Furrers Wirken beim Radio und seine Haltung zur Avantgarde

Auf ihrer Suche nach Persönlichkeiten, die ihren Vater, den Schweizer Komponisten Walter Furrer (1902–1978), gekannt haben, hat sich Beatrice Wolf-Furrer im ersten Trimester 2016 mit Klaus Cornell und Walter Kläy getroffen.

Klaus Cornell im Gespräch mit Beatrice Wolf-Furrer

Nach dem inhaltsreichen Gespräch, das ich am 5. Dezember 2015 in Thun mit dem Organisten Heinz-Roland Schneeberger führte, habe ich meine Suche nach Personen, die meinen Vater, den Schweizer Komponisten Walter Furrer (1902–1978), noch gekannt haben, fortgesetzt. Dabei bin ich im Verlaufe der letzten Monate zweimal fündig geworden.

Klaus Cornell

Während meiner Recherchen in der Burgerbibliothek Bern, die seit Juni 2012 den gesamten musikalischen Nachlass Walter Furrers betreut, bin ich in Abständen immer wieder auf den Namen Klaus Cornell gestossen und habe mich dabei erinnert, dass auch mein Vater ihn gesprächsweise gelegentlich genannte hatte.

Ich brauchte nicht lange zu suchen: Via Homepage erfuhr ich nicht nur, dass Klaus Cornell eine stringente Karriere als Dirigent sowie als Komponist aufzuweisen hat und mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet worden ist, sondern auch, dass er heute in Konstanz lebt. Was gar nicht so selbstverständlich ist, denn von 1989 bis 2000 war er als erfolgreicher Musiker im Bundesstaat Oregon (USA) tätig, wo man ihn nur zu gerne behalten hätte. Doch zog es schliesslich den gebürtigen Berner, wenn auch nicht geradezu in die Schweiz, so doch ins benachbarte Ausland zurück. Als Alterswohnsitz wählte er Konstanz, eine Stadt, die ihm die Nähe zur Heimat, dabei aber doch, wie er betont, «etwas mehr Weite» verschaffte. Dort hatte ich am 27. Februar 2016 Gelegenheit, mich etwa eine Stunde lang mit ihm zu unterhalten.

In den sechziger Jahren arbeiteten Walter Furrer und Klaus Cornell Seite an Seite im gleichen Betrieb. Walter Furrer hatte 1957 nach einer fünfundzwanzigjährigen Tätigkeit als Chorleiter und Kapellmeister am Stadttheater Bern zum Sender Studio Radio Bern gewechselt, wo er noch gut zehn Jahre als Kapellmeister, Leiter des von ihm im Auftrag des Senders gegründeten Kammerchors und Komponist wirkte.

1961 stiess der junge, aber bereits mit einschlägiger in der Schweiz sowie in Deutschland erworbener Berufserfahrung versehene Klaus Cornell zum Team des Senders, wo er bis 1983 eine leitende Stellung innehatte.

Schon in den sechziger Jahren war auch er als Komponist unterwegs, das bekannteste Werk dieser Ära ist die 1965 entstandene Radio-Oper Peter Schlemihl, Bilderbuch für Musik, deren Textbuch Kurt Weibel nach Adelbert von Chamissos Novelle Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte verfasste.

Bei der Aufnahme des Schlemihl wirkte auch der von Walter Furrer geleitete Kammerchor (s. o.) mit. Er erinnere sich gerne, so Klaus Cornell, an die Zusammenarbeit mit dem älteren Komponisten-Kollegen, die auch im umgekehrten Sinne funktioniert habe. So habe er zum Beispiel 1965 als Produktionsleiter die gesamte Aufnahme der furrerschen Auftragskomposition Quatembernacht. Eine Radioballade nach einer Walliser Sage für Kammerorchester, Orgel, Soli, Chor, Kinderchor und Sprechstimmen gesteuert. Auch in diesem Fall wirkte Kurt Weibel als Librettist.

Den damals beim Radio besonders wichtigen Sektor «Hörspielmusiken» haben beide Komponisten bedient.

Von der unmittelbaren beruflichen Zusammenarbeit abgesehen, kam es auch zu fachlichen Gesprächen grundsätzlicher Art, so zum Beispiel über die für den Erfolg einer Oper entscheidende kongeniale Zusammenarbeit von Librettist und Komponist. Auch die Theatersparte Operette – schon damals erfuhr die so genannte «leichte Muse» schwere Anfeindungen, die bekanntlich mit der Verbannung dieser Gattung von den subventionierten Theatern endeten – war Gegenstand grundsätzlicher Diskussionen, wobei Walter Furrer, mit Blick auf den ungebrochenen Erfolg der Operette, sich gegen deren radikalen Abbau geäussert habe.

Zudem wurde viel über die damals aktuelle Musikproduktion gesprochen. Zur zeitgenössischen Musik der 60er- und 70er-Jahre – man denke an die prominenten Internationalen Ferienkurse für Neue Musik, die vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt (IMD) organisiert wurden – habe Walter Furrer, so Cornell, «ein kritisches Verhältnis» gehabt. Das verwundert auf den ersten Blick, denn Walter Furrer war ja während seiner Studienzeit in Paris im Lager der in den 20er-Jahren heftig bekämpften Avantgardisten und setzte sich insbesondere für Arnold Schönbergs damals noch keineswegs generell anerkannte Musik ein. Er selbst griff immer wieder auf serielle Techniken zurück; da er aber gleichzeitig in hohem Mass auf das Klangliche bedacht war, fiel seine eigene Modernität meines Erachtens wahrscheinlich weniger ostentativ auf.

Walter Kläy

Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs brachte mir das Gespräch mit dem Berner Musiker, Musiktheoretiker und Musikkritiker Walter Kläy, dessen Bekanntschaft mir Klaus Cornell vermittelt hatte und das am 4. April 2016 in Bern stattfand. Aber der Reihe nach.

Walter Kläy. Foto: Beatrice Wolf-Furrer

Walter Kläy absolvierte zunächst eine praktische Musikausbildung (Geige, Fagott, Klavier) und dann, von 1973 bis 1976, eine theoretische, die er mit dem Theorielehrer-Diplom am Konservatorium Bern abschloss. Zuvor war er (bis 1973) bei der Radiozeitung sowie als Redaktor in der Auslandredaktion der Schweizerischen Depeschenagentur tätig. 1976 kam er zu Studio Radio Bern, wo er als Musikredaktor wirkte und ausserdem die viel beachteten Spätkonzerte im Studio Bern, die jeweils am Montag ausgestrahlt wurden, organisierte und moderierte.

Zufällig arbeitete er im gleichen Büro, das sich zuvor Walter Furrer und der Dirigent und Pianist Luc Balmer, der damals als vielseitiger Mitarbeiter am Studio Bern wirkte, geteilt hatten. Walter Kläy ist Co-Autor der Festschrift für Theo Hirsbrunner, die 2011 unter dem Titel Dialoge und Resonanzen/Musikgeschichte zwischen den Kulturen vom Münchner Verlag edition text + kritik erschienen ist.

Am 7. September 1970 führte Walter Kläy ein Interview mit Walter Furrer, das in dessen Heim in der Halensiedlung stattfand, in der Nr. 40/1970 der Zeitschrift radio + fernsehen erschien und nun zum zentralen Thema unseres Gesprächs wurde. Walter Furrer hatte um eine schriftliche Beantwortung der Fragen gebeten, was auch zugestanden wurde. So enthält der Interview-Text lauter sehr präzise Formulierungen, die wichtige Einblicke in die Entwicklung des furrerschen Œuvres vermitteln.

Die drei Schaffensperioden Furrers

Walter Furrer liebte es nicht, sich analytisch über seine Werke zu äussern, aber hier machte er eine Ausnahme. Wie aus dem Text hervorgeht, teilte er selbst sein kompositorisches Schaffen in drei Perioden ein. Die erste habe im Paris der zwanziger Jahre begonnen, als er in der Klasse Nadia Boulanger Kontrapunkt studierte und sich intensiv mit den damaligen Avantgardisten Schönberg, Strawinsky, Roussel und Bartók auseinandergesetzt habe.

Die zweite sei durch seine Theatertätigkeit als Chorleiter und Kapellmeister ausgelöst worden, und zwar in dem Sinne, dass ihn nun «die dramatische Seite der Musik» nachhaltig beschäftigt habe, wovon die damals entstandenen Opern Der Faun und Zwerg Nase sowie das Ballett Weg ins Leben zeugen.

Die dritte Periode sei durch seine Verpflichtung bei Studio Radio Bern (ab 1957) eingeleitet worden und stelle eine Rückkopplung zur ersten dar, «indem ich mir die Erkenntnisse der seriellen Technik und der Erweiterung des Linearen und Melodischen dienstbar machte, was simultan auch zu einer Erweiterung des Harmonischen führte». Als Beispiele nenne er das fünfte Lied des Zyklus Fünf Totentanzlieder für Alt und Klavier nach Texten von Christian Morgenstern (1927), das mit einer Zwölftonreihe beginne – «unbewusst natürlich, aber doch als Niederschlag meines Schönberg-Studiums» –, sowie den 40 Jahre später entstandenen Psalm 142 für Sopran und Orgel, der «bewusst in Zwölftontechnik gearbeitet» sei. Dies merke man aber «nicht sofort, weil alle übrigen Elemente des Tonsatzes darin assimiliert sind».

Dennoch wäre es meines Erachtens verfehlt, in Walter Furrer einen eingeschworenen intellektuellen Zwölftöner zu sehen. Der «mit der Dodekaphonie zusammenhängende Intellektualismus hat mit meiner Musik nichts zu tun», betont er am Ende des Interviews. Sein wichtigstes Anliegen habe darin bestanden, «immer für die Instrumente, für die Stimmen, ja sogar für den Dirigenten zu schreiben. Es ist mir wichtig, dass meine Ausführenden Freude an der Musik haben … Damit kann ich auch zum Hörer vordringen.»

In diesem Zusammenhang kommt auch zur Sprache, wie schwer es die kompositorische
Avantgarde in den 20er-Jahren hatte – handfeste Skandale bei Aufführungen avantgardistischer Musik zumal in Paris waren keine Seltenheit – und wie leicht sie es bereits 1970 hatte (und heute noch hat). «Die heutige Avantgarde kann man nicht mehr mit der früheren vergleichen», äussert Walter Furrer im Interview. «Heute legt man ihnen die Hände unter die Füsse, damals gab es nichts zu lachen.»

Walter Furrer habe, so Walter Kläy, während des Interviews sehr ernst, konzentriert und, das sei ihm besonders aufgefallen, bedrückt gewirkt. Dies erklärt sich aus der in der Tat deprimierenden Situation, in der sich der alternde Komponist damals befand. Mit seinen Werken hatte er zwar viel Aufmerksamkeit und oft warmen Beifall, aber nicht das erreicht, was man als eigentlichen Durchbruch bezeichnet. Zudem vermisste er die Arbeit beim Radiosender, für den er nur noch freiberuflich als Leiter des Kammerchors tätig war. Hinzu kam noch, dass ebendieser künstlerisch hochstehende Kammerchor – beim Festival international de chant choral am 10./11. Oktober 1962 in Lille hatte er sich unter 59 Teilnehmern den dritten Preis ersungen – bereits 1970 von der Auflösung bedroht war. Alle Versuche, diese Entwicklung aufzuhalten, waren vergeblich, Ende 1972 verschwand er definitiv von der Bildfläche.

 

Ich danke Klaus Cornell und Walter Kläy sehr herzlich, dass sie mir diese Gespräche ermöglicht haben.

Jean Nyder: Pianist, Komponist und Poet

Der Neuenburger hat ein beachtliches Werk an Klavier- und Kammermusik hinterlassen, ebenso Gedichte.

Zwei Gedichte aus diesem Gedichtband sind am Ende dieses Beitrags zitiert. Foto: zVg

Seine drei gedruckten Gedichtbände sind erhältlich im Réseau Romand des bibliothèques de Suisse occidentale (RERO) und in der Schweizerischen Nationalbibliothek. Seine Kompositionen warten darauf, wieder aufgeführt zu werden. Für Informationen kann die Bibliothek des Conservatoire de musique neuchâtelois kontaktiert werden. Nyder schrieb auch für besondere Besetzungen mit Orgel, Cembalo, Oboe, Klarinette, Flöte, Gitarre, Stimme usw.

Charakterisierung

«De la mort l’amour est prélude» ist ein charakterisierender Ausspruch des im Februar 1982 von uns geschiedenen Neuenburgers Jean Nyder.

Für den rastlosen Klavierinterpreten, Komponisten, Dichter und Pädagogen war das Leben Liebe suchen und leiden. 1923 in Neuenburg geboren, zeigte Jean Nyder (ursprünglich Ernest Jean Niederhauser)  schon früh erstaunliche pianistische Fähigkeiten. Nach dem Gymnasium errang er in Genf das Diplôme de capacité und in Paris den Prix de virtuosité.

Über seine Ausbildung im Interview des welschen Fernsehens sagte er1968: «Ich hatte das Glück, von zwei deutlich gegensätzlichen Lehrern unterrichtet worden zu sein. Johnny Aubert war streng klassisch, aufbauend, extrem objektiv; und Alfred Cortot überprüfte diese ganz klassische Arbeit mit seinem aussergewöhnlich transzendenten Überblick – er war ein unersetzbarer Poet.» Über seine Meinung zur heutigen Interpretationsweise romantischer Musik befragt, meinte er: «Das menschliche Wesen ist in einem aussergewöhnlichen Dilemma. Es hat von Natur aus unbegrenzte Möglichkeiten, aber nicht sofort und in jedem Moment. Man verlangt von einem Interpreten eine derartig perfekte Präzision, ein grosses Repertoire und eine ungeheure Verfügbarkeit, dass fatalerweise manchmal keine innere Entwicklung, Entfaltung der Musik und des Musikers stattfinden kann; denn es gibt keine Wesen, die alle Gaben im Extrem besitzen. Ich spreche damit nicht von der Musikalität, sondern vom Gedanken, der sich hinter der Musik verbirgt, von der Stille, die der Musik vorausgeht.»

Jean Nyder konnte tausend Farben aus dem Klavier zaubern und den Zuhörer durch das Bewusstmachen des Hintergründigen beglücken. Er konzertierte in der Schweiz, in Frankreich, Portugal und Brasilien.

Zurück von diesen Reisen, wandte er sich einem grossen Schülerkreis zu. Er gab Hausunterricht in Bern, Biel, Neuenburg, Lausanne, Yverdon und Genf und nutzte zum Reisen die Eisenbahn wie in Paris die Metro. Mit freundschaftlicher Liebe und Einfühlungsvermögen verstand er, auch bescheidensten Talenten zu künstlerischem Ausdruck zu verhelfen. Ein ehemaliger Schüler schreibt: «Jeder Mensch gab Jean Nyder ein Rätsel auf, dem er auf den Grund gehen wollte. Der ebenso mathematisch wie psychologisch Begabte versuchte, die menschlichen Gleichungen zu lösen. Er strahle grosse Güte aus, und hatte eine geballte Kraft in sich, die fast jeden anzog. Jean Nyder weigerte sich, Menschen nach äusseren gesellschaftlichen Kriterien einzuteilen; für ihn bildeten alle zusammen einen Organismus, dem er schlichterweise auch angehörte. Er sah im Menschen einen Teil des Kosmos, den er als Künstler interpretierte. Er war ein Magier, der uns die Kunst vorlebte und uns damit entzückte.»

In der Eisenbahn und nach Mitternacht komponierte er. 1968 führte er aus: «Seit vier Jahren habe ich mir angewöhnt, nur drei Stunden zu schlafen. Ich liebe das Komponieren. 128 Klavierstücke sind bis jetzt entstanden. Ich hatte, um alles zu untermauern, zu klären und klassisch zu bleiben den ausgezeichneten Lehrer Charles Chaix, der sehr streng war. Das hat mir erlaubt, herauszusieben, was zu spontan war.»

1964 schrieb Jean Nyder Musik für einen Expo-Film, 1966 für einen Film über den Zirkus Knie, wobei ihn sowohl die Sekundenpräzision, mit der die Musik mit den Filmsequenzen übereinstimmen musste, als auch die Zirkusatmosphäre faszinierten. Zu letzterer sagte er: «Sie ist eine ausserordentliche Lektion moralischen und physischen Gleichgewichts.»
Seine Kammermusikwerke haben eigenwillige Besetzungen, z. B. das 1977 entstandene Quintett mit dem Namen Sphère cubique ist für Flöte, Oboe , Geige, Cello und Cembalo. Farbig und dicht ist die Harmonik, mit der er das im Grunde tonal gehaltene Melodiegewebe aussetzt.
Nach langen Stunden des Komponierens und Unterrichtens regte sich im Nimmermüden auch der Dichter. In den Sechzigerjahren erschienen von ihm drei Bände Gedichte und Prosa: Silence et carrousel, Clavier de couleur und Kaleidoscope. In letzterem steht: «Ich suchte vergeblich eine Gedichtsammlung nach meinem Herzen, so beschloss ich, sie zu schreiben. Silence et carrousel fiel auf mich wie ein vielfarbiger Regenschauer.» Im Interview führt er weiter aus: «Ich sagte mir schon sehr jung, das Glück auf Erden müsste darin bestehen, so stark sich selbst zu sein, um etwas Unersetzliches schaffen zu können. Diese Möglichkeit läge in der Reichweite jedes Menschen, wenn er sich dessen nur bewusst wäre. Ich glaube nämlich nicht, dass Musiker oder Dichter ausserordentliche Menschen sind.»

Jean Nyder fühlte sich vielseitigen Zeitgenossen wie Picasso, Cocteau, Strawinsky und leidenden Vorgängern wie van Gogh, Rimbaud, Baudelaire stark verbunden und kannte ihre Werke sehr gut. In seiner Poesie ist denn auch in starken Farben vom Leiden, von Zirkus und Clowns, vom tragischen Lebenskarussell die Rede; vom Tanz der aufgesetzten Masken und vom tapferen Lächeln, das sich trotz allem hie und da dahinter zeigt.
Das Journal de Bord für Klavier und Violine, entstanden 1977–79, enthält autobiografische Züge. In seiner Widmung an Walter Amadeus Ammann schreibt er: «Ich offeriere dir dieses ‹Stürmische Tagebuch›. Unnötig, es ins Feuer zu werfen! Es würde geradewegs wieder und wieder heraustreten. Erst vor zwei Jahren entschloss ich mich, es ganz heiss auszugraben, daran meine Pfeife anzuzünden, meine Freundschaften, schwarzen Ängste und weissen Freuden wieder aufleben zu lassen. Übrigens – du weisst es gut – ist mein Werk ein indirektes Bekenntnis, ein ‹maskierter Schrei›, der sich trotzdem aus nächster Nähe ausstossen lässt. Die fünf Karten oder Standarten, die du unter den Augen hast, habe ich gemeisselt, graviert indem ich an dein subtiles Ohr und an deinen diabolisch-magischen Bogenstrich dachte … mögen unsere Blindheiten von Geburt an uns erlauben, noch ein kleines Stück der Ewigkeit an der warmen Sonne der freien Heiterkeiten und aller möglichen Geheimnisse entlang zu gehen.

verfasst am 6. Juni 1982 von Amadé und Iniga Ammann

Notice biographique

Ernest Jean NIEDERHAUSER, fils de Alfred Ernest Niederhauser et de Marie Suzanne, née Richter, est né le 18 octobre 1923.

Originaire de Neuchâtel, il a vécu toute sa vie dans cette ville, dans le même immeuble, chez ses parents, à la rue de la Côte 107. Originaire de Neuchâtel et Wyssachen BE.

Etudes primaires à Neuchâtel (Collège des Parcs) et secondaires (Collège latin).

A commencé ses études de piano à l’âge de 4 ans. Son premier professeur fut à Neuchâtel M. Pierre Jacot. Poursuivit sa formation au Conservatoire de Genève avec le pianiste Johny Aubert et Charles Chaix pour la composition.

Il se rendit ensuite à l’Ecole normale de musique à Paris, où il fut entre autres, l’élève du grand pianiste Alfred Cortot.

Revenant en Suisse, Jean NYDER (son nom «de guerre») commença une carrière de professeur et par la suite de compositeur. Il aimait la musique de chambre et donna plus de 300 concerts en duo avec le violoniste Paul Druey de Genève.

Il publia également des recueils de poèmes.

Pour le surplus, consulter sa liste des œuvres.

Il est décédé à Neuchâtel le 12 février 1982.

Yann Richter

 

Werkverzeichnis (PDF)

«Journal de Bord» von Jean Nyder, aufgeführt 2015, Alexandre Dubach, Violine, und Felix Koller, Klavier (Weiterleitung zu Youtube)

Uraufführung von 1982 des fünfteiligen «Journal de Bord» (Weiterleitung zu Youtube)

 

Deux poêmes, extrait de
JEAN NYDER, LE CLAVIER DE COULEUR

Un cœur sous la neige

La cathédrale en sucre où l’orgue fraîche joue
Ses gammes de glace, ses violets accords ;
Un cœur très étonné dans la gorge s’enroue,
Se cogne à l’infini dans un chaud corps à corps.

Cosmos bien déguisé; j’aime son nouveau masque,
Son bruit de silence… plus loin que tout lointain;
Un théâtre d’amour se neige dans le risque,
Me dit son verbe rouge au plus glacé matin.

Je savoure mon luxe et mon costume mauve.
Ma guitare est cassée et pourtant chante mieux!
Je recolle mon cœur qui par le toit se sauve…
… Son soleil est en fête et flambe à qui mieux mieux.

Neige ! Sous toi tressaille un lourd « Jadis » en miette…
… Me hurle l’oiseau mort un presque bleu-futur.
Dans le port un navire attend; il fait la sieste;
Et si le banjo dort… Il rêve. J’en suis sûr.

Il me reste ma peau pour sculpter une danse…
Et mon cœur qui d’amour se conjugue au présent.
Ma maison rit sous neige et j’ai bien de la chance
D’être enterré tout vif et pourtant… si vivant!!

Tout compte fait…

Clavier de couleur est la nature
Et virtuose l’homme apprenti;
Mais chef-d’œuvre sera la rature
Qui donne vie au décor abruti.

Clavier de sons: Musique du vide
Et virtuose l’homme ignorant
Qui tisse un arpège et le dévide
En jouant sa gamme à contre-courant.

Clavier d’Aujourd’hui: nos ris, nos larmes
Et virtuose l’homme inconnu
Qui sur la scène croise les armes
Pour mieux rertanspercer le décor nu.

Clavier de Toujours: la mort, la vie
Et virtuose l’homme hasardeux
Qui pressent qu’au festin le convie
Son court poème qui danse entre deux.

Clavier aux mille feux: Toi ! folle poésie…
Et lentes à tes yeux nos virtuosités ;
Mais sans fin, sans repos: Ton règne de magie
Qui redonne à l’instant couleur d’Eternité.

«Le chiese di Assisi» von Walter Furrer

Heinz-Roland Schneeberger führte die Komposition «Le chiese di Assisi, nove visioni musicali per organo» am 13. Juli 1973 erstmals vollständig auf. Eine Begegnung.

Heinz-Roland Schneeberger und Beatrice Wolf-Furrer. Foto: Beat Sieber

1973 hielt Walter Furrer (1902–1978) den tiefen Eindruck, den die neun Kirchen der umbrischen Stadt Assisi in ihm ausgelöst hatten, in der Komposition Le chiese di Assisi, nove visioni musicali per organo fest. Obwohl die Orgel nicht sein hauptsächliches Medium war, griff er, sobald es um die musikalische Umsetzung ausgeprägt spiritualistischer Erlebnisse ging, unweigerlich zu diesem Instrument.

Da ich mich seit 2014 intensiv um die Wiederbelebung des – von der Burgerbibliothek Bern verwalteten – Furrerschen Oeuvres bemühe, sind mir auch Kontakte mit Musikern wichtig, die meinen Vater noch gekannt haben. Von dem Organisten Heinz-Roland Schneeberger wusste ich, dass er noch lebte, doch gelang es mir zunächst nicht, ihn ausfindig zu machen, auch im Internet war er nicht präsent. Schliesslich erfuhr ich aus Fachkreisen, dass er sich in der Altersresidenz Bellevue-Park in Thun aufhalte.

Und so kam es am Samstagnachmittag, dem 5. Dezember 2015, in der eleganten Lounge des Bellevue-Parks zu einer persönlichen Unterhaltung. Unterstützt wurde ich dabei von Beat Sieber, dem Geschäftsführer des Berner Kammerorchesters und Sekretär des im Juli 2015 gegründeten Fördervereins Komponist Walter Furrer, der das Gespräch fotografisch und filmisch festhielt und sich auch mit einigen Fragen daran beteiligte.

Während des knapp einstündigen Gesprächs erfuhr ich einige wichtige Details. Der Organist, 1928 geboren, liess sich am Seminar Muristalden zum Primarlehrer ausbilden und war bis zu seiner Pensionierung 1993 an verschiedenen Schulen in der Schweiz tätig, die wichtigsten Stationen waren St. Moritz und Herisau.

Als Fünfzehnjähriger kam er erstmals mit dem Instrument in Kontakt, dem er ein Leben lang treu bleiben sollte. Am Seminar, in dem, wie damals üblich, auch Gottesdienste mit musikalischer Umrahmung stattfanden, erhielt er seinen ersten Unterricht. Später setzte er am Konservatorium Zürich seine Orgelstudien fort, wo der damalige Fraumünster-Organist Heinrich Funk sein Lehrer war, und bei Heinrich Gurtner, dem langjährigen Organisten des Berner Münsters, erwarb er schliesslich das Konzertdiplom. In der Folge entfaltete er, neben dem pädagogischen Brotberuf, eine rege Konzerttätigkeit als Organist in der ganzen Schweiz und teilweise auch im Ausland.

Heinz-Roland Schneeberger. Foto: Beat Sieber

Zurück zu Walter Furrer: In den sechziger Jahren lernte er durch seine zweite Ehefrau, die Sopranistin Margreth Furrer-Vogt, Heinz-Roland Schneeberger kennen, der zum Hauptinterpreten seiner Orgelkompositionen wurde. Sie hatte schon längere Zeit mit Schneeberger zusammengearbeitet und sich dabei insbesondere mit Kompositionen von Hans Studer profiliert. Walter Furrer war vom Orgelspiel Schneebergers begeistert und machte ihn mit seinem eingangs erwähnten Werk Le chiese di Assisi, nove visioni musicali per organo bekannt.

Am 13. Juli 1973 hob Heinz-Roland Schneeberger in der Lausanner Kathedrale den gesamten Chiese-Zyklus aus der Taufe. Am 2. August des gleichen Jahres brachte er ihn in der St. Baafskathedraal in Gent (Belgien) im Rahmen eines grossen Orgelkonzerts, bei dem, wie sich der Organist noch genau erinnert, auch das Ehepaar Furrer-Vogt anwesend war. 1974 und 1975 folgten Aufführngen im Berner Münster sowie in der Kathedrale Chur, wobei nur Teile der Chiese-Komposition dargeboten wurden. Nach dem gleichen Prinzip verfuhr Schneeberger auch in den USA, wo er im Oktober 1980, also gut zweieinhalb Jahre nach Walter Furrers Tod, an vier Aufführungsorten jeweils die auf die Kirchen Santa Chiara und San Rufino bezogenen visioni spielte.

Dieser Kontakt war, wie der Organist berichtet, im Engadin durch einen guten Bekannten, den nach Amerika ausgewanderten Schweizer Organisten Frank Herand, zustande gekommen. Dieser organisierte die vier Konzerte, und zwar unter folgenden zwei Bedingungen: Es sollte «kein Bach» gespielt und ein zeitgenössischer Schweizer Komponist vorgestellt werden. So kam es, dass die beiden genannten visioni auch in überseeischem Gebiet erklangen.

Es sei noch erwähnt, dass Heinz-Roland Schneeberger auch den 142. Psalm für Sopran und Orgel, den Walter Furrer 1967 unter dem Eindruck des Sechs-Tage-Krieges schrieb, zusammen mit Margreth Furrer-Vogt gestaltete. Er erinnere sich noch genau an das Konzert, das am 28. August 1970 in der Schlosskirche Interlaken stattfand und dem Komponisten wie den Interpreten viel Anerkennung einbrachte.

Wie Walter Furrer als Mensch auf ihn gewirkt habe, fragte ich abschliessend den Organisten. Impulsiv und ungeduldig sei er gewesen, antwortete Herr Schneeberger, und beim Orgelspiel habe er ihn durch hörbare Reaktionen bisweilen etwas gestört. Aber im grossen Ganzen habe er ihn gemocht.

Vielen Dank, lieber Herr Schneeberger, dass Sie dieses Gespräch ermöglicht haben.

Walter Furrer

Furrer wurde am 28. Juli 1902 in Plauen im Vogtland geboren. Seine Eltern waren der Schweizer Ingenieur Adolf Furrer und Martha Furrer-Riedel, die älteste Tochter des Lehrers und vogtländischen Mundartdichters Louis Riedel.

Walter Furrer. Foto: zVg

Artikel in der Schweizer Musikzeitung

Meine Studienjahre in Paris (SMZ November 2014)
Autobiografische Aufzeichnungen von Walter Furrer

«Ausgezeichnet, aber er übt zuviel» (SMZ 11/2014, S. 5 f., PDF)
Beatrice Wolf-Furrers Zusammenfassung von Walter Furrers autobiografischen Aufzeichnungen «Meine Studienjahre in Paris»

Ein zu Unrecht vergessener Komponist (SMZ Januar/Februar 2016, Print, PDF)
Notiz zu Leben und Werk Walter Furrers (1902-1978), eines zu Unrecht vergessenen Schweizer Komponisten von Beatrice Wolf-Furrer

Heinz-Roland Schneeberger erinnert sich an Walter Furrer (SMZ Januar 2016, Web)
von Beatrice Wolf-Furrer

Klaus Cornell und Walter Kläy erinnern sich (SMZ Mai 2016, Web)
von Beatrice Wolf-Furrer

Walter Furrer und Antony Morf (SMZ Januar 2017, Web)
von Beatrice Wolf-Furrer

Das Walter-Furrer-«Revival» (SMZ Februar 2021, Web)
Konzerte, Aufnahmen und Publikationen der letzten Jahre
von Beatrice Wolf-Furrer

 

Links

Website Walter Furrer

Wikipedia

https://neo.mx3.ch/walterfurrer

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