis zum bedrohlichen Tutti bei offenen Schwellregistern. Alles ist «pomposo» herausgestrichen; die einzelnen Klänge sind heraushörbar. Es fehlt eine subtile klangliche Abmischung, was mit der kurzen Nachhallzeit von 2 Sekunden, aber auch mit der akustischen Ästhetik von Yasuhisa Toyota zusammenhängt. Durch die muschelförmig gestalteten Wände soll eine ebenmässige Durchhörbarkeit auf allen 2100 Plätzen bis zu den oberen Rängen der Weinberg-Architektur im 25 Meter hohen Saalrund erreicht werden. Die Überpräsenz hat ihren Preis. So strahlt die Orgel wenig klangliche Wärme aus. Die Kühle des akustischen Konzepts ist in den Raum projiziert wie eine gleichtemperierte Air Condition. Geradezu wehmütig sehnt man sich nach den alten Orgeln von Hus bis Cavaillé-Coll, auf denen die Literatur von der Renaissance bis zur Spätromantik gereift zur Geltung kommt und die Kirchenräume mit intonatorisch austariertem Glanz erfüllt.
Infografik Orgel (aus dem Pressedossier der Elbphilharmonie; Legende siehe unten)
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- Grafik: © bloomimages/Elbphilharmonie
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- Beschreibung: © Elbphilharmonie
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Musikprojektförderung im Waadtland
Die Kulturabteilung des Kantons Waadt schreibt neu alle zwei Jahre eine Förderung aktueller Musik aus. Dafür stehen pro Zyklus 20’000 Franken zur Verfügung.

Die Beiträge werden vom Département de la formation, de la jeunesse et de la culture (DFJC) an junge Musikprofis ausgerichtet. Zum ersten Mal wird die Unterstützung im laufenden Jahr ausgeschrieben. Dabei existiert eine Partnerschaft mit der Fondation romande pour la chanson et les musiques actuelles (FCMA), die die Unterstüzung weiterführen kann.
Anträge stellen können Personen, die jünger sind als 35 Jahre, Waadtländer sind oder im Waadtland wohnen, ihre musikalischen Tätigkeiten seit mindesten fünf Jahren beruflich ausüben und sich dabei innerhalb professioneller Strukturen bewegen, das heisst, über ein Label, einen Verlag oder ein professionelles Management verfügen.
Einsendeschluss einer Bewerbung ist der 1. August. Interessierte finden mehr Infos unter www.vd.ch/bourses-culture
Wenn Musik das Leben verändert
Ein gemeinsames Projekt von Youth Classics und Sonidos de la tierra brachte neben bekannten Konzertstücken Barockmusik aus Paraguay und Werke des indianischen Komponisten Julian Atirahu zu Gehör.

Im Benefizkonzert von Youth Classics, dem Zürcher Förderprogramm für hochbegabte Kinder und Jugendliche, spielen diesmal auch sozial benachteiligte Kinder aus Paraguay mit. Sonidos de la tierra (Klänge der Erde) heisst die Initiative des Komponisten und Dirigenten Luis Szarán, der für in Armut lebende Kinder in diesem südamerikanischen Land eine unentgeltliche Musikausbildung und Konzerte organisiert. So auch am 22. Juni im Stadthaus Winterthur.
Die Idee ist nicht neu, aber sie greift auch hier: Kinder, die ohne Perspektive in Armut aufwachsen, lernen singen oder ein Instrument spielen und finden im gemeinsamen Musizieren Freunde und eine sinnvolle Beschäftigung. «Wer tagsüber Mozart spielt, wirft nachts keine Fensterscheiben ein», so das Bonmot von Luis Szarán, der selber aus Paraguay stammt. Der Direktor des Asuncíon City Symphonic Orchestra ist auch als Musikforscher tätig; die indigene Musik Paraguays ist ihm ein grosses Anliegen.
Gemeinschaft macht stark
Mit Sonidos de la tierra hat Szarán in den letzten 15 Jahren ein soziales Netzwerk aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Landesweit gibt es nun rund 200 kostenlose Musikschulen, über 17 000 Jugendliche wurden hier ausgebildet. In Paraguay wohnen knapp zwei Drittel der insgesamt 6,8 Millionen Einwohner in ländlichen Regionen, 28 Prozent leben in absoluter Armut und haben laut Definition der Weltbank weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Grundschule ist zwar gewährleistet, doch jede weitere Bildungs- oder Fördermöglichkeit ist unbezahlbarer Luxus.
55 Franken kosten Material und Arbeitszeit für eine neue Gitarre; 125 Franken sind nötig für eine Musiklehrerausbildung. Diese kleinen Summen machen einen grossen Unterschied. Sonidos de la tierra wird durch Spenden und durch die Organisation Jesuiten weltweit unterstützt. Szarán organisierte zunächst in 18 Dörfern Instrumente und stellte einen Lehrer an. Die Eltern sorgten für den Bau der Schule und sammelten Spendengelder, die Kinder wurden zu stolzen Instrumentenbesitzern, sie hatten regelmässig Unterricht und ein klares Ziel vor Augen. Ob im Chor oder im Orchester: Die Gemeinschaft macht stark.
Nun sind die Begabtesten unter ihnen in der Schweiz. Remo Schällibaum, Präsident von Youth Classics, ist selber öfter in Paraguay und initiierte dieses gemeinsame Benefizkonzert im Stadthaus Winterthur. Drei Jugendliche aus Paraguay können an der Master Class von Youth Classics auf der Musikinsel Rheinau teilnehmen. Hier treffen sich vom 17. bis 27. Juli hochtalentierte Kinder und Jugendliche aus aller Welt, um unter der Künstlerischen Leitung von Philip A. Draganov mit den Dozenten zu musizieren, zu improvisieren und sich auszutauschen.
Barockmusik und indigene Kultur
Was die Jugendlichen aus Paraguay für das Konzert von zu Hause mitbrachten, war ein reizvolles Programm voller Überraschungen. Unter dem Motto «Barockmusik und indigene Kultur» spielte das 21-köpfige Orchester Werke der Jesuitenmissionare Domenico Zipoli SJ (1688–1726) und Martin Schmid SJ (1694–1772) sowie von unbekannten Komponisten, die damals in den «Reduktionen», den von den Jesuiten für die Einheimischen gebauten Dörfern, gewirkt haben.
Es war erstaunlich, mit welch rhythmischer Präzision und Agilität die Jugendlichen aus Paraguay die für unsere Ohren «traditionelle» Barockmusik spielten. Hier gesellte sich ein herzhaft prägnant singendes Vokalensemble mit vier weiblichen und drei männlichen Stimmen dazu, da ein weich und ganz entspannt spielender Solo-Flötist.
Und dann der Wechsel zur Musik des indianischen Komponisten Julian Atirahu, der aus der Ethnie der Guaraní stammte und im 18. Jahrhundert in einem Missionsdorf der Jesuiten in Paraguay ausgebildet worden war: eine klanglich flirrende, rhythmisch vital pulsierende Musik, geschickt arrangiert und von den Jugendlichen mit temperamentvoller Freude gespielt.
Vital und virtuos
Die Harfe ist das Nationalinstrument in Paraguay, die 17-jährige Eva Natalia Gonzáles offenbarte sich als Virtuosin mit vitaler Ausdruckskraft. Und dann der erst 14-jährige Juan Sebastían Duarte mit seinem Bandoneon: virtuos, locker und von einer begeisternden rhythmischen Leichtigkeit. Der Funke sprang, das Publikum spendete herzhaften Applaus. Und wie der 63-jährige Luis Szarán als Dirigent den jugendlichen Geist elegant und mit sparsamer Gestik zum Blühen brachte, war einfach rührend.
Der zweite Programmteil wurde vom Youth Classics Orchestra unter der Leitung von Philip A. Draganov mit klassischer Konzertliteratur bestritten. Ob bei Bach, Haydn oder Grieg, die Solistinnen und Solisten zeigten ihr bravouröses Können in ausgewählten Sätzen. Was der erst elfjährige Schweizer Geiger Raphael Nussbaumer als jüngster von ihnen in Wieniawskis Scherzo-Tarantella op. 16 für technisch knifflige Kunststücke vorführte, war von einem anderen Stern. Im Schlussstück von Carlos Gardel (1890–1935) spielten beide Jugendorchester zusammen – ein Freudenfest auch fürs Publikum.
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- Foto: Michel Huber
- Das Youth Classics Orchestra unter der Leitung von Philip A. Draganov am 22. Juni in Winterthur
Zahlen, Wahlen, Preise und eine Resolution
Die Generalversammlung der Suisa hat eine Resolution zur Stärkung des Service public verabschiedet. Sie fordert das Schweizer Parlament auf, der wichtigen Rolle der gebührenfinanzierten TV- und Radiosender Rechnung zu tragen.

Für die Schweizer Musikschaffenden seien die SRG-Sender ausserordentlich wichtig, schreibt die Suisa. Die Sender entdeckten ihre Musik und böten ihnen eine wichtige Plattform. Die gebührenfinanzierten Sender erfüllen einen Service-public-Auftrag, zu dem auch Unterhaltung, Musik und Kultur dazugehören. Gerade die SRG-Sender verbreiten Schweizer Musik aller Sparten und kommen gesamthaft auf einen Anteil von 20 Prozent Schweizer Musik – durchschnittlich mehr als doppelt so viel wie die Privatsender.
Die Urheberrechtsgesellschaft Suisa hat im letzten Jahr das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt und kann 128,9 Millionen Schweizer Franken an die Komponisten, Textautoren und Verleger von Musik verteilen. Nach einem Kostenabzug auf den Abrechnungen an die Bezugsberechtigten von 12,37 Prozent verteilt die Suisa rund 88 von 100 Franken ihrer Einnahmen an die Komponisten, Textautoren und Verleger von Musik.
Die Generalversammlung hat in einer Ersatzwahl den Zürcher Komponisten und Orchestrator für Film- und Werbefilmmusik Jonas Zellweger in die Verteilungs- und Werkkommission (VWK) gewählt. Er ersetzt Alexander Kirschner, der vorzeitig zurücktritt. Die VWK besteht aus Suisa-Mitgliedern und beschäftigt sich primär mit Fragen zur Verteilung der Suisa-Einnahmen.
Der Berner Text-Autor und Komponist Polo Hofer erhält den diesjährigen Preis der Fondation Suisa in der Kategorie «Textautorinnen und Textautoren musikalischer Werke». Die Stiftung ehrt den Musiker Polo Hofer für sein Gesamtwerk als Text-Autor. Die Jury würdigte insbesondere die Beharrlichkeit, mit der Hofer seit 50 Jahren seiner Arbeit nachgeht. Auch mit 72 und trotz gesundheitlicher Rückschläge ist Polo Hofers Passion fürs Texten und Musikmachen ungebrochen. Songs aus seiner Feder sind zu Volksliedern geworden.
Richard Taruskin mit Kyoto Preis geehrt
Der amerikanische Musikwissenschaftler Richard Taruskin wird mit dem mit 50 Millionen Yen (rund 400’000 Euro) dotierten Kyoto Preis ausgezeichnet. Die hochkarätige Auszeichnung wird jeweils in den Kategorien Advanced Technology, Basic Sciences und Arts and Philosophy verliehen.

Richard Taruskin ist laut der Mitteilung von Kyocera Musikwissenschaftler und -kritiker, der sich «konventionellen kritischen Paradigmen widersetzt und zeitgenössische Perspektiven der Musik seinen historischen Forschungen und Essays unterwirft». Er argumentiert, dass zeitgenössische Aufführungen der Alten Musik keine wahre Authentizität bieten, sondern eher Reflexionen der Ästhetik des späten 20. Jahrhunderts seien.
Taruskin ist Autor der Oxford History of Western Music, des umfangreichsten Überblicks über die westliche Musikgeschichte, der jemals von einem einzigen Autor geschrieben wurde. Die Qualität und der Umfang seiner Arbeit zeigten, so Kyocera weiter, dass die Musik «Kreativität nicht nur in Komposition und Aufführung, sondern auch im detaillierten Diskurs über den Zusammenhang, in dem Musik entstanden ist, erfordert».
Vergeben wird der Kyoto Preis von der japanischen Inamori-Stiftung, die 1984 von Kazuo Inamori, dem Gründer des Technologiekonzerns Kyocera, ins Leben gerufen wurde. Die beiden andern diesjährigen Preisträger sind der Halbleiter-Ingenieur Takashi Mimura und der australische Pflanzenphysiologe Graham Farquhar.
Stephan Märki bleibt bis 2021 in Bern
Der Stiftungsrat von Konzert Theater Bern (KTB) hat den Vertrag mit dem Intendanten Stephan Märki um weitere zwei Jahre bis 2021 verlängert. Der Rat hatte ursprünglich einen weiteren Vier-Jahres-Vertrag angeboten.

Mit der Verlängerung um zwei Jahre bis zum Ende der Saison 2020.21 folgt der Stiftungsrat laut seiner Mitteilung dem Wunsch von Stephan Märki, der im Mai 2011 zum Intendanten gewählt worden war und erstmals 2014 seinen Vertrag bis 2019 verlängert hatte.
Laut Stiftungsratspräsident Marcel Brülhart waren vergangenen Jahre von grossen Herausforderungen geprägt, insbesondere der Fusion von Orchester und Theater, der Sanierung des Stadttheaters sowie dem Streben nach finanzieller Stabilität. Dass nebst der Bewältigung dieser Herausforderungen die künstlerische Qualität und der Publikumszuspruch in allen Sparten stetig wachse, sei «eine herausragende Leistung des Intendanten und der gesamten Führungscrew». Konzert Theater Bern sei heute wirtschaftlich konsolidiert, habe sich geöffnet und könne zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Das Wallis ehrt Franziska Heinzen
Die Sopranistin Franziska Andrea Heinzen erhält einen mit 10’000 Franken dotierten Förderpreis des Kantons Wallis. Ein Spezialpreis in der gleichen Höhe wird dem Musiker Richard Jean verliehen. Der diesjährige Kulturpreis des Kantons geht an den Filmemacher Pierre-André Thiébaud.

Die 1985 in Brig geborene Sopranistin Franziska Andrea Heinzen hat an den Musikhochschulen von Zürich und Düsseldorf studiert. Sie pflegt neben der Oper mit dem Pianisten Benjamin Malcolm Mead die Liedkunst sowie das Konzertrepertoire. Das Duo erhielt 2017 den ersten Preis am 2. internationalen Liedduo-Wettbewerb Rhein-Ruhr und wird im März 2018 an der Schubertiade in Barcelona auftreten.
Der 1951 geborene Musiker und Video-Filmemacher Richard Jean lebt und arbeitet in Sitten. Mit Installationen, Konzerten und Begegnungen mit Ton und Bild inszeniert er «besondere Atmosphären, um die Kunst der Avantgarde zu zeigen». Er ist die treibende Kraft des Kollektivs «L’oeil et l’oreille».
Weitere Förderpreise gehen im Wallis an die Schauspielerin Mali Van Valenberg und das Ensemble Courant d’Cirque. Die Preisübergabe findet am 3. November 2017 im Unterwallis statt.
Bitch oder Selbstausbeuterin
Mit dem Empowerment Day rückt der Verein Helvetia rockt der Geschlechterungleichheit im Bereich Popularmusik zu Leibe. Am 17. und 18. Juni 2017 fand im Progr und im Frauenraum Bern die zweite Ausgabe statt.

Jährlich kehrt er nun wieder, man darf sicherlich erwarten, dass er zur Gewohnheit wird: der Gleichstellungstag der Schweizer Musikbranche, der Empowerment Day. Als Veranstalter haben sich Helvetia rockt, das Schweizer Musiksyndikat, der Rockförderverein Basel sowie Musikschaffende Schweiz zusammengefunden, um sich – wie es in der Ankündigung heisst – «mit der Präsenz, dem Status und dem Anteil der Frauen und Männer in der Schweizer Jazz- und Pop-Musikszene» auseinanderzusetzen. Das Ziel: «Entwicklung von konkreten, umsetzbaren Lösungen für den Veränderungsprozess». Das und auch die Formate sind überaus ansprechend: Konzerte von Bands aus dem Nachwuchsförderprogramm von Helvetia rockt, Netzwerktreffen, Diskussionen und zahlreiche, auch zeitgleich veranstaltete Workshops ergänzen sich gekonnt; Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Strategien gegen Sexismus im Netz, Überlegungen zu Fallstricken des Empowerment-Konzepts, Gefässe gendergerechter finanzieller Förderung und humanes Handeln im Musikbusiness beziehen gleichermassen Musikerinnen und Musiker, ihr familiäres und professionelles Umfeld, aber auch Medienschaffende und Förderstellen in die Arbeit ein. Ein wohldurchdachtes Rundumpaket, austariert zwischen Musik und Text, Produktion und Rezeption, Arbeit und Vergnügen. Und ein hoher Anspruch an sich selbst, diese komplexen Themen geballt und ergebnisorientiert verhandeln zu wollen.
Enger Handlungsspielraum
Die beiden besuchten Workshops zu Empowering – Klischees, Fallstricke und Chancen sowie Gendergerechter Förderung leben vor allem durch den Erfahrungsaustausch der «direkt Betroffenen» im Publikum. Und man staunt (im erstgenannten Workshop), wie eng der Handlungsspielraum für Musikerinnen in der Popularbranche immer noch ist: Gehen sie zu den späten After-Event-Parties, auf denen die Gigs ausgehandelt werden, kommen die Frauen in den Ruf, sich Auftritte zu erflirten oder zu erschlafen. Tun sie es nicht, auch weil sie keine Lust auf Männerseilschaften haben, wird es schwierig, überhaupt zum Zug zu kommen. Verhalten sie sich in Gage-Verhandlungen hart und fordernd, wird ihnen Arroganz nachgesagt und schnell wird man «menschlich schwierig» und zur «Bitch». Stellen sie ihr Licht, angeblich schön weiblich, unter den Scheffel, werden wir wohl noch recht lange einen Equal Pay Day veranstalten müssen. Und es ist eine Ermüdung spürbar: Sich immer wieder, ausgesprochener oder unausgesprochener, Geschlechterdiskriminierung stellen zu müssen, sie zu verbalisieren, gegen sie anzudiskutieren führt zu Frustration. Nicht zuletzt auch, weil die Genderthemen in der LGBT-Szene inzwischen viel weiter aufgefächert wurden; weil wir zu wissen glauben, dass Diskriminierung nicht nur auf dem geschlechtlich Anderen beruht, sondern immer mehrere Faktoren zusammenspielen. Ein wenig ratlos steht man gemeinsam vor der Kluft zwischen Erfahrungsberichten, die in die Anfänge der Frauenbewegung zu weisen scheinen: Männerwelt und Machobünde; und dem Wissen darüber, wie es eigentlich und legal sein sollte.
Fehlende Instrumente
Beim Workshop zu gendergerechter Förderung ergab sich ein grundlegend anderes Problem: Während es zur Geschlechterverteilung in der Schweizer Konzert- und Festivalszene inzwischen Statistiken gibt (laut Veranstalterin Yvonne Meyer liegt der Frauenanteil auf der Bühne bei 10 bis 20 Prozent), ist es vollkommen unklar, wie gross der Anteil an Frauen ist, die Gelder für ihre Pop-Projekte in der Schweiz bewilligt bekommen. Die angesprochenen Forderungen nach einer zeitlich begrenzten Geschlechterquote in der Förderung, nach familienfreundlichen Eingabeterminen für Gesuche, nach Ethikrichtlinien für Zusammensetzung und Amtsdauer in Kommissionen, nach nicht ausschliesslich ergebnisorientierter Förderung auch von «Auszeiten» schwebten im luftleeren Raum. So dringlich sie auch sein mögen, ihre tatsächliche Relevanz ist schwer nachzuweisen. Selbst darüber, ob es in der Schweiz bereits spezifische Mittel der Frauenförderung gibt oder geben sollte, herrschte Uneinigkeit – während es in der staatlich unterstützten Wissenschaftsförderung diese Gefässe, Statistiken und Massnahmen bereits seit Längerem gibt.
Fazit
Was bleibt? Reichlich Diskussionsgrundlage dazu, wie Empowerment aussehen könnte, ohne selbst Geschlechterklischees festzuschreiben; viele, auch theoretische, dringliche Arbeitsfelder; und die Notwendigkeit der Vernetzung über die eigenen Wirkungskreise hinaus. Stoff für die kommenden Jahrgänge, die mit engerem Fokus vielleicht auch konkreter wirken können. Es ist bitternötig.
Basel mit Crowdfunding erfolgreich
2012 startete Basel die erste kantonal unterstützte Crowdfunding-Plattform der Schweiz. Die Abteilung Kultur Basel-Stadt zieht über die fünf Jahre ein sehr positives Fazit: Bis heute spendeten 15‘000 Unterstützende über 2,2 Millionen Franken für Projekte aus dem Kultur- und Kunstbereich.

Von den bisher 338 Projekten konnten somit 256, also 76 Prozent, erfolgreich finanziert werden. Der durchschnittlich gesprochene Beitrag beträgt 143 Franken, was in einem internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch ist.
Unter den so realisierten Musikprojekten findet sich etwa eine Musikanlage für den Club Kaschemmen. Die Kampagne mit dem höchsten Beitrag war eine Albumproduktion der Band Bianca Story, die von 625 Unterstützenden 91’662 Euro sammeln konnte.
Crowdfunding ist vor allem in jenen Bereichen wirkungsvoll, die nicht den tradierten beziehungsweise klassischen Förderkriterien entsprechen. Seit Juni 2012 ermöglicht die Abteilung Kultur mit der ersten regionalen Crowdfunding-Plattform der Schweiz, einer Subdomain der schweizweiten Plattform Wemakeit, eine Zusatzfinanzierung für kulturelle Projekte aus der Region Basel, ohne dafür eigene direkte Fördermittel einzusetzen.
Crowdfunding benötigt ein grosses Engagement der Projektinitianten. Neben einer guten Präsentation und attraktiven Gegenleistungen, ist die persönliche Vernetzung der wichtigste Faktor für die erfolgreiche Durchführung einer Kampagne.
Webseite: basel.wemakeit.ch
Prioritäre Jazzförderung 2018-2020
Für die prioritäre Jazz-Förderung der Periode 2018-2020 ist die Ausschreibung eröffnet. Das Programm richtet sich an Schweizer Working-Bands oder Band-Leaders am Anfang einer Karriere, die ihre internationale Präsenz erweitern wollen.

Die «Prioritäre Jazz-Förderung» beinhaltet die Unterstützung von internationalen Tourneen, Coaching-Angeboten sowie Tonträgerproduktionen. Ziel der «Prioritären Jazz-Förderung» ist eine nachhaltige Stärkung der Präsenz des Schweizer Jazz auf internationaler Ebene.
Die Bands sind in der aktuellen Schweizer Jazz-Szene etabliert, treten regelmässig in den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz auf und haben erfolgreiche internationale Tourneen durchgeführt. Sie verfügen zudem über ein Repertoire an Eigenkompositionen, professionelle Booking- und Managementstrukturen sowie über einen internationalen Vertrieb ihrer Tonträger.
Bewerbungen inklusive einer detaillierten Karriereplanung (Tourneen, Tonträger) nimmt Pro Helvetia ausschliesslich online über www.myprohelvetia.ch entgegen.
Sommerfestival Ticino Musica
Ticino Musica findet dieses Jahr vom 16. bis 29. Juli statt. Einige Musikerinnen und Musiker, die früher teilgenommen haben und heute international erfolgreich tätig sind, berichten von ihren Erfahrungen, die sie an den Tessiner Meisterkursen gesammelt haben.

Was nur ist Ticino Musica? Was ist das Ausserordentliche dieses Festivals? Um das zu erfahren, sollte man sich im Sommer zwei Wochen Zeit nehmen, um die besondere Stimmung im Konservatorium der italienischen Schweiz wahrzunehmen, um den Geist zu spüren, der sich zwischen einer Unterrichtsstunde in Gesang hier und einer in Bratsche da ausbreitet. Wer in diese Atmosphäre eintaucht, begreift, dass Ticino Musica vor allem eines ist: Dynamik und Bewegung. Das Festival, seit 2009 von Gabor Meszaros als künstlerischem Direktor geleitet, findet in diesem Jahr zum 21. Mal statt.
Vito Žuraj
So hat etwa der slowenische Komponist Vito Žuraj bei Ticino Musica seine ersten Auslandserfahrungen gemacht. Die damaligen Begegnungen mit anderen Musikern sind wesentliche Elemente in der mittlerweile grossartigen Karriere dieses Künstlers. Er ist heute Dozent für Instrumentation, Musikinformatik, Instrumentenkunde, Gregorianik und Notation für zeitgenössische Musik an der Musikhochschule in Karlsruhe und ausserdem seit 2016 Professor für Komposition und Musiktheorie an der Musikakademie in Ljubljana, so wie einst Michael Jarrel, den Žuraj bei einer Meisterklasse von Ticino Musica kennengelernt hat.
Vito Žuraj erinnert sich: «Ticino Musica war der erste Meisterkurs, den ich besuchte; es war mein erster Kontakt mit der Musikwelt ausserhalb Sloweniens. Die Begegnung und der Austausch mit Komponisten ausserhalb meines Heimatlandes war für mich die Entdeckung einer neuen Welt, wurde zu einem Wendepunkt in meinem Schaffen und brachte vieles in Bewegung: Ich begann fortan, meine eigene musikalische Sprache zu entwickeln.»
Žuraj nahm in der Folge drei weitere Male an Ticino Musica teil (2001 bis 2003). Er arbeitete jedes Mal mit anderen Musikern zusammen. Den Kontakt zu ihnen hat er immer noch. Er erlebte Ticino Musica immer von fieberhafter Aktivität geprägt, aber zugleich auch von kontemplativer Ruhe. «Das gesamte Ambiente ist für Komponisten äusserst inspirierend. Man hat Zeit, um intensiv zu arbeiten, und dabei die Möglichkeit, es mit unterschiedlichen Dozenten tun.»
Gloria Campaner
Für die Pianistin Gloria Campaner war das Festival einst sommerlicher Höhepunkt, die wichtigste musikalische Veranstaltung in den Sommermonaten. «Ticino Musica bedeutete für mich als Heranwachsende in meiner Ausbildung viel. Ich habe das Angebot bereits in meinen frühen Gymnasialzeiten wahrgenommen. Ich kam aus einem kleinen Touristenort an der Adria. Dort waren die Sommermonate kaum von Musik geprägt. Es fehlte jegliche musikalische Anregung. Da war Ticino Musica für mich ein Glücksfall. Das Ambiente erlebte ich als schön und bereichernd. Der Kontakt zu meinem Lehrer, zu Kollegen, Freunden und weiteren Musikern und Musikerinnen war etwas Kostbares. Die Atmosphäre hat mich zutiefst berührt und dazu geführt, dass ich aus der Musik nicht nur meinen Beruf machte, sondern in ihr geradezu den Sinn des Lebens sehe. Die Kammermusikerfahrungen bei Ticino Musica waren für mich äusserst bedeutsam. Durch sie wuchs in mir mehr und mehr die Neugierde darauf, Musik auch mit anderen zu teilen.» Gemeinsam musizieren, sich gemeinsam vervollkommnen: Das ist das Geheimnis der Meisterklassen von Ticino Musica. Sie sind nicht nur eine Schule für Musik, sie sind ebenso eine fürs Leben. «Wichtig für mich waren denn auch die Begegnungen bei Ticino Musica. Aus ihnen entstanden oftmals gute und anhaltende, bis heute bestehende Freundschaften. Nicht selten führten sie zu wunderbarer musikalischer Zusammenarbeit wie im Falle des Cellisten Johannes Moser, den ich zum ersten Mal vor 14 Jahren bei Ticino Musica getroffen habe.»
Julian Bliss
Der weltbekannte Klarinettist Julian Bliss findet es wichtig, bei Ticino Musica Kontakte zu knüpfen und Beziehungen pflegen zu können. Besonders schätzte er, dass die Lernerfahrungen aus den Meisterklassen gleich praktisch im Rahmen von Konzerten umgesetzt wurden, die Ticino Musica in den Zentren Lugano, Bellinzona und Locarno, aber auch in sehr abgelegenen Orten organisierte. «Es ist so wichtig, auftreten zu können. Ich fand die Orte, an denen die Konzerte stattfanden, einfach wunderschön. Schubert oder Sheperd auf einem Berg zu spielen, ist etwas Einzigartiges, eine Erfahrung, die ich bis heute mit mir trage.» Auch heute würde der Klarinettist jedem jungen Musiker, jeder jungen Musikerin raten, sich in einen Meisterkurs von Ticino Musica einzuschreiben. Warum? «Man lernt. Man lernt ständig. Man lernt auch, wenn man sich mit einem anderen Musiker darüber austauscht, warum er ein bestimmtes Stück auf eine bestimmte Art und Weise spielt, was seine Geheimnisse sind.»
Ries Schellekens und Daria Zappa
Den Besuch eines Meisterkurses hält auch der Tuba-Virtuose Ries Schellekens trotz der für die Musiker der jüngeren Generation so wichtig gewordenen Angebote wie Youtube oder die sozialen Netzwerke für eine unerlässliche Erfahrung. «Es ist etwas ganz anderes», stellt er fest. «Ich besuchte den Meisterkurs von Rex Martin: Ein unvergessliches Erlebnis. Wie er über seinen Umgang mit dem Instrument sprach, hat mir wirklich die Augen geöffnet. Das ist mir bis heute nützlich für das Instrumentalspiel und ebenso für den Unterricht.» Nach Ries Schellekens braucht ein junger Musiker dreierlei: Ehrgeiz, Beharrlichkeit, Bescheidenheit. Die drei Eigenschaften stimmen seiner Meinung nach überein mit der Philosophie von Ticino Musica.
Dass Ticino Musica auch für einheimische Musiker und Musikerinnen ein grossartiges Angebot ist, weiss Daria Zappa aus Minusio im Tessin. «Ticino Musica ermöglichte es mir, meine Studien da zu vertiefen, wo ich aufgewachsen bin.» Sie hatte u. a. in Deutschland und insbesondere in Freiburg i. Br. Violine studiert. «Bei Ticino Musica dann arbeitete ich mit Franco Gulli: Er war damals bereits über 70. Er spielte hervorragend. Der Meisterkurs mit ihm dauerte zwar nur zwei Wochen, war aber äusserst intensiv. Ich habe viel profitiert.»
«Manchmal lernt man bei diesen Meisterkursen und Festivals durch die Kombination von Individual- und Gruppenunterricht gar mehr als in einem ganzen Jahr», stellt Schellekens fest. «Dabei ist eine Woche zu wenig, vor allem wenn man – wie ich bei Rex Martin – eine ganz neue Art des Spielens lernt. Es braucht weit mehr Zeit, um das Gelernte zu verinnerlichen und in die eigene Praxis umzusetzen. Ich machte dank Ticino Musica erstaunliche Fortschritte und erhielt so eine der zehn Tuba-Stellen in den Niederlanden.»
Es sind Erfolgsgeschichten und ebenso Geschichten von Freundschaften und Begegnungen; es sind vor allem Geschichten einer grossen Liebe: Der Liebe zur Musik. Ticino Musica pflegt diese Liebe und bringt sie in jedem Sommer neu zum Blühen.
Die Macht des Bösen
Das spanisch-katalanische Künstlerkollektiv La Fura dels Baus kombiniert Debussys «La Damoiselle élue» mit Honeggers dramatischem Oratorium. Ein Abend, der eine Reise lohnt.

Während Arthur Honegger soeben aus dem Portmonnaie verschwindet (glücklich die Schweizer, die ihre Künstler so lange auf den Geldscheinen haben mit sich tragen dürfen!), steht er nördlich des Rheins noch und wieder auf dem Spielplan – aktuell auf dem der Oper Frankfurt mit einer fulminanten Inszenierung seines dramatischen Oratoriums Jeanne d’Arc au bûcher (1935). Nach 1949 und 1968 gelangt damit das gänzlich solitäre Werk bereits zum dritten Mal auf die Bühne der Main-Metropole. Eine besondere Aufführungstradition ist damit freilich weder verbunden noch ausgerufen – und dennoch kann das Werk in der Inszenierung von Àlex Ollé und seinem international so erfolgreichen spanisch-katalanischen Kollektiv La Fura dels Baus auch als ein Reflex auf die Wirklichkeit (wenigstens von Teilen dieser Welt) gesehen und gehört werden: machtpolitische Ränkespiele, Schauprozesse und der Verfall der einst auf Solidarität gegründeten Zivilgesellschaft.
Grandios zwischen den Gattungen
8. Masterclasses bei Youth Classics
Der Verein zur Förderung junger hochbegabter Künstler der klassischen Musik organisiert Aus- und Weiterbildungswochen sowie eine Konzertreihe. Es werden rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet.

Zum bewährten Team unter der der Leitung von Philip A. Draganov stossen zwei neue Dozenten: Konstantin Lifschitz, Klavier (Charkow/UDSSR) und Joseph Hasten, Violoncello (USA/Deutschland). Wieder dabei sind Louise Hopkins aus London, Nora Chastain aus den USA, Thomas Grossenbacher und Andreas Jahnke aus der Schweiz, Matthias Buchholz aus Deutschland, Jose J. Flores aus Texas sowie Tim Kliphuis. Erwartet werden über 80 Teilnehmer aus der Schweiz, Europa, den USA und Asien. Die Masterclasses sind ein Höhepunkt im Jahresprogramm von Youth Classics.
Konzertreihe
Bestandteil der Masterclasses sind die öffentlichen Konzerte, welche die jungen Talente auch auf Prüfungen und Wettbewerbe vorbereiten. Sie finden am 24. und 25. Juli 2017 in der Schaffhauser Rathauslaube statt. Das Abschlusskonzert wird am 26. Juli an der Musikschule Konservatorium Zürich realisiert und eine Sonntagsmatinee geht am 23. Juli auf dem Hofgut Albführen in Dettinghofen (D) über die Bühne. Jahreshöhepunkt der Konzertreihe ist das Galakonzert vom 15. September in der Zürcher Hochschule der Künste im Toni-Areal.
«Die Junge Schweiz»
Die Schweizer Chorliteratur des beginnenden 20. Jahrhunderts ist reichhaltig und noch immer wenig beachtet. Die Basler Madrigalisten bringen dieses Erbe wieder aufs Podium.
Tagtäglich betritt Raphael Immoos, Professor für Chorleitung an der Basler Musikakademie und Leiter der Basler Madrigalisten, das Rudolf-Moser-Haus am Steinengraben 21. Dort befindet sich sein Dirigierzimmer. Bis vor Kurzem kannte er das Werk des Basler Komponisten (Jahrgang 1892), der in diesem Haus aufgewachsen war, noch gar nicht. Immoos setzte sich in Verbindung mit der Rudolf-Moser-Stiftung, welche sich um den Nachlass des Komponisten kümmert. Zu seinem Erstaunen fand er nur schon 120 A-cappella-Stücke, viele davon für Frauenchor, Männer- und gemischten Chor. Moser hatte, wie zuvor Othmar Schoeck, bei Max Reger in Leipzig studiert und später bei Hans Huber und Hermann Suter in Basel weitere Anregungen geholt. Felix Weingartner, damaliger Leiter des Konservatoriums Basel, holte Moser 1928 als Kompositions- und Theorielehrer an sein Institut. Zu Mosers Schülern zählten unter anderem Walter Müller von Kulm, Paul Sacher und der Geiger Yehudi Menuhin.
Ausgehend von Moser erschloss sich Immoos eine ganze Reihe weiterer Schweizer Komponisten – die meisten mit einem Bezug zu Basel –, die sich intensiv dem Chorgesang gewidmet hatten. 1930 brachte die «Zürcher Liederbuchanstalt» den Band Neue Gesänge für gemischten Chor a cappella heraus. Die 62 Stücke zeugen von einem ungemein reichhaltigen Chor-Œuvre in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, welches überwiegend dem lange geschmähten, als kitschig und epigonal gescholtenen spätromantischen Stil verpflichtet ist.
Im zweiten Kapitel dieses Bandes werden Rudolf Moser und seine beiden Zeitgenossen und Freunde Albert Moeschinger und Conrad Beck der Komponistengruppe «Die Junge Schweiz» zugeordnet.
Epoche des Umbruchs
Die Madrigalisten traten am 14. Juni 2017 im Museum Altes Klingental als Kammerchor mit je drei Sopranen, Alti, Tenören und Bässen auf. Das Programm eröffnete mit zwei Liedern von Hermann Suter (Winters Ende, Abendsegen), in denen der Chor gleich die ganze dynamische Spannbreite zwischen vollem Chorklang und feinen Piani abrufen konnte. Von Joseph Lauber – auch er ein Lehrer Mosers – folgte Ein Maientag mit sauber ausgeführten harmonischen Reibungen. Mit Hans Hubers Komm zur Quelle (1886), dem Lied, dem das Programm auch seinen Titel verdankte, gelang ein erster Höhepunkt mit drei im Raum aufgeteilten Quartetten.
Der Moser-Block mit den vier Liedern Die Quelle (Novalis), Verirrt (Theodor Storm), Der Strom und Jägerlied (Eduard Mörike) machte deutlich, weshalb dieser Komponist ins Zentrum des Programms gesetzt wurde. Das Volksliedhafte verbindet sich hier mit einer dichten Harmonik und kunstvoll eingesetzten Modulationen. Conrad Becks Lieder bewegten sich zwischen Romantik (Lösung, 1923) und bereits fortschrittlicheren Klängen im Abendlied (1932). Albert Moeschinger, der sich in seinem langen Komponistenleben mit vielen Einflüssen auseinandersetzte, geht in Vergänglichkeit (1930, Text: Martin Opitz) mit der romantischen Tonsprache ähnlich kreativ um wie Othmar Schoeck. Nach Schoecks traditionellem Ein Vöglein singt im Wald (1906/07) ist bei ’s Liedli aus dem Jahr 1931 eine harmonische Öffnung festzustellen.
Zukunftsweisende Klänge
Mit Abstand der Progressivste aller Komponisten, die an diesem Abend zu hören waren, ist Benno Ammann. Die schwierigen, aber packenden Lieder Firnelicht, Hochzeitslied (beide Conrad Ferdinand Meyer) und Nacht im Dorfe (Gian Bundi) liessen mit überraschenden Ganztonschritten und dem Verzicht auf die versöhnliche Tonika an den Liedschlüssen Ammanns intensive Auseinandersetzung mit der Neuen Musik in den Fünfzigerjahren vorausahnen. Drei Volkslieder (1932) nach schweizerdeutschen Texten von Meinrad Lienert setzten einen humoristischen Schlusspunkt.
Die Basler Gesangsinstitution «Madrigalisten» stand bis vor vier Jahren unter der Leitung ihres Gründers Fritz Näf und feiert im nächsten Jahr ihr vierzigjähriges Bestehen. Geplant ist unter anderem eine Jubiläums-CD mit dem oben besprochenen, zauberhaften Schweizer Liederschatz, dessen Wiederentdeckung dem Kammerensemble und ihrem Dirigenten hoch angerechnet werden darf. Die Gesangskultur der Basler Madrigalisten zeichnet sich aus durch gute Textverständlichkeit, grosse dynamische Bandbreite und überzeugende Intonationssicherheit. Damit wurde das Ensemble an diesem Abend den anspruchsvollen Werken vollends gerecht.
900presente führte «The Key to Songs» auf
Das am Conservatorio della Svizzera italiana beheimatete Ensemble 900presente führte am 26. März in Lugano und am 27. Mai in Florenz im Rahmen des «Maggio Elettrico» Morton Subotnicks «The Key to Songs» auf. Der Komponist war zu Gast und beantwortete ausführlich einige Fragen zu diesem 1985 entstandenen Werk und zur zeitgenössischen elektronischen Musik (in Englisch).

Where did the inspiration for your piece «The Key to Songs» come from?
That was more than 30 years ago; at that time, from the late ‘70s until the ’80s, ballet companies were doing my music. Every piece I wrote that was recorded was done by ballet companies all over the world. I loved seeing them, and I wanted to write a piece for ballet, but they never commissioned any, because they just took my music after I wrote it and danced to it. So I decided that I would write an imaginary ballet. I got a book by Max Ernst, one of the collage books, Une Semaine de Bonté (1933) and I took pictures from it. It was like photographs of a dancer flying through the air.
It was a surreal book, so there were very strange, surreal poems underneath each of the pictures.
I imagined what the ballet would have been like before and after he was up in the air and I made the music and my own choreography.
One of the pictures in Ernst’s book was called The Key to Songs, and it had nothing but little dots, no words. To me «The Key to Songs» was Schubert. So I picked a fragment by a Schubert song, you hear it, the strings play it often, and it gradually turns into something else. And I used that for the title The Key to Songs.
The funny thing is that once recorded it became a ballet! (smiling). 3 or 4 companies were dancing to that. I eventually wrote 3 imaginary ballets and they got all choreographed!