Über alle Grenzen hinweg

Sarah Chaksad hat ihr Orchester zu einem 13-köpfigen Ensemble reduziert und beweist mit ihrem neuen Album die Richtigkeit ihres Entscheides. Die neue Formation versteht es, zugleich mutiger und beweglicher zu agieren.

Sarah Chaksad. Foto: zVg

Seit mehr als zehn Jahren steht der Name Sarah Chaksad für Jazz voller prägnanter Motive, gedämpfter Sounds und komplexer Rhythmen. Bis zur Corona-Pandemie war die Saxofonistin, Komponistin und Bandleaderin in erster Linie mit ihrem «Orchestra» unterwegs, mit dem sie auch zwei Alben veröffentlichte. Für ihr neuestes Werk, Together, hat sie ihr Ensemble jetzt nicht etwa erweitert, sondern auf 13 Musikerinnen und Musiker reduziert. Laut der 40-Jährigen ist die aktuelle Formation dadurch beweglicher und geniesst zusätzlichen Raum für Improvisationen.

Seltene Instrumente, ungerade Metren

2022 erklärte Chaksad in einem Interview mit dem Verfasser dieser Zeilen, dass es ihr Anliegen sei, sich immer weiterzuentwickeln, und ihr dabei die Musik als Kraftort diene. Beides schlägt sich in ihren zehn neuen Stücken nieder. Ein Gros der Kompositionen wurden durch den Tod ihres aus dem Iran stammenden Vaters ausgelöst. Das brachte sie dazu, sich intensiver mit traditioneller persischer Musik zu beschäftigen. Mit dem Ergebnis, dass sie ihr dynamisches Klangbild mit Instrumenten wie Eufonium, Ventilposaune und persischer Geige, die im Jazz wenig bekannt sind, erweitert hat.

Hinzu kommt, dass fast alle Lieder auf Together auf ungeraden Metren basieren. Während das verspielte Imagine Peace mit einem 13/8-Takt aufwartet, setzt das atmosphärische Titelstück auf einen 5/8-Takt und weiss insbesondere dank Misagh Joolaees gefühlvollem Solo auf der Kamantsche, einer Spiessgeige, zu gefallen. Auch Nummern wie das elegische Love Letters oder das kecke Lost, das vom elterlichen Leben in Berlin inspiriert wurde, zeigen sich ideenreich, inspiriert und bleiben haften.

Letztlich zeichnet sich das Album durch Tiefenschärfe, mannigfaltige Klangfarben und behutsame Solobeiträge aus. Sarah Chaksad möchte Together zudem als Plädoyer für einen Zusammenhalt über alle Grenzen hinweg verstanden haben – was sich aufgrund der gebotenen Musik, die voller Neugier von Genre zu Genre zieht, bestens nachvollziehen lässt.

Sarah Chaksad Large Ensemble: Together. Clap Your Hands CYH

Line up: Yumi Ito (voc), Hildegunn Øiseth (tp, goat horn), Paco Andreo (vtb), Lukas Wyss (tb), Sophia Nidecker (tuba), Catherine Delaunay (basset horn), Christoph Bösch (fl), Fabian Willmann (ts), Julia Hülsmann (p), Fabio Gouvea (g), Dominique Girod (b), Eva Klesse (dr), Misagh Joolaee (kamancheh), Sarah Chaksad (ss, as, comp)

Die Schweiz a cappella

A-cappella-Stücke in allen Landessprachen, Englisch und Latein von Antognini bis Vögele.

Der Schweizer Jugendchor unter der Leitung von Nicolas Fink anlässlich der CD-Einspielung zu «Swiss Choral Music». Foto: Ruben Ung

Die Schweiz hat durch ihre verschiedenen Landessprachen und den damit verbundenen Kulturräumen im Bereich der Chormusik viel zu bieten. Die schweizerische Föderation Europa Cantat nahm dies zum Anlass, beim Carus-Verlag ein kompaktes Chorbuch herauszugeben, welches diese Vielfalt abbilden und international bekannter machen möchte. Ein anspruchsvolles Unterfangen.

Das Ergebnis ist eine interessante Sammlung mit 28 Stücken unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit für gemischten Chor a cappella in allen Landessprachen sowie Englisch und Latein. Enthalten sind Volkslied-Highlights, Werke von bekannten und unbekannteren Komponisten der Schweizer Chormusikszene, Kürzest-Stücke der «Stars» Heinz Holliger und Beat Furrer und neueste Kompositionen der jüngeren Generation, darunter vier Komponistinnen.

Neben wirklich originellen und empfehlenswerten Werken hält auch hier der in der Chormusik inzwischen weitverbreitete, verkaufsorientierte Weichspülsound mit immergleichen Kuschel-Akkorden Einzug. Vielleicht hätte sich der Blick zu wirklich repräsentativen Grössen wie Willy Burkhard, Adolf Brunner, Arthur Honegger oder Frank Martin gelohnt. Als sinnvolle Ergänzungen gibt es aber QR-Codes für die Aussprache der drei rätoromanischen Stücke und schöne Einspielungen aller Werke auf CD mit dem Schweizer Jugendchor.

Swiss Choral Music, Chorbuch Schweiz (SATB), hg. von Patrick Secchiari und Johannes Meister; Carus, Stuttgart.

Bestellungen aus der Schweiz über Editions Henry Labatiaz: Chorbuch CV 2.305/10, Fr. 23.00; Chorbuch mit CD, CV 2.305.00, Fr. 37.00 (günstigere Staffel- und Spezialpreise für Mitglieder SFEC)

 

 

In der Waage

Giorgi Iuldashevi spielt auf «Simplicity» vermeintlich einfache Klavierstücke, als wäre es überhaupt nicht schwer.

Giorgi Iuldashevi. Foto: zVg

«Bemühe dich, leichte Stücke gut und schön zu spielen, es ist besser, als schwere mittelmässig vorzutragen.» Robert Schumanns Tipp aus seinen Musikalischen Haus- und Lebensregeln könnte ein Leitfaden sein für diese wunderbare CD, die beim österreichischen Label Gramola erschienen ist. Der 28 Jahre junge georgische Pianist Giorgi Iuldashevi, der in Zürich studiert hat und auch dort lebt, spielte nicht nur Schumanns bekannte Stücke aus dem Album für die Jugend ein, sondern auch viel anderes, das dem Klavierschüler bekannt sein könnte: Ausschnitte aus For Children von Belá Bartók, aus der Sammlung Játékok von György Kurtág oder auch pädagogisch Motiviertes von Sergei Prokofiew oder Peter Tschaikowsky. Weniger verbreitet, aber nicht minder attraktiv fürs Ohr und die Finger sind die 12 Stückchen des 1933 in Tiflis geborenen Komponisten Nodar Gabunia: Aus dem Tagebuch eines Schülers.

Ja, es klingt kinderleicht – und einem ausgebildeten Berufspianisten, der schon als 12-Jähriger mit Mozarts schwerem Klavierkonzert KV 466 in d-Moll debütierte, so gar nicht auf den Leib geschrieben. Aber, Stichwort Mozart: Das Einfache hat seine Tücken. Und Giorgi Iuldashevi meistert diese nicht nur, sondern zeigt in den so verschiedenen Stücken eine seltene Spannweite an musikalischem Ausdruck. Selbst das Bekannte erscheint in seinen Interpretationen frisch – auch weil er an keiner Stelle verfällt in überlegene Distanz oder ins unnötige Romantisieren. Iuldashevi hält die Waage, und das stets spannungsvoll. Mit Witz garniert er Bartók, mit dem stellenweise nötigen Ernst Tschaikowsky, vor allem begeistern die Tempi und dieser so natürliche Fluss in den Stücken Robert Schumanns.

Wer Pianist ist (oder war), hat sofort wieder Lust aufs neuerliche Ertasten manch hübscher Miniatur. Aber auch dem Hörer tut diese CD einfach nur gut: in ihrem unaufdringlichen Ton, in diesem Ausdruck, der so gar nichts hat von einem verspannten Muskelspiel, das leider verbreitet ist unter Klaviervirtuosen.

Simplicity. Giorgi Iuldashevi spielt Werke von Gabunia, Bartók, Kurtág, Prokofiew, Tschaikowsky und Schumann. Gramola 99291

Klaviertrio für die Geschwister

Zwei Jugendwerke von Jean Sibelius wurden hier erstmals ediert. Gewisse Streicherstellen weisen auf den späteren Sinfoniker voraus.

Familiäres Streichtrio 1885: Jean Sibelius an der Geige, die ältere Schwester Linda am Klavier und der jünger Bruder Christian am Cello. Foto: Natalia Linsén / Wikimedia commons

Ob Jean Sibelius mit der Herausgabe dieser Frühwerke einverstanden wäre? Unterschiedlich sind die Aussagen, die der Komponist im Alter zu seinen damals verlorenen oder unveröffentlichten Kammermusik-Manuskripten machte. Von «Verbrennen» ist da die Rede, ein anderes Mal meinte er: «Es war ja die Zeit, als man sich entwickelte.»

Sibelius komponierte vor und während seiner Studienzeit für seine Geschwister jeden Sommer ein Klaviertrio und führte diese während der Ferien im Verwandten- und Freundeskreis auf. Selbst spielte er den Violinpart. Die Ortsbezeichnungen «Havträsk» und «Korpo» gehen auf diese Entstehungsgeschichte zurück, stammen aber nicht vom Komponisten. Fünf mehrsätzige Trios entstanden in den Jahren 1883 bis 1888. Keines wurde zu Sibelius’ Lebzeiten gedruckt. Später komponierte er keine Werke mehr für diese Besetzung. Die Erben schenkten die Manuskripte der beiden vorliegenden Klaviertrios 1982 der Finnischen Nationalbibliothek.

Die Herausgeber Folke Gräsbeck und Anna Pulkkis haben sich 2021 mit Akribie hinter die Aufbereitung dieser Quellen gemacht. Der kritische Bericht hat in beiden Heften beinahe den Umfang des Notentexts. Vom ersten Satz des «Havträsk»-Trios werden gar zwei Versionen wiedergegeben. Wer sich die Interpretationen im Netz anhört, kommt ganz schön ins Blättern!

Im Vergleich ist das kürzere Trio Havträsk in a-Moll (22 Minuten) das eingänglichere und ganz vom Geist der Romantik beherrschte Stück. An die Interpreten stellt es weniger technische Herausforderungen. Im mehr als halbstündigen Korpo-Trio wird diesen ungleich mehr abverlangt, Sibelius hat als Geiger wohl viel Paganini geübt! Dieses zweite Trio weist auf den späteren Sibelius hin. Besonders der mit «Fantasia» überschriebene zweite Satz experimentiert mit Klangfarben, Spieltechniken und Harmonien. Gelegentlich kommt der Instrumentalsatz etwas hölzern daher, etwa wenn das Klavier alleine spielt und seine Melodie über lange Strecken mit Vierteln begleitet. Wenn dann die Streicher zu zweit übernehmen, meint man allerdings die Tonsprache der späteren Sinfonien zu vernehmen. Dort wirken die formalen Blöcke viel zusammenhängender als in diesen Jugendwerken. Der Meister hat tatsächlich eine grosse Entwicklung gemacht!

Dem Genie des bedeutenden Sinfonikers nachzuspüren, das ist wohl die Legitimation dafür, uns mit seinen Frühwerken auseinanderzusetzen, auch wenn er diese nicht zum Druck freigegeben hat.

Jean Sibelius: Trio a-Moll «Havträsk» JS 207, für Violine, Violoncello und Klavier, hg. von Folke Gräsbeck und Anna Pulkkis, EB 9448, € 39.90, Breitkopf &Härtel, Wiesbaden

id.: Trio D-Dur «Korpo» JS 209, EB 9449, € 39.90

 

Lilis bezaubernde Geigenwerke

Die wenigen Werke für Violine und Klavier von Lili Boulanger sind neu herausgegeben worden.

Lili Boulanger fotografiert von Henri Manuel, 1913. Quelle: Wikimedia commons

Die frühbegabte, aber an einer chronischen Lungenkrankheit leidende Lili Boulanger (1893–1918) konnte mit Hilfe ihrer älteren Schwester Nadia (1887–1979) Komposition studieren und wurde von wichtigen Komponisten gefördert. Mit 23 Jahren gewann sie den Prix de Rome. Unter den 50 erhaltenen Werken finden sich weltliche und geistliche Chorkantaten, sogar eine unvollendete Oper. Um die Verbreitung der Werke nach Lilis Tod kümmerte sich Nadia, die bis ins hohe Alter eine berühmte Kompositions- (Copland, Piazzolla, Glass, Bacewicz …) und Klavierlehrerin (Lipati) war.

Vier Stücke für Violine und Klavier sind von Lili Boulanger überliefert: D’un matin de printemps (1917/1918), Nocturne (1911), Introduction – Cortège (1914) und Pièce (1910). Die Herausgebenden haben die Erstdrucke als Vorlagen für die Neuedition herangezogen. Autografe und Alternativ-Fassungen dienten nur zur Klärung herausgeberischer Fragen.

Pièce der Siebzehnjährigen ist lediglich handschriftlich überliefert und hier so getreu wie möglich wiedergegeben. Dieses mystische, langsame Stück mit der wellenförmigen Klavierbegleitung birgt überraschende chromatische Harmoniefortschreitungen, enharmonische Umdeutungen und farbige Dissonanzen. Auch das rassige erste, das zarte zweite und das flamencoartige dritte Stück haben uns beim Musizieren bezaubert. Sie wurden 1972 von Yehudi Menuhin uraufgeführt.

Lili Boulanger: Die Violinwerke, für Violine und Klavier, hg. von Edmund Wächter und Elisabeth Weinzierl, VLB 232, € 19.50, Schott, Mainz

Zwei Quellen in einer Ausgabe

Sowohl das Autograf wie ein späteres Manuskript von fremder Hand sind in dieser Ausgabe berücksichtigt.

Gaetano Donizetti: Eigenkarikatur, 1843. Quelle: Wikimedia commons

Das Concertino für Englischhorn und Orchester von Gaetano Donizetti ist eines der bekanntesten und beliebtesten Werke für diese Besetzung. Die Situation der Quellen und der Überlieferung ist vielschichtig und kompliziert; die Unklarheiten reichen bis zur Wahl der Tonart und der Struktur der einzelnen Variationen. Eine neue Ausgabe, die kürzlich bei Boosey & Hawkes erschienen ist, beschreibt und berücksichtigt im Detail alle Quellen und wägt insbesondere zwischen dem Autograf (aus Paris) und einer späteren Handschrift (nicht von Donizetti, aus Bologna) ab. Als überaus erfreuliche und gewinnbringende Zutat enthält die gelungene Edition eine doppelte Solostimme, bei welcher beide Varianten übereinander gedruckt sind. Gerade bei den Variationen bietet es sich an, sich bei den Wiederholungen abwechslungsweise bei beiden Varianten zu bedienen.

Gaetano Donizetti: Concertino for English Horn 1816, Critical edition by Stefaan Verdegem, Piano reduction with solo part, BB 3571, Druckausgabe € 28.00, Boosey & Hawkes / Bote & Bock, Berlin  

 

 

234 Millionen zu Null – eine Aufgabe für die PGM

Beim Treffen der Parlamentarischen Gruppe Musik vom 28. Februar kamen erstaunliche Zahlen zum Streaming von Schweizer Musik zur Sprache. Sie legen nahe, dass die Politik handelt.

Foto: Freigeist67/depositphotos.com

Neben Stefan Müller-Altermatt, dem Präsidenten der Parlamentarischen Gruppe Musik PGM, waren die Nationalrätinnen Estelle Revaz, Cellistin, und Vroni Thalmann-Bieri, Volksmusikerin, anwesend, als es am jüngsten Treffen der Gruppe um die Benachteiligung von Schweizer Musikerinnen und Musikern auf Streaming-Plattformen ging.

Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Tonträger (sprich: aufgenommene Musik) belegt die Schweiz weltweit Rang 6. 234 Millionen Franken gaben Schweizer Kundinnen und Kunden 2023 dafür aus, davon 88 Prozent für Streaming. Diesem enormen Betrag gegenüber steht die Null: Kein einziger der sogenannten Digital Service Provider (DSP) beschäftigt auch nur einen Angestellten, der sich hauptsächlich um Schweizer Musik kümmert, kein einziger betreibt hierzulande eine Niederlassung. Die Kuratorinnen und Kuratoren bearbeiten den Schweizer Markt nebenher, bei Marktführer Spotify von Berlin aus als «Zugabe» zum zehnmal grösseren Deutschen Markt. Sie kennen sich mit der hiesigen Szene nicht aus, haben auch keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Noch weniger Beachtung finden Acts aus der Romandie und dem Tessin. Dementsprechend kommt Schweizer Musik auf den Playlists, die sie zusammenstellen, auch kaum vor. Die Untervertretung verstärkt sich durch die von Algorithmen auf dieser Grundlage erstellten weiteren Playlists. Es besteht eine deutliche Diskriminierung gegenüber Acts aus vergleichbaren Ländern.

Bisherige Vorstösse von Verbänden in dieser Sache haben nichts gefruchtet. Nun hat Stefan Müller-Altermatt eine Motion eingereicht, die verlangt, dass DSP ab einer gewissen Grösse eine Schweizer Redaktion mit Sitz in der Schweiz haben. Sie wird in einer der nächsten Sessionen von den Räten behandelt.

Ausführlicher Bericht über Schweizer Musik auf dem Streaming-Markt

E-Bass spielen mit dem Plektrum

Das Lehrmittel von Christoph Herder bietet klare Anleitungen und eröffnet neue Klangwelten.

Foto: wachiwit/depositphotos.com

Im Doppelstockzug gibt es diejenigen, welche immer oben sitzen und die Untensitzenden. Es gibt Migros- und Coop-Kinder. Sogar der Wolf kennt Freunde und Feinde. Viele Aspekte unseres Lebens teilen wir auf in Entweder-oder. Dabei täte uns etwas mehr Diversität enorm gut. Nicht nur als Gesellschaft, sondern auch beim E-Bassspiel. Es sind die kleinen Dinge, die uns das bewusst machen. In diesem Fall ist das kleine Ding etwa 3 mal 3 Zentimeter gross und heisst Plektrum.

Die meisten Bassistinnen und Bassisten spielen ausschliesslich mit den Fingern oder mit dem Plektrum. Die jeweils andere Technik wird schlicht ignoriert, wenn nicht sogar abgewertet. Diese Prägung führte bei mir zu einem regelrechten Erweckungserlebnis, als ich mich mal längere Zeit mit dem Plektrum beschäftigte. Das ist nicht nur eine andere Welt, das ist eine wunderbare Ergänzung zu meinem Spiel. Nur – wie geht das genau? Wie übe ich das richtig und wer hat mir ein paar Ratschläge zum Einstieg?

Wie immer kann mensch selber probieren. Irgendwann klappte das mit dem Feuer, dann wird das mit dem Plektrum auch nicht so schwer sein. Aber mit dem Buch Plektrum Bass von Christoph Herder gelingen Erfolgserlebnisse doch etwas schneller. Dabei wird er nicht kompliziert. Er beleuchtet die Welt des Plektrumspiels in einer seriösen Auslegeordnung, gibt Tipps, ordnet die technischen Aspekte und stellt Übematerial zur Verfügung. Die im Grundsatz einfachen Übungen bauen aufeinander auf und helfen sowohl Einsteigern als auch Umsteigerinnen. Belohnt wird der Übeeinsatz mit faszinierenden (neuen) Klangwelten und einem fundierten technischen Know-how.

Einziger Nachteil: Noch sind Lehrmittel für Plektrum-Bass charmante Nischenprodukte. So auch dieses, welches aus dem Jahr 2020 stammt und dessen dazugehörige MP3-Files auf einer CD mitgeliefert werden. Doch wer irgendwo noch ein Laufwerk auftreiben kann, dem stehen auch die knackigen Play-along-Grooves zur Verfügung.

Christoph Herder: Plektrum Bass für Vier- und Fünfsaiter, Alles, was du zur Plektrumtechnik wissen musst!, mit CD und Plektrum, 128 S., Best.-Nr. 20287G, € 23.95, Alfred Music, Köln

Bläserquintette aus dem 20. Jahrhundert

Das Art’Ventus Quintet spielt Werke von Paul Mieg, Paul Huber, Gion Antoni Derungs und Paul Juon.

Art’Ventus Quintet, v. li: Raquel Saraiva, Tiago Coimbra, Horácio Ferreira, Paula Soares, Nuno Vaz. Foto: zVg

Schweizer Komponisten haben für das 1955 gegründete Stalder-Quintett unzählige Bläserquintette komponiert, aber nicht diejenigen, die das Art’Ventus Quintet auf seiner neuen CD aufgenommen hat. Das aus einigen der besten jungen portugiesischen Musikerinnen und Musikern bestehende Ensemble spielt erst seit drei Jahren zusammen, hat aber bereits ein sehr hohes Niveau erreicht. Die Flötistin und der Oboist haben in der Schweiz studiert. Für ihr Programm Swiss Treasures haben sie sich für Werke von Peter Mieg, Paul Huber, Paul Juon und Gion Antoni Derungs entschieden; die ersten beiden sind Ersteinspielungen. Die grafisch ansprechende CD enthält auch einen interessanten Booklettext von Dominik Sackmann.

Wenn Goethe über das Streichquartett sagte, dass man vier vernünftige Leute sich unterhalten höre, sollte das eigentlich trotz etwas grösserer Besetzung auch für ein Bläserquintett gelten. Bei Peter Miegs Quintett, das 1977 beendet wurde, hat man eher das Gefühl, dass alle ständig reden und niemand die anderen zu Wort kommen lässt. Ein Blick in die Partitur zeigt denn auch, dass die meiste Zeit alle fünf Instrumente gleichzeitig spielen, was wirklich ein Schwachpunkt der Komposition ist. Die Satzanfänge klingen vielversprechend, aber das Interesse erlahmt schnell, weil die Musik unglaublich repetitiv ist.

Bedeutend besser gelungen sind die Quintette von Paul Huber, zu seinen Lebzeiten eine musikalische Institution in St. Gallen, und Gion Antoni Derungs, der ein wichtiger Vertreter der Bündner Musik war. Beide Werke, 1963 bzw. 1977 komponiert, halten an der Tonalität fest, was aber aus heutiger Optik kein Merkmal mangelnder Aufgeschlossenheit oder Qualität sein kann. Das portugiesische Quintett identifiziert sich hörbar mit den Stücken und gewährleistet ideale Aufführungen. Das Werk von Huber besteht aus einem expressiven, melancholischen Adagio und einem virtuosen Scherzino, in dessen Trio man Ferdinand Fürchtegott Hubers Volkslied Luegid vo Berg und Tal unschwer erkennen kann. Derungs’ Divertimento, etwas moderner als die anderen Stücke auf der CD und stilistisch schwierig einzuordnen, ist, entgegen dem Titel, kein besonders heiteres Stück und erschliesst sich vielleicht nicht beim ersten Hören.

Konditoren aus dem Kanton Graubünden waren in ganz Europa erfolgreich und kamen oft zu beachtlichem Wohlstand, wovon Villen von Zurückgekehrten im Puschlav und Bergell Zeugnis ablegen. Paul Juon, in Moskau geboren, war Sohn eines Bündner Zuckerbäckers aus Masein. Er erhielt eine fundierte musikalische Ausbildung und studierte bei Anton Arenski und Sergei Tanejew Komposition. Er selbst lehrte später an der Berliner Musikhochschule, bevor er die sechs letzten Jahre seines Lebens in Vevey verbrachte. In seiner Musik wird man Schweizer Spuren vergeblich suchen, aber Kontakte zum Schweizer Musikleben gab es. So ist das hier eingespielte Bläserquintett op. 84 von 1928 dem langjährigen Präsidenten des Bernischen Orchestervereins Jakob Vogel gewidmet.

In den Zwanzigerjahren entstanden einige der bekanntesten und meistgespielten Bläserquintette, so etwa diejenigen von Paul Hindemith, Carl Nielsen, Hanns Eisler, Arnold Schönberg und Jacques Ibert. Juons Quintett kann den Vergleich mit diesen Werken mühelos aushalten. Es ist handwerklich untadelig gearbeitet, kraft- und fantasievoll, harmonisch oft kühn und fordert jedes Instrument heraus. Die Neuaufnahme des Art’Ventus Quintet ist zwar sehr energiegeladen, der erste Satz wird aber merklich zu langsam gespielt, was ihm zuviel Erdenschwere verleiht. Die Dynamik hätte an einigen leiseren Stellen besser respektiert werden müssen, da es der Interpretation noch etwas mehr Relief verliehen hätte.

Insgesamt ist Swiss Treasures eine empfehlenswerte CD, da sie Werke etwas weniger bekannter Schweizer Komponisten dokumentiert.

Swiss Treasures. Chamber Music for Wind Quintet. Art’Ventus Quintet (Paula Soares, Flöte; Tiago Coimbra, Oboe; Horácio Ferreira, Klarinette; Nuno Vaz, Horn; Raquel Saraiva, Fagott). Prospero PROSP0081

 

Die Musik der Aneignung

Mit Karte, Uhr und Partitur im Zentrum seiner Betrachtungen schreibt Johannes Schöllhorn über Eroberung und die dazugehörige Musik.

Bild: PantherMediaSeller/depositphotos.com

In seiner Musik hat sich der deutsche Komponist Johannes Schöllhorn (*1962) immer wieder mit der Musik anderer beschäftigt, hat sie transkribiert und transformiert, hat Musik über Musik gemacht, so über Bach und Ravel, Purcell und Satie und wunderbar über Gabriel Fauré. Mehrere dieser Stücke finden sich auf der Doppel-CD Sérigraphies (bastille musique 20).

Schöllhorn ist also selber ein Experte des Sich-Aneignens und Sich-Anwandelns. Um die Dialektik dieses Vorgehens geht es auch in seinem 500 Seiten starken Buch, einer teilweise losen und doch innerlich konsistenten Sammlung von kürzeren Texten. Die Eroberung der Welt steht dabei im Zentrum sowie ihre Begleitmusik, die immer auch eine der Aneignung, ja des Diebstahls war – und eine des Ordnens: Deshalb spielen Karte, Uhr und Partitur im Titel die Hauptrolle.

Unsere europäische Kultur hat sich mit Hilfe dieser Instrumente den Globus zu eigen gemacht. Diesen Spuren folgt Schöllhorn, zum Buchdruck und über die Meere, in die Malerei und in die Kompositionstechnik, in die Vergangenheit wie in eine Zukunft. Und weil er einen breiten Horizont hat, kann man mit ihm enorm viel lernen. Das Buch scheint schnell geschrieben und liest sich auch schnell. Diese Spontaneität ist erfrischend, voller Verve, manchmal packt den Autor die Wut, manchmal verwildern und verwirren die Gedanken, denn Schöllhorn wagt sich mithilfe guter Sekundärliteratur auf fremdes Terrain.

Das Ganze ist unsystematisch, bündelt nicht, sondern legt Fäden aus, die man zu einem Kernpunkt zurückverfolgen könnte. Ein paar Lücken möchte man gerne schliessen, anderes genauer wissen, und oft hat man beim Lesen Einwände, viele sogar, aber die sollen einem recht sein. Denn das Buch ist anregend – und es lässt uns bei allen Zweifeln und Verzweiflungen nicht hoffnungslos, denn «eines kann Musik immer – uns trösten».

Johannes Schöllhorn: Karte, Uhr und Partitur. Variationen und Volten über Eroberung und ihre Begleitmusik, hg. von Rainer Nonnenmann, 512 S., € 24.00, MusikTexte, Köln 2022, ISBN 978-3-982467-0-2

Doppel- und tripelbödige Musik

Auf «Chrome Shuffle» spielt Niklaus Keller mit acht Mitmusikern elf Stücke, jedes eine kleine Kurzgeschichte.

Niklaus Keller in Bologna. Foto: zVg

Niklaus Keller kennt keine Berührungsängste. Das Werkverzeichnis des Perkussionslehrers, der unter Hans U. Lehmann in Zürich und Paul Glass am Konservatorium von Lugano Komposition studierte, beginnt im Jahr 1994 mit einem Ländler-Fox für Marimba, E-Gitarre, Drum-Set, Vibrafon, Melodica und E-Bass. Seine letzten drei über Bandcamp erhältlichen Werke bewegen sich von kirchlich-mysteriösen Chorgesängen über ein heiter rauschendes Sicerto für Streichorchester bis hin zur Country & Western-Persiflage White Coffee.

Chrome Shuffle – ein Zyklus von elf Stücken für ein Nontett mit Vibrafon, E-Bass, E-Gitarre, Drums, Trompete/Flügelhorn, Tenor-Saxofon, Posaune und zwei Synths/Samplers (einer davon von Keller selber bedient) – ist wiederum eine gänzlich andere «kettle of fish». Die Idee dahinter sei es gewesen, Stücke zu schreiben, welche spieltechnisch keine grossen Anforderungen stellten, «um sich so möglichst schnell der Musik als solcher widmen zu können, ohne dass technische Schwierigkeiten die Performance» störten, erklärt der in Bologna wirkende Komponist. Gleichzeitig notierte er indes auch die Soli aus, «denn improvisierte Soli tönen in den meisten Fällen genormt und standardisiert».

Die Resultate – jedes Stück eine klingende Kurzgeschichte – sind ungemein schwierig zu beschreiben. Vibrafon und Bläser prägen die durchwegs herzliche Stimmung, die rockigen, funkig angehauchten Rhythmen, Breaks und Haken ziehen mit, die Melodik erinnert dieses Ohr aus eher unerfindlichen Gründen an die Musik von britischen Exzentrikern wie Kevin Ayers, Lol Coxhill oder Art Bears. Fazit: doppel- und tripelbödige Musik, die an vieles erinnert, dabei aber kompromisslos sich selber bleibt.

Niklaus Keller: Chrome Shuffle. Bandcamp

 

Mit zwei Gitarren durch viele Stile

Leichte und mittelschwere Duette von Mozart bis Queen, klug arrangiert von Michael Langer.

Foto: Cebas1/depositphotos.com

Der österreichische Gitarrist, Musikpädagoge und Herausgeber Michael Langer hat die Reihe «Saitenwege» aus der Edition Dux um zwei weitere Notenbücher bereichert, diesmal mit insgesamt 88 Stücken für zwei Gitarren. Die Alben entsprechen in ihrem Aufbau genau den Ausgaben Der sehr leichte Einstieg und Der leichte Einstieg in die Welt der klassischen Gitarre aus dem Jahr 2009. Aus jedem der Stilbereiche Renaissance, Barock, Klassik, Romantik, Multikulturell und Pop werden pro Band zwischen fünf und elf mehr oder weniger repräsentative Stücke präsentiert. Einziger Unterschied, abgesehen von der Duobesetzung: Statt den Kategorien «sehr leicht» und «leicht» sind die beiden Bände den Kategorien «leicht» und «mittelschwer» zugeordnet.

Michael Langer geht mit dem musikalischen Material frei um, mit einem guten Gespür für einen sinnvollen Mittelweg zwischen Originaltreue und technisch einfach zu realisierender Interpretation. Die meisten Stücke sind von ihm neu eingerichtet. So begegnen wir nicht nur typischen Gitarrenstücken, sondern zum Beispiel auch Ausschnitten aus Vivaldis Vier Jahreszeiten oder Mozarts Zauberflöte. Nur wenige Duos – etwa von Maria Linnemann – erscheinen im originalen Notentext, und einige Arrangements waren ursprünglich Solostücke.

Innerhalb der stilistischen Bereiche sind die Stücke tendenziell in progressivem Schwierigkeitsgrad angeordnet. Ein Schwerpunkt liegt, insbesondere im zweiten Band, auf lateinamerikanischen Nummern vom einfachen Bailecito bis zum Libertango von Astor Piazzolla. Im Bereich Pop gibt es echte Hits, von Queen, George Ezra oder Ed Sheeran inklusive Happy von Pharrell Williams. Wer nicht weiss, wie das im Endeffekt auf zwei klassischen Gitarren tönen soll, kann alle Einspielungen des Herausgebers mit einem Download-Code herunterladen oder auf Spotify anhören.

Michael Langer: Saitenwege für zwei Gitarren. Sechs Jahrhunderte Gitarrenmusik für Gitarrenduo; Bd. 1, leicht, D 918; Band 2, mittelschwer, D 919; je € 29.80, Dux, Manching

Klingende Tafel

Im Gegensatz zu anderen Kompositionen Bibers ist diese Kammermusik einfach und in der vorliegenden Ausgabe für zwei verschiedene Besetzungen eingerichtet.

Heinrich Ignaz Franz Biber, Kupferstich oder Radierung von Paul Seel, 1680. Digitaler Portraitindex

1680 schrieb Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704) sechs Suiten als Tafelmusik für seinen Brotherrn, den Fürsterzbischof Maximilian Gandolf von Kuenburg in Salzburg. Sie sind bewusst nicht zu schwierig, in klaren Formen und verzichten auf virtuose «Showeffekte» – im Gegensatzt zu den meisten von Bibers Instrumentalwerken.

Die vorliegenden zwei ersten Partiten sind vom Herausgeber mit heutigen Notenschlüsseln und Taktangaben versehen. In der Partita I umschliesst eine Largo-Sonata die Tanzsätze Allemanda, Courante, Sarabanda, Gavotte und Gigue. In der Partita II eröffnet eine Intrada drei Balletti im Alla-Breve-Takt, die von zwei ruhigen Sarabanden getrennt sind. Da die erste Viola nie die C-Saite beansprucht, gibt es dafür eine zusätzliche zweite Violinstimme, also könnten diese Suiten gut mit einem Streichquartett (-orchester) und Continuo gespielt werden.

Heinrich Ignaz Franz Biber: Mensa Sonora, Partiten I und II, für Violine, 2 Violen (2 Violinen, Viola) und Basso continuo, hg. von Markus Eberhardt, EW 1051, € 19.80, Walhall, Magdeburg

 

 

Erfreuliche Entdeckung für Klaviertrio

Die Pianistin Katharina Sellheim hat die Klaviertrios von Emilie Mayer, unter anderem das grosse Es-Dur-Trio, nicht nur eingespielt, sondern auch erstmals herausgegeben.

Emilie Mayer. Lithographie Eduard Meyer nach einer Zeichnung von Pauline Suhrlandt um 1900. Wikimedia commons

Emilie Mayer (1812–1883) war eine erfolgreiche Komponistin in ihrer Zeit. Sie lebte in Mecklenburg und Berlin. Zu ihrem Werk gehören Sinfonien, Konzertouvertüren, ein Singspiel, vierstimmige Chorstücke, Klavier- und Kammermusik. Trotz Aufführungen in zahlreichen europäischen Metropolen des 19. Jahrhunderts blieben die meisten ihrer Kompositionen ungedruckt.

Die Pianistin Katharina Sellheim stiess auf die unveröffentlichten Manuskripte der vier Klaviertrios und spielte drei davon mit ihrem Klaviertrio Hannover auf CD ein (Missing Link: Emilie Mayer, Genuin 22790). Jetzt betreut sie, assistiert von den Mitgliedern ihres Ensembles, die Herausgabe beim Furore-Verlag Kassel.

Ihr Einsatz lohnt sich: Emilie Mayers Klaviertrios strahlen Frische und Lebensmut aus; die Komponistin beherrschte ihr Handwerk. Stilistisch liegt diese Musik zwischen Beethoven und Mendelssohn. Wer, spielend oder hörend, abseits der Hauptsäulen des Repertoires und der «grossen» Meister auf Schatzsuche geht, wird mit dem Klaviertrio Es-Dur eine erfreuliche Entdeckung machen. Werke von Komponistinnen des 19. Jahrhunderts sind zudem selten in Konzertprogrammen anzutreffen. Zu Unrecht, wie Emilie Mayer uns hier zeigt!

Spieltechnisch ist dieses Klaviertrio auch für erfahrene Amateure erreichbar. Es liegt im Schwierigkeitsgrad unter den Werken von Beethoven und Schubert. Alle Instrumente, vor allem auch das Violoncello, können sich schön entfalten.

Emilie Mayer: Klaviertrio Es-Dur, für Violine, Violoncello und Klavier, hg. von Katharina Sellheim, Partitur und Stimmen, fue 10346, € 69.00, Furore, Kassel

Alte Schwyzer Tanzmusik

Die Geigentänze im Tanzbuch von Anton Hotz bieten zugleich Spielvergnügen und Einblick in die Entwicklung der Tanzmusik in der Schweiz.

Tanzpaar aus dem Kanton Schwyz, 1809, Druckgrafik von Franz Niklaus König. Schweizerische Nationalbibliothek, GS-GUGE-KÖNIG-12-8

Im Müliradverlag ist ein weiteres interessantes Notenheft erschienen für Geige oder andere Melodieinstrumente. Es überliefert Volkstanzmusik aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts und bietet damit Einblick in die Frühzeit der Paartanzmusik; die bisher bekannten Sammlungen stammen fast alle aus späteren Jahrzehnten.

Das Heft umfasst hundert Tänze, die meisten davon im Dreivierteltakt. Die Entdeckung der Sammlung ist der Herausgeberin Brigitte Bachmann-Geiser zu verdanken. Über den ursprünglichen Besitzer Anton Hotz ist nichts bekannt, Bachmann lokalisiert die Tänze aber aufgrund ihrer immensen Kenntnis der Quellen glaubhaft in der Gegend Höfe/March im Kanton Schwyz.

Co-Herausgeber Christoph Greuter hat die Tänze transkribiert und mit Akkordangaben versehen, die für die Begleitung von grossem Nutzen sind. Man merkt, dass Greuter ein hervorragender Kenner der Materie ist. Die Tänze sind praxisorientiert aufgeschrieben, ohne Verzierungen und ohne ersten und zweiten Schluss bei den Wiederholungen. Es war in der Zeit dem Gusto der Spielenden überlassen, die Stücke ansprechend zu gestalten. Die Noten waren bloss Vorlage oder Erinnerungshilfe für die individuelle Ausführung.

Die Stücke sind attraktiv zu spielen, weil die Tonsprache der frühen Tänze deutlich abweicht von denen um die Wende zum 20 Jahrhundert. Zum Teil sind noch modale Einflüsse vorhanden, die später der Kadenzharmonik weichen. Das Heft bietet aber auch historisch interessante Aufschlüsse: Die Hälfte der Tänze ist noch zweiteilig, die andere Hälfte bereits dreiteilig. Die Bezeichnung «Ländler» taucht bei einigen Tänzen auf und ist somit der früheste Beleg für die Verwendung des Begriffs in der Schweiz, andere werden als «Walz» oder «Walzer», manche auch als «Langus» bezeichnet. Die wenigen Zweiviertel-Tänze sind mit «Allemander» oder «Allimand» überschrieben; «Polka», «Galopp» oder «Schottisch» tauchen hingegen noch nicht auf.

Das mit aufschlussreichen Angaben zur Herkunft und Edition ergänzte Heft ist also nicht bloss ein Spielvergnügen, sondern auch eine ergiebige Quelle für die Entwicklung der Tanzmusik in der Schweiz.

Alte Schwyzer Geigentänze – Das Tanzbuch von Anton Hotz, Höfe/March um 1830, hg. von Christoph Greuter und Brigitte Bachmann-Geiser, Mülirad-Nr. 1069, Fr. 38.00, Mülirad, Altdorf

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