Fachard folgt bei der SGNM auf Farine

Im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Neue Musik (SGNM/ISCM Switzerland) beerbt der Lausanner Komponist Antoine Fachard den scheidenden Vizepräsidenten und alt-SGNM-Präsidenten (2010-14) Nicolas Farine.

Antoine Fachard (Bild: zvg)

Zudem folgt der Genfer Denis Schuler auf den abtretenden Revisor Laurent Mettraux. Fachard ist in New York als Sohn eines Schweizers und einer Griechin geboren und in Lausanne aufgewachsen. Er studierte Komposition bei Daniel Glaus, William Blank und Xavier Dayer, ferner bei Lachenmann, Ferneyhough und Boulez. 2015 war er Composer in Residence beim Programm Composer`s Next Generation des Genfer Ensemble Vortex. Fachard lebt in Lausanne. Neben ihm walten Max E. Keller, Egidius Streiff und Javier Hagen (Präsident) im aktuellen SGNM-Vorstand.

Die SGNM ist die Schweizer Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM/ISCM) und wurde 1922 vom Winterthurer Mäzen Werner Reinhart – seines Zeichens der erste Generalsekretär der ISCM – als eine der ersten Ländersektionen der ISCM gegründet. Sie ist die Schweizer Schnittstelle zur ISCM und damit zu den alljährlich in einem anderen Land stattfindenden Weltmusiktagen (ISCM World Music Days), welche bisher sechsmal auch in der Schweiz stattgefunden haben: 1926, 1929, 1957, 1970, 1991 und zuletzt 2004.

 

Wildes und geordnetes Lernen

Das 2. Symposium für Pop-Rock-Jazz-Pädagogik (PRJ) befasste sich mit verschiedenen Lernformen und entkräftete gängige Vorurteile.

Victor Wanderley hat das Symposium organisiert. Foto: Niklaus Rüegg,Foto: Niklaus Rüegg,Foto: Niklaus Rüegg,Foto: Niklaus Rüegg

Klein, aber fein, ohne viel Drumherum, aber mit Substanz kam das PRJ-Symposium vom 19. Januar 2019 daher. Es wurde wiederum von der Musikschule Konservatorium Bern in Zusammenarbeit mit dem Verband Bernischer Musikschulen (VBMS) organisiert. Die Weiterbildungsveranstaltung für den Pop-, Rock-, Jazzbereich
wurde gegenüber der ersten Auflage etwas in Richtung allgemeine Pädagogik geöffnet. Organisator Victor Wanderley betonte, sein Symposium richte sich nicht nur an PRJ-Pädagogen, sondern an Vertreter aller Musiksparten. Diese Öffnung bekam der Veranstaltung sehr gut, doch hatte man den Eindruck, dass sich die Vertreter der Klassik (noch) nicht angesprochen fühlten.

Der Anlass fand in einem «Come-Together-Format» statt, will heissen, die Teilnehmenden erhielten viel Raum, um sich untereinander auszutauschen und ihre Ergebnisse und Erfahrungen ins Plenum einzubringen. Drei eingeladene Fachleute gaben gewichtige Inputs, leiteten Workshops und regten die Diskussionen an.
 

Die Mischung macht’s

Natalia Ardila-Mantilla, Leiterin der Studiengänge Instrumental- und Gesangspädagogik am Institut für musikpädagogische Forschung an der Hochschule für Musik und Theater Köln, forscht über Musikvermittlung in formalen bzw. informellen Lernkontexten und über die Entwicklung von Konzepten zum Musizieren-Lernen in heterogenen Gruppen. Sie lieferte einen spannenden Einstieg mit sechs Fragen zur persönlichen Ausbildungsvergangenheit und was man in den verschiedenen Lernkontexten glaubt gelernt zu haben. Die Antworten musste sich jeder und jede im Plenum selber geben. Verblüffend, welche erhellenden Erkenntnisse dabei herauskamen. Wer nun glaubte, daraus Vorzüge der einen oder der anderen Lernform ableiten zu können, sah sich ebenso getäuscht wie jene, die meinten, informelles Lernen sei eher dem PRJ-Bereich und formales Lernen den Klassikern zuzuordnen. Die Referentin belegte anhand von Unterrichtsprofilen, die sie in ihrer Forschungsarbeit erstellt hatte, dass die beiden Lernformen auf beiden Seiten etwa gleichmässig vorkommen. Sie ging von vier Lernwelten aus: Unterricht, Ensembles, Auftritte und privater Bereich, die alle mehr oder weniger formal oder informell ausgestaltet werden können. Die befruchtende Mischung sei entscheidend und dass die Lehrperson versuche, auf die informellen Lernwelten ihrer Schüler Einfluss zu nehmen.

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Natalia Ardila-Mantilla

Freestyle-Pädagogik

Nik Bärtsch, international erfolgreicher Jazzpianist aus Zürich mit klassischem Musikstudium, schilderte seinen Werdegang als Musikschüler in den Siebziger- und Achtzigerjahren und sprach über die Bildung und Pflege von kreativen Gemeinschaften, über seinen Club Exil, die Montagsreihe mit seiner «Ritual Groove Music» mit Workshops und Konzerten. «Kreativität braucht Strukturen», ist Bärtsch überzeugt. Eine lokale Verwurzelung, ein Basislager, seien für ihn wichtig, um international arbeiten zu können. Deshalb gehe er jeden Tag in sein «Exil» und definiere dadurch Heimat und Exil als deckungsgleich. Bärtsch ist Verfechter der «Freestyle-Pädagogik», die auf Eigeninitiative, auf «Machen, Riskieren, Lernen» setzt. Dieses «wilde Lernen» habe er sich bereits während seiner hürdenreichen Laufbahn als Musikschüler angeeignet. Die Zürcher Musikschule habe zunächst ihre liebe Mühe mit seinen Interessen gehabt: Er wollte Schlagzeug und Boogie-Woogie spielen und verabscheute Noten. Diese Dinge waren in der damaligen Unterrichtskultur nicht vorgesehen. Somit blieb ihm nichts anderes übrig, als autodidaktisch und in Bands zu lernen. Schliesslich traf der talentierte Junge doch noch auf verständnisvolle Musiklehrer, die ihm «irgendwie folgten» und halfen, seinen Weg zu finden.

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Nik Bärtsch

«Rhythm is it»

Der Pianist, Schlagzeuger, Mathematiker und Dozent am Jazzcampus Basel, Malcolm Braff, überraschte mit einer wissenschaftlichen Annäherung an ein als nicht akademisch geltendes Phänomen: den Groove. Er geht damit sozusagen den umgekehrten Weg und versucht Freestyle zu erklären und zu formalisieren. Braff unterscheidet zwischen dem theoretischen und dem musikalisch-praktischen Rhythmus: «In folk musics rhythm is never equal», betonte er und fügte bei, «in classical music it isn’t either.» Der Groove im Swing entstehe durch eine leichte Verschiebung und Variierung der Notenlängen. Das kann bei einer Gruppe von einem Viertel und zwei Achteln zum Beispiel eine Annäherung an eine Triole bedeuten. Durch diese Regel können auch manche klassische Stücke zum Swingen gebracht werden. Beliebtes Beispiel: Bach. Auch der Wiener Walzer wäre kein solcher, würden alle drei Noten exakt gleich lang gespielt. Braff veranschaulichte diese rhythmischen Verschiebungen grafisch, ausgehend von einer gleichmässigen Triole als gleichschenkligem Dreieck, und unterteilte die rhythmischen Effekte in «negative groove balance» (oder «laidback»), «positive groove balance» (vorwärts treibend) und «taking off the ground/taking down to the ground» (Phrasierung durch wechselnde Akzente). Beeindruckend waren die praktischen Demonstrationen trommelnd und am Klavier mit simultan gespielten wechselnden Rhythmen links und rechts.

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Malcolm Braff

Das nächste PRJ-Symposium findet am 11. Januar 2020 statt.

Europas grösste Fachmesse der Musikwirtschaft

Vom 2. bis 5. April 2019 wird das Frankfurter Messegelände zum Showroom der Instrumentenbranche – und zum Treffpunkt für Hersteller, Händler, Professionals und Musiker aus allen Teilen der Welt.

© Musikmesse Frankfurt,© Musikmesse Frankfurt,© Musikmesse Frankfurt,© Musikmesse Frankfurt,© Musikmesse Frankfurt,SMPV

Die Musikmesse findet in diesem Jahr erstmals an vier Werktagen (Dienstag bis Freitag) statt. Sie setzt damit mehr denn je auf den fachlichen Austausch internationaler Professionals und schärft ihren Markenkern als grösste europäische Fachmesse der Musikwirtschaft. In diesem Zuge öffnet die Musikmesse erstmals seit 2015 wieder komplett zeitgleich mit der Prolight + Sound, der «Global Entertainment Technology Show».

Auch nach der Messe bleibt es musikalisch in Frankfurt. Zum vierten Mal präsentiert das «Musikmesse Festival» Highlight-Konzerte in 30 Locations und auf dem Messegelände. Mit dabei: Die Talente des Internationalen Deutschen Pianistenpreises sowie ein grosses Abschlusskonzert mit Soul-Legende Gregory Porter und der Neuen Philharmonie Frankfurt.
 

Neue Hallenaufteilung entlastet den Schrittzähler

Besucher der Musikmesse 2019 dürfen sich über verkürzte Wege freuen. Die Halle 3 bündelt auf zwei Ebenen ein breites Spektrum von Pianos und Keyboards über Drums + Percussion, Gitarre und Bass, Holz- und Blechblasinstrumenten, Streichinstrumenten, Harmonikainstrumenten sowie Noten. Erstmals ist der gesamte Audio-Bereich auf einer Hallenebene konzentriert: So finden Besucher in Halle 8.0 sowohl Synthesizer und Recording-Equipment als auch Produkte rund um Live-Beschallung.

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Neu 2019 ist die gemeinsame «Networking Area» für Musikmesse und Prolight + Sound in Halle 4.1, die sich gezielt an Händler sowie Entscheider der Branche richtet. Mit aufwendig gestaltetem Lounge-Konzept bietet sie den idealen Rahmen für Geschäftsgespräche in entspannter Atmosphäre.

Voller Einsatz für die musikalische Bildung

Das neue «Music Education Center» im Congress Center Messe Frankfurt schafft eine zentrale Plattform für die Themen Nachwuchsförderung und Weiterbildung. Zu den Highlights in diesem Bereich zählen der Fachtag KlassenMusizieren (Freitag, 5. April), der Anregungen für modernen, praxisorientierten Unterricht gibt. Am selben Tag prämiert der Europäische Schulmusikpreis fortschrittliche Projekte im Bereich des methodisch-kreativen Arbeitens mit Musikinstrumenten. Darüber hinaus finden Workshops und Seminare rund um Musiktherapie sowie erstmals die Preisverleihung zum «Wettbewerb Neue Therapie-Instrumente» statt.

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Für junge musikalische Entdecker bietet das Nachwuchsprojekt «Discover Music» eine Entdeckungsreise in die Welt der Töne und Klänge. Unter pädagogischer Anleitung von erfahrenen Musikern der Frankfurt Music Academy können bereits Schulkinder Instrumente nach Lust und Laune ausprobieren.

Ebenso geht der «European Songwriting Award» in eine neue Runde. Bei der Award Show mit Live-Finale (5. April) können Songwriter und Produzenten ihre Kompositionen vor einer hochkarätig besetzten Jury mit internationalen A&Rs vorstellen. Für den Gewinner geht es direkt ins Studio: Es winkt ausserdem Radio- und Online-Promo für die besten Songs.
 

Musik auf dem Gelände und in der City

Neben Workshops, Masterclasses und Tutorials (mit Schwerpunkt auf Tasteninstrumente am Dienstag, 2. April) bietet die Musikmesse den gesamten Tag Live-Musik nationaler und internationaler Künstler.

Abends wird das Messegelände zum Epizentrum des «Musikmesse Festival» – so bieten beispielsweise die Festhalle Frankfurt, das Congress Center Messe Frankfurt, die Festival Arena auf dem Freigelände sowie die neuen «Circle Stages» direkt in den Messehallen besondere musikalische Erlebnisse auch nach Messeschluss. Auch in Frankfurts Clubs und Event-Locations präsentiert das Musikmesse Festival Konzerte und Partys. Besucher der Musikmesse erhalten ein Gratis-Festivalbändchen, mit dem sie die Events des Musikmesse Festival vergünstigt oder sogar kostenfrei besuchen können.
 

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Zur feierlichen Eröffnung bietet das Grand Finale des «Internationalen Deutschen Pianistenpreises» einen Leckerbissen für Freunde hochkarätiger Piano-Musik (1. April, Alte Oper Frankfurt). Begleitet durch die Philharmonie Baden-Baden unter der Leitung von Dirigent Douglas Bostock zeigen junge Spitzenpianisten ihr Können. Auf dem Programm stehen das Klavierkonzert Nr. 2 op. 18 in c-Moll von Rachmaninoff sowie Klavierkonzert Nr. 1 op. 15 in d-Moll von Brahms.

Musikmesse Plaza rockt den Samstag

Am Samstag nach der Musikmesse (6. April) präsentiert die «Musikmesse Plaza» ein völlig neues Veranstaltungskonzept, das ganz auf Musikbegeisterte aller Altersstufen abzielt. Gemeinsam mit Partnern aus der Kreativbranche realisiert die Messe Frankfurt einen Pop-up-Market mit vielfältigen Themenwelten und Direktverkauf: von Vintage-Instrumenten über Tonträger bis hin zu Lifestyle-Produkten. Zum Höhepunkt einer Woche voller Musik und Entertainment erwartet Musikfans das Abschlusskonzert des US-Amerikanischen Soul-Künstlers Gregory Porter, der erstmals gemeinsam mit der Neuen Philharmonie Frankfurt performt.

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Alle weiteren Informationen zur Musikmesse unter

Begabtenförderung der besonderen Art

Die Anmeldefrist der diesjährigen YOUTH CLASSICS Swiss International Music Academy SIMA auf der Musikinsel Rheinau läuft bis am 11. Mai.

Cellist Izak Hudnik am Schlusskonzert der SIMA 2018. Foto: YOUTH CLASSICS,SMPV

Talentierten Musikerinnen und Musiker aus dem In- und Ausland bietet die 10. YOUTH CLASSICS Swiss International Music Academy SIMA vom 11. bis 21. Juli 2019 auf der Musikinsel Rheinau eine intensive, hochwertige Bildungsmöglichkeit. Die Academy richtet sich an junge musikalische Talente im Alter von 10 bis 25 Jahren, die in naher oder ferner Zukunft ein Musikstudium anstreben oder bereits absolvieren. Sie wurde im Jahre 2009 vom Geiger und Dirigenten Philip A. Draganov gegründet. Er gehört zu den gefragtesten Violinpädagogen für junge Begabungen in der Schweiz und unterrichtet an Musikschule Konservatorium Zürich, dem Konservatorium Winterthur sowie am PreCollege Musik der Zürcher Hochschule der Künste.

Unterricht bei gefragten Solisten und Professoren

Die Teilnehmenden profitieren während zehn Tagen im Rahmen von Solounterricht, Kammermusikunterricht und Workshops von den Erfahrungen international bekannter Dozentinnen und Dozenten renommierter Musikhochschulen des In- und Auslands. Im intensiven Einzelunterricht erhalten die Teilnehmenden eine ausgezeichnete musikalische Förderung und erstklassige Ausbildung auf ihrem Instrument. Zudem werden sie auf Wettbewerbe, Probespiele und Prüfungen vorbereitet.

Ort der Begegnungen

Die Teilnehmenden und die Dozierenden leben während der Academy auf der Musikinsel Rheinau an einem Ort. Dadurch werden Begegnungen mit den bedeutenden Musikpädagogen und der Austausch mit Gleichgesinnten unterschiedlichen Alters zusätzlich gefördert.

Konzerte während der Academy und Schlusskonzerte am 20. Juli bzw. am 14. September 2019 in Zürich sind besondere Höhepunkte.

Anmeldung bis am 11. Mai 2019 auf www.youth-classics.ch
 

Nachgefragt bei Thomas Grossenbacher

Thomas Grossenbacher, Dozent an der Hochschule der Künste Zürich, Solocellist im Tonhalle Orchester Zürich und seit Jahren Dozent an der SIMA.

Herr Grossenbacher, was motiviert Sie als vielbeschäftigter Musiker, sich an der SIMA als Dozent zu engagieren?
Ich geniesse vor allem die Gemeinschaft von Studenten und Dozenten, aber nicht zuletzt ist auch das unvergleichliche Ambiente auf der Musikinsel Rheinau eine grosse Motivationsquelle.

Was macht diese Academy besonders wertvoll?
Einen grossen Wert sehe ich in der Vielseitigkeit des Angebotes (vom Geigenbau-Workshop über Barocktanz bis zum Probespieltraining u.v.m.), aber ebenso in der hervorragenden Organisation, in der Durchmischung der Studentenschaft von klein bis gross sowie in den vielen Auftrittsmöglichkeiten für die Teilnehmenden vor Publikum.

Welchen Rat geben Sie jungen Talenten mit auf den Weg?
Entspannt Euch!
 

Vollständige Bildlegende

Izak Hudnik, Solist am Schlusskonzert mit dem PreCollege Orchestra Zürich und Teilnehmer SIMA 2018, Dirigent Philip A. Draganov
 

Richard Irniger mit Zürcher Stadttaler geehrt

Die Stadtpräsidentin hat dem Zürcher Mäzen Richard Irniger den Stadttaler überreicht. Sie hat ihm damit für seine grossen Verdienste um das Musikleben der Stadt Zürich gedankt.

Foto: Kathrin Frischemeyer/pixelio.de

Seit bald einem Vierteljahrhundert stelle Richard Irniger seine Villa Musikerinnen und Musikern verschiedener Stilrichtungen von Klassik über Jazz bis zur Volksmusik zur Verfügung, heisst es in der mitteilung der Stadt. Schon über tausend Konzerte haben in den Räumlichkeiten an der Schneckenmannstrasse stattgefunden, wo auch regelmässig geübt und geprobt werden kann.

Im Anschluss an die Konzerte offeriert der Mäzen, der am 27. Januar seinen achtzigsten Geburtstag feierte, jeweils einen Apéro riche und bringt so das Publikum in entspannter Atmosphäre mit Künstlerinnen und Künstlern ins Gespräch. Richard Irniger hat laut der Ehrung «am Zürichberg ein kulturelles Kleinod geschaffen, mit dem er das Zürcher Musikleben unermüdlich bereichert».
 

Verlinkter Bildnachweis: Kathrin Frischemeyer / pixelio.de

Eine Big-Band retten

Die ehemalige ZS-Big-Band soll als ORP-Big-Band erhalten bleiben. Dafür werden Geldspenden gesucht. Ein nächster Auftritt mit dem Orchester Reto Parolari ist für 2019 angesagt.

Aus der ZS-Big-Band wird die ORP-Big-Band. Foto: ORP

Anfang 2018 hat sich die Zivilschutzorganisation Winterthur von ihrem Aushängeschild, der ZS-Big-Band Winterthur getrennt. Dies schreibt das Orchester Reto Parolari (ORP) in einem Brief. Es hat 25 Jahre lang mit der ZS-Big-Band zusammengearbeitet, sei es im Rahmen des Festivals der U-Musik oder in gemeinsamen Konzerten.

Das ORP möchte die Ex-ZS-Big-Band in ihrer Form erhalten und zwar unter dem neuen Namen ORP-Big-Band. Das kann es aber mit den eigenen Mitteln nicht tun. Deshalb hat es eine Spendenaktion gestartet und hofft auf viel Wohlwollen und Unterstützung.
Der nächste Auftritt ist für November 2019 geplant unter dem Titel «Ein Abend im Circus».

Weitere Informationen und Kontaktaufnahme über www.orchester-retoparolari.ch
 

Einzahlungsschein zum Herunterladen (PDF)
 

Gut geschriebene Texte vermitteln Musik

Eine Studie des Frankfurter Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik relativiert den Einfluss des Komponistenprestiges bei der Bewertung klassischer Musik und zeigt: Das Gefallen an Musik wird durch lebendige Texte gefördert.

Foto: Rudis-Fotoseite.de/pixelio.de,SMPV

Das Hören von klassischer Musik wird häufig begleitet von Informationen über die Stücke: Im Konzert und in der Oper werden Programmhefte verteilt, zu jeder guten Klassik-CD gehört ein Booklet und im Radio werden klassische Stücke anmoderiert. Eine Studie am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik untersuchte nun den Einfluss verschiedener Informationen auf die Bewertung der gehörten Musik.

Zwei Fragen beschäftigten dabei die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Hat die Bekanntheit der Komponisten einen Einfluss auf das Gefallen der Stücke? Wie beeinflussen stilistisch unterschiedliche Einführungstexte die Einschätzung der Musik? Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hörten im Rahmen der Studie eine Sinfonia von Josef Mysliveček (1737–1781). Während die eine Hälfte der Teilnehmer die richtigen Informationen über den Urheber des Stückes erhielten, wurde der anderen Hälfte gegenüber behauptet, es handle sich um ein Stück von Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791). Vor dem Hören lasen die Teilnehmer beider Gruppen zudem eine kurze Einführung: Eine Gruppe erhielt einen Text, der auf lebhafte, teils blumige Weise die expressive Bedeutsamkeit der Sinfonia beschrieb, während der Text der zweiten Gruppe die formalen Eigenheiten der Sinfonia darlegte. Nach dem Hören bewerteten alle Teilnehmer die Sinfonia unter anderem danach, wie gut ihnen die Musik gefiel.

Die kürzlich in der Fachzeitschrift Psychology of Music veröffentlichten Ergebnisse bestätigen die naheliegende Vermutung, dass Vorabinformationen einen nachhaltigen Einfluss auf das Hörerleben von Musik haben. So konnte das Forscher-Team einen Alterseffekt bezüglich Prestige beobachten: Im Gegensatz zu älteren Teilnehmern gefiel jüngeren das Stück besser, wenn es Mozart zugeschrieben wurde. Dieses Ergebnis bestätigt Beobachtungen aus früheren Studien. Im Gegensatz zu früheren Studien nahmen an dieser Studie aber auch ältere Hörerinnen und Hörer teil, bei denen die Zuschreibung zu Mozart keine Auswirkung darauf hatte, wie gut ihnen das Stück gefiel. Die scheinbare Immunität der älteren Teilnehmer – mehrheitlich erfahrene Musikliebhaber – weist darauf hin, dass musikalisch-stilistische Erfahrungen vor externen Einflussnahmen auf die Bewertung von Musik schützen können.

Dagegen hatte der Stil, in dem der Text geschrieben war, über alle Altersstufen hinweg einen starken Effekt: Den Teilnehmern der Gruppe, die den ausdrucksstarken Text gelesen hatten, gefiel die gleiche Musik besser, als denen, deren Text nüchterne, musikanalytische Informationen präsentierte

Originalpublikation: Fischinger, T., Kaufmann, M., & Schlotz, W. (2018). If it’s Mozart, it must be good? The influence of textual information and age on musical appreciation. Psychology of Music. Advance online publication. DOI:10.1177/0305735618812216
 

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Zürcher erhält ein Zentrum für die Kreativindustrie

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) baut an ihrem Standort im Toni-Areal das Zurich Center for Creative Economies auf. Gründungspartnerin ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB).

Zürcher Hochschule der Künste, Toni-Areal. Foto: Micha L. Rieser/wikimedia commons

Mit dem Zurich Center for Creative Economies (ZCCE) soll ein international führendes Kompetenzzentrum in Forschung, Lehre und Beratung entstehen. Seit rund 15 Jahren positioniert sich die ZHdK in diesem Feld erfolgreich. Die ZKB fördert die Initiative in den nächsten sechs Jahren mit insgesamt 1,9 Millionen Franken. Damit können bestehende Initiativen der ZHdK verknüpft und eine Professur, ein Senior-Fellowship-Programm sowie Förderprogramme für Start-ups und Spin-offs an der Schnittstelle von Studium und Arbeitsmarkt aufgebaut werden.

Etabliert sich das ZCCE erfolgreich, unterstützt die ZKB die Hochschule bis 2024 mit weiteren Beiträgen in der Höhe von 1 Million Franken. Eine Voraussetzung dafür ist, dass weitere Partner und Fördergelder gewonnen werden. Die ZHdK beteuert, dass die Partnerschaft zwischen ZKB und ZHdK «die Freiheit von Lehre und Forschung in keiner Weise beeinträchtigen». Die Wissenschaftsfreiheit sei vertraglich bekräftigt worden. Der Zürcher Fachhochschulrat hat die Zusammenarbeit genehmigt.

Die Kreativwirtschaft vereint zukunftsfähige Branchen und bildet einen wichtigen Teil des Arbeitsmarkts für die Absolventinnen und Absolventen der ZHdK. Daher ist sie für die Hochschule von strategischer Bedeutung. Zürich gilt mit innovativen Unternehmen und einer dynamischen Start-up-Szene national und international als Hotspot der Kreativwirtschaft. Rund ein Drittel der Schweizer Wertschöpfung entsteht im Kanton Zürich.

Prävention und Behandlung bei Musikern

Einladung zur Fortbildung «Prävention und Behandlung bei Musikern» am 24. und 25. Mai 2019 in Bad Neustadt

Foto: Kaspar Ruoff,SMPV

Das Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt und das Schweizerische Hochschulzentrum für Musikphysiologie SHZM laden zu einer ersten gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung für Musikerinnen und Musiker am 24. und 25. Mai 2019 nach Bad Neustadt ein. Praktische Workshops zur fachgruppenspezifischen Körperarbeit und zum Stressmanagement im musikalischen Berufsalltag stellen den Hauptschwerpunkt der Veranstaltung dar. Weiterhin werden neue Strategien zur Prävention und Behandlung berufsspezifischer Probleme dargestellt und diskutiert. Das neue Kooperationsmodell «Gesundheit am Meininger Theater» wird als lernendes interdisziplinäres Modellprojekt vorgestellt. Der Flyer zur Veranstaltung kann als Download bezogen werden unter

https://www.campus-nes.de/presse-aktuelles/veranstaltungen/fort-und-weiterbildungen.html

Klassikliebhaber verlassen sich auf Kritiken

Eine Umfrage der Hochschule Luzern und der Universität Sheffield zeigt, dass gut zwei Drittel aller Klassikfans konstruktiv und nachvollziehbar begründete Musikkritiken nutzen, um sich zu informieren.

Foto: Susanne Schmich/pixelio.de

62 Prozent derjenigen, welche die Umfrage beantworteten, nutzen Profi-Musikrezensionen regelmässig. Vier von fünf Musikfreunden finden, Kritiken sollten konstruktiv, respektvoll, aufgeschlossen und unparteiisch informieren. Zudem wird eine gut begründete Bewertung erwartet. Etwa zwei Drittel der Klassikfans lesen gerne Vergleiche mit anderen Aufnahmen, ebenso viele lassen sich von einer klaren und packenden Schilderung überzeugen.

Die Online-Umfrage des Forschungsteams der Hochschule Luzern und der Universität Sheffield, die zwischen Januar 2017 und März 2018 auf deutsch- und englischsprachigen Web-Plattformen aufgeschaltet war, beantworteten 1200 Personen aus 62 verschiedenen Ländern, die klassische Musik regelmässig oder gelegentlich hören, das Altersspektrum reichte von 17 bis 85 Jahren.

Mehr Infos: https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/ueber-uns/medien/medienmitteilungen/2019/01/28/rezensionen-spielen-grosse-rolle-fuer-liebhaber-klassischer-musik/


Verlinkter Bildnachweis: Susanne Schmich / pixelio.de

Nicht «marktkonforme» Sonate

1932 schuf der Pianist und Komponist Ernst Levy dieses einsätzige Werk für Flöte und Klavier.

Ernst Levy. Foto: zVg

Der Basler Komponist Ernst Levy (1895–1981) erlangte zunächst als pianistisches Wunderkind einen grösseren Bekanntheitsgrad. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt er sogar als einer der bedeutendsten Pianisten. Anerkennung erhielt er auch als Musiktheoretiker, jedoch wurde sein kompositorisches Schaffen, das u. a. 15 Sinfonien sowie zahlreiche Kammermusikstücke und Klavierwerke beinhaltet, kaum gewürdigt. In den USA durchlief er eine Hochschulkarriere als Professor für Klavier, was zur Folge hatte, dass er nicht gezwungen war, besonders marktkonform zu komponieren und sich um die Aufführungen seiner Werke zu kümmern. Die Sonate für Flöte und Klavier schuf Levy im Jahr 1932, uraufgeführt wurde sie jedoch erst 1939 bei einem Konzert in der Carnegie Hall in New York mit dem Komponisten selbst am Klavier.

Die aus einem Satz bestehende Sonate, welche knapp 17 Minuten dauert, birgt in sich den klassischen, dreisätzigen Aufbau in der Reihenfolge schnell- langsam-schnell und ist typisch für Levys Kompositionsstil, den er wie folgt beschreibt: «Das Hauptmerkmal einer Sonate, welches ihrem Konzept inhärent ist, ist das des Werdens, einer Entwicklung. Wir sind sozusagen zum Ende eines Werkes nicht dieselben, die wir zu Beginn des Werks waren.»

Nach einem elegischen Flötensolo zu Beginn erklingt ein zupackendes Triolenmotiv, das vom Klavier in pulsierenden Triolen begleitet wird. Später folgen Kantilenen in beiden Instrumenten, die ineinander verwoben sind und sich gegenseitig imitieren. Interessant ist, dass der am Anfang geschriebene 4/ 4-Takt ständig verändert wird, sodass er, wie es der Herausgeber Timon Altwegg beschreibt, bald wie ein ironischer Scherz anmutet und daraus ein «sich ständig ändernder, quasi ein- und ausatmender musikalischer Organismus» entsteht. In der Mitte der Sonate folgt ein langsamer Teil mit zarten Piano-Abschnitten und einer Kantilene der Flöte, die nur sporadisch von Akkorden untermalt ist. Er mündet in einen kecken, mit «Vivo e leggiero» übertitelten Schlussteil, in welchem kurz vor Ende des Stücks nochmals das Anfangsmotiv in der Flöte erklingt.

Mit dieser Sonate hat Ernst Levy ein vielschichtiges und interessantes Werk geschaffen, das es verdient, auch heutzutage in den Konzerten seinen Platz zu finden.

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Ernst Levy: Sonate für Flöte und Klavier, hg. von Timon Altwegg, Erstdruck, BP 2803, € 14.00, Amadeus-Verlag, Winterthur 2017

Vamps als Improvisationshilfe

Die Publikationen von Thomas Silvestri sind aus der eigenen Unterrichtspraxis herausgewachsen und geben wertvolle Anregungen.

Thomas Silvestri. Foto: zVg

Gerade wenn wir selber nicht viel Erfahrung mit Improvisieren haben, tun wir uns schwer, dieses enorm bereichernde Lernfeld in unseren Unterricht zu integrieren. Thomas Silvestri gibt uns jedoch mit seiner Reihe Piano-Vamps for Improvising (Vol. 1–3) wunderbares Material an die Hand, das mir etliche neue Impulse und Ideen für meinen Unterricht gegeben hat. Die Stücke sind alle ganz aus seiner Unterrichtspraxis heraus entstanden und bieten nur jeweils so viel explizite Theorie an, wie gerade nötig, um schnell ins Spiel hineinzukommen. In den Heften werden kurze Ostinato-Bass-Figuren (Vamps) vorgestellt, über welchen improvisiert werden kann. Die dazugehörigen Tonleitern (Dur, Moll, Bluestonleiter, Pentablues-Tonleiter etc.) werden im letzten Teil der Hefte bewusst gesondert aufgelistet mit der Absicht, sich diese zuerst einzuprägen und zu eigen zu machen. Dort finden sich auch viele typische «Patterns», welche als Bausteine geübt werden sollen und später in die Improvisationen einfliessen können. Das Ziel ist, ein Repertoire an gut klingenden Phrasen aufzubauen und mit der Zeit ein Gefühl für die verschiedenen Tonarten zu bekommen. Sehr zu empfehlen sind auch die Anregungen, wie einzelne Tonarten nicht nur als sogenannte «Tonleiter» geübt werden können, sondern wie, mit dem Tastenbild als Orientierung, auf einem beliebigen Ton gestartet werden kann, um beispielweise kleine Motive, Intervalle oder leitereigene Akkorde diatonisch zu versetzen. Dadurch werden die Tonleitern mehr und mehr als «Tonreservoir» betrachtet, welches irgendwo beginnt und irgendwo aufhört, wie es beim Improvisieren natürlich der Fall ist.

Auch bei www.silvestrimusic.ch erschienen sind Jazzy Tunes for Piano-Solo, in Versionen für Anfänger bis Fortgeschrittene. Es sind Sammlungen von «jazzigen» Klavierstücken, viele mit einem Improvisationsteil. Das Heft im mittleren Schwierigkeitsbereich (Intermediate Vol.1) bietet beispielsweise neben den Stücken zahlreiche Tipps zu Tonleitern und Patterns. Auch zeigt der Autor, wie eine Improskizze mit ausnotierten wie auch freien Stellen angefertigt werden kann. Mittels QR-Code können die einzelnen Stücke als Audio-Examples angehört werden.

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Thomas Silvestri: Piano-Vamps for Improvising Vol. 1, Blues, Funk, Jazz, Valse, Tango, Pop, Bossa, Classic, Choro, Flamenco … and more; Heft Fr. 20.00; PDF Fr. 10.00; Eigenverlag Thomas Silvestri, www.silvestrimusic.ch

Intelligent ausgeleuchtet

«Impromptus», «Moments musicaux» und «Valses sentimentales» von Franz Schubert für zwei Gitarren bearbeitet: Raoul Morat und Christian Fergo haben das Repertoire für ihr Instrument überzeugend erweitert.

Foto: Tomasz Trzebiatowski

Die Gitarristen Raoul Morat und Christian Fergo haben bei Frank Bungarten an der Hochschule Luzern studiert und sich dort auch zum Gitarrenduo zusammengeschlossen. Die Duoformation kann dem Instrument viel mehr Klavierliteratur erschliessen als die Sologitarre, aus einem einleuchtenden Grund: Da der Gitarrensolist bloss eine Hand zur Klangerzeugung hat – mit der andern muss er die Saiten verkürzen – fehlt ihm die harmonische und kontrapunktische Fülle der zweihändigen Klavierliteratur. Zwei Gitarren sorgen aber für verlustfreies Reproduzieren des Klaviersatzes. An Schuberts Werke haben sich die beiden bereits 2016 gewagt, als sie mit dem Tenor Julian Prégardien einen Winterreise-Zyklus realisierten. Nun also Impromptus, Moments musicaux und Valses sentimentales, die schon manchen Gitarristen gereizt haben dürften. Eines der Moments musicaux hat im 19. Jahrhundert bereits der bedeutende Gitarrist Francisco Tarrega bearbeitet. Nun legen Morat und Fergo also eine ganze Sammlung dieser Charakterstücke vor, wohl nicht ganz zufällig auf einem österreichischen Label, es heisst Challenge Records.

Im ersten Moment erschrickt man ein wenig: Das erste Impromptu aus Schuberts Opus 90 beginnt im Original mit einem vierfach oktavierten G im Fortissimo. Auf zwei Gitarren tönt dies ziemlich jämmerlich. Je weiter sich das Gitarrenduo Morat-Fergo allerdings durch den Notentext arbeitet, umso mehr gerät man in den Sog der Musik, und mehr und mehr ist man fasziniert. Den Gitarren stehen eine Fülle an Klangtechniken zur Verfügung, Flageoletts, Vibrati, Pizzicati, die Klänge verschiedener Positionen der zupfenden Finger und so weiter. Das Luzerner Duo nutzt sie weidlich und überaus geschmackvoll, um die Musik Schuberts in allen Farben irisieren zu lassen. Es entsteht ein filigranes, transparentes Klangbild, das die ausgewählten Stücke delikat, aber auch modern erscheinen lässt.

Damit erweitert das Duo das Repertoire des Instruments, das mit hochstehenden Werken aus Spätklassik und Frühromantik wahrlich nicht gesegnet ist, auf überaus überzeugende Art. Es bemüht sich um zusätzliche historische Verwurzelung, indem es die Stücke auf Kopien von Gitarren aus der Zeit Schuberts einspielt. Zeitnähe wird damit allerdings kaum gewährleistet, auch wenn die Klanglichkeit der historischen Instrumente auf die Entstehungszeit der Originale verweisen kann. Man kann aber davon ausgehen, dass diese Klavierwerke, zu jener Zeit auf Gitarren gespielt, fremd geklungen hätten. Der Reiz der Bearbeitungen liegt eher ausserhalb von Bemühungen um historisch-informiertes Musizieren in allgemeinen interpretatorischen und gestalterischen Prinzipien. Das Resultat ist überzeugend, weil es die Musik zeitlos auf intelligente Weise durch- und ausleuchtet. Aufgenommen haben die beiden die CD in einem Konzertsaal der Abtei Marienmüster, finanziert teilweise über Crowdfunding.

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Franz Schubert: A Sentimental Moment, Duo Morat-Fergo, Romantic Viennese Guitars. Challenge Classics CC 72791

Aufwühlendes Psychogramm

Dmitri Schostakowitschs Violinsonate op. 134 in der Version mit Streichorchester und Perkussion. Liveaufnahme mit Sebastian Bohren und der Camerata Zürich unter der Leitung von Igor Karsko.

Sebastian Bohren. Foto: Marco Borggreve

Kaum noch zu bremsen ist die Produktivität des Geigers Sebastian Bohren. Nach eigenem Bekunden strebt er danach, sich interpretatorisch einem Stück so anzunähern, dass es im Idealfall «so klingt, wie es ist». Im Falle von Dmitri Schostakowitschs Sonate op. 134 (1968) wird hierfür auch mal der Rahmen ausgeweitet.

Ursprünglich für Violine und Klavier gesetzt und dem Geiger Igor Oistrach auf den Leib geschrieben, wurde der Klaviersatz später auf ein grosses Streichorchester plus Perkussion übertragen. Ein legitimer Kunstgriff. Vor allem aber ein Unterfangen, dem sich Sebastian Bohren und die Camerata Zürich unter der Leitung von Igor Karsko bei einem Konzert in der Stadtkirche von Brugg mit beglückender Spiellust hingaben. Davon zeugt der nun vorliegende Livemitschnitt für Sony Classical.

Schostakowitschs Opus 134 ist Psychogramm und tönendes Zeitdokument zugleich. Auch im Jahr 1968 lebte der Komponist in einem Klima von Angst und Unterdrückung, stand zudem unter dem Eindruck der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings. In karger Zwölftonreihung geführt, gewährt schon der erste Satz mangels Grundtonart keine emotionalen Zufluchtsräume mehr. Der zweite, schnelle Satz lässt einen gespenstischen Totentanz losbrechen. Der Finalsatz mutet dann wieder wie ein reduziertes Fazit an – mit eigenwilligen Variationen über eine stoische Passacaglia und raffiniert adaptierten barocken Anleihen.

Die Ausführenden dieser neuen Einspielung eint ein hörbarer Wille zu objektivierender Klarheit: Sebastian Bohrens Spiel steht in jedem Moment als leuchtender Fixstern im Zentrum des aufnahmetechnisch brillant eingefangenen klanglichen Geschehens. Sein Ton strahlt aus einer inneren Ruhe umso eindringlicher und zeugt von tiefer geistiger Konzentration. Oft kühl und vibratoarm verdichtet er in den exponierten solistischen Partien einen lakonischen Gestus, beansprucht aber auch in den hitzigsten, virtuosesten Ausbrüchen eine unerschütterliche Souveränität. Die Camerata Zürich schafft mit ihrem schneidend präzisen, zugleich sinnlich atmenden Zusammenspiel die denkbar beste Klangumgebung für das verdienstvolle Unterfangen, Schostakowitschs aufwühlendes Spätwerk in ein «verjüngtes» interpretatorisches Licht zu tauchen.

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Dmitri Schostakowitsch: Sonate op. 134 für Violine, Perkussion und Streichorchester. Sebastian Bohren, Violine; Camerata Zürich, Leitung Igor Karsko. Liveaufnahme. Sony Classical, Digitaler Tonträger

Zwischen Schärfe und Spannung

Neu erfunden haben sich Kaos Protokoll auf ihrer dritten Platte nicht, doch ihr Sound zeigt sich frisch justiert. Mit dem Ergebnis, dass das Quartett stärker denn je auf musikalische Gegensätze pocht.

Foto: zVg

Der Zweitling von Kaos Protokoll mit dem zungenbrecherischen Titel Questclamationmarks liegt gerade mal drei Jahre zurück, doch seither hat sich bei der Band einiges verändert: Am Saxofon wurde Mark Stucki durch Simon Spiess ersetzt und neu an Bord ist auch Keyboarder Luzius Schuler. Wodurch das Trio zum Quartett angewachsen ist. Laut Presseunterlagen ist das neue Album, Everyone Nowhere, zwischen «Post Future Beats» und «modernem Spiritual Jazz» angesiedelt. Die Besetzungswechsel haben den Sound von Kaos Protokoll nicht völlig über den Haufen geworfen, aber hörbar Spuren hinterlassen: Die Musik wirkt meditativer und sphärischer. Davon kündet bereits das erste Stück, Flash Frame, das muskulöse Rhythmen mit langgezogenen Klängen der Bassklarinette und frenetischem Tastenspiel verbindet – und dabei ebenso cool wie kühn anmutet.

Kaos Protokoll lassen immer wieder ihre Vorliebe für Elektronisches aufblitzen. Das verleiht den Liedern aus der Feder von Bassist Benedikt Wieland eine gewisse Unnahbarkeit. Durch melancholische Momente wird sie jedoch auch stets aufs Neue durchbrochen. Die Formation schätzt es, sich insbesondere mit Gegensätzen zu beschäftigen: Während Warteraum zwischen leiser Schwermut und Noise-Elementen pendelt, arbeitet sich The Cosmos In My Backyard mal am Free-Jazz, mal am elegischen Art-Rock ab. Indem die vier Musiker abstrakte Klangbilder quasi unablässig mit linden Melodien zu kontrastieren verstehen, gewinnt die Platte sowohl an Schärfe als auch an Spannung. Auf den acht neuen Liedern lassen Kaos Protokoll ihren Ideen unentwegt freien Lauf. Das ist wild und neugierig, aber nicht durchwegs schlüssig. Das Experiment, das Album mit einer Art Rap namens SunRaColtraneSolar zu beschliessen, zeugt zwar von Wagemut, aber: Die einzige Nicht-Instrumentalnummer entpuppt sich als charmanter Fremdkörper.Image

Kaos Protokoll (Benedikt Wieland, E-Bass, Moog; Luzius Schuler, Keys, Efx; Flo Reichle, Drums, Electronics; Simon Spiess, Saxes, Bassclarinet): Everyone Nowhere. Prolog Music, CD/Vinyl. www.kaosprotokoll.ch

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