Zweite Heidelberg Music Conference

An der zweiten Heidelberg Music Conference, die sich unter dem Titel «Neues schaffen statt Copy & Paste» mit «Innovation als Teil einer ganzheitlichen Strategie kultureller Einrichtungen» beschäftigt, ist die Schweiz prominent vertreten.

Foto: heidelberg music conference 2013

Zu den Teilnehmern gehören die Intendanten grosser Festivals und Konzerthäuser aus Deutschland, Österreich und der Schweiz — mit von der Partie sind Martin Engström (Verbier Festival), Michael Häfliger (Lucerne Festival) und Ilona Schmiel (Tonhalle Zürich) —  sowie weitere Experten. Jedes Panel wird eingeleitet durch eine Keynote von Musikjournalisten überregionaler deutscher Tageszeitungen, unter anderem vom NZZ-Kritiker Peter Hagmann.

Begleitend führt die Markforschungsgesellschaft GIM eine explorative Trendstudie zum Thema «Innovation im Kulturbereich» durch, deren erste Auswertungen schon während der Tagung vorgestellt werden.

Die Bloggerin Ulrike Schmid begleitet während der gesamten Tagung das Geschehen live per Twitter (#hdmc), darüber hinaus werden alle Panels per Video dokumentiert und einige Tage später online unter www.heidelberger-fruehling.de zu sehen sein.

Kanton und Stadt Luzern mit gemeinsamer Kulturstrategie

Kanton und Stadt Luzern koordinieren ihre Kulturstrategien. Die grossen Kulturbetriebe sollen gemeinsam finanziert werden. Auch Perspektiven für das professionelle und freie Theater, die Festivalförderung sowie die ausserinstitutionelle Kulturförderung sind im Fokus.

Blick vom KKL auf die Stadt Luzern. Foto: Paolo, wikimedia commons

Kanton und Stadt Luzern entwickeln laut der offiziellen Mitteilung zu der heutigen Medienorientierung den Zweckverband Grosse Kulturbetriebe weiter. Neben dem Luzerner Theater, dem Kunstmuseum und dem Luzern Sinfonieorchester (LSO) werden neu das Verkehrshaus der Schweiz, das Lucerne Festival und das Museum Rosengart über den Zweckverband finanziert.

Aufgrund des innerhalb des Zweckverbandes geltenden Finanzierungsschlüssels von 70% Kanton und 30% Stadt stehen der Stadt rund eine Million Franken pro Jahr für die Umsetzung anderer Massnahmen im Rahmen der Kultur Agenda 2020 zur Verfügung.
Zudem leisten Kanton und Stadt Beiträge zur Substanzerhaltung des KKL Luzern für die
nächsten 15 Jahre. Jährlich bezahlt der Kanton 0.5 Millionen Franken an den Unterhalt, die Stadt wie bisher 4,1 Millionen Franken, die ab 2019 an die Teuerung angepasst werden.

Als einmalige Zahlung für die langfristige Werterhaltung leisten Kanton wie Stadt je 2,5 Millionen Franken. Zudem erhält das KKL finanzielle Unterstützung für die Dachsanierung in Form von Bürgschaften von Stadt (4.5 Millionen Franken) und Kanton (9 Millionen Franken).

Der Kanton Luzern will verbesserte Produktionsbedingungen für Kulturschaffende und -veranstalter schaffen sowie ein punktuell international wettbewerbsfähiges Angebot sichern. Er fördert die freie Szene stärker und garantiert die Weiterentwicklung der grossen Kulturbetriebe.

Die Stadt wiederum sorgt für eine breite, vielfältige kulturelle Produktion, die Laien und
Professionelle gleichermassen berücksichtigt. Zuständig für die Einzelförderung ist in erster Linie der FUKA-Fonds, der von der Billettsteuer gespiesen wird.

Musikrat verleiht Musik-Gordi an Kretschmann

Der Deutsche Musikrat verleiht heute im Rahmen der Frankfurter Musikmesse einen «Musik-Gordi» an den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, weil dieser sich gegenüber Protesten zur geplanten Fusion der SWR-Klangkörper immun zeige.

Foto: © Deutscher Musikrat e.V.

Nationale und internationale Proteste würden in den Gängen des Staatsministeriums verhallen, erklärt dazu Martin Maria Krüger, der Präsident des Deutschen Musikrates. Die Art und Weise der Kommunikation sei dabei «schlicht schlechter Stil» und setze sich «über die breite Front des Engagements von Künstlern und Kultureinrichtungen sowie die Vielfalt der Argumente ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung von Seiten des Ministerpräsidenten hinweg».

Der «Musik-Gordi» wurde von dem Magazin Musikforum gemeinsam mit der neuen musikzeitung ins Leben gerufen. Die Verleihung findet am Donnerstag, 13. März 2014 um 14.30 Uhr in Halle 3.1, Stand D41 der Musikmesse Frankfurt statt. Der Preis selbst hat die Form einer verknoteten Blockflöte und wurde im vergangenen Jahr erstmals an Harald Augter, Rundfunkratsvorsitzender des SWR, vergeben.
 

Schwierige Zeiten für Instrumentenhändler

Die deutsche Musikinstrumenten- und -equipmentbranche hat im 2013 einen Umsatzrückgang hinnehmen müssen. Der Konjunkturbericht der SOMM (Society Of Music Merchants e. V.) hat im Vergleich zum Vorjahr ein leichtes Minus von 1,9 Prozent ermittelt.

Foto: Tobias Zeller/pixelio.de

Die Branchenstatistik fiel in der Jahresauswertung im Vergleich zum Vorjahr um 18 Millionen Euro auf 897 Millionen Euro Umsatz zu Endverbraucherpreisen. Zugewinne in Bereichen wie Recording Hardware, Beschallung und Computer-Software haben den Umsatzrückgang nicht kompensieren können.

Stark an Kraft verloren haben die Bereiche Schlagzeug & Percussion, Blasinstrumente, Saiteninstrumente und Tasteninstrumente sowie Mikrofone und Kopfhörer als auch DJ-Equipment.

Verantwortlich für den Einbruch ist mutmasslich die schwache Konjunkturentwicklung innerhalb des deutschen und des gesamteuropäischen Marktes. Zudem drängten immer mehr fachfremde Onlinehändler auf das Parkett, die Musikinstrumente und deren
Zubehör als profitablen Markt für sich entdeckt hätten, schreibt die SOMM.

Famm im A-cappella-Wettbewerb Leipzig

Das reine Frauen-Vokalensemble Famm ist als einzige Schweizer Gruppe an den 8. Internationalen A-cappella-Wettbewerb in Leipzig eingeladen worden. Es tritt gegen Gruppen aus sechs Ländern an.

Foto: famm

Aus zahlreichen Bewerbungen, schreibt der Wettbewerb, hätten die Juroren elf Ensembles ausgewählt, die am 15. und 16. Mai um den Leipzig A cappella Award, den amarcord Sonderpreis und einen Publikumspreis singen und am A cappella Workshop mit Matthias Becker teilnehmen können. Die Gewinnergruppe wird ausserdem eingeladen, 2015 ein Konzert beim Festival für Vokalmusik a cappella zu gestalten.

Die Mitglieder von Famm haben sich im Schweizer Jugendchor kennengelernt, fanden als Quartett erstmals im Herbst 2006 zusammen und bestehen in der jetzigen Formation seit dem Sommer 2010. Was ursprünglich als einmaliges Projekt gedacht war, sei auf so viel positive Resonanz gestossen, dass sich das Ensemble entschlossen habe, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, schreibt das Ensemble in seiner Selbstcharakterisierung.

Schweizer Filmmusikpreis neu ausgeschrieben

Ab sofort nimmt die Fondation Suisa Bewerbungen für den diesjährigen Filmmusikpreis entgegen. Der Preis ist mit 15’000 Franken dotiert und honoriert ausserordentliche Leistungen im Bereich der Filmmusikkomposition.

Bild aus dem letztjährigen Preisträgerfilm «Trapped».

Zur Kandidatur zugelassen sind Originalkompositionen zu Spielfilmen ab einer Dauer von mindestens 60 Minuten, die 2013 oder 2014 veröffentlicht worden sind oder veröffentlicht werden. Die Anmeldeformulare und das Reglement zum Filmmusikpreis sowie alle weiteren Informationen finden Sie unter www.fondation-suisa.ch/filmmusikpreis. Die eingereichten Kandidaturen werden von einer Fachjury bewertet. Anmeldeschluss ist der 31. Mai 2014.

Der Preis wird seit dem Jahr 2000 vergeben, die letzten Preisträger waren Thomas Fischer (2013) für Trapped, Michael Sauter (2012) für Mary & Johnny, Nicki Reiser (2011) für Das Blaue vom Himmel, Diego, Nora & Lionel Vincent Baldenweg (2010) für 180°, Marcel Vaid (2009) für Tandoori Love und Jérôme Baur (2008) für Les petites vacances.

 

Editions Leduc in britischen Händen

Das traditionsreiche französische Verlagshaus Alphonse Leduc ist an die britische Music Sales Group verkauft worden. – Ein Blick auf die Verlagslandschaft in Frankreich und ihre Veränderungen.

Rue Saint-Honoré. Foto: Daniel Stockman, wikimedia commons,SMPV

Der älteste aktive Musikverlag Frankreichs, der 1841 von Alphonse Leduc gegründet wurde, hat einen beeindruckenden Katalog, Durch zwei Geschäftsübernahmen konnte er noch vergrössert werden: 1980 kamen die Editions Heugel (gegründet 1839) dazu, 1990 Hamelle (1877). So zählten die folgenden Komponisten zum verlegerischen Grundstock: Gounod, Fauré, Delibes, Widor, Massenet, Offenbach, Gustave Charpentier, Poulenc, Milhaud, Jolivet, Tournemire, Franck, Messiaen, Honegger, Tomasi. Dazu kamen die Zeitgenossen Henry Dutilleux, Pierre Boulez, Charles Chaynes, Betsy Jolas, Thierry Escaich, um nur wenige zu nennen.

Nun ist Leduc vom grössten Musikverlag Europas, die britische Music Sales Group, übernommen worden. Der traditionsreiche Verlagssitz an der Rue Saint-Honoré in Paris wurde schon vor einigen Monaten verkauft.

 

Aus Anlass dieser Übernahme bietet Michèle Worms im Editorial der Zeitschrift La Lettre du Musicien einen kleinen Überblick über die französische Verlagslandschaft und ihre Veränderungen (Übersetzung Pia Schwab):


Vor dreissig Jahren gab es in Frankreich Verlagshäuser von ganz klein bis ganz gross mit unterschiedlichster Ausrichtung. Von den grossen, den Flagschiffen des französischen Kulturerbes, war Heugel, der Verlag Jacques Offenbachs und Reynaldo Hahns, bereits an die Editions Alphonse Leduc übergegangen. Leduc, mit Sitz an der Rue Saint-Honoré, hielt lange die Rechte an den Werken Faurés und war für Orchester und Opernhäuser als Anlaufstelle für wertvolles Aufführungsmaterial unumgänglich. Die schönste Aufgabe des Verlags war zweifellos die Drucklegung von Messiaens Saint François d’Assise im Jahr 1983, dessen Partitur 2400 Seiten umfasste!

Der Verlag Durand (1869) thronte an der Place de la Madeleine, im Salon der Flügel, auf dem Debussy und andere gespielt hatten, während sie auf ihren Verleger warteten. Er hatte vor allem die grossen Namen des «Moment 1900» im Programm und wurde sehr beneidet um die Rechte von Ravels Boléro. 1986 kaufte Durand den Verlag Max Eschig (1907), der ein internationaleres Sortiment mitbrachte. Der böhmischstämmige Gründer war der König der Wiener Operette, publizierte grosse spanische und südamerikanische Komponisten und ebenso Martinů und Szymanowski.

Für den Geschäftserfolg der Editions Choudens sorgten Bizets Carmen und Gounods Faust. Salabert dagegen setzte auf Operetten, Chansons, aber auch die Werke der Groupe des Six und heute auf eine reiche Auswahl an zeitgenössischen Werken; Henry Lemoine auf Klassiker der Klavierliteratur bis Bruno Mantovani. Sie alle konnten mit den grossen mithalten. Weitere Verlage wie etwa Jobert, der 2007 von Lemoine übernommen wurde, widmeten sich dem zeitgenössischen Repertoire.

Während nun Durand-Salabert-Eschig schon seit einiger Zeit zu Universal Music gehören (wie übrigens auch Ricordi, Anm. der Red.), betrifft die jüngste Übernahme Alphonse Leduc, der unter das Dach der Music Sales Group kommt.

Die Editionslandschaft hat sich also stark verändert: Von den historischen Häusern in Frankreich bleiben Henry-Lemoine (1772) und die Editions Gérard Billaudot (1896), die moderne Komponisten verlegen oder hochstehende pädagogische Literatur. Dank einer Unzahl von kreativen Kleinverlagen scheinen die Wegweiser auf Spezialisierung zu stehen.

In Deutschland und Österreich halten sich die grossen Häuser Schott, Peters, Breitkopf, Bärenreiter, Henle und Universal. Die vier letzten leisten beachtliche Forschungs- und Urtexteditonsarbeit, die sie unentbehrlich macht. Die Britischen Häuser dagegen halten das Zepter der Unterhaltungsmusik in Händen. Und sie führen in ihren Katalogen künftig nun auch Massenet, Franck, Poulenc, Milhaud, Dutilleux … ohne dass ihre Herzen besonders dafür schlagen. Schade!

Französischer Text

Leiterin der Zürcher Kulturförderung tritt zurück

Nach 17 Jahren als Leiterin der kantonalzürcherischen Kulturförderung tritt Susanna Tanner auf Ende August 2014 von ihrem Amt zurück. Tanner, die in diesem Jahr 60 Jahre alt wird, verlässt die Stelle auf eigenen Wunsch.

Viel Zürcher Kultur ins Rollen gebracht. Foto: Tram auf der Quaibrücke, picswiss

In die Zeit von Susanna Tanners Wirken fallen zahlreiche Weichenstellungen in der kantonalen Kulturförderung. So fliessen heute kleinen und mittelgrossen Kulturzentren deutlich mehr Betriebsbeiträge zu als früher, schreibt der Zürcher Regierungsrat in seiner offiziellen Mitteilung.

Der Intendantenwechsel am Opernhaus Zürich sei geglückt, das Theater Kanton Zürich künstlerisch erfolgreich tätig. Unter Tanners Mitwirkung sei es auch gelungen, die Zürcher Filmstiftung zu gründen und zu etablieren und eine interkantonale Kulturlastenvereinbarung mit Einnahmen von acht Millionen Franken für den Kanton Zürich zu sichern.

Die Fachstelle selber hat Tanner innerhalb der 17 Jahre mehrfach umstrukturiert, da Budget und Personalbestand gewachsen sind.

Geigerische Mengenlehre

Eine systematische Darstellung aller Violinbewegungen in sechs Bänden, die zu neuartigem Üben anregt.

Foto: style-photography.de / fotolia.com

Eine vierteilige Blüte veranschaulicht, wie die vier Elemente Bogen-, Saiten-, Finger- und Lagenwechsel allein zwei-, drei und vierfach kombiniert werden können. Dies ergibt die 15 Teile des systematischen Überblicks über die Violintechnik, verteilt auf sechs Bände (ED 21161 bis 21166, auch als Paket 21161-1 erhältlich). Gedacht haben sie Helmut Zehetmair, emeritierter Violinprofessor in Salzburg, und sein ehemaliger Assistent Benjamin Bergmann, jetzt Violinprofessor in Mainz, als «Hausapotheke für Geiger» zur Übung aller Bestandteile der Technik – quasi ein moderner Ševčík.

Die hier besprochenen zwei ersten Bände behandeln die grossen «Blütenblätter», noch ohne die Kombinationen. Die Anleitungen in der Einführung deklarieren das Üben von Technik als künstlerische Tätigkeit, indem es mit Rhythmus, Artikulation, Dynamik, Phrasierung, Agogik, Klang und Vibrato schöpferisch verbunden werden soll: «Echte Virtuosität macht technische Not zur musikalischen Tugend (lvirtus).»

Die vielfältigen Stricharten- und -artikulationen sind vollständig beschrieben. Bogenstrich hat aber auch mit Physik zu tun: Es ist nicht dargestellt, dass der Bogen beim nicht rechtwinkligen «X-Strich» eigentlich wie eine Fähre von den Saitenschwingungen in Richtung des stumpfen Winkels abgetrieben wird, was sehr nützlich ist für Kontaktstellenwechsel. Wenn der Bogen dabei auf die Strichstelle gezwungen wird, entsteht eine Beimischung hochfrequenter Longitudinalschwingungen. Das Sautillé entsteht nicht durch besondere Stellung der Finger, sondern dadurch, dass die Streichrichtung dank Oberarmrollung oder Handgelenkschwingen steiler als die Bogenrichtung ist, so entsteht bei jedem Abstrich ein Schleuderbrett-Effekt. Die klar beschreibbaren Relationen zwischen Lautstärke, Frequenz und Bogenstelle, die Voraussetzung zur bewussten Beherrschung des Sautillé sind, fehlen auch.

Das Bewusstsein für die sieben Saitenebenen und demzufolge halben und ganzen Saitenwechseln ist wertvoll. Sehr verdienstvoll ist die Ermutigung zu Legato-Saitenwechseln mit Saitenüberspringen.

Beim Kapitel Fingerwechsel werden viele liegende Stützfinger empfohlen zur Stabilisierung des Quartraumes, leider nicht die effizientere Art, die Fingerabstände voraus in der Luft einzustellen. Warum fehlt bei der Aufzählung der Griffarten diejenige innerhalb der verminderten Quart? Beim Flageolett sollte darauf hingewiesen werden, dass dabei ganz wenig höher gegriffen werden muss, weil die Saite lockerer ist, also tiefer tönt, als beim festen Griff am selben Platz. Wertvoll sind die vielfältigen Übungen zu Fingersaitenwechsel und gedehnten Quint- und Sextgriffarten.

Das Kapitel über Intonation ist sowohl informativ als auch philosophisch. Zur Intonationskontrolle ist der Kombinationston empfohlen, warum aber mit keinem Wort die Resonanz der leeren Saiten? Die verschiedenen Vibratoarten sind gut beschrieben aber die Oberarmrollung als Ursprung der Vibratoerzeugung wird nicht erwähnt.

Der zweite Band ist eine Schatzkiste von Übungen für direkte Lagenwechsel: ausschliesslich mit einem Finger oder bei Doppelgriffen mit denselben Fingern. Das gerne vergessene Pivoting, d. h. teilweise in andere Lagen langen dank Verankerung des Daumens, wie es Paganini offenbar getan hat, wird erklärt und empfohlen.

Wenn die Folgebände so anregend sind, wie die zwei ersten, können sie viele Geigerinnen und Geiger zum Nachdenken und zu neuartigem Üben anregen.

Image

Helmut Zehetmair und Benjamin Bergmann, Systematische Violintechnik. Die Bausteine des Violinspiels; Band 1, Bogen-, Saiten- und Fingerwechsel, ED 21161; Band 2, Direkte Lagenwechsel, ED 21162; je € 18.99, Schott, Mainz 2013

Liederbuch für künftige Fussballstars …

… kluge Hexen und alle anderen ganz normalen Kinder von heute. Mit Texten und Melodien, die Lust aufs Singen machen.

Ausschnitt aus dem Titelblatt von Chasper Würmli

Der Titel hält, was er verspricht: Abrakadabra birgt unerwartete musikalische Wendungen, verblüfft mit wechselnden Rhythmen und zaubert mit Gespenstern, Tieren und Seeräubern. Die Lieder richten sich an 5- bis 10-Jährige und nehmen Bezug auf deren fantastische Vorstellungswelten. Der Ritt auf dem musikalischen Hexenbesen führt von Ich ha-n Angscht über ’S isch heiss bis zu I wett , i wär e Fuessballstar, e wohrs Geni am Ball!

Alle dreissig Kompositionen hat Susanne Würmli-Kollhopp selber geschrieben, die meisten in Mundart. Es handelt sich hier um Gebrauchsmusik, geschrieben für die Kinderchöre, die Würmli-Kollhopp leitet. Während viele herkömmliche Kinderlieder ein veraltetes Weltbild transportieren oder moralisieren, sind die vorliegenden wohltuend einfach. Dafür umso eingängiger. Aber nicht immer ganz einfach zu singen: Tonartenwechsel und Taktwechsel überraschen da und dort und geben so den Liedern eine neue Farbe.

A propos Farbe: Chasper Würmli, der Sohn der Komponistin und Texterin, hat das Liederbuch illustriert, mit wunderschönen Collagen von tierischen Fabelgestalten. So ist ein sorgfältig und liebevoll gestaltetes Buch entstanden, das man gerne in den Händen hält.

Auf der Webseite der Autorin sind alle Lieder mit einfachen Klavierbegleitungen als Einstudierhilfe zu hören. Und dabei bekommt man auch gleich erste Ideen für die Umsetzung in der Schulklasse oder im Kinderchor, die über das «absingen» hinausgehen.

Susanne Würmli-Kollopp: Abrakadabra, 30 Kinderlieder mit Illustrationen von Chasper Würmli, Fr. 37.00 (+ Verpackung/Porto), Fr. 39.90 im Handel, Verlag Singlust (Eigenverlag); Klavierbegleitungen separat erhältlich über: www.singlust.ch

Geniale Charakterstücke

Die Klavierfassung der «Bilder einer Ausstellung» aussergewöhnlich reich kommentiert.

Viktor Hartmanns Anregung zum «Ballett der unausgeschlüpften Küken». Quelle: wikimedia commons

«Wir zögern nicht, dieses Werk als die bedeutendste Klavierschöpfung russischer Meister bis auf den heutigen Tag hinzustellen. Gewiss lässt sich an dieser Sammlung von zehn Charakterstücken (…) manches bemängeln. Aber eine geniale, urwüchsige Schöpferkraft, vor der alle Kritik verstummen muss, prägt diesen Stücken den Stempel des ganz Einmaligen auf.» Treffender als dies vor Jahrzehnten Klaus Wolters in seinem immer noch unübertroffenen Handbuch der Klavierliteratur (Atlantis, Zürich, 5. Auflage 2001) tat, kann man die Faszination, die Mussorgskys Bilder einer Ausstellung ausüben, kaum formulieren.

Der Bedeutung des Werkes angemessen, hat der Bärenreiter-Verlag nun einen aussergewöhnlich reich kommentierten Urtext editiert. Das Vorwort des Herausgebers Christoph Flamm mit Angaben zur Werkentstehung, ausführlichen Gedanken zu den einzelnen Bildern sowie aufführungspraktischen Anregungen ist spannend zu lesen und geht weit darüber hinaus, was bisherige Ausgaben publiziert haben.
Dass sich bei so viel Material auch Widerspruch zutage kommt, liegt auf der Hand, bei der Behauptung etwa, das Werk eigne sich gar nicht für eine Orchestrierung, untermauert durch Swjatoslaw Richters bissige Bemerkung: «Ich lehne die Orchesterfassung dieses Werkes ab und hasse sie …» Auch bei der Korrektur einiger «Irrtümer» im Notentext wird gelegentlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die neuen Lesarten in Takt 17 der ersten Promenade etwa wären selbst für den eigenwilligen Mussorgsky schlicht zu absurd (ein a wäre wohl eher angebracht. Die Handschrift des Komponisten ist allerdings mehrdeutig!)

Der Notentext selber, ganz ohne Fingersätze, überzeugt durch Klarheit und Übersicht. Im Anhang finden sich noch einige schwarzweiss Abbildungen der Vorlagen von Viktor Hartmann, an den das Werk ja erinnern sollte. Wer noch mehr praktische Hinweise zur Interpretation finden möchte, dem sei die Wiener Urtext Edition von Manfred Schandert und Vladimir Ashkenazy ans Herz gelegt. Gerade Ashkenazys Erfahrung mit den Bildern einer Ausstellung sowohl als Pianist wie als Dirigent und Herausgeber einer eigenen Orchesterfassung prädestinieren ihn in hohem Masse, den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch diese Ausgabe ist bebildert – sogar in Farbe.

Image

Modest Mussorgsky, Bilder einer Ausstellung. Erinnerung an Viktor Hartmann, für Klavier, Urtext hg. von Christoph Flamm, BA 9621, € 14.50, Bärenreiter, Kassel 2013

Akkordeontechnik

Übungen in stetig ansteigendem Schwierigkeitsgrad zur Begleitung einer Schule.

Foto: Kaspar Ruoff

Das neue Heft Technical Basics von Heinz Hox für Piano-Akkordeon (Standardbass) kommt sehr übersichtlich und in eher grosser Notation daher – alles in allem, sehr «anmächelig». Der Autor erwähnt in seinen Vorbemerkungen, dass er es für Einsteiger, Wiedereinsteiger, aber auch fortgeschrittene Akkordeonspielerinnen und -spieler zusammengestellt hat. Die Übungen sind als Ergänzungen zu Akkordeonschulen gedacht. Einige Hinweise zur Haltung des Akkordeons scheinen mir eher gewagt formuliert, denn was soll ich verstehen unter «ergonomisch richtig verbunden mit dem Instrument» oder was ist denn die «richtige Grösse»? Glücklicherweise wird diesbezüglich sicher die Lehrperson Klarheit schaffen.

Bei den Anmerkungen zu den einzelnen Übungen, findet die Empfängerin oder der Empfänger jede Menge interessanter und wertvoller Ideen zu variantenreichem Üben. Dies geht von unterschiedlicher Artikulation, über Tempoveränderungen bis zu rhythmischen Varianten. Die Herausforderungen beginnen mit dem Fünftonraum in der rechten Hand, gefolgt von ähnlichen Übungen für die linke Hand, gehen dann über Spreizungen, Dur- und Moll-Tonleitern, bis hin zu Fesselfingern, Intervallen, Akkorden, Jazz-Harmonien und Kadenzen. Ein ideales Fortschreiten und eine breite Abstützung sind also gewährleistet.

Ebenfalls zu erwähnen sind die passenden, ergänzenden Videosequenzen im Internet (www.heinzhox.de). Aufgefallen sind mir dabei jedoch die oftmals ungünstige Balgführung beim Schliessen (zu starkes Anheben des Balges, das zu einem grossen Unterbruch führt) und auch die zum Teil ungenaue Koordination zwischen Taste und Balgwechsel. Mit der ruhigen Haltung der rechten Hand kann ich mich sehr anfreunden. Weshalb aber die Finger der linken Hand oft mit so viel Distanz auf die Knöpfe auftreffen, wodurch ein sehr lautes Tastengeräusch entsteht (und der Klang entsprechend secco ausfällt), kann ich nicht nachvollziehen. Das Werk bietet auf jeden Fall einiges an Material, um ein stabiles technisches Fundament zu legen.

Image

Heinz Hox, Technical Basics. Technische Übungen für Piano-Akkordeon (Standardbass), für Einsteiger und Fortgeschrittene, VHR 1850, € 13.80, Holzschuh-Verlag, Manching 2013

Amateure – Musik einfach lieben

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff «Amateur»? Inwiefern sind Profis und Amateure voneinander abzugrenzen? Was sagen unsere Leserinnen und Leser, aber auch Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur dazu?

Amateure - Musik einfach lieben

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff «Amateur»? Inwiefern sind Profis und Amateure voneinander abzugrenzen? Was sagen unsere Leserinnen und Leser, aber auch Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur dazu?

Focus

… wie der Pfuscher zum Handwerk?
Eine Hommage an den Amateur und seine Vorläufer

Gibt es im Musikbetrieb einen Dilettantengraben?

Leserinnen und Leser antworten

Partager son savoir-jouer
Petit panorama des musiciens amateurs en Suisse romande

Singen Amateure schöner als Profis?
Die Leiterin des Europäischen Jugendchorfestivals sucht Antworten

Die Anerkennung ist mit Geld nicht aufzuwiegen
Gespräch über die Laienförderung des BAK und von Pro Helvetia

… und ausserdem

RESONANCE

Zum Tod von Christian Buxhofer: Nachruf von Markus Fleck

Pianos historiques : témoins des caractéristiques stylistiques du passé

In Bruno Molls neuem Film interpretieren Amateure Schubertlieder

Maria Portens Hexen-Konzerte und Mischa Käsers Verhext

Le jeune festival lausannois N/O/D/E

Rezensionen Klassik/Jazz/Rock & Pop — Neuerscheinungen Bücher, Noten, CDs

Carte Blanche mit Michael Kube

CAMPUS


Modelle der Begabungsförderung am Forum Musikalische Bildung

Les Concerts sacrés de Duke Ellington par les étudiants de l’HEMU

Freischaffende Musikpädagogen seit Zwinglis Zeiten

Rezensionen — Rezensionen Unterrichtsliteratur

klaxon — Kinderseite

FINALE

Rätsel Jean-Damien Humair sucht

Kategorien

Der Star hinter den Kulissen

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren. Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust.

Foto: Arosa Kultur
Der Star hinter den Kulissen

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren. Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust.

Es waren drei Herzen, die in seiner Brust schlugen. Eines gehörte seiner Familie, als Ehemann und Vater eines 13-jährigen Jungen, eines dem Bündner Tagblatt, das er als Chefredaktor jahrelang prägte, und eines der Kultur, namentlich der Musik, der er in Arosa eine breit gefächerte Plattform bot. Und vielleicht war es am Ende die brennende Leidenschaft für diese Dinge, die sein sterbliches Ich zu früh vollendete.

Jeder einzelne dieser Lebensbereiche erfuhr eine so hohe Aufmerksamkeit und Zuwendung, dass es kaum vorstellbar ist, wie dies alles in einem 24-Stunden-Tag Platz haben konnte. Christian Buxhofer aber war ein sehr aussergewöhnlicher Mann. Kennengelernt habe ich ihn anlässlich eines Konzertes, das ich mit meinen Mitmusikerinnen und Mitmusikern vom casalQuartett 2006 in Arosa gab, anlässlich des 100. Geburtstages von Hans Schäuble, dem dort 1906 geborenen Komponisten. Aus diesem Zusammentreffen entwickelte sich das Arosa Musikfestival, eines der vielen Projekte, die Christian Buxhofer initiierte und durch die Anbindung von Partnern aller Art pragmatisch in die Realität umzusetzen wusste. In wenigen Tagen wird es – ein letztes Mal von ihm geprägt – über die Bühne gehen.

Seit 1985 engagierte er sich ehrenamtlich für die Kultur, ausgerechnet im kleinen Bergdorf Arosa auf 1800 Höhenmetern. Man kann durch dieses Dorf nicht hindurch, nur ankommen und wieder gehen. Es ist immer Ziel, nie zufällige Station. Es ist ein Ort, den die Natur rau und wild umgibt, der aber gleichzeitig so viel Wärme, Geborgenheit und Sehnsuchtspotenzial entwickeln kann, dass man dort schnell in eine Art Bindungsfalle hineinläuft. Sich auf Arosa einlassen, heisst: entweder ganz oder gar nicht. Halbheiten haben keine Chance.

Christian Buxhofer war kein Mann für halbe Sachen. Er hatte die seltene Gabe, seinen Anliegen unablässig und auf sanfte Weise Nachdruck zu verleihen, auch gegen Widerstände und ohne Aussicht auf persönliche Lorbeeren. Echte Wertschätzung seiner Arbeit machte ihn überglücklich, aber er forderte sie nicht ein. Sein grösster Lohn war, dass, was er anstiess, Erfolg hatte, Qualität aufwies.

Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn seines Engagements – damals war er Lehrer in Arosa – ist seine frühere Wahlheimat europaweit der Ort mit den meisten Musikkursen von der Keltischen Harfe bis zum Kinderchor, verfügt über ein Opernfestival im Sommer, ein Osterfestival mit gemischtem Programm zwischen Klassik und Folklore sowie seit drei Jahren eine sommerlichen Music Academy, ein Magnet für zahlreiche Musikstudenten aus aller Welt. Aber nicht nur die Schwergewichte der Jahresplanung lagen Christian Buxhofer am Herzen, sondern auch kleine und feine kulturelle Kontinuitäten, wie die wöchentlichen Konzerte im akustisch wunderbaren und optisch reizvollen Bergkirchli. Wer in Arosa ist, weiss, dass er jeden Dienstag um 17:00 Uhr ein Konzert hören kann. Gratis und mit oft überraschendem Inhalt im intimen, archaischen Kirchenraum mit Blick auf das Dorf und eine herrliche Gebirgskulisse.

Aber Buxhofer war nicht nur Ideengeber, sondern auch bienenfleissiger Macher und kongenialer Netzwerker. Er hielt alle Fäden in der Hand, hochvirtuos und vielseitig, charismatisch und verbindlich, geduldig und insistierend, kenntnisreich und enthusiastisch. Aufgegeben hat er nie, für ihn gab es für jedes Problem eine Lösung und meist war er es, der die Lösung tatsächlich beibrachte.

In seiner Arbeit für das Bündner Tagblatt war er vor allem den politischen Themen nahe. Ja, er hätte auch selbst Politiker sein können. Seine Fähigkeit zur Kommunikation und sein Sendungsbewusstsein, seine Überzeugungen und sein Gemeinsinn wären perfekte Voraussetzungen gewesen. Aber er kannte die Fallstricke wohl zu gut. Das Faule-Kompromisse-Machen hätte ihm sehr zugesetzt. Christian Buxhofer konnte man nicht für Zwecke verbiegen, die ihm nicht einleuchteten. Seine Bodenständigkeit und Geradlinigkeit sorgten für einen klaren Kopf, dem der Sinn seines Tuns wesentlich war. Aber auch Unabhängigkeit und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, waren ihm einfach zu wichtig. Im Bereich der Kultur konnte er sich so engagieren, wie er es für richtig hielt.

Als Amateurorganist kannte er die Musik und die oft anspruchsvolle Ausprägung künstlerischer Charaktere und Eigenheiten so gut, dass er sich perfekt darauf einstellen konnte. Es konnte nicht sein, dass er nicht zurecht kam mit einem Musiker, er wusste Befindlichkeiten zu erkennen, Bedürfnisse zu sehen und zu erfüllen, ohne sich dabei zu verbiegen. So machte er sich diskret und absichtslos beliebt und war als Partner gesucht. Man vertraute sich ihm an, man übergab ihm blindlings Verantwortung, einfach, weil er so ein gewinnendes Wesen hatte. Umgekehrt konnte man ihm auch fast nichts abschlagen, er überzeugte, ohne grosse Worte und Gesten, einfach so.

Wir Musiker sind glücklich, wenn wir spüren, dass das, was wir tun, akzeptiert wird. Wenn wir Ohren finden, die zuhören, Worte, die ermuntern, Augen, die begeisterungsfähig sind … Freilich war Christian Buxhofer nicht naiv. Er war ganz im Gegenteil psychologisch höchst raffiniert oder besser: feinfühlig. Jede Fassade, jede Allüre konnten ihn regelrecht erschüttern. Sie beleidigten seinen Sinn für Balance. Ihm war der Dienst an der Kunst so heilig, dass er Egozentrik und nervenaufreibendes Tamtam als das empfand, was es ist: überflüssig. Ihm war wichtig, dass man für die Sache brannte, sei es nun in Arosa oder in der Carnegie-Hall in New York …

Es ist ein Unterschied, ob man einem Künstler eine Bühne zur Verfügung stellt, oder ihm diese bereitet. Das konnte Christian Buxhofer wie wenig andere. Er hinterlässt nicht nur eine Familie, sondern auch eine riesige, bestürzte, trauernde Künstlerfamilie und regelrechte Fangemeinde. Ein stiller Star hinter den Kulissen war er und ein weitherum geachteter und geschätzter Freund.

Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust. Seine Werke fortzusetzen ist eine gewaltige Aufgabe und dringliche Pflicht zugleich.

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren.
 

Kategorien

Hexen, Nymphen und die ewige Loreley

Jungen Musikerinnen eine Auftrittsmöglichkeit zu geben ist verdienstvoll, dies mit einem geschickt zusammengestellten Programm zu tun, noch mehr. Ein «Hexen»-Konzert in Zürich, Schaffhausen und Wetzikon machte es vor.

Carl Joseph Begas, Lurelei, 1835. Foto: Wikimedia Commons
Hexen, Nymphen und die ewige Loreley

Jungen Musikerinnen eine Auftrittsmöglichkeit zu geben ist verdienstvoll, dies mit einem geschickt zusammengestellten Programm zu tun, noch mehr. Ein «Hexen»-Konzert in Zürich, Schaffhausen und Wetzikon machte es vor.

Seit Menschengedenken haben Frauen für die männliche Welt eine bedrohliche Seite: unheimlich, verführerisch, vergiftend und des Teufels. Hexen wurden in der Schweiz bis 1782 verbrannt. Die verführerisch-verhängnisvolle Frau, die Femme fatale, inspirierte zahllose Maler, Dichter oder Komponisten; Nixen und Nymphen waren besonders im Fin de Siècle der Renner in Literatur und Kunst. Tempi passati?

Nicht ganz, denn auch in jüngster Zeit gibt es in Afrika und Asien wieder Beispiele von Hexenverbrennungen: Die Komponistin Maria Porten hat dies zum Anlass genommen, das Konzert Hexen zu realisieren, in welchem sie nach eigenen Angaben «verschiedene Aspekte der Zauberei und des Verzaubertseins» darstellen wollte. Der Abend reichte vom romantischen Strophenlied bis zur Uraufführung des Hexenprozesses von Porten, die alle von den jungen Musikerinnen hervorragend interpretiert wurden.

Der Loreley, die mit ihrem Gesang die Männer anzieht und ins Unglück stürzt, waren die ersten Lieder gewidmet. Es ist schon harmlos, wie Friedrich Silcher in seiner berühmten Vertonung des ebenso berühmten Heine-Gedichtes diese Geschichte vertont; als ob das Elfenwesen kein Wässerchen trüben könnte. Eine Demonstration romantischen Schöngeistes, von Anna Herbst mit betörender Kantilene gesungen. Da war Franz Liszts Vertonung schon abgründiger; er deutet den Text, dramatisiert und stellt das Unglück der Schiffer heraus.

Ein Bild weiblicher Sehnsucht verkörpert Rusalka. Die berühmte Arie aus Dvořáks gleichnamiger Märchenoper sang Anna Herbst in Originalsprache mit Schmelz, einfühlsam begleitet von Sarah Tabitha Staehli am Klavier. Max von Schillings 1903 komponiertes Melodram Das Hexenlied trug Werner Bärtschi als Sprecher und Pianist in Personalunion vor. Gefangen in der Atmosphäre des Fin de Siècle, handelt es von einem verliebten Mönch, der die Melodie, welche die geliebte Hexe auf dem Scheiterhaufen sang, nicht vergessen kann. Eine suggestive, leitmotivische Musik mit einer Anziehungskraft, wie sie den Sirenen eigen ist. Bärtschi gestaltete das zeitgebundene Drama eindringlich.

Diesen Projektionen der Männerwelt des 19. Jahrhunderts stellte Maria Porten ihre Sicht der Hexen gegenüber – witzig, verspielt, elfenhaft, also durchaus positiv. Ihre gestische Musik hat etwas Einheitliches in allen Werken. Zuerst erklang ihre Vertonung von Brentanos Ballade Zu Bacharach am Rheine für Sprechstimme und Cello, dann der kleine Zyklus Beim Hut des Hermes für Sopran, Cello und Harfe auf Texte von Ariane Braml. Porten spielt mit allerlei Klängen und Zutaten. Dramaturgisch geschickt aufgebaut jeweils das Zwiegespräch zwischen Cello – dramatisch und virtuos gespielt von Ioanna Seira – und Singstimme (Anna Herbst). Witzig das titelgebende Stück mit Tanzrhythmen, Schlagen auf den Harfenkörper oder Einsatz einer Pfeife; klangsinnlich evozierte die Harfe im letzten Lied das Wabernde des Dichten Nebels (Corinne Kappeler).

Zum Schluss folgte als Uraufführung der kurze Hexenprozess, ein Stück für Sopran, Harfe, Cello und Klavier. Dem laut Porten «schockierenden Blick auf die Hinrichtung eines unschuldigen Naturwesens» fehlte musikalisch allerdings der Biss, auch wenn am Ende mit kräftigen Cello-Strichen und Klavierclustern ein kleiner Ausbruch gewagt ist. Ein Konzert, das weniger die Schrecknisse und männlichen Sichtweisen der Femme fatale thematisierte, als abwechslungsreiche und atmosphärisch dichte Momente bot.
Die Konzerte fanden in Zürich, Wetzikon und Schaffhausen vom 24. bis 26. Januar stat
 


Uraufführung von Mischa Käsers «Verhext»

«Ein musiktheatralisches Minenfeld» nennt der Komponist, Choreograf und Regisseur seine neuste Produktion, die am 23. Januar im Tanzhaus Zürich vor vollem Haus ihre Uraufführung erlebte.

Sibylle Ehrismann — Was auch immer auf der Bühne erklingt und geschieht, Mischa Käser hat alles im Griff. Schon wenn er die Musik konzipiert, ist sie immer mit Bewegungs- und Handlungsideen verknüpft, die er dann auch auf der Bühne umsetzt. Ausgangspunkt und Inspiration dieser Aufführung ist Rico Czerwinskis Reportage Verhext, die von einem emotionalen Minenfeld erzählt: Tochter, Vater, Mutter.

Als «Leitfaden» dienen die Aktionen der Tochter Tanja (Jelena Dojćinović). Sie «choreografiert» die Tänzer wie surreale Erinnerungsbilder und lässt sie so auf ihre unglaubliche Familiengeschichte los. Es entstehen rätselhafte Bildfolgen, die stets auf gescheiterte Beziehungen verweisen.

Lisa Beese, Kilian Haselbeck, Sonja Rocha und Nicolas Turicchia tanzten diese extremen Choreografien mit ausdrucksstarker Heftigkeit und überzeugender Sinnhaftigkeit. Dazu spielte und improvisierte der Kontrabassist Daniel Studer gestisch virtuos und beredt. Studer stand links von der Bühne, rechts davon war ein Streichquartett des Collegium Novum Zürich positioniert, alles hervorragende Musikerinnen und Musiker. Käsers skurrile choreografische Einfälle und seine poetisch suggestive Musik ergänzten sich so immer wieder zu grandiosen «Albtraumbildern».
 

Kategorien

get_footer();